LG Bamberg, Endurteil vom 16.01.2017 - 2 O 243/16
Fundstelle
openJur 2021, 6856
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 24.633,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal auf Nachlieferung eines mangelfreien PKW in Anspruch.

Als "VW-Abgasskandal" (auch "VW-Abgasaffäre" oder gar "Dieselgate" genannt) wird ein seit dem 18.09.2015 aufgedeckter Vorgang bezeichnet, bei dem die Volkswagen AG zur Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte bestimmter Dieselmotoren eine illegale elektronische "Abschalteinrichtung" in der Motorsteuerung verwendete, um die USamerikanischen Abgasnormen zu umgehen. Hierzu erkennt eine bestimmte Software, ob sich das Kraftfahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte oder aber im üblichen Straßenverkehr befindet. Auf dem Rollenprüfstand lässt die eingebaute Software im Hinblick auf den Stickstoff-Ausstoß ein anderes Motorprogramm ablaufen als im Normalbetrieb. Dadurch wurden auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte (NOx) erzielt und konnten die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen NOx-Grenzwerte eingehalten werden. Betroffen sind auch in Europa zugelassene Fahrzeuge sowie PKW von ^| und Im Hinblick auf diese Tatsache forderte das KraftfahrtBundesamt (KBA) mit Bescheid vom 14.10.2015 (Gz.: 400-52.V/001#018) die Volkswagen AG auf, die in Deutschland betroffenen ca. 2,4 Millionen Fahrzeuge zurückzurufen, die unzulässige "Abschalteinrichtung" zu entfernen und den Nachweis zu führen, dass danach alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden. Ein entsprechender Bescheid vom 11.12.2015 erging an die (Gz.: 400-500924).

Dieser Aufforderung kommt die Volkswagen AG seit Januar 2016 sukzessive nach und lässt bei den betroffenen Fahrzeugen in den Werkstätten eine andere Software installieren. Der Konzern sichert zu, dass durch dieses Update die Eigenschaften der Fahrzeuge, vor allem deren Kraftstoffverbrauch, nicht negativ verändert würden.

Der Kläger erwarb am 31.03.2014 zum Gesamtpreis von 30.380,00 € brutto direkt bei der Beklagten den streitgegenständlichen PKW VW und es wurde hierzu ein PKW VW ...| in Zahlung genommen. Der von dem Kläger noch zu zahlende Betrag belief sich aufgrund der Inanspruchnahme der Verkaufsaktion "Sonderabnahmegeschäft 000400 -Menschen mit Behinderung" (Nachlass von 15%) und der Inzahlungnahme auf 22.200,00 € (Anlage K 1). In diesem Fahrzeuge ist ein von der oben beschriebenen Affäre betroffener Dieselmotor des Typs verbaut.

Der Kläger ließ durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten im Dezember 2015 die Beklagte auffordern, ihm einen typgleichen Neuwagen zu liefern. Die Beklagte lehnte dies ab und verwies den Kläger darauf, dass sein Fahrzeug zeitnah nachgebessert werde (Anlage K 2).

Der Kläger behauptet nun unter anderem, dass durch die geplanten Updates keine vollständige Mangelfreiheit zu erreichen sei. Insbesondere seien höherer Kraftstoffverbrauch, geringere Motorenleistung, höherer Wartungsaufwand, der Wegfall von Steuervorteilen und verbleibende Wertminderung zu befürchten. Im Übrigen sei es ihm bei dem Abschluss des Kaufvertrages auf die besondere Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges angekommen, mit welcher ausdrücklich geworben wird.

Der Kläger ist unter anderem der Ansicht, dass er - Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges - einen Anspruch auf die gewünschte Nachlieferung habe und sich nicht auf Nachbesserung verweisen lassen müsse. Außerdem verlangt er die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger beantragt mit der am 23.05.2016 eingereichten und am 22.06.2016 zugestellten Klage zu erkennen:

1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klägerpartei ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Touran, FIN:

Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Touran, FIN: nachzuliefern.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Neulieferung und mit der Rücknahme der im Klagantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuge in Verzug befindet.

3. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.195,95 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt unter anderem das Vorliegen eines Mangels in Abrede. Es sei mit dem Kläger keine besondere Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden, so dass das Fahrzeug nur dem gewöhnlichen Verwendungszwecke dienen müsse. Dem entspreche der gelieferte Wagen. Im Übrigen stelle sich die verlangte Nachlieferung als unverhältnismäßig dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteienvertreter nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist - jedenfalls derzeit - unbegründet.

