LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 27.04.2017 - 8 O 5990/16
Fundstelle
openJur 2021, 6866
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 19.212,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.09.2016 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des in Ziff. 1 dieses Tenors genannten Fahrzeugs in Verzug befinden.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner den Kläger von vorgerichtlichen nicht anrechenbaren anwaltlichen Kosten in Höhe von 686,04 € freizustellen.

4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 28 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 72 % zu tragen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 27.900,00 € (26.900,00 € für Antrag 1 sowie 1.000,00 € für Antrag 2) festgesetzt.

Tatbestand

Die Beklagte zu 2 entwickelte und verwendete ab 2007 für die von ihr hergestellten (Diesel-)Motoren (...) ein elektronisches Programm zur Steuerung der Abgase. Diese Software erkannte Messungen auf dem Prüfstand. In solchen Fällen (Modus 1) wurden höhere Mengen an Abgas wieder dem Motor zugeführt, um dort (vor allem) Stickoxide soweit zu verbrennen, dass deren Grenzwerte für die Schadstoffklasse Euro 5 eingehalten wurden.

Das Rückführen von Abgasen unterblieb beim Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (...).

Ein mit dieser Programmierung versehener Motor wurde in den von der Audi AG hergestellten und am 22.08.2011 zugelassenen Pkw (...) eingebaut. Dieses Fahrzeug wurde von der Beklagten zu 1) mit einer Laufleistung von 14.800 km als Gebrauchtwagen an den Kläger auf dessen Bestellung vom 22.06.2012 hin für 26.900,00 € (brutto) verkauft. Übergeben wurde das Fahrzeug dem Kläger am 06.07.2012 und der Kaufpreis wurde vom Kläger entrichtet.

Am 25.09.2015 teilte ... als damaliger Vorsitzender des Vorstands der Beklagten zu 2 mit, dass es bei den Diesel-Motoren zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Mit Bescheiden vom 14.10.2015 und 11.12.2015 verpflichtete das KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) die Beklagte zu 2 und die AG, die als unzulässige Abschalteinrichtung gewertete Programmierung zu entfernen.

Davon war auch das Fahrzeug des Klägers betroffen. Er erklärte mit Schreiben seiner Anwälte vom 20.01.2016 gegenüber der Beklagten zu 1 Anfechtung des streitgegenständlichen Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie (hilfsweise) Rücktritt. Zugleich wurde der Beklagten zu 1 Frist zur Erstattung des Kaufpreises und Rücknahme des Fahrzeugs bis 03.02.2016 gesetzt. Beides erfolgte bis heute nicht. Die Beklagten haben die geltend gemachten Ansprüche des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte zu 2 entwickelte Updates für die betroffenen Fahrzeuge. Zum Typ des im Fahrzeug des Klägers verbauten Motors bestätigte das KBA am 05.09.2016, dass vorhandene Abschalteinrichtungen als zulässig eingestuft, die Grenzwerte der Schadstoffemissionen und die Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen eingehalten, die ursprünglichen Kraftstoffverbrauchswerte und Co2-Emissionen durch einen Technischen Dienst bestätigt sowie die bisherige Motorleistung, das maximale Drehmoment und die bisherigen Geräuschemissionswerte unverändert seien. Zusammenfassend wurde erklärt, die von der Beklagten zu 2 vorgestellten Änderungen seien geeignet, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen.

Der Kläger beruft sich auf vorsätzlich sittenwidrige und betrügerische Täuschung durch die Beklagte zu 2. Deren Mitgliedern des Vorstandes sei bekannt gewesen, dass entgegen gesetzlicher Vorschriften das auf dem Prüfstand erhöhte Verbrennen von Abgasen beim Betrieb der Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen abgeschaltet sei. Diese unzulässige Maßnahme führe zum Verlust der Typengenehmigung und der Zulassung des Fahrzeugs sowie zur Minderung seines Wertes. Das arglistige Verhalten der Beklagten zu 2 müsse die Beklagte zu 1 sich wegen enger vertraglicher Bindungen und Vorgaben zurechnen lassen. Das Update der Beklagten zu 2 sei untauglich. Es schädige den Motor und dessen Haltbarkeit. Daher sei für seinen (hilfsweisen) Rücktritt entbehrlich gewesen, der Beklagten zu 1 eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen.

