LG Ansbach, Endurteil vom 02.06.2017 - 2 O 1074/16
Fundstelle
openJur 2021, 6858
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 28.900,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags im Zusammenhang mit dem sogenannten "VW-Abgasskandal".

Der Kläger erwarb bei der Beklagten zu 1) im Juni 2015 einen Pkw VW Tiguan 2,0 l TDI, BMT Cup 4 Motion, ... zum Preis von 28.900,00 €.

Der in dem Fahrzeug des Klägers eingebaute Dieselmotor vom Typ EA189 ist von einer Software betroffen, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstandlauf (NEFZ) optimiert.

Mit Schreiben vom 22.01.2016 wurde die Beklagte zu 1) durch den Klägervertreter der Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Unzumutbarkeit der Nacherfüllung erklärt und der Beklagte unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Kaufpreises aufgefordert. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 03.02.2016 lehnte die Beklagte zu 1) eine Rückabwicklung ab. Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter sowie Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 1). Zudem verlangt er von der Beklagten zu 2) Schadensersatz für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeuges resultieren.

Der Kläger trägt vor, das von ihm erworbene Kraftfahrzeug leide infolge der Manipulationssoftware unter einem Mangel. Der Schadstoffausstoß des Fahrzeugs sei aufgrund des Einsatzes dieser Software nach unten "korrigiert" worden. Es produziere hierdurch bei Testläufen auf einem Fahrzeugprüfstand geringere Schadstoffe/Abgase, als unter realen Fahrbedingungen. Das Fahrzeug habe daher bei Übergabe nicht die vereinbarte Beschaffenheit gehabt. Hierzu gehörten auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann. Die Abgaswerte seien durch die Werbung des Herstellers bei Kaufvertragsschluss vereinbart und somit Vertragsbestandteil geworden. Sie hätten die Kaufentscheidung des Klägers maßgeblich beeinflusst. Sowohl die steuerliche Begünstigung wie auch der Schadstoffausstoß als bedeutende Eigenschaft, auch für den Weiterverkauf, hätten den Kläger bewogen, das Fahrzeug zu kaufen. Das Fahrzeug habe jedoch einen viel höheren Schadstoffausstoß und damit nicht die vereinbarte Beschaffenheit.

Der Kläger trägt weiter vor, die Beklagte zu 2) habe in den Prospekten für das Fahrzeug, in der Preisliste und in den Schulungen des Verkaufspersonals der Beklagten zu 1) fehlerhafte Informationen zur Verfügung gestellt, so dass sie aus dem hieraus bei dem Kläger entstandenen Vertrauen hafte. Zudem sei der Kläger über die Schadstoffausstöße des Fahrzeugs getäuscht worden. Sie habe in den Werbematerialien auf die gefälschten Umweltdaten ausdrücklich hingewiesen. Mit den realen Daten wäre das Fahrzeug nicht verkäuflich gewesen. Auch habe eine Täuschung durch Unterlassen seitens der Beklagten zu 2) vorgelegen, da diese eine Garantenstellung gegenüber dem Kläger innegehabt hätte. Die Beklagte zu 2) wäre verpflichtet gewesen, den Kläger über das Vorhandensein einer nach den Zulassungsvorschriften unzulässigen Abschalteinrichtung zu informieren. Die Beklagte zu 1) müsse sich diese vorsätzliche Täuschung durch die Beklagte zu 2) zurechnen lassen.

Es bestehe auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus Delikt, hier u.a. wegen Betrugs der Beklagten zu 2) zu Lasten des Klägers oder wegen sittenwidriger Schädigung bzw. aus Prospekthaftung.

Der Kläger beantragt,

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei 28.900,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.02.2016 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Tiguan 2,0 l TDI, ... und Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Pkw.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Tiguan 2,0 l TDI, ... durch die Beklagtenpartei resultieren.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1) genannten Pkw in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagten werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 2.077,74 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die hier in Rede stehende Manipulations-Software stelle keinen Mangel, in jedem Fall keinen erheblichen Mangel am Kaufgegenstand dar. Die Fahrbereitschaft des Pkws werde hierdurch nicht eingeschränkt, die erforderlichen Genehmigungen, insbesondere die EG-Typengenehmigung gälten unverändert fort.

Dessen ungeachtet könne der Kläger keine Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen, weil er der Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe. Jedenfalls sei es ihm zuzumuten, die Umsetzung der technischen Maßnahmen durch die ... AG abzuwarten.

