Thüringer VerfGH, Urteil vom 16.12.2020 - 14/18
Fundstelle
openJur 2021, 12873
  • Rkr:

1. Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission vom 5. Januar 2005 (GVBl. S. 1) in der durch die Verordnung vom 4. April 2017 (GVBl. S. 120) geänderten Fassung ist mit der Thüringer Verfassung vereinbar.

2. Die Durchbrechung des parlamentsgesetzlich geregelten Systems der Aufenthaltsgewährung durch die Möglichkeit der Exekutive, auf Ersuchen einer Härtefallkommission eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis "an sich" nicht vorliegen, bedarf einer parlamentsgesetzlichen Regelung, die mit § 23a Aufenthaltsgesetz vorliegt.

3. Eine solche Durchbrechung ist mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, solange sie normativ als enge Ausnahme für tatsächlich vorliegende Härtefälle ausgestaltet ist und diesem Ausnahmecharakter in der praktischen Handhabung Rechnung getragen wird.

4. Die Tätigkeit der Härtefallkommission ist mit dem Demokratieprinzip vereinbar, weil sie nicht als Ausübung von Staatsgewalt zu qualifizieren ist und im Übrigen ihre andernfalls erforderliche demokratische Legitimation durch das Letztentscheidungsrecht der obersten Landesbehörde und das Zusammenwirken mehrerer Legitimationsstränge gewährleistet ist.

Tenor

1. Die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission vom 5. Januar 2005 (GVBl. S. 1) in der durch Verordnung vom 4. April 2017 (GVBl. S. 120) geänderten Fassung ist mit der Thüringer Verfassung vereinbar.

2. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

A.

Gegenstand des Verfahrens ist die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission vom 5. Januar 2005 (GVBl. S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. April 2017 (GVBl. S. 120) - im Folgenden: Verordnung.

I.

Die Antragstellerin des Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle ist die Fraktion der Alternative für Deutschland im Thüringer Landtag. Sie ist der Ansicht, dass die Verordnung mit der Verfassung des Freistaats Thüringen (ThürVerf) unvereinbar und damit nichtig ist. Dies begründet sie insbesondere damit, dass die bundesgesetzliche Ermächtigungsnorm und die Verordnung gegen das Grundgesetz verstießen.

II.

Die für das Verfahren maßgeblichen einfachrechtlichen Rechtsvorschriften sind:

§ 23a AufenthG vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950):

(1) Die oberste Landesbehörde darf anordnen, dass einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von den in diesem Gesetz festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel sowie von den §§ 10 und 11 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, wenn eine von der Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission darum ersucht (Härtefallersuchen). Die Anordnung kann im Einzelfall unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgen, ob der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist oder eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Die Annahme eines Härtefalls ist in der Regel ausgeschlossen, wenn der Ausländer Straftaten von erheblichem Gewicht begangen hat oder wenn ein Rückführungstermin bereits konkret feststeht. Die Befugnis zur Aufenthaltsgewährung steht ausschließlich im öffentlichen Interesse und begründet keine eigenen Rechte des Ausländers.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Härtefallkommission nach Absatz 1 einzurichten, das Verfahren, Ausschlussgründe und qualifizierte Anforderungen an eine Verpflichtungserklärung nach Absatz 1 Satz 2 einschließlich vom Verpflichtungsgeber zu erfüllender Voraussetzungen zu bestimmen sowie die Anordnungsbefugnis nach Absatz 1 Satz 1 auf andere Stellen zu übertragen. Die Härtefallkommissionen werden ausschließlich im Wege der Selbstbefassung tätig. Dritte können nicht verlangen, dass eine Härtefallkommission sich mit einem bestimmten Einzelfall befasst oder eine bestimmte Entscheidung trifft. Die Entscheidung für ein Härtefallersuchen setzt voraus, dass nach den Feststellungen der Härtefallkommission dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen.

(3) Verzieht ein sozialhilfebedürftiger Ausländer, dem eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 erteilt wurde, in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers, ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Zuständigkeitsbereich eine Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, längstens für die Dauer von drei Jahren ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Kostenerstattung verpflichtet. Dies gilt entsprechend für die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts."

Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission vom 5. Januar 2005, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. April 2017 (GVBl. S. 120), welche seit dem 29. April 2017 gültig ist:

"Aufgrund des § 23a Abs. 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) verordnet die Landesregierung:

§ 1

Einrichtung

Bei dem für Ausländerrecht zuständigen Ministerium wird eine Härtefallkommission nach § 23a Abs. 1 AufenthG eingerichtet.

§ 2

Zusammensetzung

(1) Die Härtefallkommission besteht aus dem nicht stimmberechtigten Vorsitzenden und weiteren acht stimmberechtigten Mitgliedern. Sie setzt sich aus

1. dem Staatssekretär des für Ausländerrecht zuständigen Ministeriums (Vorsitzender),

2. dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses,

3. der Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge beim Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz,

4. einem Vertreter der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen,

5. einem Vertreter der römisch-katholischen Kirche,

6. einem Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirche,

7. einem Vertreter der Landesärztekammer,

8. einem Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen und

9. einem Vertreter des Thüringischen Landkreistags

zusammen. Für jedes Mitglied ist zugleich ein Stellvertreter zu benennen. Stellvertreter des Vorsitzenden ist der für Ausländerrecht zuständige Abteilungsleiter im Ministerium, Stellvertreter des Vorsitzenden des Petitionsausschusses ist dessen Stellvertreter im Petitionsausschuss.

(2) Die in Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 bis 9 genannten Mitglieder der Härtefallkommission und die Stellvertreter der in Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 bis 9 genannten Mitglieder werden auf Vorschlag der sie entsendenden Institutionen durch den für Ausländerrecht zuständigen Minister für die Dauer von jeweils drei Jahren berufen. Eine erneute Berufung ist zulässig. Scheidet ein Mitglied oder ein Stellvertreter vorzeitig aus, so erfolgt eine Neuberufung nur für den Rest der Amtszeit.

(3) Die Tätigkeit der Mitglieder der Härtefallkommission erfolgt unentgeltlich. Eine Aufwandsentschädigung wird nicht gewährt.

(4) Die Härtefallkommission gibt sich eine Geschäftsordnung.

§ 3

Geschäftsstelle

Bei dem für Ausländerrecht zuständigen Ministerium wird eine Geschäftsstelle eingerichtet. Sie bereitet die Beratungen und Beschlussfassungen der Härtefallkommission vor; dazu kann sie die Ausländerakten beiziehen. Darüber hinaus erstellt sie die Beschlussniederschriften und unterrichtet die beteiligten Stellen.

§ 4

Antragsverfahren

Die Härtefallkommission berät und entscheidet über Einzelfälle ausschließlich auf Antrag eines ihrer Mitglieder oder eines Stellvertreters. Im Antrag sind alle besonderen persönlichen Lebensumstände und sonstige Gesichtspunkte darzulegen, die die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen rechtfertigen könnten. Dem Antrag muss eine Vollmacht des betroffenen Ausländers beigefügt sein, aus der sich sein Einverständnis mit einer Beratung des Falls durch die Härtefallkommission ergibt.

§ 5

Ausschlussgründe

(1) Ausgeschlossen ist der Antrag für eine Person,

1. die sich nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhält,

2. für die keine Ausländerbehörde in Thüringen zuständig ist,

3. die nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist,

4. für die ausschließlich Gründe vorgetragen werden, die im Rahmen eines Asylverfahrens gewürdigt und im Sinne der §§ 6 und 42 des Asylgesetzes in der Fassung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) in der jeweils geltenden Fassung bindend festgestellt werden,

5. für die Gründe vorliegen, die eine Abschiebungsanordnung nach § 58a Abs. 1 AufenthG rechtfertigen oder bei der das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 oder 2 Nr. 1 bis 3 AufenthG besonders schwer oder schwer wiegt,

6. die nach § 50 Abs. 6 AufenthG in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben wurde oder

7. deren Fall schon behandelt wurde, ohne dass sich die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu ihren Gunsten geändert hat.

(2) Über das Vorliegen eines Ausschlussgrundes entscheidet die Härtefallkommission durch ihren Vorsitzenden.

§ 6

Beratung und Beschlussfassung

(1) Die Härtefallkommission wird bei Bedarf, in der Regel einmal im Monat, vom Vorsitzenden einberufen. Die Beratungen sind nicht öffentlich; Stellvertreter können stets teilnehmen. Berichterstatter im jeweils zu beratenden Einzelfall ist der Antragsteller.

