OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.11.2020 - 2 B 327/20
Fundstelle
openJur 2021, 12623
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller betreibt ein Gourmetrestaurant in A-Stadt. Daneben ist er an einem weiteren Restaurantbetrieb beteiligt. Mit einem am 4.11.2020 gestellten Normenkontrollantrag (Az.: 2 C 326/20) wendet er sich gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung der Landesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 30.10.2020.1 Im vorliegenden Eilverfahren beantragt der Antragsteller diese Regelung im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsteller macht geltend, durch die angegriffene Regelung werde ihm seine gesamte berufliche Existenzgrundlage entzogen. Die Möglichkeit des Außer-Haus-Verkaufs könne er nicht nutzen, weil es dafür im hochpreisigen Gourmetbereich keine nennenswerte Nachfrage gebe und damit die für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlichen Umsätze nicht erwirtschaftet werden könnten. Er macht geltend, der weitreichende Verbotstatbestand verletze ihn in seiner Berufsfreiheit, derart weitreichende Verbote könnten nur durch ein Parlamentsgesetz gerechtfertigt werden und die Maßnahme sei im Übrigen unverhältnismäßig. Außerdem rügt er Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot. Der Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaube Eingriffe nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen ließen. Insoweit müsse der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich seien. Diesen Maßstäben genüge die lediglich als Generalklausel ausgestaltete Ermächtigungsgrundlage in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 u. 2 IfSG nicht, um ein weitreichendes Berufsverbot ohne weitere Parlamentsbeteiligung in einer Rechtsverordnung zu regeln. Das verlange - auch bei der Verwendung von Generalklauseln -, dass Beeinträchtigungen von Grundrechten mit höchster Eingriffsintensität, wie bei einem Berufsverbot, insbesondere wenn sie sich gegen "Nicht-Störer" im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG richteten, erkennbar auf den Willen des Parlamentsgesetzgebers zurückgeführt werden könnten. Die Schließung habe für zahlreiche Gastronomiebetriebe außerordentliche, die wirtschaftliche Existenz mindestens in Frage stellende Wirkung. Umso mehr bedürfe die Rechtfertigung derartiger Grundrechtseingriffe der Abwägung widerstreitender verfassungsrechtlicher Anforderungen, der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den betroffenen Grundrechten unter Beachtung der Kohärenz und des Gleichbehandlungsgebots im Rahmen der zur Pandemiebekämpfung ergriffenen Maßnahmen. Der Abwägungsvorgang als solcher, die transparente und öffentliche Diskussion der Für und Wider streitenden Interessenlagen und die demokratische Legitimation der am Ende getroffenen Entscheidung müssten bei derart hoher Eingriffsintensität den Parlamenten vorbehalten bleiben. Die gravierenden Auswirkungen der getroffenen Regelungen sprächen deswegen dafür, dass die Vorschrift in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1, 2 IfSG die Voraussetzungen, den Umfang und insbesondere die Grenzen des Grundrechtseingriffs nicht ausreichend erkennen ließen. Die wesentlichen Grundentscheidungen, etwa im Zusammenhang mit weitreichenden und flächendeckenden Maßnahmen bei einer pandemischen Notlage, die Verteilung der damit verbundenen Lasten unter verschiedenen Grundrechtsträgern und letztlich das Maß, mit dem vorliegend Berufsverbote ausgesprochen bzw. Gastronomiebetriebe zur Pandemiebekämpfung herangezogen würden, enthalte die Generalklausel des Infektionsschutzgesetzes nicht. Auch nach der Verfassung des Saarlandes bedürfe jeder Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Unterliege eine auf die bundesrechtliche Generalklausel gestützte Regelung wegen ihrer Eingriffsintensität dem Parlamentsvorbehalt, müsse sie gegebenenfalls - in Anwendung von Art. 80 Abs. 4 GG - durch den Landtag in einem Landesgesetz beschlossen werden. Im Zusammenhang mit der Verpflichtung von Gastronomiebetrieben zur Erfassung von Kontaktdaten habe der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass es an einer ausreichenden parlamentsgesetzlichen Regelung fehle, um die damit verbundenen Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz aus Art. 2 Satz 2 SVerf zu rechtfertigen und insbesondere die Generalklausel des § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dafür nicht genüge. Die vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten Grundsätze müssten gleichermaßen - wenn nicht sogar erst recht - für schwere und intensive Eingriffe in das Grundrecht auf Berufsfreiheit, insbesondere im Falle eines vollständigen Berufsverbots gelten. Es sei nicht ersichtlich und erst recht nicht transparent, ob der Abwägungsprozess - im Rahmen einer parlamentarischen Debatte und Beschlussfassung - auch im forum internum der Exekutive stattgefunden habe und die nachfolgenden Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Berufsverbots beachtet worden seien. Es dürfe auch nicht angenommen werden, dass die Generalklausel des Infektionsschutzgesetzes "gegenwärtig noch nicht zwingend" ein Parlamentsgesetz erfordere, da die Maßnahme zeitlich befristet sei und die Entwicklung des Infektionsgeschehens schnelles Handeln der Regierung erforderlich mache. Dem stehe zunächst entgegen, dass der Parlamentsvorbehalt