Das Rücktrittsrecht sei auch wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen, da sich die Kosten der technischen Überarbeitung des klägerischen Fahrzeuges auf deutlich weniger als 100 € bewegten.

Die Beklagten zu 2) ist der Auffassung, sie schulde dem Kläger aus keinem Rechtsgrund Schadensersatz.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrags bzw. Schadensersatz zu und gegen die Beklagte zu 2) kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich für den Kläger aus keinem Rechtsgrund.

I.

Keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 1):

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte zu 1) keine Ansprüche aus einem Rückabwicklungsschuldverhältnis auf Rückzahlung des Kaufpreises von 29.800,00 € zu. Die Voraussetzungen eines entsprechenden Anspruchs aus kaufvertraglicher Gewährleistung gemäß §§ 346 Abs. 1, 433, 434, 437 und 323 BGB sind nicht erfüllt. Auch aus § 812 BGB, aus Delikt oder Prospekthaftung steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) kein Rückabwicklungsanspruch zu.

1. Die Frage, ob das streitgegenständliche Fahrzeug mangelhaft ist, kann vorliegend offen gelassen werden. Diese Frage wird in der bisherigen Rechtsprechung zur VW-Abgasproblematik nicht einheitlich beurteilt. Im vorliegenden Fall kommt es hierauf aber nicht an, da selbst bei Bejahung eines Sachmangels im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB einem Rücktritt des Klägers hier entgegen steht, dass der Mangel nicht erheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB).

a) Ein Rücktritt des Klägers aus kaufvertraglichem Gewährleistungsrecht ist hier gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung der Beklagten unerheblich ist. Das Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Bochum in dessen Urteil vom 16.03.2016 (Az. 2 O 425/15, DAR 2016, S. 272) an. Dies ist auch die ständige Rechtsprechung des Landgerichts Ansbach (vgl. etwa Urteile vom 31.10.2016, Az. 2 O 226/16; vom 24.02.2017, Az. 2 O 400/16, rechtskräftig und vom 20.01.2017, Az. 2 O 755/16). Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen Die Frage der Erheblichkeit des Mangels ist vorliegend auch entscheidungserheblich, da eine Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien dahin, dass das Fahrzeug ohne die streitgegenständliche Software geliefert wird, nicht ersichtlich ist. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich eine solche Vereinbarung nicht.

aa) Im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung ist bei behebbaren Mängeln grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen (BGH vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13 -, NJW 2014, S. 3229 [S. 3230]). Die Rechtsprechung zur Erheblichkeit aufgrund eines merkantilen Minderwertes, welche von der Klagepartei zur Begründung der Erheblichkeit des Mangels angeführt wird, kommt vorliegend nicht zur Anwendung, da diese sich nur auf nicht behebbare Mängel bezieht (vgl. etwa BGH vom 12.03.2008, Az. VIII ZR 253/05, NJW 2008, S. 1517).

Hier ist nach derzeitigem Erkenntnisstand der Mangel behebbar. Das KBA hat dem von der Volkswagen AG vorgelegten Maßnahmenplan gerichtsbekannt zugestimmt, so dass nach Durchführung der festgelegten Maßnahmen nach Einschätzung des KBA eine Beseitigung des Mangels erfolgt sein wird. Eine Nachbesserung ist entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht gemäß § 275 BGB unmöglich.

(1) Soweit die Nachbesserung zum Zeitpunkt des Rücktrittserklärung tatsächlich nicht durch Austausch der Software erfolgen konnte, weil eine solche noch nicht entwickelt und vom KBA freigegeben war, stellt dies keine Unmöglichkeit i.S.d. § 275 BGB dar, weil die Nachbesserung jedenfalls nur binnen einer angemessenen Frist möglich sein muss. Mangels konkreter Parteivereinbarung richtet sich die Bewertung der Angemessenheit hier nach objektiven Maßstäben. Insoweit ist zunächst die Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren der VW-Fahrzeugflotte zu berücksichtigen. Bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Vielmehr sind allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen und auch vor dem Landgericht Ansbach wurden bereits mehrfach Verfahren zu dieser Thematik anhängig. Insofern war und ist dem VW-Konzern und damit auch den VW-Vertragshändlern zuzugestehen, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden. Ferner kann bei der Angemessenheit der Fristsetzung nicht vernachlässigt werden, dass die Fahrtauglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht eingeschränkt ist und dem Kläger auch, wie oben ausgeführt, keine rechtlichen Nachteile und Nutzungsverbote treffe. Er ist für die volle Nutzbarkeit des Pkw nicht auf die umgehende Durchführung des Softwareupdates angewiesen. Wann das Update aufgespielt wird ist - vorbehaltlich eines geplanten Verkaufs der Fahrzeugs, der hier nicht behauptet wird - für den Kläger nicht entscheidend.