Daher beantragt der Kläger (zuletzt):

1.) Die Beklagten werden verurteilt, an die Klagepartei € 26.900,00 hebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.02.2016 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw

2.) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Pkw im Annahmeverzug befindet.

3.) Die Beklagten werden verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,51 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie meinen, die von der Beklagten zu 2 programmierte Steuerung der auf dem Prüfstand erfolgenden sowie im normalen Betrieb unterbleibenden Rückführung von Abgasen in den Motor habe keine gesetzlichen Regelungen verletzt. Daher liege auch kein Mangel vor. Zudem sei allgemein bekannt, dass die allein auf dem Prüfstand gemessenen Werte von den bei Fahrten auf Straßen ausgestoßenen Abgasen abweichen würden. Das vorsorglich entwickelte und kostenlos angebotene Update sei für den betroffenen Motor unschädlich. Im übrigen sei dem Kläger kein Schaden entstanden. Typengenehmigung und Zulassung seines Fahrzeugs seien weiter gültig. Dessen Wert habe sich nicht gemindert. Die Beklagte zu 2 bestreitet zudem, dass ihren Vorständen die gesteuerte Verbrennung von Abgasen bekannt gewesen sei. Die Beklagte zu 1 meint, für etwaig arglistige Täuschungen der Beklagten zu 2 nicht einstehen zu müssen. Der Rücktritt des Klägers sei unwirksam. Er habe keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Zudem sei der angebliche Mangel, weil er durch das Update binnen einer Stunde beseitigt werde, als unerheblich zu werten. Mit Schriftsatz vom 21.02.2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob die Beklagte zu 1) zudem die Einrede der Verjährung hinsichtlich etwaiger Gewährleistungsansprüche des Klägers.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird für den weiteren Vortrag der Parteien auf ihre gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Zudem wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2017 (Bl. 402 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

A. (Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2)

Die Beklagte zu 2 haftet aus einem am 22.06.2012 als mittelbare Täterin (§ 25 Absatz 1 Fall 2 StGB) durch die unwissende Beklagte zu 1 begangenen Betrug (§ 263 Absatz 1 StGB) dem Kläger auf Ersatz der ihm aus dem Kauf des Pkw entstandenen Schäden (§ 823 Absatz 2 BGB).

1.) In das obige Fahrzeug ist ein von der Beklagten zu 2 hergestellter Motor (...) eingebaut worden, der eine gesetzliche unzulässige Abschalteinrichtung (Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 Absatz 2 Satz 1 VO/EG 715/2007) aufweist. Dies steht fest auf Grund der Bescheide des KBA vom 14.10.2015 und 11.12.2015. An deren Tatbestand ist die Beklagte zu 2 (und die AG) gebunden. Zudem stellt ein Programm, das eine auf dem Prüfstand erhöhte Rückführung und Verbrennung von Abgasen (...) bei Fahrten auf öffentlichen Straßen abschaltet (...), eine Konstruktion dar, mit der eine wirksame Kontrolle und Einschränkung der im normalen Betrieb zu erwartenden Emissionen (hier: Stickoxide) verhindert wird.

2.) Diese wahre Tatsache (Abschalten der auf dem Prüfstand erhöhten Verbrennung von Stickoxiden im normalen Betrieb) hat die Beklagte zu 2 (seit der 2007 begonnenen Verwendung der Software) bis zu den am 23.09.2015 durch die (...) Mitteilung ihres damaligen Vorsitzenden ... eingestandenen Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren ständig verschwiegen (oder unterdrückt). Die Beklagte ist aber verpflichtet gewesen (§ 13 StGB), als Herstellerin des Motors über dessen (technische) Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben sowohl für den Erhalt der Typengenehmigung (Art. 4 Absatz 2 VO/EG 715/2007) das KBA als auch, weil dies unterblieben gewesen ist, den jeweiligen Käufer eines Fahrzeugs mit einem solchen (manipulierten) Motor zu unterrichten.

3.) Durch dieses Verschweigen hat die Beklagte zu 2 (auch) beim Kläger einen Irrtum erregt. Er hat darin bestanden, dass dem Kläger bei seiner verbindlichen Fahrzeugbestellung am 22.06.2012 unbekannt gewesen ist, dass die auf dem Prüfstand erfolgte Rückführung und Verbrennung von Stickoxiden beim normalen Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen abgeschaltet wird.