und die Wesentlichkeitstheorie grundsätzlich gelten würden und es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz gebe, nachdem bei zeitlich befristeten, aber dennoch schweren Grundrechtseingriffen auf eine parlamentarische Gesetzesgrundlage verzichtet werden könnte. Zum anderen stehe dem nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes entgegen, dass nach der inzwischen mehr als sieben Monaten andauernden Corona-Pandemie kein Gesetzgebungsnotstand mehr ersichtlich sei, der eine auf Generalklauseln gestützte weitgehende Eilkompetenz der Exekutive erforderlich mache. Auf die Notwendigkeit eines Parlamentsgesetzes bei andauernden pandemiebedingten Grundrechtseinschränkungen habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits im April hingewiesen, als er das Verbot der Öffnung von Ladengeschäften durch eine bayerische Rechtsverordnung aufgehoben habe (BayVGH, Beschluss vom 27.4.2020, 20 NE 20.793 - juris). Jedenfalls heute bestehe eine Eilkompetenz der Landesregierung jenseits des Parlamentsvorbehalts daher nicht mehr. Es komme hinzu, dass das Verbot von Gastronomiebetrieben aller Voraussicht nach über die formale Geltungsdauer der derzeit gültigen Rechtsverordnung verlängert werde. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verlange im Hinblick auf die Intensität und Schwere des Grundrechtseingriffes auch im Eilverfahren eine Klärung, ob für diesen Grundrechtseingriff überhaupt eine ausreichende gesetzliche Grundlage bestehe. Daher dränge sich heute - sicherlich anders als vom Senat noch im Beschluss vom 22.4.2020 angenommen - der fehlende Gesetzesvorbehalt aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 28.8.2020 auf. Es komme hinzu, dass die Parlamentsbeteiligung zwischenzeitlich auch von einer breiten Öffentlichkeit und gewichtigen Stimmen aus Politik und Jurisprudenz gefordert werde. Das pauschale Verbot von Gastronomiebetrieben erweise sich nicht als verhältnismäßig. Es sei nicht geeignet, um wirksam zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beizutragen. Dabei sei zwar anzunehmen, dass jede Form der Kontaktreduzierung geeignet sei, um Infektionsketten zu unterbrechen. Dies treffe auch auf Gastronomiebetriebe zu, wenn auch das Infektionsrisiko dort aufgrund von Hygiene- und Schutzkonzepten und nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Robert-Koch-Instituts ausgesprochen gering sei. Im Bereich von Gaststätten und Gastronomiebetrieben dürften aber die mit der Schließung verbundene Verhaltensänderung der Menschen und das dadurch provozierte Ausweichverhalten nicht unberücksichtigt bleiben. Es sei anzunehmen, dass das im Sozialverhalten unserer Gesellschaft tief verwurzelte Streben nach zwischenmenschlichen Kontakten dazu führe, dass Begegnungen, die bislang in Gastronomiebetrieben unter den Augen der Öffentlichkeit und bei Einhaltung funktionierender Hygiene- und Schutzkonzepte stattgefunden hätten, in den vom Staat - schon wegen der Unverletzlichkeit der Wohnung - nicht kontrollierbaren Privatbereich verlagert würden. Diese Ausweichbewegung beträfe keineswegs nur eine kleine Gruppe von "Unvernünftigen". Außerdem fehle im Privatbereich jedwede Kontrolle, und zwar nicht nur die staatliche sondern auch die Kontrolle des Betriebsinhabers und letztlich auch die soziale Kontrolle. Insgesamt sei deswegen schon höchst fraglich, ob die Maßnahme im Ergebnis tatsächlich zu weniger Infektionen führe, oder ob die zu erwartenden Ausweichbewegungen (die Flucht ins Private) die Pandemie sogar beschleunige. Für Letzteres spreche insbesondere, dass nach Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts maßgeblicher Grund für Ansteckungscluster private Feiern und das familiäre Umfeld gewesen seien. Die Maßnahmen seien aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht erforderlich, um das Infektionsgeschehen wirksam einzudämmen. Es sei nicht zu erkennen, dass Gaststätten unter den bislang geltenden Schutz- und Hygienemaßnahmen einen derart wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen gehabt hätten. Nach den vom Robert-Koch-Institut durchgeführten Analysen spiele das Infektionsumfeld "Gastronomie" eine untergeordnete Rolle. Aufgrund der vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten Stellungnahmen werde deutlich, dass die Gastronomie nicht "Treiber der Pandemie" sei. Diese Feststellungen habe der Senat zuletzt im Beschluss vom 28.8.2020 (Az.: 2 B 296/20) selbst getroffen. Diese Feststellungen seien noch immer aktuell. Gastronomiebetriebe jedweder Prägung hätten erhebliche Anstrengungen unternommen, um auch in Zeiten der Corona-Pandemie als sicherer Ort zu öffnen und ihrer beruflichen Tätigkeit nachkommen zu können. Dazu zähle nicht nur die Umsetzung des Hygieneplans der Landesregierung, sondern auch die Umgestaltung und Anpassung der räumlichen Verhältnisse in den einzelnen Betrieben. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass es ausgerechnet in der Gastronomie zu häufigen oder schwerwiegenden Verstößen gegen die geltenden und offensichtlich funktionierenden Hygieneregeln gekommen sei. Eine andere Betrachtung ergebe sich auch nicht daraus, dass die vom Robert-Koch-Institut ermittelten Daten lediglich auf der Grundlage von ca. 25 % der insgesamt festgestellten Corona-Infektionen ermittelt worden seien. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es im verbleibenden Dunkelfeld zu einer anderen Verteilung der Infektionen auf die Infektionsumfelder komme oder dort Gastronomiebetriebe gar eine höhere Bedeutung für das Infektionsgeschehen hätten. Darüber hinaus gebe es weniger einschneidende Regulierungsmöglichkeiten für Gastronomiebetriebe, die gleich wirksam oder noch wirksamer seien. Der Verordnungsgeber habe offensichtlich nicht in Erwägung gezogen, die verschärften Kontaktbeschränkungen nach § 6 Abs. 1 VO-CP im öffentlichen und privaten Raum auch auf Gastronomiebetriebe anzuwenden. Zur weiteren Eindämmung könnten verschärfte Regeln in Kraft gesetzt werden, die etwa den für die Einhaltung der Abstandsregeln schwierigen Thekenbetrieb einschränkten oder untersagten. Auch könnten die Anzahl der Gäste auf einer bestimmten Fläche des Gastraums beschränkt werden, um insbesondere auch die Aerosolausbreitung zu vermeiden. Es könnten verschärfte Regelungen für das Lüften des Gastraums erlassen werden und der Alkoholausschank könne zu bestimmten Uhrzeiten begrenzt werden. Außerdem könnten verschärfte Regelungen für das Service-Personal in Kraft gesetzt werden und eine Schnellteststrategie für das Personal angewandt werden. Der Gesetzesvollzug müsse verschärft werden, bevor das Gesetz verschärft werde. Jedenfalls erweise sich das vollständige Verbot von Gaststätten und Gastronomiebetrieben als unverhältnismäßig im engeren Sinne. Die Maßnahme könne auch nicht mit den allgemein steigenden Infektionszahlen gerechtfertigt werden, weil es keinen Nachweis dafür gebe, dass die Infektionszahlen in der Gastronomie überhaupt oder in besonderem Maße stiegen. In Alten- und Pflegeheimen, in denen es ausweislich der Statistik des RKI zu einem erheblichen Anstieg des Infektionsgeschehens gekommen sei, gebe es keine funktionierenden Schutzkonzepte. In diesem Bereich habe der Staat erkennbar versagt und nicht in dem gebotenen Maße für den Schutz der betroffenen Menschen und der Eindämmung der Pandemie gesorgt. Von dort drohe aber die größte Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens. Unter diesen Voraussetzungen erweise es sich als völlig unangemessen, Pauschalmaßnahmen gegen weite Teile der Bevölkerung zu verhängen und insbesondere gesamte Branchen pauschal und flächendeckend mit einem vollständigen Berufsverbot zu belegen. Die angefochtene Vorschrift verstoße gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot, weil sie sämtliche Gaststätten und Gastronomiebetriebe pauschal und ohne hinreichende Differenzierung im Hinblick auf das infektionsschutzrechtliche Ziel verbiete. Ein Gourmetrestaurant, wie es der Antragsteller betreibe, sei im Hinblick auf die mögliche Ansteckungsgefahr nicht vergleichbar z.B. mit einer Bier-Kneipe, in der im Schwerpunkt alkoholische Getränke und typischerweise keine oder nur kleinere Speisen angereicht würden, ein Thekenbetrieb stattfinde und die Gäste nicht stationär einem Tisch zugewiesen würden, sondern sich ggfs. dort träfen und im Verlaufe ihres Aufenthalts in unterschiedlichen personellen Konstellationen und ggfs. an verschiedenen wechselnden Tischen zusammensäßen. Ein Gourmetrestaurant sei auch nicht vergleichbar mit typischen Schnellrestaurants (wie z.B. diverse Burger-Ketten). Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sei es auch nicht zu rechtfertigen, dass der Betrieb von Kantinen von dem Verbot ausgenommen werde. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass das Ansteckungsrisiko dort niedriger sei. Die Ungleichbehandlung lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass dem Betriebspersonal mit der Vorhaltung einer Kantine erleichterter Zugang für Pausenverpflegung gewährt werden solle. Dies sei infektionsschutzrechtlich kein Grund, Kantinen deshalb besserzustellen. Die ganze Regelung sei nicht konsistent und schaffe eine sachlich nicht gerechtfertigte und erst recht nicht verhältnismäßige Ungleichbehandlung. Auch im Verhältnis zu anderen Einrichtungen, die von einer Vielzahl von Menschen aufgesucht würden, sei die Regelung nicht konsistent und führe zu Ungleichbehandlungen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Betrieb von Friseursalons nach § 7 Abs. 4 Satz 3 VO-CP zulässig bleiben solle, während Gastronomiebetriebe vollständig verboten würden. Das Öffnen von Friseurbetrieben lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Versorgungsnotwendigkeit rechtfertigen. Der häusliche Haarschnitt im Fall einer länger andauernden Schließung sei genauso möglich wie das häusliche Anrichten von Speisen. Darüber hinaus enthalte die Verordnung eine im Vergleich zur Gastronomie-Betrieben unzulässige Privilegierung von Religionsgemeinschaften. Es sei unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes kein sachlicher Grund ersichtlich, warum die Religionsfreiheit gegenüber der Berufsfreiheit privilegiert werden solle. Soweit der Senat unter dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung über den Antrag entscheide, sei zu berücksichtigen, dass die bislang und die allgemein geltenden infektionsrechtlichen Regelungen für Gastronomiebetriebe weiter Gegenstand der Verordnung seien. Auch die Kontaktnachverfolgung wäre im Fall der einstweiligen Außervollzugsetzung des Verbots unmittelbar gewährleistet (vgl. Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 28.8.2020). Die Suspendierung des Verbotstatbestandes führe daher nicht zu größeren oder wesentlichen Nachteilen für die Eindämmung des Infektionsgeschehens.

