VG Koblenz, Urteil vom 22.01.2021 - 2 K 285/20.KO
Fundstelle
openJur 2021, 12903
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25. März 2019 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 19. Juni 2019 verpflichtet, dem Kläger schulische und berufliche Förderung für einen Zeitraum von 36 Monaten zu gewähren.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in noch festzusetzender Höhe abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm schulische und berufliche Förderung gemäß § 5 Soldatenversorgungsgesetz - SVG - für den Zeitraum von 36 Monaten anstatt der bewilligten 18 Monate zu gewähren.

Seit dem 1. Dezember 2017 steht der Kläger als Soldat auf Zeit - SaZ - im Dienst der Beklagten. Dieses Dienstverhältnis endet am 21. Mai 2021 (3 Jahre 5 Monate 21 Tage). In der Zeit vom 1. September 2000 bis zum 30. Juli 2002 (1 Jahr 11 Monate) leistete er Grundwehrdienst bzw. freiwilligen Wehrdienst und war danach in Abständen Reservedienstleistender. Seine Dienstzeit wurde einschließlich der Reservedienstleistungen in der Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses vom 16. Mai 2018 auf 8 Jahre 95 Tage (bis zum 21. Mai 2021) festgesetzt. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25. März 2019 wurde sein Anspruch auf schulische und berufliche Bildung nach § 5 SVG auf 18 Monate festgesetzt. Dabei hat die Beklagte gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 2 SVG eine Wehrdienstzeit von 5 Jahren 4 Monaten und 21 Tagen ihrer Berechnung zugrunde gelegt. Die Zeiten als Reservedienstleistender fanden hierbei keine Berücksichtigung.

Am 4. April 2019 legte der Kläger dagegen Beschwerde ein, die mit Beschwerdebescheid vom 19. Juni 2019 zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde ihm wegen eines zwischenzeitlichen Auslandeinsatzes am 27. Februar 2020 per PZU zugestellt.

Am 27. März 2020 hat der Kläger Klage erhoben.