(2) Die Mitglieder der Härtefallkommission entscheiden unabhängig und frei von Weisungen. Beratungsinhalte, im Verfahren bekannt gewordene Daten sowie das Abstimmungsverhalten unterliegen der Verschwiegenheitspflicht. Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach dem Ende der Amtszeit fort.

(3) Die Härtefallkommission ist beschlussfähig, wenn mindestens fünf Mitglieder anwesend sind.

(4) Die Härtefallkommission trifft die Entscheidung über ein Härtefallersuchen und die Geschäftsordnung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder; im Übrigen fasst sie ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Ist die Härtefallkommission der Auffassung, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen, richtet sie ihr Härtefallersuchen an das für Ausländerrecht zuständige Ministerium. Das Härtefallersuchen ist zu begründen.

(5) Das für Ausländerrecht zuständige Ministerium unterrichtet die Härtefallkommission über seine Entscheidung.

§ 7

Gleichstellungsbestimmung

Status- und Funktionsbezeichnungen in dieser Verordnung gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

§ 8

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft."

III.

Die Antragstellerin hat beantragt:

"Die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission vom 05.01.2005 (GVBl. S. 1 f.) in der zuletzt durch Verordnung vom 04.04.2017 (GVBl. 2017, S. 120) geänderten Fassung verstößt gegen Art. 44 Abs. 1 ThürVerf i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG, gegen Art. 2 Abs. 1 ThürVerf i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG, gegen Art. 45 ThürVerf, gegen Art. 84 ThürVerf, gegen Art. 88 Abs. 1 ThürVerf, gegen Art. 44 Abs. 1 ThürVerf i. V. m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen Art. 91 Abs. 4 ThürVerf sowie gegen Art. 93 Abs. 1 ThürVerf, ist nichtig und wird aufgehoben.

Der Freistaat Thüringen hat der Antragstellerin die notwendigen Auslagen zu erstatten."

Sie ist der Ansicht, die Verordnung sei bereits formell verfassungswidrig, weil sie gegen das Zitiergebot des Art. 84 Abs. 1 Satz 3 ThürVerf verstoße.

Der Hauptangriffspunkt der Antragstellerin ist, dass sie bereits § 23a AufenthG für verfassungswidrig hält, der die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Härtefallkommission einzurichten. Diese Ermächtigung genüge nicht den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts und des Bestimmtheitsgebots, weil sie wesentliche Dinge wie die Zusammensetzung der Kommission und das Verfahren, nach dem sie tätig werde, ungeregelt lasse.

Zudem sieht die Antragstellerin in der Tätigkeit der Härtefallkommission die Ausübung von Staatsgewalt. Dies ziehe zum einen die Notwendigkeit parlamentarischer Kontrolle nach sich, die ihrer Ansicht nach nicht gegeben sei. Und dies schließe es zum anderen aus, dass Staatsangehörige aus Ländern außerhalb der Europäischen Union Mitglied der Kommission sein könnten, was die Verordnung aber zulasse.

Außerdem erblickt die Antragstellerin in der Kommissionsmitgliedschaft die Ausübung eines öffentlichen Amtes und ist deshalb der Auffassung, die Besetzung der Kommission verstoße gegen die Pflicht zur Ausschreibung und zum Betreiben eines offenen Verfahrens bei der Besetzung von öffentlichen Ämtern sowie gegen das für diese Ämter geltende Gebot der Bestenauslese. Hierbei greift die Antragstellerin insbesondere den Einfluss der katholischen und evangelischen Kirche auf die Besetzung der Kommission an, die jeweils ein Mitglied vorschlagen können, und verweist auf die Auswirkungen der Härtefallentscheidungen - insbesondere in finanzieller Hinsicht - auf die Gemeinden und Gemeindeverbände.

Falls der Verfassungsgerichtshof keinen Verstoß gegen die Thüringer Verfassung annehme, müsse er jedenfalls ein Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG zum Bundesverfassungsgericht durchführen.

IV.

Die Thüringer Landesregierung, die Anhörungsberechtigte zu 1., ist dem Vortrag der Antragstellerin entgegengetreten:

Das Zitiergebot des Art. 84 Abs. 1 Satz 3 ThürVerf sei nicht verletzt, da der zitierte § 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG die einschlägige Rechtsgrundlage sei.

§ 23a Abs. 1 Satz 1 AufenthG trage dem Parlamentsvorbehalt Rechnung, indem er den wesentlichen Aspekt der Härtefallanerkennung gesetzlich regele. Diese bundesrechtliche Norm enthalte Bestimmungen, die die Verordnungsermächtigung inhaltlich konkretisierten und begrenzten und die den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen an eine Verordnungsermächtigung Rechnung trügen. Eine darüber hinausgehende parlamentsgesetzliche Ausgestaltung sei auch im Hinblick auf das Wesentlichkeitsgebot nicht erforderlich gewesen. Die Kommission sei eine Institution sui generis, die keine hoheitlichen Entscheidungsbefugnisse habe. Für die demokratische Legitimation der Härtefallkommission reiche die Berufung ihrer Mitglieder durch den Minister. Bei der Tätigkeit der Härtefallkommission handele es sich nicht um Ausübung von Staatsgewalt in Gestalt von zwischenbehördlichen Entscheidungen.

Der Antrag fuße auf einer verfehlten Vorstellung von Wesen, Funktion und Tätigkeit der Härtefallkommission. Das Härtefallersuchen der Kommission habe keinen Entscheidungscharakter und sei keine amtliche Handlung. Die Mitgliedschaft in der Härtefallkommission sei deshalb kein öffentliches Amt. Die Härtefallkommission unterbreite mit ihren Härtefallersuchen der obersten Landesbehörde lediglich unverbindliche Vorschläge. Die letztverbindlichen Entscheidungen über Härtefälle seien der obersten Landesbehörde vorbehalten. Bei der Härtefallentscheidung handele es sich um die Ausübung eines Ermessens, für das die oberste Landesbehörde unmittelbar und damit auch politisch Verantwortung übernehme. Das erhöhe insbesondere die demokratische Legitimation der Entscheidung selbst. Die Kommission sei in der durch die Verordnung geregelten Weise pluralistisch besetzt, um die Chance zu optimieren, dass humanitäre Härtefälle aus den verschiedenen Lebensbereichen jedenfalls einem der Mitglieder bekannt würden.

V.

Der Thüringer Landtag, der Anhörungsberechtigte zu 2., hat von einer Stellungnahme zum Verfahren abgesehen, aber zur Kenntnisnahme die vom Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beschlossene Empfehlung zu dem vorliegenden Normenkontrollverfahren übermittelt. Diese Empfehlung hält den Normenkontrollantrag bereits für unzulässig und darüber hinaus auch für unbegründet.

VI.

Obwohl das Ausländergesetz vom 9. Juli 1990 keine Härtefallkommission kannte, hatten die Länder Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein solche Gremien geschaffen, die die jeweilige oberste Landesbehörde im Umgang mit Härtefällen berieten und in konkreten Einzelfällen Empfehlungen abgeben konnten.

Die Unabhängige Kommission "Zuwanderung" sprach in ihrem Bericht vom 4. Juli 2001 die Empfehlung aus, in dem beabsichtigten Zuwanderungsgesetz weder eine allgemeine Härtefallregelung für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen vorzusehen noch dem Ressortminister die Befugnis zu übertragen, in Einzelfällen ein Aufenthaltsrecht nach Ermessen zu gewähren; vielmehr sollte es den einzelnen Ländern überlassen bleiben, wie sie dem Anliegen, Härtefälle im Rahmen des geltenden Rechts zu mildern, institutionell Rechnung tragen (Unabhängige Kommission "Zuwanderung", Zuwanderung gestalten. Integration fördern, S. 168 ff.; abrufbar unter www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/Zuwanderungsbericht_pdf.pdf (Stand:14.09.2020)).

Der Entwurf des Zuwanderungsgesetzes sah zunächst vor, dass auf Ersuchen einer von der Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimmten Stelle eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder verlängert werden kann, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen. Der Innenausschuss sprach zunächst noch die Empfehlung aus, diese Regelung zu streichen, da sie zu weitreichend sei und eine Vielzahl neuer Verfahren produzieren werde (BT-Drs. 15/955 S. 15). Nach der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses wurde mit § 23a AufenthG eine eigenständige, aber befristete Regelung zu Härtefällen in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen (BT-Drs. 15/3479). Die Befristung wurde durch Art. 2 des Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes vom 20. Dezember 2008 aufgehoben (BGBl. I S. 3017).