Der Antragsteller beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO, Art. 2 § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Änderung infektionsschutzrechtlicher Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30.10.2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen,

hilfsweise, Art. 2 § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Änderung infektionsschutzrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30.10.2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit damit Restaurant-Betriebe verboten werden, bei denen die Gäste einen festen Sitzplatz an einem Tisch zugewiesen werden und bei denen der Schwerpunkt der Bewirtung im Verkauf von Speisen besteht,

hilfsweise festzustellen, dass es dem Antragsteller entgegen der angefochtenen Rechtsnorm nicht untersagt ist, seinen Restaurantbetrieb zu öffnen.

Der Antragsgegner ist dem Antrag mit Schriftsätzen vom 10.11.2020 und vom 12.11.2020 entgegengetreten.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§§ 47 Abs. 6 u. Abs. 1 Nr. 2 VwGO, 18 AGVwGO Saar) bleibt ohne Erfolg. Die inhaltliche Begrenzung des Normenkontrollantrags auf § 7 Abs. 1 Satz 1 VO-CP unterliegt unter dem Aspekt einer Teilbarkeit der auf ganz unterschiedliche Lebensbereiche mit einer jeweils eigenen Betroffenheit zielenden Vorschriften der Verordnung keinen Bedenken.

1. Der nach §§ 47 Abs. 6 und Abs. 1 Nr. 2 VwGO, 18 AGVwGO Saar auf teilweise vorläufige Außervollzugsetzung der Verordnung im Vorgriff auf eine Entscheidung in dem seit dem 2.11.2020 anhängigen Normenkontrollbegehren gerichtete Hauptantrag des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antragsteller ist antragsbefugt i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1, Abs. 6 VwGO. Er ist als Inhaber eines Gastronomiebetriebes durch die ihm auferlegte Verpflichtung in § 7 Abs. 1 VO-CP nach eigenem Vortrag in seinen Grundrechten aus den Art. 12, 14 und 3 GG betroffen. Das besondere Regelungsinteresse des § 47 Abs. 6 VwGO im Sinne erheblich gesteigerter "Dringlichkeit" ergibt sich aus diesem Vorbringen.

Dem Hauptantrag auf Erlass der begehrten Vorabregelung kann jedoch in der Sache nicht entsprochen werden. Die von dem Antragsteller in der Sache nach beantragte vorläufige Außervollzugsetzung der ihm aufgrund des § 7 Abs. 1 Satz 1 VO-CP auferlegten Betriebsuntersagung ist im Rechtssinne nicht zur Abwendung schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen "dringend geboten" (§ 47 Abs. 6 VwGO).

Im Rahmen der Entscheidung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wie bei sonstigen verwaltungsprozessualen Eilrechtsschutzersuchen (§§ 80 Abs. 5, 80a oder 123 Abs. 1 VwGO) in erster Linie auf die prognostische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, hier des Normenkontrollantrags, abzustellen.2 Lassen sie sich nicht - auch nicht in der Tendenz - verlässlich abschätzen, so ist wegen der wortlautmäßigen Anlehnung an § 32 BVerfGG wie bei verfassungsgerichtlichen Vorabentscheidungen eine Folgenbetrachtung3 vorzunehmen. Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt - im Ergebnis nach beiden Maßstäben - nicht die vorläufige Aussetzung der Vollziehung des § 7 Abs. 1 VO-CP.

a) Formelle Fehler beim Zustandekommen der streitgegenständlichen Rechtsverordnung einschließlich ihrer Inkraftsetzung durch die Verkündung im Amtsblatt des Saarlandes am 31.10.2020 sind nicht ersichtlich.