(2) Auch objektiv ist die Beseitigung des Mangels - hier der Software mit manipulativen Erkennung eines Testzyklus - möglich. Dies ist Gegenstand der vom Kraftfahrtbundesamt veranlassten Rückrufaktion.

(3) Der Kläger kann jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt geltend machen, dass eine Nachbesserung durch den Austausch der Motorsoftware deswegen unmöglich und unzumutbar ist, weil hierdurch weitere Mängel wie etwa ein Kraftstoffmehrverbrauch, eine erhöhte Rußbildung oder ein höherer Verschleiß des Motors hervorgerufen werden. Nachdem die Software für den Motor des streitgegenständlichen Pkw noch nicht installiert ist, wird damit praktisch ein Scheitern der Nacherfüllung i.S.d. § 440 BGB antizipiert und ins Blaue hinein behauptet. Dass Gesetz sieht weitere Mangelgewährleistungsrechte für den Fall vor, dass eine Nachbesserung scheitert, nicht aber für die Erwartung, dass die Nachbesserung scheitert. Denn wäre die klägerische Position tatsächlich zutreffend, müsste schon vor einer Nachbesserung der Kauf Rückabgewickelt werden, was dem Beweisangebot eines Sachverständigengutachtens die Grundlage entziehen würde, da dann keine Nachbesserung an dem Fahrzeug vorzunehmen wäre. Auch wenn bei bereits umgerüsteten Fahrzeugen tatsächlich Probleme aufgetreten sein sollten, so kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass dies auch bei dem Fahrzeug des Klägers der Fall sein wird.

Zudem führt auch nicht jeder Mehrverbrauch (und damit zusammenhängend nicht jeder höhere CO² Ausstoß) dazu, dass eine Nachbesserung als gescheitert anzusehen wäre. Weicht der Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens um weniger als 10 Prozent von den Prospektangaben des Herstellers ab, so liegt kein erheblicher Fahrzeugmangel vor, der zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen würde (OLG Hamm vom 8.6.2015, Az. 2 U 163/14, juris).

(4) Die Nachbesserung ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil diese die Beklagte zu 1) nicht selbst erbringen könne. Es ist aus Sicht des Gerichts zweifellos möglich, dass die Beklagte zu 1) das Software-Update der Motorsoftware aufspielt und gegebenenfalls weitere Änderungen an der Motortechnik durchführt. Dass diese Maßnahmen durch die Beklagte zu 2) vorbereitet werden ist unschädlich und ganz offenkundig im Falle von Mangelbeseitigungen im Rahmen von Rückrufaktionen üblich, nachdem auch der Hersteller Adressat dieser Anordnungen ist.

(5) Eine Nachbesserung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil dem Fahrzeug dauerhaft ein merkantiler Minderwert anhaften würde. Dass auch bei einer erfolgreichen Nachbesserung durch die Beklagte ein solcher Minderwert verbleibt, ist von der Klagepartei ins Blaue hinein behauptet und kann auch durch das angebotene Sachverständigengutachten nicht bewiesen werden. Durch ein Sachverständigengutachten sind keine Aussagen zu künftigen Marktverhältnissen in Bezug auf das klägerische Fahrzeug möglich, weshalb dieses Beweismittel als zu diesem Punkt ungeeignet zurückzuweisen ist.

Dass gegebenenfalls gegenwärtig ein Minderwert des Fahrzeuges besteht, begründet gleichfalls nicht die Unmöglichkeit der Nachbesserung, weil bei jeder mangelbehafteten Sache eine Wertminderung vorliegt, bis der Mangel beseitigt ist. Genau dies ist auch der Zweck der Nacherfüllung durch Nachbesserung.

bb) Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist nach dem BGH in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13 -, NJW 2014, S. 3229 [S. 3230]). Vorliegend ist ein etwaiger Mangel aufgrund des Vorhandenseins der Manipulationssoftware nicht erheblich.