Das Verfahren in einem Härtefall ist gemäß § 23a AufenthG mehrstufig: Es bedarf zunächst eines Antrags, der an die Härtefallkommission gestellt wird Mit diesem muss sich die Kommission befassen: Nimmt sie keinen Härtefall an, ist das Verfahren beendet; nimmt sie einen Härtefall an, ersucht sie die oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den oder die Betroffenen. Danach entscheidet die ersuchte Stelle über das Ersuchen: Entspricht sie ihm nicht, ist das Verfahren beendet; entspricht sie ihm, weist sie die örtlich zuständige Ausländerbehörde an, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Schließlich setzt die örtliche Ausländerbehörde eine ihr erteilte Weisung durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die oder den Betroffenen um.

In Hamburg und Hessen wurden Härtefallkommissionen durch Gesetz eingerichtet, in allen anderen Ländern durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen. Die Thüringer Verordnung gleicht hinsichtlich der Zusammensetzung der Kommissionsmitglieder und ihrer Berufung weitestgehend den Verordnungen der anderen Länder. So sind in den Härtefallkommissionen der meisten Länder sowohl Vertreter der Zivilgesellschaft, die z.B. auf Vorschläge seitens der katholischen und evangelischen Kirche, der Flüchtlingsräte und der Liga der Wohlfahrtsverbände zurückgehen, als auch Repräsentanten staatlicher Stellen, z.B. der Ministerien und der kommunalen Spitzenverbände, vertreten. Hinzukommen teilweise Vertreter mit medizinischem Sachverstand (Hessen, Niedersachsen, Thüringen) und die/der Integrationsbeauftragte (Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Thüringen). Nur in Hamburg benennt jede im Eingabenausschuss der Bürgerschaft vertretene Fraktion aus ihrer Mitte jeweils ein ordentliches Mitglied und zwei stellvertretende Mitglieder für die Härtefallkommission, die von der Bürgerschaft gewählt und durch den Senat für die Dauer der Legislaturperiode berufen werden.

Nach der Begründung der Thüringer Verordnung sollen als stimmberechtigte Mitglieder der Kommission Vertreter von Einrichtungen oder Organisationen einbezogen werden, die mit den Angelegenheiten von Ausländern befasst sind, maßgebliche Teile der Bevölkerung repräsentieren oder ein sachdienliches Fachwissen besitzen (siehe Begründung zu § 2 Abs. 1 der Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission).

Die Landesregierung hat im vorliegenden Verfahren auf Anfrage des Verfassungsgerichtshofs statistische Daten zur Arbeit der Härtefallkommission in Thüringen in den Jahren 2005 bis 2020 vorgelegt. Danach wurden in dieser Zeit aufgrund von Ersuchen der Härtefallkommission pro Jahr zwischen 26 und 469 Aufenthaltserlaubnisse erteilt, insgesamt 2 068. Im Durchschnitt waren dies 129 Aufenthaltserlaubnisse pro Jahr.

B.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Der Antrag ist zulässig.

Die Antragstellerin ist als Landtagsfraktion antragsberechtigt (Art. 80 Abs. 1 Nr. 4 ThürVerf i. V. m. § 11 Nr. 4, § 42 ThürVerfGHG). Die angegriffene Verordnung ist zulässiger Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle; nach Art. 80 Abs. 1 Nr. 4 ThürVerf, § 11 Nr. 4, § 42 Nr. 1 ThürVerfGHG kann grundsätzlich jegliches Landesrecht - unabhängig von seinem Rang - tauglicher Antrags- bzw. Prüfungsgegenstand einer abstrakten Normenkontrolle sein, weil zum überprüfbaren Landesrecht sowohl Parlamentsgesetze als auch Rechtsverordnungen, Satzungen und gesetzesvertretende Parlamentsbeschlüsse gehören (ThürVerfGH, Urteil vom 9. Juni 2017 - VerfGH 61/16 -, LVerfGE 28, 499 [521] = juris Rn. 110). Der Antrag wurde in der gebotenen Form begründet (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 ThürVerfGHG). Die Antragstellerin hat zudem dargelegt, dass sie in ihrer Sitzung am 27. April 2018 durch wirksamen Beschluss ihren Bevollmächtigten mit der Durchführung eines Normenkontrollverfahrens beauftragt hat (vgl. zum Erfordernis eines wirksamen Fraktionsbeschlusses: ThürVerfGH, LVerfGE 28, 499 [521] = juris Rn. 109).

II.

Der Antrag ist unbegründet. Die Regelungen der Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission widersprechen nicht der Thüringer Verfassung (§ 44 Satz 1 ThürVerfGHG).

1. Die Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs ist in Bezug auf die Thüringer Verfassung im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens umfassend. Der Verfassungsgerichtshof überprüft die den Antragsgegenstand bildenden Normen auf ihre Vereinbarkeit mit der Thüringer Verfassung, ohne dabei auf die im Antrag erhobenen Rügen beschränkt zu sein.

Hingegen überprüft der Verfassungsgerichtshof den Prüfungsgegenstand grundsätzlich weder auf Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz noch mit einfachem Bundesrecht (ThürVerfGH, Urteil vom 25. September 2018 - VerfGH 24/17 -, LVerfGE 29, 276 [296] = juris Rn. 144).

a) Allerdings führt das selbständige Nebeneinander der Verfassungsräume nicht dazu, dass diese bezugslos nebeneinander stehen; vielmehr ist ein grundgesetzliches Einwirken in den landesverfassungsrechtlichen Raum nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 [351] = juris Rn. 67).

Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichtshofs kann zum einen zusätzlich sog. hineinwirkendes Bundesverfassungsrecht sein, das als ungeschriebener Bestandteil des Landesverfassungsrechts gilt (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82 [101] = juris Rn. 94; BVerfGE 103, 332 [351 ff.] = juris Rn. 67, 70 ff.), wie es für Art. 21 Abs. 1 GG anerkannt ist (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. Juli 2006 - VerfGH 8/05 -, LVerfGE 17, 511 [515] = juris Rn. 23).

Soweit die Landesverfassung die Vorgaben der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 GG inkorporiert, bilden außerdem die darin enthaltenen Verfassungsgebote einen vom Verfassungsgerichtshof zu beachtenden Prüfungsmaßstab (ThürVerfGH, LVerfGE 29, 276 [296] = juris Rn. 147). Zwar handelt es sich bei Art. 28 Abs. 1 GG um eine das Verhältnis der Länder zum Bund betreffende bundesverfassungsrechtliche Verpflichtung, die "nicht in den Ländern, sondern nur für die Länder" gilt (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 [236] = juris Rn. 90 und vom 23. Januar 1957 - 2 BvF 3/56 -, BVerfGE 6, 104 [111] = juris Rn. 29). Die Thüringer Verfassung lässt indes eine Auslegung zu, die dem Homogenitätsgebot des Grundgesetzes in konsistenter Weise Rechnung trägt (ThürVerfGH, LVerfGE 29, 276 [296] = juris Rn. 147). Dies erfolgt insbesondere für die Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG über die Auslegung von Art. 44 Abs. 1, Art. 45 und Art. 47 Abs. 4 ThürVerf (ThürVerfGH, LVerfGE 29, 276 [296] = juris Rn. 147). Soweit das Grundgesetz dagegen keine zwingenden Vorgaben für das Landesverfassungsrecht vorsieht, bleibt es bei dem Grundsatz, dass das Grundgesetz und das Landesverfassungsrecht autonome Verfassungsräume konstituieren, so dass sich auch die Entscheidungsmaßstäbe des Verfassungsgerichtshofs allein nach der Thüringer Verfassung richten (ThürVerfGH, LVerfGE 29, 276 [296] = juris Rn. 147).

