LG Meiningen, Beschluss vom 21.12.2018 - 4 StVK 1166/18
Fundstelle
openJur 2021, 11649
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Einwendungen des Verurteilten gegen die nicht erfolge Bewilligung einer Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit durch die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Verfügung vom 12.11.2018 wird

die sofortige Freilassung des Verurteilten angeordnet.

2. Die Staatsanwaltschaft hat über den ersatzweise gestellten Antrag des Verurteilten auf Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit neu zu entscheiden.

3. Die Einwendungen des Verurteilten gegen die nicht erfolge Bewilligung einer Ratenzahlung durch die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Verfügung vom 12.11.2018 werden als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Der Verurteilte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Eisenach vom 05.09.2017, Az. 470 Js 10550/17, rechtskräftig seit dem 13.09.2017, wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25,00 € verurteilt.

Nach Rechnungsübersendung am 20.04.2018 erging in Folge der Nichtzahlung am 21.05.2018 eine Mahnung an den Verurteilten. Nachdem weiterhin kein Zahlungseingang zu verzeichnen war, erfolgte am 17.07.2018 eine "letztmalige" Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung bis spätestens 31.07.2018. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass bei Nichtzahlung die Vollstreckung betrieben und hinsichtlich der Geldstrafe die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen erfolgen werde. Nachdem keine Zahlung erfolgte, erfolgte am 23.08.2018, zugestellt am 25.08.2018, die Ladung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe am 13.09.2018. In dem Schreiben hieß es im vorletzten Absatz: "Durch ein Gesuch auf Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung oder sonstige Anträge werden Sie von der Verpflichtung zum pünktlichen Erscheinen nicht befreit. Die Ersatzfreiheitsstrafe kann gegebenenfalls durch gemeinnützige Arbeit abgewendet werden. Beigefügtes Hinweisblatt ist zu beachten." (Band VI Bl. 176 d.A.)

Dem Schreiben waren als Anlage ein Blatt "Wichtige Hinweise", ein Formular ""Antrag auf Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung durch Leistung gemeinnütziger Arbeit" sowie ein Hinweisblatt "Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe" beigefügt. Im Hinweisblatt "Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe" war u.a. ausgeführt: "Sie müssen sich zwecks Gestattung zur Tilgung der Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit unverzüglich entweder persönlich oder schriftlich bei der Staatsanwaltschaft melden ..." (Hervorhebung im Original, Band VI Bl. 202 d.A.).

Nachdem weiterhin keine Zahlung durch den Verurteilten erfolgte und kein Antrag auf gemeinnützige Arbeit gestellt wurde, erging am 16.10.2018 Haftbefehl. Seit der Verhaftung am 24.10.2018 befindet sich der Verurteilte zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt G..

Mit Schreiben vom 04.11.2018 stellte der Verurteilte einen Ratenbewilligungsantrag (Band VI Bl. 191 d.A.). Dieser wurde durch die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Verfügung vom 12.11.2018 (Band VI Bl. 192 d.A.) abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit Schreiben vom 12.11.2018 (Band VI Bl. 194 d.A.).

Die Staatsanwaltschaft hat die Akten der Strafvollstreckungskammer mit Verfügung vom 30.11.2018 gemäß § 459o StPO zur Entscheidung über die Einwendungen gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin vom 12.11.2018 vorgelegt und ausgeführt, eine gemeinnützige Tätigkeit außerhalb der Vollzugseinrichtung sei nunmehr nicht angezeigt (Band VI Bl. 198 d.A.).

Dem Verurteilten wurde rechtliches Gehör gewährt; eine Stellungnahme erfolgte nicht.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 459o, 462 StPO zulässig. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ergibt sich aus § 462a Abs. 1 StPO. Die Einwendungen des Verurteilten gegen die Ablehnung einer Ratenzahlung waren als unbegründet zu verwerfen (nachfolgend unter 1.). Auf die Einwendung gegen die ersatzweise begehrte Umwandlung in Sozialstunden war die sofortige Entlassung des Verurteilten anzuordnen; die Staatsanwaltschaft hat über den Antrag neu zu entscheiden (nachfolgend unter 2.).

1.

Nach § 42 StGB bewilligt das Gericht einem Verurteilten, der nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen, eine Zahlungsfrist oder gestattet, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Nach Rechtskraft des Urteils entscheidet gemäß § 459a Abs. 1 StPO die Vollstreckungsbehörde über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen.

Dabei bedarf es für die Bewilligung einer Ratenzahlung keines Antrags sondern darüber ist von Amts wegen zu entscheiden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.09.2015, Az. 2 Ws 472/15, juris Rdnr. 5 m.w.N.).

Vorliegend ergaben sich aus der Strafakte keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Verurteilten eine sofortige Geldzahlung nicht zuzumuten war. So wurde im o.g. Urteil vom 05.09.2017 ausgeführt, dass der Verurteilte bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt ist und über ein monatliches Einkommen von 950,00 € verfügt. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse wurde der Tagessatz auf 25,00 € festgesetzt. Das Urteil wurde bereits am 13.09.2017 rechtskräftig.

An den Verurteilten ergingen wiederholte Zahlungsaufforderungen, ohne dass dieser auf eine etwaige Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinwies. Auch der Antrag auf Ratenzahlung vom 04.11.2018 enthält keinerlei Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern lediglich die Angabe, dass er um Bewilligung einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 20,00 € monatlich erbittet. Nähere Angaben erfolgten auch nicht in seinem Schreiben vom 12.11.2018.

Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb es dem Verurteilten nicht möglich gewesen sein sollte, die Geldstrafe in Höhe von 2.250,00 € zu zahlen.

Jedenfalls bestand für die Staatsanwaltschaft bei Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe und Erlass des Haftbefehls kein Anhaltspunkt für die Notwendigkeit zur Prüfung der Bewilligung von Zahlungserleichterungen.

Nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ist für eine Anwendung des § 42 StGB in Verbindung mit § 459a Abs. 1 StPO kein Raum mehr. § 42 StGB betrifft das Abstandnehmen von der Pflicht zur sofortigen Zahlung einer Geldstrafe durch Bewilligung einer Zahlungsfrist oder der Gestattung der Zahlung von Teilbeträgen. Bis es zur Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe kommt, ist der Zeitraum für eine "sofortige" Zahlung in jedem Fall verstrichen.

Im vorliegenden Fall wurde der Verurteilte wiederholt zur Zahlung aufgefordert, wobei mit Schreiben vom 17.07.2018 eine Frist bis spätestens 31.07.2018 gesetzt wurde.

Ausweislich der o.g. Entscheidung des OLG Karlsruhe hat das Landgericht Offenburg als Vorinstanz ebenfalls die Auffassung vertreten, dass die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nur aus den in § 459e Abs. 4 StPO genannten Gründen unterbleiben könne. Das OLG Karlsruhe hat offen gelassen, ob dies generell gilt. Im dortigen Fall hat es trotz bereits eingeleiteter Vollstreckung die Bewilligung einer Ratenzahlung ausgesprochen, da die dortige Staatsanwaltschaft - anders als im vorliegenden Fall - bereits vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe Anlass gehabt hätte, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu prüfen. Wenn dies fälschlicherweise unterblieben sei, könne die eingeleitete Vollstreckung nicht zur Folge haben, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nicht mehr nachgeholt werden könne.

Weitere Rechtsprechung zu dieser Frage ist vorliegend nicht bekannt (siehe auch Kerstin Rueber-Unkelbach, jurisPR-StrafR 2/2016 Anm. 6, C).

Die Ablehnung der Bewilligung einer Ratenzahlung durch die Staatsanwaltschaft Meiningen ist daher vorliegend nicht zu beanstanden.

Im Übrigen käme vorliegend eine Ratenzahlungsbewilligung in Höhe einer monatlichen Rate von 20,00 €, wie vom Verurteilten begehrt, nicht in Betracht, da die Ratenzahlungsdauer allein für die Geldstrafe bei über neun Jahren liegen würde und das Strafübel nicht mehr spürbar bliebe.

2.

Die Einwendungen des Verurteilten gegen die nicht bewilligte und von ihm ersatzweise begehrte Bewilligung einer Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit haben insoweit Erfolg, dass die Staatsanwaltschaft darüber neu zu entscheiden hat.

Nach § 1 Abs. 1 GeldstrTilgV kann die Strafvollstreckungsbehörde einem Verurteilten auf Antrag gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GeldstrTilgV weist die Strafvollstreckungsbehörde, wenn eine Geldstrafe uneinbringlich und die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet ist, u.a. "den Verurteilten darauf hin, dass er einen Antrag nach § 1 Abs. 1 stellen kann, und setzt ihm hierzu eine Frist".

Gemäß § 4 Nr. 1 GeldstrTilgV wird die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollstreckt, solange die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 gesetzte Frist nicht abgelaufen ist.

Das Schreiben der Staatsanwaltschaft an den Verurteilten vom 23.08.2018 wird den Erfordernissen des § 2 Abs. 1 Satz 1 GeldstrTilgV nicht hinreichend gerecht.

Im dem Schreiben selbst wird der Verurteilte bereits nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er einen Antrag nach § 1 Abs. 1 GeldstrTilgV stellen kann. Es heißt lediglich, dass die Ersatzfreiheitsstrafe "gegebenenfalls" durch gemeinnützige Arbeit abgewendet werden könne. Der Umstand, dass unter Anlagen auch "Antrag auf gemeinnützige Arbeit" aufgeführt ist, reicht nicht aus. Ob ausreichend ist, dass sich ein Hinweis auf die Stellung eines Antrags aus den Anlagen des Schreibens (Hinweisblatt und Antragsformular) ergibt - was fraglich erscheint -, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

Jedenfalls fehlt es an der notwendigen Setzung einer Frist zur Antragstellung. Eine Frist wurde weder im Schreiben selbst, noch in den Anlagen gesetzt. Soweit es im Hinweisblatt heißt, der Verurteilte müsse sich "unverzüglich" persönlich oder schriftlich bei der Staatsanwaltschaft melden, zwecks Gestattung zur Tilgung der Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit, stellt dies keine Fristsetzung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 GeldstrTilgV dar.

Wie sich aus § 4 Nr. 1 GeldstrTilgV ergibt, bedarf es zur Fristbestimmung der Benennung eines berechenbaren konkreten Datums. Denn der Ablauf der Frist ist Voraussetzung für eine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe.

Die Voraussetzungen für die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe liegen daher nicht vor.

Die sofortige Entlassung des Verurteilten war daher anzuordnen.

Die Staatsanwaltschaft hat über den ersatzweise gestellten Antrag des Verurteilten auf Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit neu zu entscheiden.

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