(1) Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von deutlich unter 1% des Kaufpreises liegt dieser ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze (vgl. auch BGH vom 14. September 2005 - VIII ZR 363/04 -, NJW 2005, S. 3490 [S. 3493]). Bei dem Fahrzeug des Klägers wird die Mängelbeseitigung nach Behauptung der Beklagten einen Kostenaufwand von ca. 0,33% des Kaufpreises des Pkws verursachen und liegt damit ganz erheblich unterhalb der regelmäßig zu beachtenden Bagatellgrenze. Für eine Abweichung vom Regelfall besteht hier keine Veranlassung. Erhebliche Umstände hierfür hat der Kläger nicht dargetan. Zwar hat er die Höhe der Mängelbeseitigungskosten bestritten. Dies erfolgte jedoch ins Blaue hinein und ist daher unbeachtlich. Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, warum das Einspielen eines Softwareupdates, so wie dies mit dem KBA abgestimmt ist, höhere Kosten als 100 EUR verursachen soll. Selbst wenn man zu den Kosten der Einspielung der Software noch anteilige Entwicklungskosten des Updates hinzurechnen würde, so ist plausibel und nachvollziehbar, dass auch dann die Mängelbeseitigungskosten nicht mehr als 100 EUR betragen, da die Entwicklungskosten auf mehr als zwei Millionen betroffene Fahrzeuge umzulegen sind.

(2) Ferner ist im Rahmen der Pflichtverletzung, die die Beklagte zu 1) gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB treffen muss, zu berücksichtigen, dass sie selbst davon abhängig ist, welche Nachbesserungsmaßnahmen seitens des Herstellers des Fahrzeugs angeboten werden. Sie kann daher erst dann nacherfüllen, sobald der Fahrzeughersteller geeignete Mittel hierzu zur Verfügung stellt. Dies ist mittlerweile der Fall.

Es ist dem Kläger zuzumuten, die Durchführung der mit dem KBA abgestimmten Mängelbeseitigungsmaßnahmen abzuwarten. In der Zwischenzeit kann er sein Fahrzeug uneingeschränkt nutzen. Dass er während der Nutzung seines Fahrzeugs der Umwelt einen höheren Schaden zufügt als er es beim Kauf des Fahrzeugs erwartete, verärgert ihn zu Recht, beruht aber nicht auf einem Verschulden der Beklagten zu 1), sondern allenfalls der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) hat die Manipulationen ebenso wenig zu vertreten wie der Kläger.

(3) Auch aus dem Umstand, dass das KBA die Nachbesserung solcher Fahrzeuge wie dem des Klägers angeordnet hat, folgt nicht, dass der Mangel erheblich wäre. Eher kann daraus abgeleitet werden, dass er nicht so erheblich ist, dass die Typengenehmigung der betroffenen Fahrzeuge sofort zu widerrufen gewesen wäre. Gerade die Tatsache, dass das KBA der Beklagten zu 2) die Möglichkeit einräumt, den Mangel nachzubessern, folgt, dass die Durchführung dieser Nachbesserungsmaßnahme dem einzelnen Fahrzeugkäufer zumutbar ist.

(4) Der Vortrag des Klägers hinsichtlich etwaiger Probleme nach Durchführung der Nachbesserungsmaßnahme, etwa hinsichtlich eines erhöhten Kraftstoffverbrauchs oder langfristig zu erwartenden Motorschäden, führt nicht zur Erheblichkeit des Mangels. Es ist derzeit unmöglich festzustellen, ob es nach Durchführung der geplanten Maßnahmen zu diesen Problemen bei dem klägerischen Pkw kommen wird. Dass auch bei einer erfolgreichen Nachbesserung durch die Beklagte ein Minderwert verbleibt, ist von der Klagepartei ins Blaue hinein behauptet und kann auch durch das angebotene Sachverständigengutachten nicht bewiesen werden. Durch ein Sachverständigengutachten sind keine Aussagen zu künftigen Marktverhältnissen in Bezug auf das klägerische Fahrzeug möglich, weshalb dieses Beweismittel als zu diesem Punkt ungeeignet zurückzuweisen ist.