Schließlich kommt über das landesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip eine Prüfung von Landesrecht auch am Maßstab des Grundgesetzes oder sonstigen Bundesrechts in Betracht (BVerfGE 103, 332 [351 ff.] = juris Rn. 67, 74). Bei der Überprüfung exekutiver Landesnormen, die auf einer bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen - wie im vorliegenden Fall -, ist über das landesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip sowohl die Möglichkeit eröffnet, die bundesrechtliche Ermächtigungsnorm am Maßstab höherrangigen Bundesrechts einschließlich des Bundesverfassungsrechts zu prüfen als auch die landesrechtliche Verordnung daraufhin zu überprüfen, ob sie sich im Rahmen der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage hält und mit sonstigem Bundesrecht einschließlich Bundesverfassungsrecht vereinbar ist. Denn der aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 44 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf folgende Vorbehalt des Gesetzes, welcher für Rechtsverordnungen zusätzlich in Art. 84 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf seinen Niederschlag gefunden hat, untersagt dem Verordnungsgeber verfassungsrechtlich, eine Rechtsverordnung zu erlassen, ohne dazu befugt zu sein. Eine Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung setzt jedoch voraus, dass die gesetzliche Ermächtigung ihrerseits gültig ist und die Rechtsverordnung ihrem Inhalt nach den durch die Ermächtigungsnorm gesetzten Rahmen wahrt (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966 - 2 BvR 179/64 u.a. -, BVerfGE 20, 257 [271] = juris Rn. 45; Beschluss vom 11. März 1968 - 2 BvL 18/63 u.a. -, BVerfGE 23, 208 [228] = juris Rn. 83; Beschluss vom 20. Oktober 1981 - 2 BvR 201/80 -, BVerfGE 58, 283 [298 f.] = juris Rn. 42).

b) Andererseits ist aber auch dem selbständigen Nebeneinander der Verfassungsräume und damit den unterschiedlichen Aufgaben- und Verantwortungsbereichen der Landesverfassungsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts hinreichend Rechnung zu tragen. So knüpft die landesverfassungsgerichtliche Prüfung zwar formal an die Vereinbarkeit der Verordnung mit dem landesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip an. Damit wird jedoch letztlich Bundesrecht am Maßstab höherrangigen Bundesrechts einschließlich Bundesverfassungsrechts und Landesrecht am Maßstab von Bundesrecht einschließlich Bundesverfassungsrecht gemessen. Das hat Auswirkungen auf die Voraussetzungen, den Umfang und die Folgen einer solchen Prüfung (siehe hierzu auch Möstl, BayVBl. 2018, S. 659 (670) sowie BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2016 - 2 BvR 1576/13 -, juris Rn. 54 zur Kontroverse mit dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, der seine Prüfung auf offenkundige und schwerwiegende Verstöße gegen Bundesrecht beschränken will; vgl. hierzu bspw. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Juni 2015 - Vf. 12-VII-14 -, juris Rn. 43 und Entscheidung vom 12. Juni 2017 - Vf. 4-VII-13 -, juris Rn. 75 f.).

Der Verfassungsgerichtshof prüft deshalb die Vereinbarkeit der gesetzlichen Ermächtigung mit dem Grundgesetz sowie die Übereinstimmung der Rechtsverordnung mit der gesetzlichen Ermächtigung als Vorfrage. Dies entspricht der Praxis des Bundesverfassungsgerichts, welches in dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 76 ff BVerfGG bei der verfassungsrechtlichen Kontrolle von Rechtsverordnungen ebenfalls als Vorfrage prüft, ob die gesetzliche Ermächtigung ihrerseits gültig ist und ob der Inhalt der Rechtsverordnung in der in Anspruch genommenen gesetzlichen Ermächtigung eine Grundlage findet und von ihr gedeckt wird (BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2002 - 2 BvF 4/98 -, BVerfGE 106, 1 [12] = juris Rn. 49; st. Rspr. vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 [30] = juris Rn. 112 f.; BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 -, 8, 71 [75] = juris Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1953 - 1 BvF 1/53 -, BVerfGE 2, 307 [320 f.] = juris Rn. 50). Außerdem spricht für eine solche Vorprüfung, dass für den Verfassungsgerichtshof ggf. Vorlagepflichten an das Bundesverfassungsgericht bestehen können. So sind Landesverfassungsgerichte nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht verpflichtet, wenn sie ein formelles Bundesgesetz für bundesverfassungswidrig halten. Sie sind außerdem zu einer solchen Vorlage verpflichtet, wenn sie davon überzeugt sind, dass Landesrecht das Grundgesetz verletzt (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG) oder dass ein Landesgesetz mit einem Bundesgesetz unvereinbar ist (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG).

c) Das Ergebnis der Prüfung dieser Vorfrage kann unterschiedliche Konsequenzen haben:

Wenn der Verfassungsgerichtshof zu der Überzeugung gelangt, dass die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage gegen das Grundgesetz verstößt, hat er die Pflicht zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG an das Bundesverfassungsgericht; über die Frage der Grundgesetzmäßigkeit eines - formellen - Bundesgesetzes darf er nicht selbst entscheiden (vgl. hierzu auch Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 15. Juni 2015 - Vf. 12-VII-14 -, juris Rn. 35). Bloße Zweifel an der Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage mit dem Grundgesetz erlauben und erfordern eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG jedoch nicht (BVerfG, Beschluss vom 7. April 1992 - 1 BvL 19/91 -, BVerfGE 86, 52 [57] = juris Rn. 17).

Wenn der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis kommt, dass zwar eine gültige Ermächtigungsgrundlage vorliegt, aber die Verordnung oder einzelne ihrer Regelungen im Widerspruch zur erteilten Ermächtigung und damit zu Bundesrecht stehen, hat er hingegen keine Vorlagepflicht. Der überschießende Wortlaut "Landesrecht" in Art. 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG ist dahin gehend teleologisch zu reduzieren, dass die Vorlagepflicht allein hinsichtlich formeller Landesgesetze besteht (vgl. Dederer, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 90. EL Februar 2020, Art. 100 GG Rn. 57). Denn der Sinn des Art. 100 Abs. 1 GG ist es, die Überprüfung des parlamentarischen Gesetzgebers beim Bundesverfassungsgericht zu konzentrieren, während die Kontrolle von Rechtsetzungsakten der Exekutive der allgemeinen richterlichen Zuständigkeit überlassen bleiben kann (BVerfG, Urteil vom 20. Mai 1952 - 1 BvL 3/51 -, BVerfGE 1, 283 [292] = juris Rn. 21). Mangels einer Vorlagepflicht und damit auch eines Überschneidens mit dem Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Bundesverfassungsgerichts kann der Thüringer Verfassungsgerichtshof eigenständig und abschließend prüfen, ob eine Landesverordnung gegen bundesrechtliche Ermächtigungsvorschriften und damit auch gegen das Rechtsstaatsprinzip der Thüringer Verfassung verstößt.

d) Mangels Entscheidungsrelevanz kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob das landesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip seine Schutzwirkung dergestalt in den Bereich des Bundesrechts erstreckt, dass jeder formelle oder inhaltliche Verstoß gegen Bundesrecht zugleich als Verletzung der Landesverfassung anzusehen ist (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Juni 2015 - Vf. 12-VII-14 -, juris Rn. 43 und Entscheidung vom 19. März 2018 - Vf. 4-VII-16 -, juris Rn. 38) oder ob es im Falle der Widersprüchlichkeit des Landesrechts zum Regelungskonzept des Bundesgesetzgebers stattdessen einer Würdigung im Einzelfall bedarf, ob die konzeptionellen Widersprüche, einschließlich ihrer Auswirkungen auf die Normadressaten, ein rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbares Ausmaß erreichen und dadurch die Verfassungswidrigkeit bewirken (ThürVerfGH, LVerfGE 29, 276 [297] = juris Rn. 149).

2. Die Verordnung steht mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 44 Abs. 1 Satz 2 und Art. 84 Abs. 1 ThürVerf, in Einklang.

a) Die Ermächtigungsgrundlage des § 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist nach der Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs mit dem Grundgesetz vereinbar. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es deshalb nicht.

§ 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ermächtigt die Landesregierungen, mittels Rechtsverordnung eine Härtefallkommission einzurichten und das Verfahren, Ausschlussgründe und qualifizierte Anforderungen an eine Verpflichtungserklärung nach § 23a Abs. 1 Satz 2 AufenthG einschließlich vom Verpflichtungsgeber zu erfüllender Voraussetzungen zu bestimmen sowie die Anordnungsbefugnis nach § 23a Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf andere Stellen zu übertragen. Innerhalb dieses Rahmens kommt den Landesregierungen ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser Spielraum steht sowohl mit dem im Sinne eines Parlamentsvorbehalts zu verstehenden Vorbehalt des Gesetzes als auch mit dem Bestimmtheitsgrundsatz in Einklang.

aa) § 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht mit dem Parlamentsvorbehalt in Einklang.

Der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung umfasst den Vorbehalt des Gesetzes, wonach staatliches Handeln in bestimmten Bereichen eines förmlichen Gesetzes als Grundlage bedarf (Thüringer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, LVerfGE 16, 593 [640 f.] = juris Rn. 173). Hieraus folgt in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG normierten Demokratieprinzip, dass das Parlament als unmittelbar demokratisch legitimierter Gesetzgeber bestimmte Gegenstände der Rechtsetzung nicht der Exekutive überlassen darf, sondern selbst über alle wesentlichen Fragen des Gemeinwesens entscheiden muss (ThürVerfGH, LVerfGE 16, 593 [641] = juris Rn. 173).

