LG Darmstadt, Urteil vom 14.07.2020 - 13 O 98/20
Fundstelle
openJur 2021, 17545
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 115 % des aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Am 04. Febr. 2017 vereinbarten die Parteien des Rechtsstreits einen "Auto-Kilometer-Leasingvertrag mit der Vertragsnummer [...]. Gegenstand des Vertrages war die Verabredung des Leasings über einen [Fahrzeugtyp]. Vereinbart war ein Leasingverhältnis für 36 Monate bei einer Fahrleistung von 50.000 km. Vereinbart war auch eine Mehr- und Minderkilometerberechnung, die zu einer Erhöhung bzw. zu einer Erniedrigung der vertraglichen Leistungen führen sollte. Die einzelne Leasingrate war monatlich mit brutto 328,02 EUR vereinbart, wobei die Schlussberechnung nach Ablauf der Leasingzeit und Rückgabe des Fahrzeuges durchgeführt werden sollte. Der Kläger erhielt das Fahrzeug vom Autohaus A GmbH, Niederlassung [...]. Eine Leasing Sonderzahlung oder eine Schlusszahlung für die Übernahme des Fahrzeuges war nicht vereinbart.

Entsprechend der Abreden zog die Beklagte nachfolgend die monatlichen Raten ein und der Kläger ließ dies, vorbehaltlich der Entscheidung über die vorliegende Klage bis zum Ende des vereinbarten Zeitraums auch zu.

Mit Schreiben vom 09.07.2019 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Leasingvertrages gerichtete Willenserklärung. In Ermangelung einer Reaktion der Beklagtenseite wurde das Ansinnen mit anwaltlichem Schreiben vom 20.08.2019 erneuert. Die Beklagte nahm allerdings vorgerichtlich hierzu nicht Stellung.

Der Kläger geht davon aus, ihm stünde ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß den §§ 506, 495, 355 BGB zu. Er meint, es handele sich um eine zu widerrufende Finanzierungshilfe, für private Zwecke. Er führt an, schon der Vertrag habe nicht alle entsprechenden Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Artikel 247, § 6 - 13 EGBGB vollständig enthalten, jedenfalls seien diese in der zur Verfügung gestellten Urkunde nicht vorhanden gewesen. Demgemäß habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.

So sei schon die Art der entgeltlichen Finanzierungshilfe nicht hinreichend mitgeteilt worden. Auch über Art und Weise der Anpassung eines möglichen Verzugszinssatzes habe sich die Urkunde verschwiegen. Die Mitteilungen über die Möglichkeiten der Kündigung des Vertrags sei nicht hinreichend erfolgt. Auch verschweige sich das Vertragsformular zu dem einzuhaltenden Verfahren bei Kündigung und dessen Formvorschriften.

Auch die Zugangsvoraussetzungen zu außergerichtlichen Beschwerdeverfahren sei nicht mitgeteilt worden. Es liege auch keine hinreichende Widerrufsbelehrung vor, denn diese sei nicht umfassend, unmissverständlich und eindeutig gewesen und aus sich heraus verständlich.

Es sei fehlerhaft bzw. verwirrend über den Beginn der Widerrufsfrist aufgeklärt worden. Das Vertragsverhältnis umfasse auch ein unzulässiges Aufrechnungsverbot, was geeignet sei, einen ansonsten zum Widerruf entschlossenen Verbraucher hiervon abzuhalten.

Die Beklagte habe auch nicht das gesetzliche Muster derart übernommen, dass sie sich auf eine Gesetzlichkeitsfiktion berufen könnte. Weder legen Verwirkung noch Rechtsmissbrauch vor.