4.) Der Kläger hat über sein Vermögen verfügt und einen Schaden erlitten.

aa) Er hat den vereinbarten Preis von 26.900,00 € (brutto) gezahlt. Dafür hat er zwar das am 06.07.2012 übergebene Fahrzeug erhalten. Dessen Wert soll sich nach Meinung der Beklagten trotz des erforderlichen (aber noch ausstehenden) Updates nicht unter den gezahlten Betrag gemindert haben. Das bedarf aus rechtlichen Erwägungen keiner (sachverständigen) Klärung.

bb) Bereits bei der verbindlichen Bestellung des Klägers am 22.06.2012 hat am Motor des Fahrzeugs das eine Verringerung von Stickoxiden im normalen Betrieb abschaltende Programm (mindestens) einer - später mit Bescheinigung des KBA vom 05.09.2016 als (angeblich) geeignet bestätigten - Überarbeitung (Update) bedurft. Daher drohte die Untersagung der Nutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (§ 5 Absatz 1 FZV). Zwar war es auf Grund seiner Typengenehmigung zugelassen (§ 3 Absatz 1 Satz 2 FZV). Das hat aber nicht erfasst das gegen gesetzliche Vorschriften verstoßende Abschalten der auf dem Prüfstand gemessenen Verringerung an Stickoxiden (I.A.1.).

cc) Daher ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug zu dem für den aus dem Betrug entstandenen Schaden maßgeblichen Zeitpunkt der verbindlichen Bestellung des Klägers am 22.06.2012, letztlich unverkäuflich war, so dass für das Fahrzeug nur der für dessen Material verbleibende Wert anzusetzen ist. Das - nach den Behauptungen der Beklagten ohne weitere Schäden am Motor - völlige Beheben der Abschaltung durch (bloßes) Anpassen der Programmierung ist zudem bei der Bestellung des Klägers am 22.06.2012 noch unbekannt gewesen. Deshalb hat zu diesem Zeitpunkt das erst später nach dem 23.09.2015 (I.A.2.) entwickelte sowie am 05.09.2016 vom KBA gestattete Update den auf den Preis für das Material gesunkenen Wert des Fahrzeugs nicht verbessern können.

dd) Damit ist für den am 22.06.2012 beim Kläger durch den Betrug der Beklagten zu 2 entstandenen Schaden in Höhe der Differenz zwischen dem Materialwert des Fahrzeugs und dem gezahlten Preis unerheblich, dass dieser nun (eventuell) am Markt (wieder) erzielt werden kann. Ebenso ist ohne Bedeutung die ständige Nutzbarkeit des Fahrzeugs. Das beruht nur darauf, dass der Kläger auf das Fahrzeug angewiesen und die weitere Nutzung - trotz des im normalen Betrieb auf öffentlichen Straßen unverringerten Ausstoßes an Stickoxiden - auf Grund der erteilten Typengenehmigung (noch) zugelassen ist.

ee) Rechtlich unbeachtlich ist ferner, dass die Beklagten das Update zur Software dem Kläger kostenlos anbieten. Dabei handelt es sich nur um nachträgliche Bemühungen der Beklagten zur Behebung des bereits entstandenen Schadens. Das lässt aber den Tatbestand eines bereits verwirklichten Betruges nicht rückwirkend entfallen.

ff) Im übrigen ist streitig, ob nach einem solchen Update auf Dauer (weitere) Schäden am Motor unterbleiben. Das ist vom KBA nach dem Inhalt seiner Bestätigung vom 05.09.2016 weder geprüft noch verneint worden. Vom Käufer eines Fahrzeugs kann aber weder verlangt noch erwartet werden, es trotz am Motor zu befürchtender Schäden weiter zu nutzen und zu warten, bis deren (etwaiges) Ausbleiben mit hohem Aufwand an Zeit und Kosten (gerichtlich) durch Gutachten eines Sachverständigen untersucht und geklärt wird.

5.) Die Täuschung durch die Beklagte zu 2 (I.A.2.) sowie der hierauf beruhende Irrtum des Klägers (I.A.3.) sind für dessen Verfügung und Schaden (I.A.4.) ursächlich gewesen. Denn nach allgemeiner Erfahrung wird ein Fahrzeug in Kenntnis einer gegen gesetzliche Vorschriften verstoßenden Einrichtung, die zudem die auf dem Prüfstand erzielte Verbrennung von Stickoxiden beim normalen Betrieb auf öffentlichen Straßen abschaltet sowie entweder eine Untersagung der Nutzung oder Schäden am Motor auf Grund eines nötigen Update befürchten lässt, von einem redlichen Käufer nicht oder nur zum bloßen Materialwert erworben. Dieser auf einem üblichen Verhalten beruhende Anschein trifft auch auf den Kläger zu. Dem entgegen stehende Umstände sind vorliegend weder dargetan noch ersichtlich.