Der Parlamentsvorbehalt gebietet insbesondere, dass in grundlegenden normativen Bereichen - insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist - die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89 [126] = juris Rn. 77; Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130 [142] = juris Rn. 39; BVerfGE 101, 1 [34] = juris Rn. 125). Wesentliche Fragen des Gemeinwesens, deren Regelung dem unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament vorbehalten sind, sind in der Regel solche des grundrechtsrelevanten Bereichs, also solche, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75 -, BVerfGE 47, 46, [79] = juris Rn. 26; BVerfGE 49, 89 [126] = juris Rn. 77; BVerfGE 83, 130 [142] = juris Rn. 39; BVerfGE 101, 1 [34] = juris Rn. 125). Je intensiver sich die Maßnahme auf die Verwirklichung grundrechtlich geschützter rechtlicher und tatsächlicher Freiheit auswirkt, desto höher ist die erforderliche parlamentsgesetzliche Regelungsdichte. Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich letztlich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (BVerfG, Beschluss vom 1. April 2014 - 2 BvF 1/12 -, BVerfGE 136, 69 [114] = juris Rn. 102). Geht es um gesetzliche Vorgaben für Maßnahmen der Binnenorganisation der Verwaltung, gelten hingegen, schon im Hinblick auf die Regelungsautonomie der Landesregierung nach Art. 90 Satz 3 ThürVerf, geringere Anforderungen (vgl. auch Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 90. EL Februar 2020, Art. 80 GG Rn. 60).

(1) Wesentlich in diesem Sinne ist im vorliegenden Zusammenhang die Begründung der Möglichkeit, außerhalb des vom Aufenthaltsgesetz normierten Systems der Erteilung von Aufenthaltstiteln (vgl. § 4 AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 7 AufenthG) zu erteilen.

Das Aufenthaltsgesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland, ermöglicht und gestaltet unter bestimmten Maßgaben Zuwanderung und dient der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG). Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich eines Aufenthaltstitels (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). § 5 AufenthG bestimmt allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel und wird zu den in den Abschnitten 3 bis 6 des Aufenthaltsgesetzes genannten Aufenthaltszwecken erteilt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG). Abschnitt 5 regelt den Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. So kann die oberste Landesbehörde u.a. aus humanitären Gründen anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (§ 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). § 25 AufenthG regelt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Insbesondere kann einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange u.a. dringende humanitäre oder persönliche Gründe seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern (§ 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Eine Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde (§ 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er Opfer bestimmter Straftaten ist (§ 25 Abs. 4b AufenthG) oder wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (§ 25 Abs. 5 AufenthG). Wenn ein Ausländer einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt, ist er grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet (§ 50 Abs. 1 AufenthG) und hat das Bundesgebiet unverzüglich oder bis zum Ablauf einer ihm gesetzten Ausreisefrist zu verlassen (§ 50 Abs. 2 AufenthG). Ist die Ausreisepflicht vollziehbar und eine gewährte Ausreisefrist abgelaufen sowie die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert oder eine Überwachung der Ausreise aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich, ist der Ausländer abzuschieben (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), sofern nicht die Abschiebung unzulässig (§ 60 AufenthG) oder vorübergehend ausgesetzt ist (§§ 60a ff. AufenthG).

Dieses System wird durch § 23a Abs. 1 AufenthG durchbrochen. Diese Norm ermöglicht zum einen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch an vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer. Sie ermöglicht dies zum zweiten ausdrücklich "abweichend von den in diesem Gesetz festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel sowie von den §§ 10 und 11" und damit außerhalb des gesetzlich angeordneten Regelungssystems für die Erteilung von Aufenthaltstiteln, und zwar - wie ausgeführt - auch außerhalb des gesetzlich angeordneten Systems für die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären und persönlichen Gründen. Und sie ordnet an, dass diese Befugnis zur Aufenthaltsgewährung ausschließlich im öffentlichen Interesse steht und keine eigenen Rechte des Ausländers begründet (§ 23a Abs. 1 Satz 4 AufenthG).

Diese Durchbrechung des parlamentsgesetzlich geregelten Systems der Aufenthaltsgewährung durch die Möglichkeit der Exekutive, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis "an sich" nicht vorliegen, tangiert den Vorrang des Gesetzes und den Gewaltenteilungsgrundsatz als Elemente des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG). Eine solche Regelung, die die Rechtsordnung durch ein - nicht einklagbares - Element der Barmherzigkeit in atypischen Einzelfällen ergänzt, ist wesentlich im geschilderten Sinne und bedarf parlamentsgesetzlicher Regelung. Diese parlamentsgesetzliche Regelung liegt mit § 23a AufenthG aber vor.

(2) Eine solche Durchbrechung ist auch im Übrigen mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, solange sie normativ als enge Ausnahme für tatsächlich vorliegende Härtefälle ausgestaltet ist und diesem Ausnahmecharakter auch in der praktischen Handhabung Rechnung getragen wird.

Die Durchbrechung des parlamentsgesetzlich geregelten Systems der Aufenthaltsgewährung durch die Möglichkeit der Exekutive, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis "an sich" nicht vorliegen, ist in § 23a AufenthG als enge Ausnahme ausgestaltet. Nach § 23a Abs. 2 Satz 4 AufenthG setzt die Entscheidung für ein Härtefallersuchen voraus, dass nach den Feststellungen der Härtefallkommission dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen. Dieses Erfordernis des Vorliegens dringender humanitärer oder persönlicher Gründe wird ergänzt durch § 23a Abs. 1 Satz 3 AufenthG, wonach die Annahme eines Härtefalls in der Regel ausgeschlossen ist, wenn der Ausländer Straftaten von erheblichem Gewicht begangen hat oder wenn ein Rückführungstermin bereits konkret feststeht. § 23a Abs. 1 Satz 3 AufenthG bestätigt, dass die oberste Landesbehörde nach § 23a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Anordnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht bereits dann befugt ist, wenn die Härtefallkommission darum ersucht hat. Vielmehr setzt eine solche Anordnung das Bestehen eines Härtefalls voraus, d. h. das tatsächliche Vorliegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe (vgl. § 23a Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Dies ist von der obersten Landesbehörde in eigener Verantwortung zu prüfen; eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Härtefallkommission oder an deren rechtliche Bewertung, dass ein Härtefall vorliegt, besteht mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung nicht. Selbst dann, wenn die oberste Landesbehörde in eigener Verantwortung das Vorliegen eines Härtefalls bejaht, ist sie zur Anordnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur befugt ("darf"), nicht verpflichtet.

Eine diesen Ausnahmecharakter verlassende Handhabung der Regelung des § 23a AufenthG würde das Rechtsstaatsprinzip und wohl auch den Grundsatz der Bundestreue tangieren. Sowohl die Härtefallkommission bei ihrem Ersuchen als auch die oberste Landesbehörde bei ihrer Entscheidung haben dem Ausnahmecharakter Rechnung zu tragen. Insbesondere eine Praxis, welche die Anforderungen negiert, die im Rahmen der parallelen Norm des § 25 Abs. 4 AufenthG an das Vorliegen dringender humanitärer und persönlicher Gründe gestellt werden, würde dem nicht gerecht. Ein Gradmesser für die Beurteilung der Frage, ob dem Ausnahmecharakter in der praktischen Handhabung Rechnung getragen wird, dürfte die Zahl der nach § 23a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse und ihre Relation zu anderen aus humanitären und persönlichen Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnissen sein. Ob in der gegenwärtigen praktischen Handhabung in Thüringen dem Ausnahmecharakter noch Rechnung getragen wird, bedarf keiner Entscheidung, weil eine diese Grenze überschreitende Handhabung die - überdies bundesrechtliche - normative Regelung nicht "infizieren" würde.

(3) Nicht wesentlich im Sinne des Parlamentsvorbehalts ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin hingegen die Regelung der Besetzung der Härtefallkommission und des Verfahrens, in dem sie vorbereitend für die Entscheidung der obersten Landesbehörde tätig wird.

Die Härtefallkommission ist lediglich ein Gremium, das die oberste Landesbehörde um Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ersuchen und insoweit den Erlass einer Verwaltungsentscheidung durch die oberste Landesbehörde vorbereiten kann. Wer das "Material" liefert für die Entscheidung der obersten Landesbehörde, wie die Härtefallkommission besetzt wird oder wie sonst das Verfahren abzulaufen hat, ist nicht "wesentlich", weil es keine grundrechtsrelevanten oder sonstigen wesentlichen Fragestellungen im verfassungsrechtlichen Sinne betrifft. Zwar hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland eingeräumt werden kann, durchaus eine verfassungsrechtliche Bedeutung (siehe hierzu auch Schönenbroicher, ZAR 2004, S. 351 (356)). Jedoch ist die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, - wie ausgeführt - in § 23a Abs. 1 AufenthG vom Parlament selbst geregelt und die Befugnis hierzu nicht der Härtefallkommission, sondern der obersten Landesbehörde übertragen.

bb) § 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht auch mit dem Bestimmtheitsgebot in Einklang.