1. Zwischen den Parteien ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen PKW VW ...H ein Kaufvertrag zustandegekommen. In der 62-seitigen Klageschrift ist hierzu allerdings nur der inhaltsarme Satz zu lesen "Mit Kaufvertrag erwarb die Klagepartei von der Beklagtenpartei einen PKW des Volkswagenkonzerns zum o.g. Kaufpreis." (S. 24). Der Kaufpreis wird "oben" jedoch nicht genannt. Immerhin lassen sich die Parteien des Kaufvertrages und die vereinbarten Konditionen aber aus der Anlage K 1 entnehmen. Daraus ergibt sich auch, dass tatsächlich die beklagte Volkswagen AG den PKW an den Kläger verkauft hat und nicht das Autohaus ^| in Dieses ist offenbar nur als Vertreter für die Volkswagen AG tätig geworden.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft ist.

a) Zwar trifft der Einwand der Beklagten unstreitig zu, dass der Wagen uneingeschränkt und bestimmungsgemäß genutzt werden kann und darf. Auch ist die Behauptung des Klägers, es sei ihm bei dem Abschluss des Kaufvertrages auf die besondere Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges angekommen, offenkundig unzutreffend. Denn nach der glaubhaften Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat er das Fahrzeug vielmehr vor allem deswegen gekauft, weil seine Tochter schwerbehindert ist, deren dreirädriges Fortbewegungsmittel in den Kofferraum des VW Touran passt und die Volkswagen AG im Rahmen einer Verkaufsaktion schwerbehinderten Personen einen 15%igen Rabatt eingeräumt hat. Abgesehen davon haben konkrete Stickoxid-Emissionswerte für die Kaufentscheidung einer natürlichen Person grundsätzlich keine Bedeutung. Für den Endkunden kommt es im Zusammenhang mit den Emissionen eines Fahrzeugs allenfalls auf die Zertifizierung nach einer bestimmten Emissionsklasse an (so auch LG Bamberg, Urt. v. 19.09.2016, 10 O 129/16; Urt. v. 24.10.2016, 2 O 21/16).

Diese Zertifizierung liegt bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aber unstreitig weiterhin vor, und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass deren Entzug drohen könnte.

b) Der Käufer eines neuen Kraftfahrzeuges kann jedoch erwarten, dass dieses in vollem Umfang den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Denn das den jeweils geltenden Abgasvorschriften entsprechende Emissionsverhalten des Motors stellt eine Eigenschaft dar, welche für die geschuldete Beschaffenheit im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB maßgeblich ist (statt vieler OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016, 28 W 14/16 und OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2016, 7 W 26/16 in MDR 2016, 1016; LG Bamberg, Urt. v. 24.10.2016, 2 O 21/16). Das Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Motors entspricht diesen Vorschriften jedoch nicht, weil es die Vorgaben der sog. Euro-5- Abgasnorm nicht erfüllt und das Kraftfahrt-Bundesamt deshalb die Beklagte aufgefordert hat, die in Deutschland betroffenen ca. 2,4 Millionen Fahrzeuge zurückzurufen, die unzulässige "Abschalteinrichtung" zu entfernen und den Nachweis zu führen, dass danach alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden. Solange dies nicht geschehen ist, weist das von dem Kläger erworbene Fahrzeug nicht die geschuldete Beschaffenheit auf.

2. Dem Kläger steht aber gleichwohl derzeit kein Recht auf Nachlieferung eines mangelfreien Neuwagens zu.

Gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB kann der Käufer einer mangelhaften Sache zum Zwecke der geschuldeten Nacherfüllung grundsätzlich wählen, ob er den Mangel beseitigen lassen oder eine mangelfreie Sache geliefert haben will. Allerdings kann der Verkäufer die von dem Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich dann auf die andere Art der Nacherfüllung (§ 439 III BGB). Im gegebenen Falle stellt sich die von dem Kläger gewählte Art der Nacherfüllung als offenkundig unverhältnismäßig dar.

a) Im Falle der Nachlieferung müsste die Beklagte dem Kläger einen Neuwagen übereignen und erhielte den streitgegenständlichen und weit über zwei Jahre alten Wagen zurück. Dieser hat allein durch den Zeitablauf erheblich an Wert verloren. In Höhe der Differenz zwischen dem Wert beider Fahrzeuge entstünde der Beklagten somit ein beträchtlicher Schaden, weil der Kläger als Verbraucher nicht zu einer Herausgabe der Nutzungen bzw. Wertersatz verpflichtet wäre (§§ 439 IV, 346 I, 474 V 1 BGB). Im Gegensatz dazu kann die Installation eines bloßen Software-Updates der Beklagten keine erheblichen Kosten verursachen. Dies vermag das erkennende Gericht gemäß § 287 II ZPO angesichts ähnlicher Vorgänge an Computern selbst festzustellen, so dass hierfür die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht kommt.