Ob die von dem Antragsteller angegriffene Rechtsverordnung aus gegenwärtiger Sicht trotz des nunmehr - bezogen auf den Fall des Antragstellers aber auch in anderen Bereichen - wenn auch mit Unterbrechungen über Monate dauernden Betriebsverbots noch eine ausreichende Grundlage in dem § 32 Satz 1 IfSG4 findet, obwohl in diesem gesamten Zeitraum bisher keine zumindest bestätigende oder die zahlreichen erheblichen Eingriffe in Grundrechte der saarländischen Bürgerinnen und Bürger "billigende" Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers erwirkt wurde, ist - wie der Antragsteller ebenfalls umfangreich vorträgt - in der Tat sehr zweifelhaft und erlangt mit zunehmendem Zeitablauf steigende Relevanz. Die Beantwortung dieser Frage lässt der Senat indes auch für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren erneut noch einmal ausdrücklich dahingestellt5 mit Blick auf die derzeit sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene eingeleiteten Versuche, den unter Verweis auf rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere den sogenannten "Parlamentsvorbehalt", auch vom Senat6 geäußerten Bedenken durch eine Einbindung der gewählten Volksvertretungen bei der konkreten Anordnung der Einschränkungen von Grundrechten Rechnung zu tragen.7 Gleiches gilt für die Frage, ob der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom August 20208 das Fehlen einer hinreichenden formell-gesetzlichen Grundlage im Wege eines "Erst-Recht-Schlusses" entnommen werden kann oder sogar muss. So sollen bundesrechtlich unter anderem die "notwendigen Schutzmaßnahmen" im Sinne der Verordnungsermächtigung § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nun durch einen neuen § 28a IfSG näher bestimmt und konkretisiert werden. Auf Landesebene behandelt der Landtag des Saarlandes gegenwärtig einen von allen Fraktionen getragenen Entwurf für ein "Saarländisches COVID-19-Maßnahmengesetz".9 Dem liegt die zutreffende Erkenntnis zugrunde, dass nach nunmehr mehr als einem halben Jahr die teils erheblichen Grundrechtseingriffe aufgrund der der Generalklausel in dem § 28 Abs. 1 IfSG (§ 32 IfSG) als Rechtsgrundlage "im Hinblick auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip abgeleiteten Wesentlichkeitsgrundsatz" "zunehmend problematischer" werden. Da diese Regelungen konkret absehbar sind, sieht der Senat, der anders als der Verfassungsgerichtshof nicht zur Bestimmung von Fristen für die Ausräumung von Verfassungsverstößen befugt ist, im vorliegenden Anordnungsverfahren weiter keine Veranlassung, in der gegenwärtigen Situation die bisherige Rechtslage im Vorgriff auf ein Hauptsacheverfahren entscheidungstragend einer weiteren Überprüfung zu unterziehen. Das gilt insbesondere für die in dem Entwurf des "Maßnahmengesetzes" in § 3 vorgesehene Form der Beteiligung des Landtags.

b) Bei der allein möglichen summarischen Überprüfung lässt sich ferner ein Verstoß der angegriffenen Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 VO-CP der Verordnung gegen höherrangiges Recht unter materiell-rechtlich inhaltlichen Gesichtspunkten derzeit ebenfalls nicht feststellen.

aa) Soweit der Antragsteller in Bezug auf sein Freiheitsgrundrecht nach Art. 12 Abs. 1 GG die Nichteinhaltung des für Grundrechtsbeschränkungen geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rügt, kann dem nicht gefolgt werden.

De Maßnahme verfolgt ein legitimes Ziel, indem sie bezweckt, Neuinfektionen soweit als möglich vorzubeugen und damit gleichzeitig auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der übertragbaren Krankheit COVID-19 innerhalb der Bevölkerung zu verringern. Dies dient u.a. dazu, eine Überlastung des öffentlichen Gesundheitssystems zu vermeiden. Zweck der Regelung ist somit der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit jedes Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt, wofür den Staat aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine umfassende Schutzpflicht trifft. Das Betriebsverbot von gastronomischen Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1VO-CP ist grundsätzlich geeignet, der Ausbreitung des Infektionsgeschehens entgegen zu wirken. Die Anordnung wurde als Reaktion auf eine Situation verfügt, in der sich der Verlauf der Pandemie in Deutschland zunehmend wieder verschärft. Den Angaben des fachkundigen Robert-Koch-Instituts10 (im Folgenden: RKI) zufolge, das nach § 4 IfSG zentrale Aufgaben im Zusammenhang mit der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und der Verhinderung ihrer Weiterverbreitung zu erfüllen hat, ist aktuell ein beschleunigter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Als Maßnahme hiergegen wird u.a. empfohlen, die Kontakte soweit als möglich zu reduzieren. Die anstehenden Wintermonate, in denen zu erwarten ist, dass sich die Bevölkerung vermehrt und längere Zeit in Innenräumen aufhält, lassen vor diesem Hintergrund ohne geeignete Schutzmaßnahmen eine weitere erhebliche Ausbreitung des Infektionsgeschehens erwarten.11 In diesem Kontext ist die Schließung der Gastronomiebetriebe zur Erreichung des angestrebten Ziels, Neuinfektionen vorzubeugen, geeignet, denn dadurch werden die Kontaktmöglichkeiten in den Gastronomiebetrieben beschränkt und es wird verhindert, dass sich wechselnde Gäste oder Gästegruppen zu dieser Zeit in den Einrichtungen einfinden.12 Zudem werden die Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg von und zu gastronomischen Einrichtungen und die erhöhte Attraktivität des öffentlichen Raums bei geschlossenen gastronomischen Einrichtungen reduziert.13 Dies gilt unabhängig davon, ob Gaststätten bisher als "Treiber" des Infektionsgeschehens in Erscheinung getreten sind oder nicht. Zwar werden - worauf der Antragsteller hinweist - vom RKI als maßgeblicher Grund für Ausbrüche der Krankheit insbesondere private Feiern genannt. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass auch nach den Statistiken des RKI die Ansteckungsumstände auf "diffuse Gründe" und nicht nachverfolgbare Umstände zurückzuführen ist. In zahlreichen Landkreisen kommt es zu einer Ausbreitung von SARS-CoV-2-Infektionen in die Bevölkerung, ohne dass Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind. Aus Sicht des RKI sollten daher Menschenansammlungen - besonders in Innenräumen - möglichst gemieden werden.14 Es steht außer Zweifel, dass Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen mit einer Vielzahl regelmäßig einander unbekannter Personen und längerer Verweildauer ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringen und die Gefahr eines Eintrags der Infektion in das weitere berufliche und private Umfeld dieser Personen in sich bergen.15 Unter Berücksichtigung dessen, dass es bereits genügt, wenn das Ziel, durch Kontaktreduzierung einer Weiterverbreitung des Virus entgegen zu wirken, zumindest teilweise erreicht wird, ist von einer grundsätzlichen Geeignetheit der Maßnahme auszugehen.