Das Gebot der Klarheit und der Bestimmtheit von Rechtsnormen folgt sowohl aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip, aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Art. 80 Abs. 1 GG ist eine besondere Ausformung dieses Gebots der Klarheit und der Bestimmtheit von Rechtsnormen, indem er regelt, dass der Erlass von Rechtsverordnungen durch die Exekutive nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig ist, welches Inhalt, Zweck und Ausmaß der übertragenen Rechtsetzungsbefugnis bestimmt. Dieses Bestimmtheitsgebot ist - ebenso wie der bereits dargelegte Parlamentsvorbehalt - eine Ausprägung des Wesentlichkeitsgrundsatzes (ThürVerfGH, LVerfGE 16, 593 [641] = juris Rn. 173). Danach soll sich das Parlament seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1970 - 2 BvR 618/68 -, BVerfGE 29, 198 [210] = juris Rn. 26 und Urteil vom 19. September 2018 - 1 BvF 1, 2/15 -, BVerfGE 150, 1 [100 f.] = juris Rn. 201 f.).

Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen (BVerfG, Beschluss vom 11. März 2020 - 2 BvL 5/17 -, BVerfGE 153, 310 [354] = juris Rn. 102). Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an; so muss die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird (BVerfGE 153, 310 [354] = juris Rn. 102). Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind hierbei umso höher, je tiefer die Norm in verfassungsrechtlich geschützte Positionen eingreift und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer die Materie ist, die sie regelt (vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 7. März 2018 - VerfGH 1/14 -, juris Rn. 165 und Urteil vom 21. Mai 2014 - VerfGH 13/11 -, juris Rn. 145, m. w. N.). Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung auch von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang dieser einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 -, BVerfGE 56, 1 [13] = juris Rn. 42 und BVerfGE 150, 1 [102] = juris Rn. 204). So kann insbesondere die hohe Komplexität des zu regelnden Sachverhalts geringere Anforderungen an die Bestimmtheit rechtfertigen (ThürVerfGH, Beschluss vom 7. März 2018 - VerfGH 1/14 -, juris Rn. 165 und Beschluss vom 15. Januar 2020 - VerfGH 12/18 -, Rn. 119, juris).

Unter Berücksichtigung der zitierten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verstößt der Gestaltungsspielraum, welcher den Landesregierungen durch § 23a AufenthG bei der Einrichtung von Härtefallkommissionen eingeräumt wird, nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Errichtung der Härtefallkommission und die Regelung ihres Verfahrens betrifft - wie dargelegt - keine grundrechtsrelevanten oder sonstigen wesentlichen Fragestellungen im verfassungsrechtlichen Sinne. Erhöhte Anforderungen an die gesetzliche Determinierung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der übertragenen Befugnis bestehen deshalb nicht.

b) Die Verordnung hält sich im von § 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gesetzten Rahmen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin verstößt die Verordnung nicht gegen das Zitiergebot des Art. 84 Abs. 1 Satz 3 ThürVerf oder des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG.

Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist anwendbar für Verordnungen von Landesregierungen, die - wie hier - aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung erlassen werden; für Verordnungen der Landesregierungen aufgrund einer landesgesetzlichen Ermächtigung ist hingegen Art. 84 Abs. 1 Satz 3 ThürVerf einschlägig.

Die Rechtsetzung durch die Exekutive bedarf aufgrund des Rechtsstaatsprinzips, des Demokratieprinzips und des Grundsatzes der Gewaltenteilung einer besonderen Ermächtigung durch die Legislative. Mit Blick auf diese sowohl im Grundgesetz als auch in der Thüringer Verfassung verankerten Grundsätze dient das Zitiergebot dem Zweck, die Delegation von Rechtsetzungskompetenz auf die Exekutive in ihren gesetzlichen Grundlagen verständlich und kontrollierbar zu machen (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 - 1 BvR 587/17 -, BVerfGE 151, 173 [179] = juris Rn. 17). Der Verordnungsgeber wird zudem durch die Pflicht zur Angabe der Ermächtigungsgrundlage angehalten, sich der Reichweite seiner Rechtsetzungsbefugnis zu vergewissern; Normadressaten und Gerichten wird ermöglicht, zu prüfen, ob der Verordnungsgeber sich bei Erlass der Norm auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen wollte und ob die getroffene Regelung sich im Rahmen der Ermächtigung gehalten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1968 - 2 BvE 2/66 -, BVerfGE 24, 184 [196] = juris Rn. 25; BVerfGE 101, 1 [42] = juris Rn. 155 f.). Das Zitiergebot erfordert deshalb, dass die "Rechtsgrundlage", d. h. die einzelne Vorschrift des Gesetzes, in welcher die Ermächtigung enthalten ist, und nicht lediglich das ganze Gesetzeswerk, dessen Bestandteil sie ist (BVerfGE 151, 173 [179 f.] = juris Rn. 17), anzugeben ist; Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG enthält - anders als die vorhergehenden Sätze des Absatzes 1 - das Wort "Rechtsgrundlage" und nicht das Wort "Gesetz".

Hieran gemessen genügt die Verordnung dem Zitiergebot. Sie nennt als Ermächtigungsgrundlage § 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, welcher die Ermächtigung der Landesregierung zum Verordnungserlass enthält. Damit ist die Ermächtigung benannt, auf die der Verordnungsgeber sich gestützt hat und auf die allein sich die erlassenen Bestimmungen auch stützen lassen. Für den Verordnungsgeber bestand - anders als von der Antragstellerin vorgetragen - keine Pflicht, darüber hinaus auch § 23 Abs. 1, und Abs. 2 Satz 2 bis 4 AufenthG zu zitieren, welche keine Ermächtigung enthalten.

Es liegt schließlich kein inhaltlicher Verstoß der Verordnung gegen Bundesrecht dergestalt vor, dass der Verordnungsgeber den durch § 23a AufenthG gezogenen Rahmen missachtet und Landesrecht ohne Rechtsetzungsbefugnis geschaffen hat. Auch insoweit verstößt die Verordnung nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.

3. Die Verordnung ist mit dem Demokratieprinzip, Art. 44 Abs. 1 Satz 2 und Art. 45 ThürVerf, vereinbar.

Der Freistaat Thüringen ist nach Art. 44 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf ein demokratischer Rechtsstaat. Nach Art. 45 Satz 1 ThürVerf geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Inhaltlich entspricht Art. 45 Satz 1 ThürVerf damit den Vorgaben des Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Vorgaben des Art. 20 Abs. 2 GG sind im Rahmen seiner Auslegung zu berücksichtigen. Dies folgt nicht zuletzt auch aus der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG.

In die Härtefallkommission werden nach der Konzeption der angegriffenen Verordnung Vertreter von Einrichtungen oder Organisationen, die mit den Angelegenheiten von Ausländern befasst sind, maßgebliche Teile der Bevölkerung repräsentieren oder ein sachdienliches Fachwissen besitzen, als stimmberechtigte Mitglieder einbezogen (siehe Begründung zu § 2 Abs. 1 der Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission).

a) Das Handeln der Härtefallkommission ist nicht an den Anforderungen des Demokratieprinzips zu messen, weil es nicht als Ausübung von Staatsgewalt i. S. d. Art. 45 Satz 1 ThürVerf und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG zu werten ist.

aa) Das demokratische Prinzip erstreckt sich nicht nur auf bestimmte, sondern auf alle Arten der Ausübung von Staatsgewalt (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76 -, BVerfGE 47, 253 [273] = juris Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf, jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter anzusehen (vgl. BVerfGE 47, 253 [273] = juris Rn. 43; Urteil vom 31. Oktober 1990 - 2 BvF 3/89 -, BVerfGE 83, 60 [73] = juris Rn. 39; Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37 [68] = juris Rn. 139; Beschluss vom 5. Dezember 2002 - 2 BvL 5/98 -, BVerfGE 107, 59 [87] = juris Rn. 131; Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12 -, BVerfGE 135, 155 [221] = juris Rn. 157). Denn Entscheidungen steuern die staatliche Herrschaft und müssen sich daher vom Volk herleiten (BVerfGE 83, 60 [73] = juris Rn. 39). Bei einem solchen Handeln mit Entscheidungscharakter ist es unerheblich, ob es unmittelbar außenwirksam ist oder nicht (BVerfGE 135, 155 [221] = juris Rn. 157).