Entgegen der Ansicht des Klägers haben die sehr erheblichen Kosten, welche der Volkswagen AG für die Entwicklung dieses Updates entstehen, hier keine entscheidende Bedeutung. Denn zum einen wird dieses Update für eine sehr große Anzahl von Fahrzeugen entwickelt, und zum anderen ist die Volkswagen AG hierzu ohnehin verpflichtet (vgl. LG Bamberg, Urt. v. 24.10.2016, 2 O 21/16).

b) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist außerdem die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Hier hat der streitgegenständliche Mangel für den Kläger objektiv nur sehr geringe Bedeutung. Denn er kann und darf das Fahrzeug uneingeschränkt nutzen und würde das Vorliegen des Mangels nicht einmal bemerkt haben, wenn er nicht darauf aufmerksam gemacht worden wäre. Auch für Dritte ist dieser Mangel bei Besichtigung und Gebrauch des Fahrzeuges nicht feststellbar.

Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Klägers, dass Fahrzeug sei "im aktuellen Zustand nicht zulassungsfähig" bzw. es fehle die Zulassungseignung (S. 31 der Klageschrift). Denn unstreitig i s t das Fahrzeug zugelassen, und es wird von keiner hierfür zuständigen Behörde in Frage gestellt, dass dies der geltenden Rechtslage entspricht. Es ist deshalb auch nicht ansatzweise etwas dafür ersichtlich, dass die Betriebserlaubnis für das streitgegenständliche Fahrzeug erlöschen oder zurückgenommen werden könnte. Mehr kann von Rechts wegen nicht verlangt werden.

Aus diesem Grunde sind auch die gegen das Kraftfahrtbundesamt gerichteten polemischen Angriffe ("Kumpanei mit VW", "Mit industriefreundlichem Gruß", "insgesamt unglaubwürdig") und die Ausführungen zu einer von diesem gemeinsam mit der Bundesregierung unternommenen Verschwörung (S. 5 ff., 94 ff. und 107 ff. im Schriftsatz der Klägervertreterkanzlei vom 29.11.2016) für die hier zu treffende kaufrechtliche Entscheidung unerheblich.

Anscheinend besteht auf Seiten der Klägervertreter auch ein grundlegendes Missverständnis, welche Aufgaben und Befugnisse einer Zivilkammer eines Landgerichtes in Deutschland zukommen. Jedenfalls vermag sie nicht "der Exekutive Einhalt zu gebieten" (S. 108 im Schriftsatz der Klägervertreterkanzlei vom 29.11.2016, Bl. 626 d.A.).

c) Schließlich ist zu prüfen, ob auf die Nachbesserung ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden kann. Dies ist zu bejahen. Denn wie bereits festgestellt ergeben sich für den Kläger derzeit keinerlei Beschränkungen der Fahrzeugnutzung. Die Beklagte wird, was auch bereits ausdrücklich zugesichert wurde, außerdem sämtliche Kosten für die Nachbesserung übernehmen.

Wegen der uneingeschränkten Nutzbarkeit des Wagens ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger das längere Zuwarten bis zu der Nachbesserung unzumutbar wäre. Die von ihm zitierten landgerichtlichen Entscheidungen, in denen eine andere Ansicht vertreten wird, können dem Kläger nicht zur Seite stehen. Denn es werden darin z.B. unpassende Vergleiche mit augenscheinlich feststellbaren Lackschäden angestellt (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016, 2 O 83/16) bzw. die Besonderheiten der hiesigen Fallkonstellationen außer Acht gelassen.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang auch die umfassende Darstellung eines besonderen Vertrauensverlustes zu der Beklagten. Denn es besteht kein vernünftiger Anlass, den Kauf eines Personenkraftwagens emotional derartig aufzuladen, dass beim Vorliegen eines solch unwesentlichen Mangels jedwedes Vertrauen des Käufers als zerrüttet anzusehen wäre (vgl. LG Bamberg, Urt. v. 24.10.2016, 2 O 21/16).