Er macht geltend, der Zeitraum für schulische und berufliche Förderung sei zu Unrecht unter Außerachtlassung der Zeiten als Reservedienstleistender berechnet worden. Statt der bewilligten 18 Monate stünden ihm gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 5 SVG 36 Monate Förderanspruch zu. Maßgeblich für die Berechnung des Anspruchs sei danach die Wehrdienstzeit. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 SVG gehöre zur Wehrdienstzeit auch der geleistete Dienst als Reservist. Denn dieser stelle gemäß § 4 Wehrpflichtgesetz - WehrPflG - eine Form des Wehrdienstes dar. Sein Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit sei auf der Grundlage des § 40 des Soldatengesetzes - SG - begründet worden, so dass er aufgrund dessen eine Dienstzeitfestsetzung als SaZ 8 erhalten habe. Bei dieser Dienstzeitfestsetzung seien auch die Zeiten als Reservist einberechnet worden. Gemäß § 13 a SVG sei er daher versorgungsrechtlich so zu behandeln, als läge ein einheitliches Dienstverhältnis unter Berücksichtigung der Gesamtdienstzeit vor. § 13 a SVG sei nicht zu entnehmen, dass Reservedienstzeiten aus der Gesamtdienstzeit herauszurechnen wären. Die Wiedereinstellung habe er überhaupt nur unter der Prämisse vorgenommen, dass er mit einer Verpflichtungszeit von 8 Jahren eingestellt worden sei. Hinzu komme, dass die Einstellung in einen höheren Dienstgrad als Offizier aufgrund der geleisteten Reservedienstleistungen erfolgt sei und nicht aufgrund eines abgeschlossenen Hochschulstudiums. Es sei daher kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb ausgerechnet im Zusammenhang mit der Berechnung des Förderungsdienstes der Begriff der Gesamtdienstzeit abweichend ausgelegt werden solle. Hierdurch entstehe eine inkohärente Rechtslage. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch keine Benachteiligung anderer Reservedienstleistender, die im Anschluss daran keine SaZ werden, festzustellen. Es sei bereits keine vergleichbare Lage gegeben. Wesentlicher Unterschied sei die Verpflichtung als Zeitsoldat, zu welcher sich jeder Reservist freiwillig und eigenverantwortlich entscheiden könne. Wer sich gegen eine solche dauerhafte Bindung an den Dienstherrn entscheide, könne auch nicht dieselben Vorteile in Anspruch nehmen, wie ein Zeitsoldat.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. März 2019 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 19. Juni 2019 zu verpflichten, ihm schulische und berufliche Förderung für einen Zeitraum von 36 Monaten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Berechnung der Förderungsdauer sei zutreffend anhand der gültigen Gesetzeslage erfolgt. Bei der Berechnung der Berufsförderungsansprüche im Falle von Wiedereinstellern wie dem Kläger, sei § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG zu beachten. Damit habe der Gesetzgeber festgelegt, dass für die Bestimmung der in Rede stehenden Ansprüche die Gesamtdienstzeit der in dieser Vorschrift abschließend aufgeführten Zeiten als Soldat maßgeblich sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift seien Zeiten der Reservedienstleistung davon nicht erfasst. Diese Auslegung stimme auch mit der Gesetzeshistorie überein. Die Vorgängerregelung habe ebenfalls nur die Berücksichtigung früherer Dienstzeiten als SaZ vorgesehen. Die Regelung sei geschaffen worden, um eine Doppelversorgung von Soldaten auf Zeit im Falle ihrer Wiederverwendung zu verhindern. Zudem hätten durch die Aussetzung der Pflichtdienste im Wehrpflichtgesetz und dem gleichzeitigen Bestreben der Fortentwicklung des freiwilligen Wehrdienstes der Grundwehrdienst und der freiwillige zusätzliche Wehrdienst nicht nur bei Ansprüchen auf Dienstzeitversorgung, sondern auch bei den Ansprüchen auf Berufsförderung berücksichtigt werden sollen. Eine insoweit systemwidrige Privilegierung von Reservedienstzeiten habe der Gesetzgeber hingegen nicht herbeiführen wollen. Es widerspräche dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Reservedienstzeiten nur bei Wiedereinstellung zu Versorgungsansprüchen führen würden, bei Reservedienstleistern, die nicht als SaZ eingestellt werden, hingegen nicht. Für die von ihr vertretene Rechtsauffassung spreche auch der klare Wortlaut der Regelung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG, der - im Gegensatz zu § 13 b SVG - § 2 SVG gerade nicht mit einbeziehe. Zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Würzburg (Urteil vom 23. Juli 2019 - W 1 K 19.281 -, juris, Rdnr. 18) und des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (Urteil vom 2. Juni 2020 - 2 K 1534/19.WI -, n.v.), auf die der Kläger sich berufe, nicht rechtskräftig seien. Gegen beide Urteile habe die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt. Diesem Antrag habe der Bayerische VGH mit Beschluss vom 15. September 2020 - 14 ZB 19.1812 - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung des VG Würzburg stattgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Hefte) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Der Kläger hat Anspruch auf 36 Monate schulische und berufliche Förderung im Sinne des § 5 Abs. 4 Nr. 5 SVG. Soweit der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 25. März 2019 ihm dies über eine Förderungsdauer von 18 Monaten hinaus verwehrt, erweist sich der Bescheid in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 19. Juni 2019 als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte war daher unter Abänderung des Bescheides zu verpflichten, dem Kläger schulische und berufliche Förderung im Umfang von 36 Monaten zu gewähren (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Förderungsanspruch sind die §§ 5 Abs. 1 und 4; 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG.

Gemäß § 5 Abs. 1 SVG haben SaZ, die nicht Inhaber eines Eingliederungsscheins sind, dem Grunde nach Anspruch auf Förderung ihrer schulischen und beruflichen Bildung nach der Wehrdienstzeit, wenn sie für die Dauer von mindestens 4 Jahren in das Dienstverhältnis eines SaZ berufen worden sind. So verhält es sich im Falle des Klägers. Er ist SaZ, nicht erkennbar Inhaber eines Eingliederungsscheins und für die Dauer von mehr als 4 Jahren in das Dienstverhältnis berufen worden.