Eine Entscheidung ohne Außenwirkung, die dennoch eine Ausübung von Staatsgewalt darstellt, ist dann gegeben, wenn behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Amtsaufgaben geschaffen werden (BVerfGE 93, 37 [68]= juris Rn. 139; BVerfGE 107, 59 [87] = juris Rn. 131) oder ein anderer Verwaltungsträger rechtlich verpflichtet ist, die Entscheidung ohne Außenwirkung sodann nach außen umzusetzen (BVerfGE 83, 60 [73] = juris Rn. 39). Entscheidungscharakter hat auch die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen; dazu gehört auch die Ausübung von Vorschlagsrechten, wenn ein anderer Verwaltungsträger bei der Ausübung seiner Entscheidungsbefugnisse von ihnen rechtlich abhängig ist (BVerfGE 83, 60 [73] = juris Rn. 39). Rein vorbereitende und konsultative Tätigkeiten hingegen stellen grundsätzlich kein demokratisch zu legitimierendes Handeln dar (BVerfGE 47, 253 [273] = juris Rn. 43; BVerfGE 83, 60 [74] = juris Rn. 42). Die Tätigkeit von Beiräten oder sonstigen Expertengremien, die mit beratenden Aufgaben befasst sind, ohne Mitbestimmungsbefugnisse zu haben, muss daher nicht auf das Volk zurückgeführt werden und es können in diesem Bereich auch Vertreter gesellschaftlicher Interessen an der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben teilnehmen (BVerfGE 83, 60 [74] = juris Rn. 42). Verdichtet sich indes die unverbindliche, bloß beratende Teilhabe an der Verwaltung zu einer Mitentscheidung, so wird staatliche Herrschaft ausgeübt, die stets demokratisch, d. h. vom Staatsvolk, legitimiert sein muss (BVerfGE 83, 60 [73 f.] = juris Rn. 39, 42).

bb) Hiernach ist die Tätigkeit der Härtefallkommission nicht als Ausübung von Staatsgewalt zu qualifizieren.

Im vorliegenden Zusammenhang trifft die - unzweifelhaft demokratisch legitimierte - oberste Landesbehörde die verbindliche Entscheidung über das Vorliegen eines Härtefalls und damit über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das besondere Zusammenspiel zwischen der Kommission und der obersten Landesbehörde ist zwar dadurch gekennzeichnet, dass die oberste Landesbehörde hinsichtlich des "Ob" ihres Tätigwerdens von dem Ersuchen der Kommission abhängig ist und zudem im Falle eines Ersuchens durch die Kommission eine Entscheidung über dieses Ersuchen treffen muss. Allerdings führt diese besondere Form des Zusammenspiels nicht dazu, dass die Mitwirkung der Kommission ihren Charakter als vorbereitendes, konsultatives und beratendes Handeln - was grundsätzlich kein demokratisch zu legitimierendes Handeln darstellt - verliert. Ihre Mitwirkung verdichtet sich nicht zu einer Mitentscheidung und dadurch zu einer Ausübung staatlicher Herrschaft.

Eine (Mit-) Entscheidung ist bereits rein begrifflich nur dann anzunehmen, wenn eine Mitwirkungshandlung einen gewissen Intensitäts- und vor allem Verbindlichkeitsgrad hat. Dies ist im Falle der Härtefallkommission nicht gegeben. Die Entscheidungen der obersten Landesbehörde sind zwar ihrem Verfahren nach vom Vorhandensein eines Ersuchens der Kommission abhängig, eine inhaltliche Bindung an dieses Ersuchen der Kommission besteht jedoch - wie ausgeführt - nicht. Die oberste Landesbehörde ist in ihrer Entscheidungsbefugnis auch nicht dergestalt eingeschränkt, dass sie einem von der Kommission an sie gestellten Ersuchen stattzugeben hätte und an die von der Kommission getroffenen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen gebunden wäre. Vielmehr ist gerade die Letztentscheidung der obersten Landesbehörde und damit eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers ("Verantwortungsgrenze", siehe BVerfGE 93, 37 [70] = juris Rn. 144) gesichert. Allein dieser Verantwortungsträger übt insoweit legitimationsbedürftige Staatsgewalt aus. Der Umstand, dass ein Ersuchen der Kommission mitursächlich für die spätere Ausübung dieser Staatsgewalt ist, führt nicht dazu, dass es selbst als eine Form der Ausübung von Staatsgewalt anzusehen ist (vgl. ThürVerfGH, LVerfGE 29, 276 [321] = juris Rn. 260, mit Verweis darauf, dass sonst auch allgemein an die Verwaltung gerichtete Anträge als Ausübung von Staatsgewalt qualifiziert werden müssten).

Das Ersuchen der Kommission ist auch kein Vorschlagsrecht mit Entscheidungscharakter (vgl. BVerfGE 47, 253 [273] = juris Rn. 43; BVerfGE 83, 60 [73] = juris Rn. 39). Zum einen ist das Ersuchen nicht (für einen anderen Verwaltungsträger) bindend; vielmehr darf - und muss - die oberste Landesbehörde von der Einschätzung der Härtefallkommission, im konkreten Fall liege ein Härtefall im Sinne der normierten Voraussetzungen vor, abweichen, wenn sie diese Einschätzung nach eigener Prüfung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht teilt. Außerdem ist die Kommission organisatorisch in die oberste Landesbehörde eingegliedert (§ 1 der Verordnung: "Bei dem für Ausländerrecht zuständigen Ministerium wird eine Härtefallkommission nach § 23a Abs. 1 AufenthG eingerichtet"); die oberste Landesbehörde ist damit kein "anderer Verwaltungsträger" im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Auch ist die Abhängigkeit der obersten Landesbehörde hinsichtlich des "Ob" ihres Tätigwerdens von einem Ersuchen der Härtefallkommission normativ-faktisch dadurch relativiert, dass der Vorsitzende der Kommission, der Staatssekretär des für Ausländerrecht zuständigen Ministeriums, nach § 4 der Verordnung per Antrag eine Befassung und damit auch Entscheidung der Härtefallkommission über konkrete - aus Sicht des Ministeriums relevante - Einzelfälle veranlassen kann. Die Stellung des Staatssekretärs als Vorsitzender der Härtefallkommission ist im Übrigen auch deshalb von besonderem Gewicht, weil er gemäß § 5 Abs. 2 der Verordnung über das Vorliegen eines Ausschlussgrundes für die Befassung der Härtefallkommission nach § 5 Abs. 1 der Verordnung entscheidet. Somit kann die oberste Landesbehörde über den Vorsitzenden der Kommission durchaus Einfluss auf das "Ob" ihres Tätigwerdens nehmen.

Da sich die Teilhabe der Härtefallkommission nicht zu einer Mitentscheidung verdichtet, wird durch diese auch keine staatliche Herrschaft ausgeübt, die demokratisch legitimiert sein muss (ähnlich auch das Hamburgische Verfassungsgericht, Urteil vom 19. Juli 2016 - VerfGH 9/15 -, LVerfGE 27, 253 [266] = juris Rn. 63: "Insoweit ‚dient‘ die Härtefallkommission allenfalls der ‚Vorbereitung‘ einer Entscheidung der obersten Landesbehörde.").

b) Lediglich angemerkt sei, dass die Verordnung auch dann mit dem Demokratieprinzip vereinbar wäre, wenn man die Tätigkeit der Härtefallkommission als Ausübung von Staatsgewalt qualifizieren würde. Die dann erforderliche hinreichende demokratische Legitimation der Kommission ist zum einen durch das gesetzlich abgesicherte Letztentscheidungsrecht der obersten Landesbehörde und zum anderen durch das Zusammenwirken mehrerer Legitimationsmodi und Legitimationsstränge (funktionelle und institutionelle, organisatorisch-personelle und sachlich-inhaltliche Legitimation) gewährleistet.

Diese verschiedenen Legitimationsmodi erlangen nicht je für sich, sondern nur in ihrem Zusammenwirken Bedeutung und müssen in diesem ein "hinreichendes" (BVerfGE 83,60 [72] = juris Rn. 37; BVerfGE 93, 37 [66 f.] = juris Rn. 135; BVerfGE 107,59 [87] = juris Rn. 111; BVerfGE 135, 155 [222] = juris Rn. 157; BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2012 - 2 BvR 133/10 - BVerfGE 130,76 [128] = juris Rn. 178) bzw. "bestimmtes" (BVerfGE 83,60 [72] = juris Rn. 37; BVerfGE 93, 37 [66 f.] = juris Rn. 135; BVerfGE 107,59 [87] = juris Rn. 111; BVerfGE 130,76 [124] = juris Rn. 167; BVerfGE 135, 155 [222] = juris Rn. 157) Legitimationsniveau erreichen. Ihre Wechselbezüglichkeit ermöglicht es, dass eine geringere Legitimation über einen Strang durch eine höhere Legitimation über einen anderen Strang ausgeglichen werden kann (BVerfGE 130,76 [124] = juris Rn. 167). Die Höhe des jeweiligen Legitimationsniveaus kann sowohl zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt als auch zwischen der Gubernative und der Verwaltung im engeren Sinne - als den beiden Erscheinungsformen der exekutiven Gewalt - variieren (BVerfGE 83,60 [72] = juris Rn. 37; 93,37 [67] = juris Rn. 135).