6.) Im Umfang des beim Kläger eingetretenen Schadens ist unmittelbar und stoffgleich die Beklagte zu 1 (fremdnützig als Dritte) bereichert worden. Denn sie hat für das an den Kläger verkaufte Fahrzeug statt dessen bloßen Materialwert 22.605,04 € (netto) erhalten.

7.) Die Beklagte zu 2 hat vorsätzlich und mit der Absicht, die Beklagte zu 1 zu bereichern, gehandelt.

a) Der Einbau einer Programmierung, die eine beim Test eines Motors auf dem Prüfstand erfolgende Verbrennung von Stickoxiden während des normalen Betriebs des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen abschaltet, kann nur vorsätzlich geschehen. Aus dem Verschweigen einer solchen, gegen die Typengenehmigung verstoßenden Einrichtung gegenüber jedem Käufer folgt, dass dessen Täuschung, Irrtum, Schaden und Entreicherung von der Beklagten zu 2 gewollt und ihr bewusst gewesen ist. Dabei ist der Beklagten zu 2 klar und wichtig gewesen, dass die Verkäufer von Fahrzeugen mit einem solchen (manipulierten) Motor statt des bloßen Materialwertes die am Markt üblichen Preise erzielen und erhalten würden. Denn auf diese Weise hat die Beklagte zu 2 ihren weiteren Absatz solcher Fahrzeuge gefördert.

b) Diese (subjektiven) Merkmale des Betrugs sind bereits seit der ab 2007 erfolgten Verwendung der Programmierung bei den damals zur Vertretung der Beklagten berufenen Organen (§ 31 BGB), nämlich ... (Vorsitzender des Vorstandes) und ... (Mitglied des Vorstandes) vorhanden gewesen. Deren Kenntnis hat die Beklagte zu 2 zwar bestritten. Das ist aber ungenügend und unglaubhaft. Damit gelten vorsätzlich erfolgtes und Bereicherung beabsichtigendes Handeln von ... und ... als zugestanden (§ 138 Absatz 3 ZPO).

aa) Denn diese beiden Personen sind seit 01.01.2007 bei der Beklagten zu 2 für die Entwicklung zuständig und verantwortlich gewesen. Allein die Beklagte zu 2 kennt ihre inneren Strukturen und Abläufe. Daher kann nur sie die - nicht zu ihrer Vertretung berufenen - Personen benennen, die für Entwicklung und Einbau des (gegen gesetzliche Vorgaben verstoßenden) Abschaltens der auf dem Prüfstand erfolgenden Verbrennung von Stickoxiden während des Betriebs des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen verantwortlich gewesen sind. Ebenso kann nur die Beklagte zu 2 die Umstände erklären, auf Grund derer gerade den im Vorstand der Beklagten zu 2 für die Entwicklung verantwortlichen Personen (... und ...) diese (technisch und wirtschaftlich weit reichende) Programmierung unbekannt geblieben sein soll.

bb) Daneben ist zu berücksichtigen und zu werten, dass die Beklagte zu 2 der Auffassung ist, das Abschalten der auf dem Prüfstand erhöhten Verbrennung von Stickoxiden während des normalen Betriebs der Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen verstoße gegen keine gesetzlichen Vorschriften. Diesem von der Beklagten zu 2 behaupteten ehrlichen Verhalten widerspricht aber, dass sie von sich aus keine Auskünfte zu den Personen erteilt, die über die Verwendung der von der Beklagten zu 2 für zulässig gehaltenen Programmierung entschieden haben. Dieses Schweigen rechtfertigt den Schluss, dass die Beklagte zu 2 nun doch erkannt hat und befürchtet, sich durch Preisgabe der verantwortlich gewesenen Personen selbst zu belasten und wirtschaftlich nachteilig zu schädigen.