Welche Bedeutung die Ausführungen der Klägervertreter unter dem Abschnitt XII. auf den Seiten 102 ff. ihres Schriftsatzes vom 29.11.2016 ("Rückruf wird nicht vom Händler angeboten, sondern nur von VW", Bl. 620 d.A.) für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites haben könnten, ist nicht erkennbar. Anscheinend ist übersehen worden, dass sie die Klage nicht gegen einen Händler, sondern richtigerweise gegen die Volkswagen AG als Verkäuferin des streitgegenständlichen PKW gerichtet haben.

d) Den Behauptungen des Klägers, es würde auch nach der angekündigten Softwareaktualisierung der Mangel nicht beseitigt sein, die vertraglich geschuldeten Eigenschaften des Motors würden sich nachteilig verändern und es würde ein merkantiler Minderwert verbleiben und außerdem ein Wegfall von Steuervorteilen drohen, ist derzeit nicht nachzugehen. Denn zum einen hat das Kraftfahrtbundesamt mit seinem Schreiben vom 01.06.2016 erklärt, dass die Volkswagen AG nun den Nachweis geführt habe, dass bei den Motoren der auch in dem klägerischen Fahrzeuge verbauten Kennung nach der geforderten Entfernung der Abschalteinrichtung die vorgeschriebenen technischen Anforderungen erfüllt werden. Dies muss derzeit genügen, denn kein Sachverständiger könnte diesbezüglich weitergehende Untersuchungen anstellen.

Zum anderen könnten die weitergehenden Behauptungen an dem konkreten Fahrzeug aus naheliegenden Gründen erst dann überprüft werden, wenn die angekündigte Softwareinstallation erfolgt ist. Deshalb ist derzeit auch diesbezüglich das Einholen eines Sachverständigengutachtens nicht geboten.

Auch eine eventuell verbleibende Wertminderung könnte ein Gutachter aktuell nur mit spekulativen Erwägungen abschätzen, weil die Rückruf- und Nachbesserungsaktion derzeit erst durchgeführt wird und deshalb noch kein Markt für bereits nachgebesserte Fahrzeuge des hier vorliegenden Typs besteht. Auf Spekulationen kann aber eine gerichtliche Entscheidung nicht gestützt werden (vgl. LG Bamberg, Urt. v. 24.10.2016, 2 O 21/16).

e) Aufgrund dieser Sachlage kommt es entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht in Betracht, im Wege einer teleologischen Reduktion des § 439 III BGB zu einem Ausschluss des Nachbesserungsrechtes der Beklagten zu gelangen.

Zwar darf ein Verkäufer eine für ihn unverhältnismäßig nachteilige Art der Nacherfüllung nicht verweigern, wenn sie die einzige Möglichkeit zur Mangelbeseitigung darstellt (EuGH Rs. C-65/09 und C- 87/09 in NJW 2011, 2269; BGHZ 192, 148). Im Streitfall ist aber auch die von der Beklagten angebotene Nachbesserung aus jetziger Sicht geeignet, den Mangel zu beseitigen. Deshalb sind diese Entscheidungen für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht einschlägig.

f) Auch im Hinblick auf eine Verjährung der Mangelbeseitigungsansprüche drohen dem Kläger keinerlei Nachteile. Denn der jetzt von ihm berechtigterweise gerügte Mangel muss von der Beklagten beseitigt werden. Falls diese Nachbesserung tatsächlich ungeeignet und damit selbst mangelhaft sein sollte, etwa weil die Eigenschaften des Motors dadurch nachteilig verändert werden sollten, würde eine neue Pflichtverletzung vorliegen und somit eine neue Verjährungsfrist beginnen (vgl. BGH NJW 2006, 47; OLG Saarbrücken NJW-RR 2012, 285; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kap. 5 Rdnrn. 332, 333; Palandt BGB 75.A. § 438, 16 a). Der Kläger hätte dann, ebenso wie bei der Nachlieferung eines mangelhaften Neuwagens, ausreichend Zeit, die Mangelbeseitigung zu fordern (vgl. LG Bamberg, Urt. v. 24.10.2016, 2 O 21/16).