Der Antragsgegner durfte die getroffene Regelung unter Berücksichtigung des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums auch für erforderlich halten. Soweit der Antragsteller die besondere Gefährlichkeit der Krankheit Covid-19 und die durch die ungebremste Zunahme des Infektionsgeschehens drohende Überlastung des deutschen Gesundheitssystems in Abrede stellt, kann dem nicht gefolgt werden. Auch wenn nach heutigen Erkenntnissen nur ein geringer Teil der Erkrankungen schwer verläuft, kann das individuelle Risiko anhand der epidemiologischen und statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, sind derzeit noch nicht abschätzbar. Die Belastung des Gesundheitssystems hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den hauptsächlich betroffenen Bevölkerungsgruppen, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen ab. Sie kann örtlich sehr schnell zunehmen und dann insbesondere das öffentliche Gesundheitswesen, aber auch die Einrichtungen für die ambulante und stationäre medizinische Versorgung stark belasten. Deshalb bleiben intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Diese Maßnahmen verfolgen weiterhin das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden.16 Von daher kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass der Staat verpflichtet ist, Gesundheit und Leben der Bevölkerung vor den Gefahren einer sich unkontrolliert ausbreitenden Pandemie und einer damit einhergehenden Überlastung der medizinischen Versorgung zu schützen.

Mildere, gleichermaßen geeignete Mittel zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ergeben sich nicht aus bloßen Beschränkungen des Betriebs, etwa auf der Grundlage von Hygienekonzepten und deren notfalls zwangsweiser behördlicher Durchsetzung. Es ist angesichts der derzeitigen Infektionsdynamik nicht davon auszugehen, dass diese Konzepte infektionsschutzrechtlich eine vergleichbare Effektivität aufweisen wie Betriebsschließungen, zumal damit - wie bereits erwähnt - auch die Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg von und zu gastronomischen Einrichtungen und die erhöhte Attraktivität des öffentlichen Raums reduziert werden können.

Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 VO-CP ist voraussichtlich auch angemessen. Zwar greifen Betriebsschließungen tiefgreifend in die Berufsausübungsfreiheit der Betreiberinnen und Betreiber von Gastronomiebetrieben ein und machen ihnen die Berufsausübung für einen Zeitraum unmöglich. Dabei ist auch zu sehen, dass die Betriebe - und auch Der Antragsteller - nach dem ersten "Lockdown" im Frühjahr dieses Jahres erhebliche Arbeitskraft und unter Umständen auch finanzielle Mittel in die Umsetzung von infektionsschutzrechtlichen Hygienekonzepten investiert haben. Andererseits wird das Gewicht des von ihnen abverlangten "Opfers" dadurch gemildert, dass ihnen staatlicherseits Kompensationen für die zu erwartenden Umsatzausfälle in durchaus erheblichem Umfang in Aussicht gestellt worden sind.17 Mit Blick auf die gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines weiteren Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die hochwertigen Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie einer Überlastung des Gesundheitswesens ist der mit der vorübergehenden Betriebsschließung verbundene Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 GG hinzunehmen.18