Eine funktionelle und institutionelle Legitimation der Härtefallkommission ist dadurch gegeben, dass sie in das für Ausländerrecht zuständige Ministerium eingegliedert und damit Teil der Verwaltung ist. Die Mitglieder der Kommission werden vom Minister ernannt und erfahren insoweit hinreichende personelle Legitimation, als eine auf das gesamte Volk rückführbare ununterbrochene Ernennungskette gegeben ist. Über diesen starken Strang personeller Legitimation erfährt der schwächer ausgestaltete sachlich-inhaltliche Strang der Steuerung des Verwaltungshandelns durch die Gesetze einen Ausgleich und gewährleistet ein insgesamt hinreichendes Legitimationsniveau. Auch die sachlich-inhaltliche Legitimation ist gegeben, da § 23a AufenthG als eng zu verstehende Ausnahme ausgestaltet ist, die die Entscheidungsspielräume der Beteiligten von vornherein begrenzt.

c) Da die Härtefallkommission keine - demokratischer Legitimation bedürfende - Staatsgewalt ausübt, bedarf es entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch keines gegenläufigen Verantwortungsstranges und damit keiner umfassenden parlamentarischen Kontrolle der Kommission. Abgesehen davon wäre diese dadurch in hinreichendem Maße gewährleistet, dass die Mitglieder der Kommission vom - dem Parlament unmittelbar verantwortlichen - Minister ernannt werden und dieser auch die nach außen wirksame Letztentscheidung trifft; die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers im Sinne der "Verantwortungsgrenze", welche das Bundesverfassungsgericht statuiert (BVerfGE 93, 37 [70] = juris Rn. 144), ist damit gegeben.

d) Da die Härtefallkommission keine Staatsgewalt ausübt, begegnet auch eine etwaige Besetzung der Kommission mit Nicht-EU-Ausländern von vornherein keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Abgesehen davon ergäbe sich auch hier bei anderer Betrachtung kein anderes Ergebnis: Zwar geht die Staatsgewalt vom Staatsvolk aus; ausgeübt wird sie nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG jedoch durch die besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung. Aus dem Demokratieprinzip ergeben sich keine Anforderungen an die Staatsangehörigkeit der der Exekutive zuzurechnenden Amtswalter.

4. Die Verordnung steht schließlich mit verfassungsrechtlich gewährleisteten subjektiven Rechten in Einklang. Die Antragstellerin geht fehl in ihrer Annahme, dass die Zusammensetzung der Kommission und das Verfahren der Bestellung der Kommissionsmitglieder nach § 2 der Verordnung gegen subjektive Verfassungsrechte verstößt und die Verfassungswidrigkeit der Verordnung insgesamt bewirkt.

a) Die Verordnung ist nicht wegen Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG, der gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleistet, verfassungswidrig.

Art. 33 Abs. 2 GG ist bereits kein Prüfungsmaßstab im vorliegenden Verfahren. Es handelt sich nicht um in die Thüringer Verfassung hineinwirkendes Bundesverfassungsrecht. Art. 96 ThürVerf regelt zwar Fragen der Rechtsstellung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes; die Thüringer Verfassung enthält jedoch kein dem Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Pendant (vgl. ThürVerfGH, Beschluss vom 7. März 2002 - VerfGH 5/00 - unter B I. der Gründe). Eine Übertragung der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Grundsätze in die Thüringer Landesverfassung ist nicht möglich (ThürVerfGH, Beschluss vom 7. März 2002 - VerfGH 5/00 - und Beschluss vom 26. März 2007 - VerfGH 49/06 -).

Abgesehen davon handelt es sich bei der Mitgliedschaft und Tätigkeit in der Härtefallkommission - wie ausgeführt - nicht um die Ausübung von Staatsgewalt, so dass die Mitgliedschaft in der Härtefallkommission auch kein öffentliches Amt im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG ist. Damit ist auch der Schutzbereich dieser Verfassungsnorm nicht eröffnet.

b) Die Verordnung verstößt auch nicht gegen die Gewährleistung der religiös-weltanschaulichen Neutralität, Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 WRV. Unabhängig davon, ob Art. 33 Abs. 3 GG vorliegend überhaupt Prüfungsmaßstab sein kann, verstößt die Regelung zur Zusammensetzung der Kommission in § 2 der Verordnung jedenfalls deshalb nicht gegen das Gebot der Gewährleistung der religiös-weltanschaulichen Neutralität nach Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 WRV, weil es sich bei der Mitgliedschaft in der Härtefallkommission nicht um die Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt und diese Vorschriften es dem Staat nicht verwehren, mit Vertretern der Religionsgesellschaften bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu kooperieren.

c) Die Regelung zur Zusammensetzung der Kommission in § 2 der Verordnung verstößt auch nicht deshalb gegen Art. 2 Abs. 1 ThürVerf, weil lediglich die aufgeführten Institutionen Vertreter als Mitglied der Kommission vorschlagen und entsenden können und sich damit niemand um eine Mitgliedschaft in der Kommission bewerben kann, der nicht von den genannten Institutionen vorgeschlagen wurde, und auch keine andere Institution Vorschläge unterbreiten kann.

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 -, BVerfGE 95, 267 [316 f.] = juris Rn. 188). So nimmt das Bundesverfassungsgericht bei Ungleichbehandlungen durch den Gesetzgeber von geringer Intensität - insbesondere bei der Ungleichbehandlung von Sachverhalten - eine Willkürkontrolle vor; eine Ungleichbehandlung ist dann willkürlich, wenn sich kein sachlicher Grund für diese finden lässt (BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 1959 - 2 BvL 10/59 -, BVerfGE 9, 334 [337] = Rn. 11). Bei einer Ungleichbehandlung von größerer Intensität - insbesondere die Verschiedenbehandlung von Personen und Personengruppen - unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung; eine Ungleichbehandlung ist in einem solchen Fall dann gerechtfertigt, wenn Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 - 1 BvL 50/79 -, BVerfGE 55, 72 [88] = juris Rn. 47). Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind zudem umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1982 - 1 BvR 938/81 -, BVerfGE 60, 123 [134] = juris Rn. 37 und Beschluss vom 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 -, BVerfGE 82, 126 [146] = juris Rn. 73).

Unabhängig davon, ob durch die Regelung des § 2 der Verordnung überhaupt wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird, lässt sich die Beteiligung von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen hier unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, dass die Vorbereitung von Entscheidungen, die Aufenthaltserlaubnisse von Ausländern betreffen, möglichst aufgrund einer pluralistischen Meinungsbildung (vgl. BVerfGE 83, 130 [150] = juris Rn. 65) und unter Beteiligung derjenigen Kreise, die für die vorzunehmende Beurteilung besonders qualifiziert und sachnah sind (BVerfGE 83, 130 [151] = juris Rn. 69), ergehen sollen. Eine Ungleichbehandlung wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt, zumal dem Verordnungsgeber nach § 23a AufenthG hinsichtlich der Einrichtung und Zusammensetzung der Härtefallkommission ein Gestaltungsspielraum offenstand. Dabei durfte er auch berücksichtigen, dass mit zunehmender Größe die Leistungsfähigkeit eines Gremiums leidet (vgl. hierzu auch BVerfGE 83, 130 [151] = juris Rn. 70) und auch die Anzahl der in der Härtefallkommission behandelten Fälle nicht ins Uferlose steigen sollte - was den verfassungsrechtlich gebotenen Charakter der Regelung als Ausnahmeregelung gefährdet hätte -, so dass nicht alle denkbaren bedeutsamen Gruppen einbezogen werden konnten. Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber andere bedeutsame Gruppierungen in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise unberücksichtigt gelassen hätte (vgl. BVerfGE 83, 130 [151] = juris Rn. 70), bestehen nicht.

C.

Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürVerfGHG. Für die von der Antragstellerin beantragte - und bei einem erfolglosen Antrag nur ausnahmsweise mögliche - Erstattung gibt es keinen Grund.

Die Entscheidung ist mit 8:1 Stimmen ergangen.

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