Insofern ist es auch unerheblich, ob die Beklagte, wie die Klägervertreterkanzlei darlegt, akut von einer Insolvenz bedroht ist (S. 18 des Schriftsatzes vom 10.11.2016). Denn auch das nachgelieferte Fahrzeug könnte einen Mangel aufweisen, so dass der Kläger dann keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte durchsetzen könnte.

Verfehlt sind die Ausführungen, wonach "sich die Klägerpartei in die Gefahr der Verjährung [begibt], wenn die Nachbesserung fehlschlägt", weil die Beklagte das Vorliegen eines Mangels bestreitet (S. 2 des Schriftsatzes der Klägervertreterkanzlei vom 09.01.2017). Denn die soeben dargestellten Verjährungsregeln greifen unabhängig von dem Willen und dem prozessualen Verhalten des Verkäufers ein.

g) Das Gericht wird kein Sachverständigengutachten einholen und auch den Zeugen nicht vernehmen zu der vorgetragenen Rechtsansicht, wonach die Mitteilung der Beklagten, mit der Rückrufaktion beginnen zu wollen, "kein Angebot zur Nachbesserung im kaufrechtlichen Sinne [darstellt], sondern lediglich die Wiedergabe einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung" (S. 10 der Klageschrift). Denn zum einen ist eine Rechtsansicht keinem Beweis zugänglich, und zum anderen kann es dahinstehen, ob sie zutrifft. Unstreitig werden nämlich die betroffenen Fahrzeugkäufer nach und nach jeweils persönlich angeschrieben und gebeten, ihren Wagen zum Zwecke der Umrüstung in eine Fachwerkstatt zu verbringen. Dies stellt nach geltendem Recht ein wirksames Nachbesserungsangebot dar.

3. Die weiteren umfangreichen und zum Teil mit Zeitungsartikeln (z.B. aus der ^M-Zeitung, Anlage K 100) belegten Argumentationsansätze der Klägervertreterkanzlei hat das erkennende Gericht zur Kenntnis genommen. Ein vertieftes Eingehen hierauf ist jedoch nicht veranlasst, weil hierbei eine juristische Relevanz nicht feststellbar ist.

So ist z.B. nicht ersichtlich, welchen entscheidungserheblichen Wert die Angaben "des Herrn haben sollen, welcher ein vollkommen anderes Fahrzeug (VW ...|) fährt, das bereits eine Laufleistung von fast 110.000 km aufweist und nun statt 210 km/h eine Höchstgeschwindigkeit von "nur noch 180 km/h" erreicht und diverse Motorenprobleme aufweist (Anlage K 16 a), und der "aufgrund einer Verweigerung durch seinen Arbeitgeber nicht als Zeuge zur Verfügung stehen kann" (S. 15 der Klageschrift). Das Gleiche gilt für das vorgetragene Zitat aus der Zeitung-Online", wonach bei einem VW "die Beschleunigung von 0 auf 100 um 0,6 Sekunden länger dauerte" (S. 12 der Klageschrift).

Es ist z.B. auch nicht zu erkennen, welche Bedeutung die sehr umfassenden Ausführungen zu den faktischen und juristischen Geschehnissen in den USA für die hier zu treffende Entscheidung haben sollen. Irrelevant sind deshalb auch die zitierten USamerikanischen Studien über den "Stickoxidausstoß von Dieselfahrzeugen der VW-Gruppe" (Anlagen K 4 und K 5). Es ist unverkennbar, dass die in den USA gegen die Beklagte initiierte beispiellose Kampagne auch wirtschaftliche Hintergründe hat. Dies alles vermag sich aber auf die hiesigen Streitigkeiten nicht auszuwirken. Denn in Deutschland ist auf Fälle wie den Vorliegenden unter Berücksichtigung der deutschen öffentlichrechtlichen Vorschriften ausschließlich das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch anzuwenden. Das erkennende Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass auch der Bundesgerichtshof die einschlägigen Klagen für unbegründet erklären wird.

An mehreren Stellen ihres 58-seitigen Replikschriftsatzes vom 10.11.2016 erörtert die Klägervertreterkanzlei umfassend die unstreitige Schädlichkeit von Stickoxid. Anschließend versteigt sie sich zu den Behauptungen, die Beklagte gehe "im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen" und sei - angesichts der Feststellungen amerikanischer Forscher - dafür verantwortlich, dass "tausende Menschen erkranken und führzeitig zu Tode kommen", und dass allein in den USA "durch den VW-Abgasskandal bis Ende 2016 rund 60 vorzeitige Todesfälle zu verzeichnen sind".