Der Höhe nach richtet sich der Anspruch gemäß § 5 Abs. 4 SVG nach der Wehrdienstzeit. Nach der Legaldefinition des Begriffs der Wehrdienstzeit in § 2 SVG ist Wehrdienstzeit nach diesem Gesetz die Zeit vom Tage des tatsächlichen Dienstantritts in die Bundeswehr bis zum Ablauf des Tages, an dem das Dienstverhältnis endet. Hiervon sind - was unter den Beteiligten nicht strittig ist - sowohl der vom Kläger abgeleistete Grundwehrdienst, der freiwillige Wehrdienst im Anschluss an den Grundwehrdienst, Zeiten als Reservedienstleistender und Zeiten als SaZ erfasst, mithin im Falle des Klägers insgesamt 8 Jahre und 95 Tage (SaZ 8). Demnach stehen ihm gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 5 SVG grundsätzlich bis zu 36 Monate Anspruch auf schulische und berufliche Förderung zu.

Aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nichts Anderes. Diese Vorschrift erfasst entsprechend ihrer Überschrift "Berücksichtigung früherer Dienstverhältnisse" die Fälle der sog. Wiedereinsteller. Hierunter sind Soldaten auf Zeit zu verstehen, die - wie der Kläger - vor ihrer Berufung in das Dienstverhältnis unter anderem bereits Grundwehrdienst (§ 5 WehrPflG) und freiwilligen Wehrdienst im Anschluss an den Grundwehrdienst nach § 6 b WehrPflG geleistet haben. In diesen Fällen - und so auch hier - bestimmen sich gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG unter anderem die Ansprüche auf Berufsförderung im Sinne des § 5 SVG nach der Gesamtdienstzeit. Dabei sind entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten bei der Ermittlung der Gesamtdienstzeit auch die vom Kläger zuvor absolvierten Reservedienstzeiten mit in die Berechnung einzubeziehen (so auch VG Würzburg, Urteil vom 23. Juli 2019, a.a.O., Rdnr. 18; VG Wiesbaden, Urteil vom 2. Juni 2020, a.a.O.; vgl. aber auch offengelassen BayVGH, Beschluss vom 15. September 2020 - 14 ZB 19.1812 -, n.v.).

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten führt der Wortlaut des § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG nicht dazu, dass Reservedienstzeiten bei der Bestimmung der Gesamtdienstzeit außer Betracht zu bleiben hätten und diese sich nur nach den in § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG ausdrücklich genannten Dienstzeiten bemisst. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist lediglich darauf gerichtet festzustellen, aus welchen Wehrdienstverhältnissen eine Wiedereinstellung möglich ist und bei denen es im Falle der Wiedereinstellung erforderlich ist, aufgrund im Anschluss an die früheren Wehrdienstverhältnisse bereits erbrachter Übergangsbeihilfen oder Dienstzeitversorgung zur Vermeidung von Doppelversorgungen Anrechnungsbestimmungen im Sinne von Kürzungsregelungen zu schaffen (vgl. Bohn, Gerald, Dienstzeitversorgung der Soldaten auf Zeit, 4. Ergänzung zur 3. Auflage, Stand 5. Juni 2018, Rdnr. 224 c; VG Würzburg, a.a.O., Rdnr. 19; VG Wiesbaden, a.a.O.). Dass sich die Gesamtdienstzeit hingegen in Abweichung zu §§ 5 Abs. 4; 2 Abs. 1 SVG auch nur aus den in § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG genannten Zeiten ergibt, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift hingegen nicht entnehmen.