8.) Die Beklagte zu 2 hat den Kläger für den Ersatz seiner Schäden so zu stellen, als ob der auf Grund des Betruges erfolgte Kauf des Fahrzeugs und die Begleichung des Kaufpreises sowie die Übergabe unterblieben wären (§ 249 Absatz 1 BGB).

a) Das bedeutet Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Preises zu 26.900,00 € (brutto).

b) Vom Preis sind die aus der Nutzung des Fahrzeugs vom 06.07.2012 (Übergabe) bis 26.01.2017 (Schluss der mündlichen Verhandlung) gezogenen Vorteile abzuziehen. Sie errechnen sich für das gebrauchte Fahrzeug aus der Multiplikation des Kaufpreises (brutto) und der vom Kläger zurück gelegten Fahrstrecke geteilt durch die beim Kauf zu erwartende restliche Laufleistung. Dazu schätzt das Gericht die für das Fahrzeug zu erwartende gesamte Laufleistung auf 300.000 km sowie die vom Kläger zurück gelegte Strecke nach den angegebenen Fahrten (Kläger 73.000 km, Beklagte 90.000 km) auf gesamt 81.500 km. Das ergibt eine bei der Bestellung des Fahrzeugs am 22.06.2012 zu erwartende restliche Laufleistung von 285.200 km (300.000 km - 14.800 km). Daraus folgen gezogene Nutzungen zu 7.687,06 € (26.900,00 € × 81.500 km : 285.200 km).

c) Damit beträgt der von der Beklagten zu 2 an den Kläger zu ersetzende Schaden 19.212,94 € (26.900,00 € - 7.687,06 €). Die aus Verzug zu 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz beantragten Zinsen schuldet die Beklagte zu 2 (§§ 288 Absatz 1 Satz 1 und 2 BGB) nur aus diesem Betrag sowie erst ab 13.09.2016. Denn mangels Vortrag des Klägers zu einer an die Beklagten zu 2 gerichteten Mahnung (§ 286 Absatz 1 Satz 1 BGB) ist sie erst mit Zustellung der Klage am 12.09.2016 ab 13.09.2016 in Verzug geraten (§ 286 Absatz 1 Satz 2 BGB).

d) Ferner ist die Beklagte zu 2 mit der Annahme des ihr durch Klageantrag 1 zur Rückgabe angebotenen Fahrzeugs (§ 295 Satz 1 Fall 2 BGB) seit der letztem mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 in Verzug (§ 293 BGB). Denn zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte zu 2 mit der von ihr beantragten Abweisung der Klage zugleich die Rücknahme des Fahrzeugs abgelehnt.

B. (Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1)

1.) Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 keine Ansprüche aus Betrug (§§ 823 BGB, 263 Absatz 1 StGB). Dazu fehlen Vortrag und Beweise des Klägers für einen eigenen Vorsatz der Beklagten zu 1, also vor allem für deren bereits bei der Bestellung am 22.06.2012 vorhandene Kenntnis von der im Motor des Fahrzeugs verwendeten Programmierung zum Wechsel von der auf dem Prüfstanderfolgenden sowie auf öffentlichen Straßen unterbleibenden Verbrennung von Stickoxiden (I.A.1.). Deshalb ist die Beklagte zu 1 an dem von der Beklagten zu 2 begangenen Betrug (I.A.) nicht als Mittäterin (§ 25 Absatz 2 StGB), sondern nur als (strafloses) Werkzeug beteiligt gewesen.

2.) Auch eine Rückabwicklung des streitgegenständlichen Vertrages auf Grund der vom Kläger im Schreiben vom 20.01.2016 erklärten Anfechtung (§§ 142 Absatz 1, 143 Absatz 1 und 2, 812 Absatz 1 Satz 1 Fall 1 BGB) scheidet aus.

a) Zur eigenen Arglist (§ 123 Absatz 1 Fall 1 BGB) der Beklagten zu 1 fehlt deren damalige Kenntnis von der eine Verbrennung von Stickoxiden im normalen Betrieb abschaltenden Einrichtung in dem an den Kläger verkauften Fahrzeug.

b) Die betrügerische und damit arglistige Täuschung des Klägers durch die Beklagte zu 2 (I.A.2. und I.A.7.) muss die Beklagte zu 1 sich nicht zurechnen lassen.