Nachdem zwischenzeitlich das Leasingverhältnis - allerdings nach Einreichung der Klage unter Vorbehalt - voll abgewickelt wurde, begehrt der Kläger mit der Antragstellung gemäß Schriftsatz vom 10.06.2020 seine gesamten Leistungen nebst den Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung zurück und beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.640,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 10.519,25 EUR vom 30.10.2019 bis zum 16.06.2020 und aus dem Gesamtbetrag von 11.640,30 EUR seit dem 17.06.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 490,99 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt:

1. Abweisung der Klage.

2. Hilfswiderklagend, festzustellen, dass der Kläger im Falle eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des Kfz der Marke [Fahrzeugtyp] mit der Fahrgestellnummer [...] zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und Funktionsweise nicht notwendig war.

Der Kläger beantragt:

Die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet bereits, dass eine in den Schutzbereich des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB fallende Finanzierungshilfe zwischen den Parteien vereinbart worden wäre. Vorliegend sei keine Vollamortisation durch den Erwerb des Leasingobjektes oder die Garantie eines bestimmten Restwertes vereinbart.

Im Übrigen verweist sie darauf, dass eine Flut von abweisenden Entscheidungen (auch des angerufenen Gerichtes und der angerufenen Kammer) ergangen sei, die sie auflistet.

Sie meint, schon mit der Angabe des "Auto-Kilometer-Leasingvertrages (privat)" als Verbrauchervertrag sei die Art des Leasingvertrages hinreichend angegeben worden. Auch alle übrigen, von Gesetzes wegen erforderlichen Angaben, wollte man überhaupt von einer Anwendbarkeit der entsprechenden Regelungen ausgehen, seien hinreichend gewesen, so sei Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes angegeben worden, wie auch das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages, die Kündigungsmöglichkeit gemäß § 314 BGB sei im Übrigen nach der Verbraucherkreditrichtlinie der EU überhaupt nicht mitzuteilen.

Selbst ein außergerichtliches Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren, sei hinreichend dargelegt worden.Im Übrigen habe die Beklagte die Muster-Widerrufsbelehrung 1:1 übernommen, so dass sie sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne.

Auch der in der Urkunde gewahrte Zugangsverzicht gemäß § 151 BGB sei nicht einmal zum Tragen gekommen, denn die Beklagte habe den Vertrag angenommen und die Annahmeerklärung sei dem Kläger nachfolgend auch zugegangen.

Auch der Bundesgerichtshof habe bei Vereinbarung eines unwirksamen Aufrechnungsverbotes keinesfalls den Schluss gezogen, dass dies auf die verwendete Widerrufsbelehrung durchschlagen könnte. Bestenfalls wäre das vereinbarte Aufrechnungsverbot unwirksam und unbeachtlich. Damit könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen und dem stehe auch ein "Kaskadenverweis" in der Widerrufsinformation nicht entgegen.

Darüber hinaus habe sich der Kläger durch die Weiternutzung des Fahrzeugs auch rechtsmissbräuchlich verhalten.

Hinsichtlich des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, insbesondere auch zum Vortrag zur hilfsweise erhobenen Widerklage, verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedenfalls in dem Umfang, wie zum Schluss beantragt wurde, sie ist allerdings unbegründet.