bb) Die von dem Antragsteller geltend gemachte Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG kann ebenfalls nicht festgestellt werden. In seiner Ausprägung als Willkürverbot gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, dass der Gesetzgeber im konkreten Zusammenhang von mehreren möglichen Lösungen die zweckmäßigste oder gar die "vernünftigste" wählt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist vielmehr erst anzunehmen, wenn offenkundig ist, dass sich für die angegriffene normative Regelung und eine durch sie bewirkte Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund finden lässt.19 Das ist hier nicht der Fall. Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 VO-CP angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen beruhen auf der nicht sachfremden Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss, und dass diese Verhinderung neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport und Unterhaltung erreicht werden kann. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Ansteckungsgefahr in einem Gourmetrestaurant verglichen mit anderen Gastronomiebetrieben, insbesondere Gaststätten ohnehin geringer sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass in gastronomischen Einrichtungen, die in den Wintermonaten schwerpunktmäßig in geschlossenen Räumlichkeiten betrieben werden, eine Anzahl wechselnder Personen für einen Zeitraum nicht nur zum Essen, sondern auch zum geselligen Beisammensein zusammen kommt. Eine Weiterverbreitung des Coronavirus lässt sich auch unter Beachtung der geltenden Schutzvorkehrungen und Hygienekonzepten nicht ausschließen, da die Gäste jedenfalls während des Essens und Trinkens keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können und sich eine Verbreitung von potentiell virushaltigen Tröpfchen und Aerosolen in der Luft nicht verhindern lässt. Das gilt für Gastronomiebetriebe unterschiedlicher Prägung gleichermaßen. Der Verordnungsgeber war daher zu einer weiteren Differenzierung nicht verpflichtet. Ganz allgemein ergibt sich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht bereits daraus, dass die Verordnung keine einheitlichen Ge- und Verbote für alle unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen vorsieht. Denn auch die insoweit getroffene Unterscheidung kann sachlich gerechtfertigt sein. Dabei ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten.20 Vor diesem Hintergrund kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg darauf berufen, es liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Kantinen vor, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VO-CP von der Schließungsanordnung ausgenommen sind, denn Kantinen dienen ausschließlich der Verpflegung der Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer öffentlichen Einrichtung in den Arbeitspausen und unterscheiden sich von der übrigen Gastronomie durch die Zugangsbeschränkung für externe Personen. Ebenso wenig kann der Antragsteller eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Friseurgeschäften für sich reklamieren, da es sich bei Gastronomiebetrieben und dem Friseurgewerbe um nicht vergleichbare wirtschaftliche Tätigkeiten handelt. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kann auch nicht aufgrund der Privilegierung von Religionsgemeinschaften festgestellt werden, da insofern ebenfalls keine Wesensgleichheit besteht.

Auch bei "offenen" Erfolgsaussichten in der Hauptsache und einer reinen Folgenabwägung in Anlehnung an den § 32 BVerfGG21Erfordernis einer Folgenabwägung in Eilrechtsschutzverfahren unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gewährleistungen mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären hätten die Interessen des Antragsteller, von der zeitlich befristeten Betriebsuntersagung sofort verschont zu bleiben, hinter den genannten schwerwiegenden öffentlichen und privaten - mit Blick auf den Erhalt eines funktionierenden Systems der Gesundheitsversorgung vor allem bei schwerwiegenden bis lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen auch der Bevölkerung insgesamt - Interessen an einer Eindämmung des Infektionsgeschehens zurückzutreten. Dass die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen und die ohnehin nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommende "vorläufige" Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO) rechtfertigen, kann hier nicht angenommen werden.22

Würde der Senat die in § 7 Abs. 1 Satz 1 VO-CP angeordnete Schließung von Gastronomiebetrieben für den Publikumsverkehr und Besuche außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte der Antragsteller zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundene Schließung vermeiden. Ein durchaus wesentlicher Baustein der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert, und dies in einem Zeitpunkt eines äußerst dynamischen Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang effektiver zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt. Würde hingegen die in § 7 Abs. 1 Satz 1 VO-CP angeordnete Schließung von Gastronomiebetrieben nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre der Antragsteller vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der - für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten - Schutzmaßnahme verpflichtet und müsste seine Einrichtung für den Publikumsverkehr und Besuche schließen. Der damit jedenfalls verbundene Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG würde für die Dauer der Verpflichtung, längstens für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens, verfestigt. Dieser Eingriff ist zwar von erheblichem Gewicht. Dieses Gewicht wird aber dadurch abgemildert, dass die Verordnung selbst Ausnahmen von der Betriebsschließung für "die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen für den Verzehr außerhalb des Gastronomiebetriebs " ausdrücklich vorsieht. Soweit der Antragsteller sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass die Bereitstellung eines Lieferservices für ihn nicht sinnvoll ist, ist er auf die staatlicherseits für die zu erwartenden Umsatzausfälle in durchaus erheblichem Umfang in Aussicht gestellte Kompensation zu verweisen. Der hiernach verbleibende Eingriff hat hinter dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes zurückzustehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verordnung mit Ablauf des 15.11.2020 außer Kraft tritt (§ 14 Abs. 2 VO-CP). Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Hierbei hat der Antragsgegner zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Schließung - gegebenenfalls unter Auflagen - zu lockern.

2. Der hilfsweise gestellte Antrag, § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Änderung infektionsschutzrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30.10.2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit damit Restaurant-Betriebe verboten werden, bei denen die Gäste einen festen Sitzplatz an einem Tisch zugewiesen werden und bei denen der Schwerpunkt der Bewirtung im Verkauf von Speisen besteht, bleibt ebenfalls erfolglos. Dieser Antrag beinhaltet keinen eigenständigen Regelungsgehalt, da er bereits als "Minus" von dem uneingeschränkten Hauptantrag mitumfasst ist und im Falle seiner Begründetheit zu einer Teilstattgabe des Hauptantrages geführt hätte, was aus den unter 1. genannten Gründen nicht der Fall ist.