Darüber hinaus spricht auch der Vergleich mit dem Wortlaut des § 13 b Abs. 1 Satz 1 SVG für die Einbeziehung der Reservedienstzeiten. Beide Vorschriften verwenden den Begriff der Gesamtdienstzeit. Diese stellt hierbei zumindest nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 13 b Abs. 1 Satz 2 SVG, der ausdrücklich auf § 2 SVG Bezug nimmt, keinen eigenständigen Begriff gegenüber der Wehrdienstzeit im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift dar. Die Gesamtdienstzeit ist vielmehr ein sprachliches Synonym für die "gesamte (Wehr-)Dienstzeit", lediglich in Gestalt eines substantivischen Ausdrucks. Die Notwendigkeit, in § 13 b Abs. 1 Satz 1 SVG im Zusammenhang mit der Dienstzeit den Begriff "gesamt" zu verwenden, ergibt sich aus dem Ziel dieser Norm, die Bezugsdauer der dortigen Versorgungsleistungen in dem Verhältnis zu kürzen, das der Zeit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge zur gesamten Dienstzeit entspricht. Dabei handelt es sich jeweils um die Dienstzeit, die der Wehrdienstzeit im Sinne des § 2 SVG entspricht (VG Würzburg, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 27. November 2015 - 5 Bf 201/14.Z -, juris). § 13 a und § 13 b SVG wurden durch die gleiche Gesetzesänderung in das SVG eingeführt. Aufgrund desselben Wortlauts ist davon auszugehen, dass der Begriff der Gesamtdienstzeit in beiden Normen nach dem gesetzgeberischen Willen gleich anzuwenden ist. Ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille ist nicht ersichtlich. Auch ist ein solcher nicht aus dem Umstand abzuleiten, dass § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG anders als § 13 b Abs. 1 Satz 1 SVG nach dem Begriff der Gesamtdienstzeit nicht ausdrücklich auf § 2 SVG verweist. Aufgrund des gleichen Wortlauts kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein redaktionelles Versehen gehandelt hat, dass bei § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG kein expliziter Verweis auf § 2 SVG vorgenommen wurde (VG Würzburg, a.a.O.; OVG Hamburg, a.a.O.).

Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, es handele sich bei diesen Vorschriften um solche mit unterschiedlichen Regelungsinhalten mit der Folge, dass diese unabhängig voneinander ausgelegt und angewendet werden müssten. Denn es handelt sich bei beiden Vorschriften der Sache nach in erster Linie um Kürzungsregelungen betreffend die Ansprüche unter anderem nach § 5 SVG im Falle einer Wiedereinstellung als SaZ. Dabei gibt es durchaus Fallgestaltungen, in denen beide Vorschriften kumulativ anzuwenden sind. Gerade in diesen Fällen wäre es widersprüchlich, bei der Anwendung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG dem Begriff der Gesamtdienstzeit eine andere Bedeutung beizumessen, als bei Anwendung des § 13 b Abs. 1 Satz 1 SVG. Dies würde nämlich dazu führen, dass die Reservedienstzeiten zunächst bei der Anwendung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG (zum Nachteil des Soldaten) außer Betracht zu bleiben hätten, während sie sodann bei Anwendung des § 13 b Abs. 1 Satz 1 SVG in ein- und demselben Fall zu berücksichtigen wären. Die Berücksichtigung/Nichtberücksichtigung der Reservedienstzeiten kann nach Auffassung der Kammer insoweit nur einheitlich geregelt werden. Bei verständiger Betrachtungsweise kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber werde innerhalb ein- und desselben Gesetzeswerkes bestimmten Begrifflichkeiten sehenden Auges unterschiedliche Bedeutungen beimessen. Dies würde eine sachgerechte Umsetzung des Gesetzes für jeden Rechtsanwender und auch für die gerichtliche Kontrolle wesentlich erschweren, verbunden mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber gehalten ist, etwa beabsichtigte Einschränkungen bei der Bestimmung der Förderungsdauer von Wiedereinstellern klar und unmissverständlich zu regeln. Insbesondere mit Blick auf den im Soldatenversorgungsrecht geltenden Grundsatz der Gesetzesakzessorietät (vgl. § 1 a SVG) ist für einen restriktiven, hinter dem Wortlaut der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen zu Lasten des Soldaten zurückbleibenden Gesetzesvollzug kein Raum.