aa) Sie hat selbst und ohne Mitwirkung der Beklagten zu 2 mit dem Kläger verhandelt und den streitgegenständlichen Kaufvertrag geschlossen. Daher ist bei diesem Geschäft die Beklagte zu 2 Dritter gewesen (§ 123 Absatz 2 Satz 1 BGB). Die vertraglichen Bindungen der Beklagten zu 1 an Vorgaben, Unterlagen und Schulungen der Beklagten zu 2 führen zu keiner anderen Bewertung. Denn die maßgeblichen Gespräche mit dem Kläger hat allein die Beklagte zu 1 geführt.

bb) Die Herstellung des (manipulierten) Motors in dem an den Kläger verkauften Fahrzeug und dessen (hier nicht vorliegende) Lieferung durch die Beklagte zu 2 können als nur tatsächliche Geschehnisse keine Zurechnung ihrer Kenntnisse und Täuschungen an die Beklagte zu 1 bewirken.

cc) Eine solche auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Zurechnung lässt sich auch nicht mit dem von der Beklagten zu 2 über die Beklagte zu 1 für das Fahrzeug des Klägers zur Verfügung gestellten Update begründen. Denn die Abwicklung der Maßnahmen zur Herstellung der auf dem Prüfstand erzielten Verbrennung von Stickoxiden auch im normalen Betrieb ist erst nach dem Aufdecken des solches abschaltenden Programms geschaffen worden.

3.) Die Beklagte zu 1 muss dem Kläger jedoch auf Grund seines am 20.01.2016 erklärten Rücktritts den gezahlten Kaufpreis (brutto) gegen Rückgabe des Fahrzeugs erstatten (§§ 323 Absatz 1, 346 Absatz 1, 349, 437 Nr. 2 BGB).

a) Dem Fahrzeug des Klägers hat zum Zeitpunkt der Übergabe (§ 446 Satz 1 BGB) die (technisch) übliche Beschaffenheit (§ 434 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) gefehlt. Denn ein Programm, dass entgegen gesetzlicher Vorschriften die auf dem Prüfstand erzielte Verringerung von Stickoxiden im Verkehr auf öffentlichen Straßen abschaltet, ist weder bei Fahrzeugen allgemein üblich noch vom Käufer zu erwarten.

b) Der Kläger hat der Beklagten zu 1 vor seinem Rücktritt vom 20.01.2016 zwar keine Frist zur Nacherfüllung (§§ 323 Absatz 1, 437 Nr. 1, 439 Absatz 1 BGB) gesetzt. Das ist aber als dem Kläger unzumutbar entbehrlich gewesen (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).

aa) Denn die (technische) Tauglichkeit des Update ist umstritten. Das betrifft vor allem (etwaige) weitere Schäden am Motor und dessen dauerhafte Haltbarkeit. Diese Gefahren sind durch die Bestätigung des KBA vom 05.09.2016 nicht ausgeschlossen. Nach den dortigen Angaben sind (neben anderen insoweit nicht relevanten Punkten) nur die dauernde Haltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen und die unveränderte Leistung des Motors überprüft worden.

bb) Zudem bestätigt diese Bescheinigung des KBA nur, dass die vorgestellten Änderungen (also das Update) geeignet sind, einen den Vorschriften entsprechenden Betrieb herzustellen. Damit fehlt aber die für die Käufer der betroffenen Fahrzeuge entscheidende Aussage, dass auf Grund des Update keine weiteren Schäden am Motor auftreten und er für die übliche Dauer halten werde.

cc) Zwar mögen solche Untersuchungen und Angaben zur Schädigung und Haltbarkeit der Motoren keine Aufgabe des KBA (gewesen) sein. Jedoch hat weder vor dem Rücktritt des Klägers vom 20.01.2016 noch bis jetzt die Beklagte zu 2 verlässliche Erklärungen abgegeben, das von ihr entwickelte Update werde weder weitere Schäden am Motor auslösen noch dessen Haltbarkeit verkürzen.

dd) Statt dessen haben die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit beantragt, zur Unschädlichkeit des Update für den Motor des Klägers ein Gutachten eines Sachverständigen zu erholen sowie ... (Manager im Bereich Fahrzeugentwicklung) als sachverständigen Zeugen zu vernehmen. Solche sachverständige Untersuchungen und Erläuterungen erst während eines gerichtlichen Verfahrens muss der Kläger, der zur weiteren Verwendung seines Fahrzeugs schnelle Gewissheit benötigt, jedoch weder hinnehmen noch abwarten.