Weltweit ergäben sich "ca. 1.380 vorzeitige Todesfälle aufgrund der Manipulation von VW", wobei die "durch VW verursachten Krankheitsfälle ... dabei noch gar nicht berücksichtigt" seien (S. 56). Es wird also offenbar behauptet, dass diese 1.380 Todesfälle plötzlich und unmittelbar eingetreten seien, ohne dass die Betroffenen zuvor erkrankt waren. Wie dies möglich sein soll, wird aber nicht weiter dargelegt. Eventuell wird daran gedacht, dass die Betroffenen an den unerlaubt ausgestoßenen Stickoxidmengen direkt erstickt seien. Dies wäre aus medizinischer Sicht ein bemerkenswerter Vorgang. Das Gericht würde das hierfür als Beweis angebotene Sachverständigengutachten gern einholen, wenn diese Behauptung für die hier zu treffende kaufrechtliche Entscheidung nicht vollkommen unerheblich wäre.

Weiter wird dargelegt, dass sich die Führer der betroffenen PKW aus diesen Gründen wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Totschlags strafbar machen würden (S. 28 f.). Derartiges kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese Fahrzeuge über eine gültige Betriebserlaubnis verfügen und deshalb auch betrieben werden dürfen. Es würde deshalb jedenfalls an der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der PKW-Fahrer fehlen.

In ihrem weiteren 126-seitigen Schriftsatz vom 29.11.2016 legen die Klägervertreter darüber hinaus noch dar, dass bei den verantwortlichen Personen die Mordmerkmale "Habgier" und "Heimtücke" vorgelegen hätten, wobei allerdings "bedauerlicherweise . der Staatsanwaltschaft dahingehend ein konkreter Kausalzusammenhang heute kaum mehr gelingen" werde (S. 8, Bl. 525 d.A.). Hier wird der Bereich einer sachlichen und auf das deutsche Kaufrecht gerichteten Argumentation nun vollständig verlassen, so dass keine weiteren Ausführungen mehr angezeigt sind.

4. Ein Schadensersatzanspruch auf Lieferung eines mangelfreien Neuwagens steht dem Kläger ebenfalls nicht zu. Denn die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 281, 440 BGB liegen nicht vor, weil die Beklagte die geschuldete Nachbesserung nicht verweigert, dieselbe noch nicht durchgeführt wurde und folglich auch nicht fehlgeschlagen sein kann, und sie und das längere Warten hierauf gemäß den obenstehenden Ausführungen dem Kläger auch nicht unzumutbar ist.

Auch die Voraussetzungen für einen deliktischen oder sonstigen Schadensersatzanspruch liegen nicht vor. Insbesondere fällt der Beklagten zum Nachteil des Klägers kein Betrug zur Last, weil sie ihn nicht über eine kaufentscheidungsrelevante Tatsache getäuscht hat. Denn konkrete Stickoxid-Emissionswerte haben für die Kaufentscheidung einer natürlichen Person grundsätzlich keine Bedeutung. Für den Endkunden kommt es im Zusammenhang mit den Emissionen eines Fahrzeugs allenfalls auf die Zertifizierung nach einer bestimmten Emissionsklasse an (so auch LG Bamberg, Urt. v. 19.09.2016, 10 O 129/16; Urt. v. 24.10.2016, 2 O 21/16). Diese Zertifizierung liegt bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aber unstreitig weiterhin vor, und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass deren Entzug drohen könnte.

5. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Kosten der Rechtsverfolgung nach §§ 280, 286 BGB besteht gleichfalls nicht, weil der Klagepartei gegen die Beklagtenpartei keine Hauptforderungen zustanden bzw. zustehen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.2 ZPO.

III.

Die endgültige Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, §§ 39 I, 40, 43 I, 62, 63 II 1 GKG. Entgegen der Ansicht des Klägervertreters beläuft sich der Streitwert nur auf 22.200,00 € (vereinbarter Kaufpreis). Die Feststellung des Annahmeverzuges besitzt keinen eigenen Wert. Denn die diesbezügliche Frage ist nur ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1295). Die außergerichtlichen Anwaltskosten werden als Nebenforderung geltendgemacht und bleiben daher unberücksichtigt.

Verkündet am 16.01.2017

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