2. Auch aus sonstigen Rechtsgründen steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags zu. Einem Anspruch auf § 812 Abs. 1 BGB sowie aus Deliktsrecht, etwa § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB wegen Betrugs/arglistiger Täuschung des Klägers durch die Beklagte zu 1) steht entgegen, dass vorliegend weder vorgetragen noch nachgewiesen ist, dass die Mitarbeiter und Geschäftsführung der Beklagten zu 1) vor dem öffentlichen Bekanntwerden des "VW-Abgasskandal" im Herbst 2015, insbesondere also nicht zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vertragsschlusses im Juni 2015, von dem Vorhandensein der Manipulationssoftware Kenntnis hatten. Somit fehlt es an einer Täuschung oder einem arglistigen Verschweigen seitens der Beklagten zu 1). Eine etwaige Kenntnis von Mitarbeitern oder Vorständen der Beklagten zu 2) muss sich die Beklagte zu 1) nicht zurechnen lassen. Die Beklagte zu 1) ist entgegen der Auffassung der Klagepartei "Dritte" im Verhältnis zur Beklagten zu 2). Es handelt sich um selbständige juristische Personen. Die Beklagte zu 1) ist auch offensichtlich nicht in die Konzernstruktur der Beklagten zu 1) eingebunden. Allein aufgrund der Einbindung der Beklagten zu 1) in die Vertriebsstruktur der Beklagten zu 2) führt nicht dazu, das diese nicht als "Dritte" anzusehen wäre. Auch eine Zurechnung einer etwaigen Täuschung des Klägers durch die Beklagte zu 2) oder deren Mitarbeiter bzw. Vorstände scheidet daher vorliegend nach § 123 Abs. 2 BGB aus, nachdem bei der Beklagten zu 1) keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Täuschung vorlag.

3. Auch aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB aufgrund Fehlerhaftigkeit der Prospekte und der Preisliste steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags als Schadensersatz nicht zu. Die für die Prospekthaftung im Kapitalanlagerecht entwickelten Grundsätze sind nicht auf den hiesigen Fall des Kaufs eines Kraftfahrzeugs übertragbar.

4. Da der Klageantrag zu Ziff. 1) hinsichtlich der Beklagten zu 1) unbegründet ist, sind auch die Klageanträge zu 3) und 4) unbegründet.

II.

Keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2):

Soweit der Kläger von der Beklagten zu 2) die Feststellung der Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz sowie die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt, so steht ihm ein solcher Anspruch aus keinem Rechtsgrund zu, insbesondere nicht aus § 826 BGB oder wegen Betrugs gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 268 StGB oder mit Vorschriften des UWG. Das Gericht folgt insoweit seiner ständigen Rechtsprechung (s.o.).

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB. Der Kläger hat eine Absicht rechtswidriger Bereicherung der Beklagten nicht dargelegt. Bereicherungsabsicht setzt voraus, dass die Tat subjektiv auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils für den Täuschenden oder einen Dritten gerichtet ist; dabei muss der Vorteil die Kehrseite des Schadens und ihm "stoffgleich" sein, er muss unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Verfügungen sein, die den Schaden des Opfers herbeiführt; maßgeblich ist die Unmittelbarkeit der Verschiebung (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 187 m.w.N.). Dem Täter muss es darauf ankommen, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen; an der erforderlichen Absicht fehlt es, wenn der Täter die Vorteilserlangung nur als notwendige Folge eines anderen Zwecks in Kauf nimmt (Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 190 m.w.N.). Vorliegend erscheint bereits fraglich, ob es der Beklagten zu 2) bei der Verwendung der eingebauten Software um einen Wettbewerbsvorteil durch die Reduzierung ansonsten erforderlicher Entwicklungs- und Produktionskosten ging. Soweit der Kläger einen Schaden durch den Erwerb eines minderwertigen Fahrzeugs geltend macht, ist bereits dieser Umstand - wie oben ausgeführt - nicht nachgewiesen. Das Fahrzeug ist fahrtüchtig und verfügt über die notwendige Betriebserlaubnis. Es besteht die Möglichkeit der Nachbesserung hinsichtlich der Manipulationssoftware. Soweit der Schaden in dem an den Händler gezahlten Kaufpreis liegen soll, so fehlt es insoweit an der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. Der Vertragsschluss mit dem Vertragshändler stellt insoweit die mittelbare Folge der von der Beklagten zu 2) primär beabsichtigten (unmittelbaren) Veräußerung des Fahrzeugs an den Vertragshändler dar.