2. Auch der Sinn und Zweck der Regelung (a)), ihre systematische Stellung (b)) und ihre historische Entwicklung (c)) sprechen nach Auffassung der Kammer gegen die Annahme, Reservedienstzeiten seien von dem Begriff der Gesamtdienstzeit im Sinne des § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG nicht erfasst.

a) Wie die Beklagte bereits zutreffend hervorgehoben hat, diente die Vorschrift bei ihrer Einführung und auch heute noch dem Zweck, in den Fällen der Wiedereinsteller als SaZ unerwünschte Doppelversorgungen zu vermeiden. Hierzu kann es bei bloßer Anwendung des § 5 Abs. 4 SVG kommen, weil in den Ziffern 1. bis 9. dieser Vorschrift, die die Bezugsdauer der Förderung in Abhängigkeit von der Dauer der Wehrdienstzeit regelt, eine im Verhältnis zur Gesamtdienstzeit disproportionale Staffelung der Förderungsdauer festgelegt ist, die zudem auf bis zu maximal 60 Monate gedeckelt ist (vgl. § 5 Abs. 4 Nr. 9 SVG). Da gemäß § 40 Abs. 1 SG die Begründung eines Dienstverhältnisses als SaZ bis zu maximal 25 Jahren zulässig ist, wäre es z.B. denkbar, dass zunächst ein Dienstverhältnis als SaZ 8 begründet würde, welches nach § 5 Abs. 4 Nr. 5 SVG einen Förderungsanspruch von bis zu 36 Monaten auslösen würde. Sofern der danach Begünstigte z.B. 5 Jahre nach Ablauf seiner ersten Zeit als SaZ ein weiteres Dienstverhältnis als SaZ 8 eingehen würde (Wiedereinsteller), so führte dies bei isolierter Anwendung des § 5 Abs. 4 Nr. 5 SVG zu einem erneuten Anspruch auf 36 Monate Förderung, in der Summe also 72 Monate. Dies stünde aber in einem Wertungswiderspruch zu § 5 Abs. 4 Nr. 9 SVG, dem zufolge bei 12 und mehr Jahren Wehrdienstzeit die Förderungsdauer auf 60 Monate begrenzt ist. Die Vermeidung derartiger Ergebnisse wird durch zwei Regelungselemente in § 13 a Abs. 1 SVG erreicht. So ist erstens bei Wiedereinstellern bei der Berechnung der Förderungsdauer die Gesamtdienstzeit maßgeblich (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG) und zweitens sind vorher bereits erbrachte Förderungsleistungen anzurechnen (§ 13 a Abs. 1 Satz 2 bis 7 SVG). Insofern bedurfte es nicht der Benennung der Reservedienstzeiten, weil hieraus keine anrechnungsfähigen Ansprüche auf Dienstzeitversorgung oder Entlassungsgeld erwachsen. Vielmehr bestehen für Reservisten - worauf die Vertreterin der Beklagten zutreffend in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - unter anderem in Bezug auf die mit der Reservedienstzeit verbundenen Einkommensnachteile - andere Absicherungsregularien. Dementsprechend besteht in Bezug auf die Ableistung von Reservedienstzeiten auch nicht die Gefahr einer Doppelversorgung mit der Folge, dass der Sinn und Zweck der Regelung des § 13 a Abs. 1 SVG auch nicht dazu nötigt, Reservedienstzeiten bei der Berechnung der Gesamtdienstzeit unberücksichtigt zu lassen.

