LG Mühlhausen, Beschluss vom 24.06.2010 - 2 T 139/10
Fundstelle
openJur 2021, 11659
  • Rkr:

Unterbrechung des Abänderungsverfahrens nach § 120 ZPO durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 240 ZPO) .

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 27. April 2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Sondershausen vom 12. April 2010, Aktz.: 2 C 370/05, aufgehoben.

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Durch den angefochtenen Beschluss ist der Beschluss des Amtsgerichts Sondershausen vom 21.04.2006, mit dem dem Beklagten ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, entsprechend § 120 Abs. 4 ZPO dahin abgeändert worden, dass der Beklagte nunmehr monatliche Raten in Höhe von 300,-- € zu zahlen habe.

Dieser Beschluss vom 12.04.2010 hätte zumindest derzeit nicht erlassen werden dürfen.

Seinem Erlass stand und steht die Vorschrift des § 240 ZPO entgegen. Nach dieser wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Dies gilt auch für ein Verbraucherinsolvenzverfahren (BGH, Urt. v. 24.07.2003, Aktz.: IX ZR 333/00, = NJW-RR 2004, 48 (S. 49); Zöller/Greger, Komm. zur ZPO, 28. Aufl., Rdnr. 5 zu § 240 m. w. N.).

Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Mühlhausen vom 03.07.2009 ist an diesem Tag das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet worden. Dies Insolvenzverfahren ist weder beendet, noch hat der gerichtlich bestellte Treuhänder, Herr Rechtsanwalt ...., das Prozesskostenhilfe-Abänderungsverfahren aufgenommen. Dies ergibt sich zum Einen aus der Beschwerdeschrift des Beklagten vom 27.04.2010 und zum Anderen aus dem Schriftsatz des Treuhänders vom 19.04.2010 an das Gericht. Etwas Gegenteiliges ist auch dem übrigen Akteninhalt nicht zu entnehmen. Insbesondere tritt dem das Amtsgericht mit seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 08.06.2010 nicht entgegen.

Trotz des eröffneten Insolvenzverfahrens ist der Beklagte selbst berechtigt, ein Rechtsmittel gegen den zu unrecht erlassenen Beschluss einzulegen. Ein Trotz Unterbrechung ergangenes Urteil ist nämlich nicht nichtig. Es kann vielmehr von jeder Partei mit den gegen das Urteil allgemein zulässigen Rechtsmittel, auch während der Unterbrechung, angefochten werden (BGH, Urt. v. 29.01.1976, Aktz.: IX ZR 28/73, = BGHZ 66, 59 (S. 62); Zöller, a. a. O., Rdnr. 3 zu § 240 m. w. N.).

Das vom Amtsgericht eingeleitete und (nach seiner Auffassung) abgeschlossene Abänderungsverfahren betrifft auch die Insolvenzmasse. Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (hierzu im Einzelnen Lwowski/Peters in: Münch. Komm. zur InsO, 2. Aufl., RN 15 ff. zu § 35 m. w. N.).

Das Abänderungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO zählt nach Auffassung der Kammer auch zu den Verfahren im Sinne des § 240 ZPO, das durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterbrochen werden kann.

Soweit ersichtlich, ist hierzu noch keine Entscheidung ergangen bzw. veröffentlicht worden.

Volker Winterfeldt und Rainer Engels befassen sich in ihrem Aufsatz "Aus der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts im Jahre 2007" (abgedr. In GRUR 2008, S. 641 ff.) mit Kosten und Gebühren im Rahmen des Patentverfahrens. Dort zitieren sie den 10. Senat des BPatG dahin, dass die Frist zur Zahlung einer Jahresgebühr nach dem Patentkostengesetz im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gebührenschuldners in entsprechender Anwendung des § 240 ZPO unterbrochen werde. Dagegen spreche auch nicht, dass es sich beim DPMA um eine Verwaltungsbehörde handele und die auf gerichtliche Verfahren zugeschnittenen Vorschriften der §§ 240, 249 ZPO im Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht gelten würden. Das Patentamt stelle keine typische Verwaltungsbehörde dar, weshalb es auch nicht in den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes falle. Stattdessen sei das patentamtliche Verfahren in vielfacher Hinsicht einem gerichtlichen Verfahren angenähert, was etwa in der analogen Anwendung zivilprozessualer Vorschriften seinen Ausdruck finde. Das Aufrechterhaltungsverfahren sei auch nicht als einseitiges Verfahren anzusehen. Die im Patentkostengesetz begründeten Gebührentatbestände stellten echte öffentlich-rechtliche Verpflichtungen dar, auch wenn sie wie im Falle der Jahresgebühren nicht erzwungen werden könnten. Somit stehe dem Patentinhaber als Gebührenschuldner die Staatskasse, für die das Patentamt handele, als Gebührengläubiger gegenüber. Es liege daher nahe, das Patentamt im Hinblick auf die Zahlung der Jahresgebühr als Verfahrensgegner des Patentinhabers anzusehen und ihm im Fall von dessen Insolvenz, sofern der Insolvenzverwalter die Gebührenzahlung verzögere, die Möglichkeit einzuräumen, durch eigenes Handeln eine Beendigung der Verfahrensunterbrechung herbeizuführen (S. 646 f.).

Daran, dass es sich bei dem Verfahren nach § 120 ZPO um ein gerichtliches handelt, gibt es keinen Zweifel.

Es stellt auch kein einseitiges dar. Das Gericht, das der Partei Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr monatliche Raten oder Zahlungen aus dem Vermögen auferlegt hat, steht ihr in Gestalt der Staatskasse als Gläubiger gegenüber. So heißt es in § 120 Abs. 2 ZPO, dass die Zahlungen an die Landeskasse zu leisten sind, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.

Wie bei den von Winterfeldt und Engels erwähnten Jahresgebühren können zwar auch die festgesetzten Raten nicht zwangsweise beigetrieben werden. Allerdings sieht das Gesetz hierfür einen indirekten Zwang vor. So besagt § 124 Z. 4 ZPO, dass das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben kann, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist. Die Partei wird also mit der Aufhebung der Bewilligung konfrontiert und auf diese Weise angehalten, ihrer Zahlungsverpflichtung nachzukommen.

Dass sich das vorliegende Verfahren noch im Stadium der Anhörung befand, als das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ändert nichts. Das Ziel der Anhörung bestand tendenziell (auch) darin, nunmehr monatliche Raten festzusetzen. Insoweit stellte sich die Lage prinzipiell nicht anders dar als hätte ein Kläger Klage auf Zahlung gegen den Beklagten erhoben und es wäre während jenes Rechtsstreits zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gekommen. Auch in jenem Fall hätte es zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keinen titulierten Zahlungsanspruch, sondern lediglich die Möglichkeit gegeben, sollte das angerufene Gericht der Rechtsauffassung des Klägers folgen, einen Vollstreckungstitel zu erhalten.

Am 03.07.2009 ist mithin das Abänderungsverfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden und zwar unabhängig davon, ob das Amtsgericht hiervon Kenntnis erlangt hat oder nicht. Der Beschluss vom 12.04.2010 ist mithin zwar nicht nichtig, wohl aber anfechtbar. Das weitere Verfahren richtet sich nach § 250 ZPO.

Da die sofortige Beschwerde somit begründet ist, war der Beschluss, wie geschehen, aufzuheben.

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