2. Auch ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu 2) wegen Verstoßes gegen das UWG, insb. § 16 UWG, besteht nicht. Aus den klägerseits vorgelegten Unterlagen ergibt sich nicht, dass die Beklagte zu 2) in ihrer Werbung für das streitgegenständliche Fahrzeug unwahre oder irreführende Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat. Insbesondere liegen keine Werbematerialien der Beklagten zu 2) vor, welche Angaben zu bestimmten Schadstoffwerten machen, welche für das streitgegenständliche Verfahren von Relevanz wären. Die Angaben in Anlage R2c betreffen nur den CO₂-Ausstoß, welcher aber nicht Gegenstand der hier streitgegenständlichen Softwaremanipulation war. Auch die Angabe zur Emissionsklasse war nicht fehlerhaft, da das Fahrzeug mit der Klasse Euro 5 beworben wurde und dies auch zutreffend war. Nach der Softwarenachrüstung behält das Fahrzeug auch diese Emissionsklasse.

3. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB.

a) Soweit der Kläger zur Begründung geltend macht, die Beklagte habe ihn über die Eigenschaften des gekauften Fahrzeuges hinsichtlich dessen Umweltverträglichkeit getäuscht, begründet dies keinen Schadensersatzanspruch. Eine dahingehende Täuschung der Beklagten zu 2) liegt nicht vor. Die Beklagte zu 2) hat als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges lediglich damit geworben, dass dieses Fahrzeugmodell im Rahmen der Erlangung der Typengenehmigung auf dem Rollenprüfstand bei Ableistung des Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die Grenzwerte der Euro 5 Norm eingehalten hat. Weitergehende Versprechen dahingehend, dass diese Grenzwerte, insbesondere im Hinblick auf den Stickoxidwert, im Realbetrieb nicht überschritten werden, sind nicht erfolgt. Insoweit liegt eine vergleichbare Situation zur Herstellerangabe betreffend den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch vor. Insoweit muss dem Käufer bewusst sein, dass die angegebenen Werte nicht im Realbetrieb, sondern unter definierten, vom individuellen Realbetrieb abweichenden Testbedingungen ermittelt wurden, die primär darauf abzielen, eine Vergleichbarkeit der Testergebnisse hinsichtlich der Vielzahl von Testungen und Fahrzeugtypen zu erreichen und nicht den Realbetrieb des einzelnen Fahrzeuges abzubilden.

b) Soweit der Kläger geltend macht, der Mangel am Fahrzeug bestehe in dem Vorhandensein einer möglicherweise unzulässigen Manipulationssoftware an sich bzw. in dem Abweichen des Schadstoffausstoßes im Realbetrieb im Vergleich zum Prüfstandbetrieb, der Beklagten zu 2) sei vorwerfbar, dass sie nicht offengelegt habe, dass die Typengenehmigung und Einstufung in die Euro 5 Norm nur unter Verwendung der Manipulationssoftware erreicht wurde, so liegen hier die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vor.

Ein Unterlassen verletzt nur dann die guten Sitten, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Es genügt nicht, dass der Schädiger vertragliche oder gesetzliche Pflichten verletzt, denn sonst wäre das in § 823 Abs. 2 BGB normierte Erfordernis der Verletzung eines Schutzgesetzes für die Vorsatzhaftung beseitigt (vgl. Wagner in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 826 Rdnr. 9 m.w.N.). Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens des Unterlassenden hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013, Az. VI ZR 124/12, NJW 2014, S. 1380). Eine solche besondere Verwerflichkeit ist hier nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich bei der Verwendung von besonderer Software zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im Rahmen des Prüfprogramms im Zusammenhang mit der Typgenehmigung gerichtsbekannt um ein gängiges, in der Automobilbranche bei vielen Herstellen gewähltes Vorgehen, ohne das dies von den Herstellen offengelegt wird. Eine besondere Verwerflichkeit im Sinne einer Sittenwidrigkeit gem. § 826 BGB ist hierbei für das Gericht nicht zu erkennen.

4. Auch aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB aufgrund Fehlerhaftigkeit der Prospekte und der Preisliste steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 2) ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags als Schadensersatz nicht zu. Die für die Prospekthaftung im Kapitalanlagerecht entwickelten Grundsätze sind nicht auf den hiesigen Fall des Kaufs eines Kraftfahrzeugs übertragbar.

5. Da der Klageantrag zu Ziff. 2) hinsichtlich der Beklagten zu 2) unbegründet ist, ist es auch der Klageantrag zu 4).

III.

Nebenentscheidungen:

Die Entscheidung über die Kosten ergeht nach § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.