Ein gesetzliches Widerrufsrecht stand dem Kläger niemals zu. Nicht alle Leasingverträge sind automatisch mit Darlehensverträgen gleichzusetzen. Ein Leasingvertrag ist seinem Inhalt gemäß dahingehend auszulegen, welchem Rechtsinstitut er am meisten angenähert ist. Auch die Verbraucherkreditrichtlinie (RL 2008/48/EG) regelt dies keinesfalls so, wie von der Klage vorausgesetzt. Denn sie gilt nicht für Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst, noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstandes vorgesehen ist. Es bestand auch kein Recht des Kreditgebers, einseitig über eine solche Verpflichtung am Ende des Leasingvertrages zu entscheiden. Mag das deutsche Recht auch in § 506 BGB anordnen, dass Leasingverträge unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 als entgeltliche Finanzierungshilfe gelten, auf welche die für Verbraucherdarlehensverträge geltenden Vorschriften einschließlich des Widerrufsrechts nach § 495 BGB anwendbar wären, so ist dies allerdings eng auszulegen. § 506 Abs. 2 BGB setzt nämlich voraus, dass entweder der Verbraucher zum Erwerb des geleasten Gegenstandes verpflichtet ist oder der Unternehmer (die finanzierende Bank) vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes nach Wahl am Ende des Vertragsverhältnisses verlangen kann oder der Verbraucher bei Beendigung des Vertrages jedenfalls für einen bestimmten Restwert des Gegenstandes einzustehen hat. Keine einzige dieser Voraussetzungen ist vorliegend gegeben. Der Kläger war schon nicht zum Erwerb des Fahrzeuges verpflichtet und er garantierte auch keinen bestimmten Restwert. Es lag vielmehr ein Fall des Kilometer-Leasings vor, bei dem der Kläger das Fahrzeug in der im Voraus festgelegten Kilometerleistung bei entsprechendem Zustand des Wagens bei Vertragsende zurückgeben musste. Im Übrigen war bei erheblichen Mehr- oder Minderfahrleistungen ein entsprechender Ausgleich nach den voraus definierten und festgelegten Kriterien durchzuführen. Der vorliegende Fall fällt mithin eindeutig nicht unter den Wortlaut des § 506 Abs. 2 BGB.

Wie auch das Oberlandesgericht Frankfurt/M. in seinem Beschluss vom 29.04.2020 (24 U 80/19, auf die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt ergangen unter 13 O 140/18) einschätzt und dies auch von den Oberlandesgerichten Stuttgart und München mitgetragen wird, sieht auch die angerufene Kammer weder ein Bedürfnis noch eine Möglichkeit zu einer entsprechenden Anwendung der Regelung des § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB, denn der Gesetzeswortlaut ist eindeutig, so dass es eben an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung fehlt (vgl. OLG Stuttgart, NJW - RR 2020, 299 und OLG München, Beschluss vom 30.03.2020, 32 U 5462/19; Beck RS 2020, 5137).

Im vorliegenden Fall ist daher nur von einem zwischen den Parteien vertraglich vereinbarten Widerrufsrecht auszugehen. Die insoweit festgelegte Zeit von 14 Tagen nach Vertragsschluss zur Ausübung des Widerrufsrechtes ist allerdings in jedem Falle verstrichen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sämtliche "Pflichtangaben" der gesetzlich vorausgesetzten Widerrufsbelehrung eingehalten wären, denn § 492 Abs. 2 BGB gilt eben für den vorliegenden Leasingvertrag gerade nicht, weil er insgesamt einem mietvertraglichen Rechtsverhältnis entspricht.

Darüber hinaus bleibt das Gericht bei seiner bereits mehrfach ausgeurteilten Überzeugung, dass der Vertrag selbst dann, wenn er dieser Regelung unterfallen würde, sämtliche Pflichtangaben enthielte. Insoweit wird auf die oben mitgeteilte Entscheidung und den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. Bezug genommen.

Wollte man davon ausgehen, dass all dies unzutreffend wäre, könnte gleichwohl ein wirksamer Widerruf schon nicht angenommen werden, denn der Kläger hat das Fahrzeug nach dem von ihm ausgeübten Widerruf nicht zurückgegeben, es unzweifelhaft bis zum Ablauf der Leasingzeit vertragsgemäß genutzt. Nach § 357 a Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 357 a Abs. 2 Satz 4 BGB sind im Falle des Widerrufs von Finanzierungshilfen als Nutzungsersatz die vereinbarten Leasingraten weiter geschuldet (vgl. OLG Stuttgart am angegebenen Ort). Einem Anspruch des Klägers auf Rückgewähr geleisteter Zahlungen stünde daher der gleich hohe Anspruch der Beklagten auf Wertersatz entgegen. Hierauf hat sich die Beklagte auch berufen, so dass unter diesem Gesichtspunkt auch die Klage abzuweisen wäre, ohne dass es des Rückgriffs auf die Hilfswiderklage bedürfte.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO und dem Ausspruch gemäß § 709 ZPO zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abzuweisen, ohne dass es einer Entscheidung der Hilfswiderklage bedurfte.