ee) Ebenso kann dem Kläger nicht zugemutet werden, das ihm von den Beklagten (kostenlos) angebotene Update in der Hoffnung auf das Ausbleiben schädlicher Folgen ausführen zu lassen. Das darf er wegen fehlenden Vertrauens in die Beklagte zu 2 auf Grund der von ihr betrügerisch und arglistig begangenen Täuschung (I.A.2., A.I.7., I.B.2.b) berechtigt ablehnen. Denn allein die Beklagte zu 2 hat das Update entwickelt und stellt es der Beklagten zu 1, damit sie ihrer Pflicht zur Nacherfüllung genügen kann, zur Verfügung. Das bewirkt aber, dass die Beklagte zu 1 sich insoweit das in die Beklagte zu 2 fehlende Vertrauen des Klägers entgegen halten lassen muss.

c) Der Rücktritt des Klägers ist nicht ausgeschlossen (§ 323 Absatz 5 Satz 2 BGB). Der Mangel ungesetzlichen Abschaltens der Verbrennung von Stickoxiden bei Fahrten auf öffentlichen Straßen (I.B.3.a) ist erheblich. Der geringe Aufwand von (angeblich) nur 35,00 € für das Update kann wegen dessen ungewisser Tauglichkeit nicht angesetzt werden. Hinzu kommen die (mindestens 5.000,00 € betragenden) Kosten, die für eine (sachverständige) Prüfung der (angeblich) unschädlichen Auswirkungen des Update auf den Motor und dessen dauernde Haltbarkeit anfallen würden.

d) Schließlich ist der Rücktritt auch nicht gemäß den §§ 438 Abs. 4 S. 1, 218 S. 1 BGB unwirksam. Soweit sich die Beklagte zu 1 erstmals mit Schriftsatz vom 21.02.2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, also nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017, auf die Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche des Klägers berufen hat, war dieses Vorbringen gem. § 296 a ZPO unzulässig.

e) Der von Beklagten zu 1 an den Kläger zu erstattende Betrag von 26.900,00 € ist zu kürzen um den Wert seiner aus dem Gebrauch des Fahrzeugs vom 06.07.2012 bis 26.01.2017 gezogenen Nutzungen (§§ 346 Absatz 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 BGB) in Höhe von 7.687,06 € (I.A.8.b). Deshalb schuldet die Beklagte zu 1 dem Kläger 19.212,94 €.

4.) Die aus Verzug zu 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz beantragten Zinsen schuldet die Beklagte zu 2 (§§ 288 Absatz 1 Satz 1 und 2 BGB) nur aus diesem Betrag sowie erst ab 13.09.2016. Denn mangels Mahnung der Beklagten zu 1 nach Fälligkeit (§ 286 Absatz 1 Satz 1 BGB) ist diese erst mit Zustellung der Klage am 12.09.2016 ab 13.09.2016 in Verzug geraten (§ 286 Absatz 1 Satz 2 BGB).

5.) Die Beklagte zu 1 befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Verzug (§ 293 BGB). Denn sie hat die bereits am 20.01.2016 angebotene Rückgabe spätestens mit ihrem Klageabweisungsantrag abgelehnt (§ 295 Satz 1 BGB).

C. (Ansprüche des Klägers auf anwaltliche Kosten gegen beide Beklagte)

1.) Die beim Kläger für die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Anwälte angefallenen Kosten gehören zu dem von der Beklagten zu 2 zu ersetzenden Schaden (§ 249 Absatz 1 BGB). Die Beklagte zu 1 haftet, weil sie dem Kläger ein mit einem Mangel versehenes Fahrzeug verkauft hat (§ 280 Absatz 1 Satz 1 BGB).

2.) Wegen der vom Kaufpreis abzuziehenden Nutzungen beträgt der Streitwert für die vorgerichtliche Tätigkeit (nur) 19.212,94 €. Anzusetzen ist die im üblichen Ermessen des Anwalts liegende Gebühr zu 1,5. Abzüglich einer Anrechnung von 0,75 und unter Berücksichtigung einer Pauschale von 20 € ergeben sich damit vorgerichtlichen nicht anrechenbaren anwaltlichen Kosten in Höhe von 686,04 € brutto.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits waren den Parteien entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen aufzuerlegen (§ 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, 92 Absatz 1 Satz 1, 100 Absatz 4 ZPO).

III.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage für den Kläger in § 709 S. 1 ZPO bzw. für die Beklagten in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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