3. Daher bleibt auch der weitere Hilfsantrag des Antragstellers, festzustellen, dass es ihm entgegen der angefochtenen Rechtsnorm nicht untersagt ist, seinen Restaurantbetrieb zu öffnen, der Erfolg versagt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Da der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt, ist die Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Fussnoten

1 vgl. die Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, Art. 2 der Verordnung zur Änderung infektionsschutzrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30.10.2020, Amtsblatt 2020 I, S. 1049 ff. vom 31.10.2020.

2 vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, BRF 83 Nr. 190.

3 vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 5.2.2014 - 2 B 468/13 -, SKZ 2014, 200 und vom 11.10.2012 - 2 B 272/12 -, SKZ 2013, 44.

4 vgl. das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz -, vom 20.7.2000, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 27.3.2020, BGBl. I, Seite 587.

5 vgl. dazu bereits OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22.4.2020 - 2 B 128/20 und 2 B 130/20 -, insbesondere auch zu den sich aus dem Gesetzesvorbehalt und dem damit verbundenen Wesentlichkeitsvorbehalts zugunsten des Gesetzgebers ergebenden - auch formellen - Anforderungen an die Eingriffe in die Schutzbereiche verschiedenster Grundrechte beziehungsweise dem Vorwurf einer verfassungsrechtlich unzulässigen "Blankettermächtigung" am Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG), zum Parlamentsvorbehalt zu unter anderem bereits OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.4.2020 - 2 B 143/20 -, alle bei Juris.

6 vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.8.2020 - 2 B 258/20 -, bei juris und auf der Homepage des Gerichts.

7 vgl. den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag vom 3.11.2020 - Drucksache 19/23944 - für ein Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite; dazu auch die Berichterstattung über geplante Änderungen des Infektionsschutzgesetzes zu dessen "Konkretisierung", etwa bei LTO - <em>Legal Tribune Online</em>, vom 3.11.2020: "Mehr Rechtssicherheit für Coronamaßnahmen, Änderung des Infektionsschutzgesetzes kommt.", sowie - auf Landesebene - den "nachtäglichen" Gesetzentwurf für ein Saarländisches COVID-19-Maßnahmengesetz, Drucksache 16/1475 vom 2.11.2020.

8 vgl. VerfGH, Beschluss vom 28.8.2020 - Lv 15/20 -.

9 vgl. dazu die Drucksache 16/1475 vom 2.11.2020.

10 vgl. das umfangreiche Zahlenwerk in RKI, "Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019" Stand 3.11.2020.

11 vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.10.2020 - 13 B 1581/20.NE -, juris (betr. Regelung zur Sperrstunde für gastronomische Einrichtungen).

12 vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -; VGH München, Beschluss vom 5.11.2020, - 20 NE 20.2468 -; juris.

13 vgl. Beschluss des Senats vom 10.11.2020 - 2 B 308/20 - (Fitnessstudio), veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts; OVG Lüneburg, Beschluss vom 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris.

14 vgl. RKI, "Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019".

15 vgl. Beschluss des Senats vom 11.11.2020 - 2 B 313/20 - (Spielhalle), veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts.

16 vgl. ausführlich dazu und mit weiteren Nachweisen OVG Lüneburg, Beschluss vom 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris.

17 vgl. den Beschluss der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder v. 28.10.2020: "Für die von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Der Erstattungsbetrag beträgt 75% des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter, womit die Fixkosten des Unternehmens pauschaliert werden. Die Prozentsätze für größere Unternehmen werden nach Maßgabe der Obergrenzen der einschlägigen beihilferechtlichen Vorgaben ermittelt. Die Finanzhilfe wird ein Finanzvolumen von bis zu 10 Milliarden haben.".

18 vgl. Beschluss des Senats vom 11.11.2020 - 2 B 313/20 - (Spielhalle), veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts; ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 9.11.2020 - 13 MN 472/20 -, juris.

19 vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 13.6.2006 - 1 BvR 1160/03 -, BauR 2007, 98, m.w.N. insbesondere zur sog. "Elementelehre" beim Vergleich zu betrachtender Sachverhalte &lt;dort: Festlegung von Schwellenwerten im Bereich öffentlicher Vergaben&gt;.

20 vgl. Beschluss des Senats vom 11.11.2020 - 2 B 313/20 - (Spielhalle), veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.4.2020 - 13 MN 77/20 -, juris.

21 vgl. auch OVG des Saarlandes - 1. Senat -, Beschlüsse vom 9.4.2020 - 1 B 83/20 -l , bei Juris, und vom 20.12.2018 - 1 B 231/18 -, ZfWG 2019, 166, zum <span style="text-decoration:underline">generellen .

22 vgl. auch dazu BVerwG, Beschluss vom 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, BRS 83Nr. 190.