b) Auch die systematische Beziehung zwischen §§ 5, 11 und 12 SVG einerseits und § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG andererseits spricht für die Annahme, dass mit dem Begriff der Gesamtdienstzeit nichts anderes als die Wehrdienstzeit im Sinne des § 2 Abs. 1 SVG gemeint sein kann. Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei § 5 Abs. 4 SVG um eine Grundnorm handelt, zu der § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG eine ergänzende Sonderregelung für die Fälle der Wiedereinsteller statuiert. Nach seinem eindeutigen Wortlaut bestimmt § 5 Abs. 4 SVG, dass die Förderungsdauer sich nach der Wehrdienstzeit bemisst, die aber - wie dargelegt - nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 SVG die Zeiten als Reservedienstleistender mit umfasst. Schon das Verhältnis als Grundnorm (§ 5 Abs. 4 SVG) zu ergänzender Regelung für Sonderfälle (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG) spricht gegen die Annahme, dass in § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG eine Abkehr vom Begriff der Wehrdienstzeit im Sinne des § 5 Abs. 4 SVG begründet werden sollte. Dieser Gedanke spiegelt sich auch in der Festsetzung der (Gesamt-)Wehrdienstzeit - hier SaZ 8 - unter Anrechnung der Zeiten als Reservedienstleistender wider. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, aus dem die Zeiten des Reservedienstes einerseits bei der Berechnung der Gesamtdienstzeit bei der Wiedereinstellung des Klägers als SaZ 8 berücksichtigt werden sollten (vgl. § 40 Abs. 6 SG), während sie bei der Bestimmung des Umfangs der aus dem Status SaZ 8 resultierenden Ansprüche auf schulische und berufliche Förderung außer Betracht zu bleiben hätten.

c) Auch aus der von der Beklagten ins Feld geführten historischen Entwicklung der Vorschrift des § 13 a SVG lässt sich nicht zwingend herleiten, dass der Begriff der Gesamtdienstzeit nur die in dieser Vorschrift explizit genannten Dienstzeiten umfasst. Zwar ist der Beklagten im Anschluss an die von ihr zitierte Entscheidung des Bayerischen VGH vom 15. September 2020 (a.a.O.) zuzugeben, dass der ursprüngliche Entwurf zum Soldatenversorgungsgesetz vom 26. Juli 1957 (BGBl I S. 785; BT-Drs. 2/2504, S. 30) ausgeführt hat, dass wehrpflichtige Soldaten keine Dienstzeitversorgung und Berufsförderung erhalten, dass davon auch bei Einführung des § 13 a SVG (Änderungsgesetz vom 28. Juli 1961, BGBl I S. 1085) auszugehen war und dass deshalb ursprünglich nur der Fall einer Wiederverwendung eines ehemaligen Soldaten auf Zeit in ein Dienstverhältnis auf Zeit von § 13 a SVG erfasst war (vgl. BayVGH, a.a.O.). Allerdings bleibt zu sehen, dass mit dem späteren Wegfall der Wehrpflicht - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - unter anderem aus Gründen der Attraktivitätssteigerung die in § 13 a Abs. 1 Satz 1 SVG genannten Wehrdienstzeiten sukzessive zusätzlich zu den Zeiten als SaZ in die Vorschrift aufgenommen wurden. In diesen Fällen trat der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Doppelversorgung aber in den Hintergrund, weil es sich der Sache nach mehr um eine Besserstellung jener Soldaten handelt, die sich im Anschluss an oder nach Ableistung der in der Vorschrift genannten Wehrdienstzeiten für eine Übernahme als SaZ entscheiden. Mit der vollen Anerkennung vorher geleisteter Wehrdienstzeiten auch bei der Berechnung der Ansprüche auf berufliche Förderung und Dienstzeitversorgung sollten erkennbar entsprechende Anreize geschaffen werden. Es ist daher kein Grund ersichtlich, aus dem mit Blick auf diese Entwicklung Reservedienstzeiten bei der Ermittlung der Gesamtdienstzeit unberücksichtigt bleiben sollten, auch wenn diese aus anderen Gründen folgerichtig (s.o. Ziffer I.2.a)) hier keine ausdrückliche Erwähnung gefunden haben.

Schließlich führt die hier vertretene Rechtsauffassung entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) von Reservedienstleistenden, die sich nicht dazu entschließen, ein Dienstverhältnis als SaZ einzugehen und dementsprechend nicht in den Genuss der in Rede stehenden Förderungsleistungen kommen. Hierzu hat der Kläger bereits überzeugend darauf hingewiesen, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Fallgruppen handelt und ein ("Nur-")Reservist nicht dieselben Ansprüche geltend machen kann wie ein SaZ, der sich über einen längeren Zeitraum an den Dienstherrn bindet.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

Die Berufung war nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1; 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte