FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.12.2020 - 7 K 7097/18
Fundstelle
openJur 2021, 6616
  • Rkr:
Tenor

Abweichend von dem Bescheid über Einkommensteuer 2017 vom 03.04.2018 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 21.06.2018 wird die Einkommensteuer 2017 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 1.250,00 € bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit festgesetzt. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- demBeklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin im Streitjahr ein Werbungskostenabzug in Höhe von 1.250,00 € für Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zusteht.

Die Kläger sind seit Mitte des Jahres 2017 verheiratet und werden im Streitjahr als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Klägerin war zuvor und im Streitjahr als Oberamtsanwältin bei der Amtsanwaltschaft C... tätig. Daraus erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Für das Jahr 2016 und zuvor wurde die Klägerin beim Finanzamt D... zur Steuernummer ... veranlagt. In einem Fragebogen betreffend die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers erklärte die Klägerin zur Frage 1, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt ihrer gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bilde. Unter Frage 2 erklärte sie, dass für die berufliche oder betriebliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz als das häusliche Arbeitszimmer zur Verfügung stehe. Sie gab die Wohnungsgröße mit 90 m², die Größe des Arbeitszimmers mit 10 m² sowie die Miete einschließlich Nebenkosten mit 990,00 €/Monat und 11.880,00 €/Jahr an. Daraus errechnete sich ein Anteil des Arbeitszimmers von 11 % und 1.320,00 € Gesamtaufwendungen pro Jahr. Dem Fragebogen war eine Grundrisszeichnung eines teilunterkellerten Reihenmittelhauses mit einer Gesamtwohnfläche nach DIN 283 von 89,54 m² beigefügt, auf dem das Arbeitszimmer nicht eingezeichnet ist. Im Obergeschoss liegen zwei Kinderzimmer mit 9,67 m² und 8,22 m² Fläche. Als Adresse ist angegeben C..., E...-straße. Einen solchen Fragebogen reichte die Klägerin auch für das Streitjahr ein. Die Angaben unterschieden sich nur in der Personenanzahl (nunmehr 2) und in der Steuernummer. Wegen der Einzelheiten der Fragebögen wird auf Blatt 20 bis 24 der Lohnsteuer-Arbeitnehmerakte verwiesen.

Die Kläger reichten ihre Einkommensteuererklärung 2017 am 05.03.2018 elektronisch beim Beklagten ein. Sie erklärten unter anderem Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit aus der Tätigkeit als Oberamtsanwältin. Sie begehrten den Abzug von Aufwendungen in Höhe von 1.250,00 € für ein häusliches Arbeitszimmer. Darüber hinaus erklärten sie, dass die Klägerin die Amtsanwaltschaft C... in der F...-straße, C... an 239 Tagen aufgesucht habe (einfache Entfernung 23 km, 5-Tage-Woche, 30 Urlaubs- und Krankheitstage).

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2017 mit Bescheid vom 03.04.2018 abweichend von der Steuererklärung ohne Berücksichtigung von Werbungskosten für Aufwendungen für ein Arbeitszimmer bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit fest, weil dieses nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bilde und für die Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens reichten die Kläger eine handgefertigte Grundrissskizze ein. Darin ist ein Kinderzimmer im Obergeschoss als Arbeitszimmer gekennzeichnet (Blatt 33 Lohnsteuer-Arbeitnehmerakte). Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage machen sie weiterhin geltend, dass der Klägerin der Werbungskostenabzug in Höhe von 1.250,00 € für Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zustehe.

Der eingereichte Grundrissplan sei spiegelverkehrt, in den Größenangaben aber zutreffend. Das Haus liege in der neu geschaffenen Straße G..., die es damals noch nicht gegeben habe. Die Angaben in dem Fragebogen seien nicht widersprüchlich. Das Arbeitszimmer werde speziell für diese Tätigkeit bereitgehalten und nicht für andere Zwecke genutzt. Es sei mit den dafür erforderlichen Arbeitsmitteln wie Gesetzestexte und Literatur ausgestattet. Die erforderlichen Formulare zur Dokumentation der Tätigkeit würden im Arbeitszimmer vorgehalten.

Die Tätigkeit als Amtsanwältin werde im Rahmen der für Amts- und Staatsanwälte geltenden richterlichen Unabhängigkeit mit freier Arbeitszeit (ohne festgelegte Stundenzahl) ausgeübt. Es bestehe Anwesenheitspflicht in den Büroräumen in der Regel zwischen 9.00 Uhr und 15.00 Uhr und nur, wenn keine Sitzungen und Bereitschaftsdienste wahrzunehmen seien. Daher würden sich diese Zeiten auf zwei bis drei Tage in der Woche beschränken. Sie, die Klägerin, nutze das Arbeitszimmer zur Vor- und Nachbereitung von Sitzungen, zum Lesen und Bearbeiten umfangreicher Ermittlungsakten und zum Ableisten der telefonischen Bereitschaftsdienste. Dies bedeute, dass der Dienst täglich sowohl am Arbeitsplatz in der Amtsanwaltschaft als auch im häuslichen Arbeitszimmer geleistet werde. Die Tätigkeit im Arbeitszimmer mache mehr als die Hälfte der beruflichen Tätigkeit aus.

Neben der Wahrnehmung von Sitzungsdiensten seien Bereitschaftsdienste zusätzlich zu leisten. Diese Bereitschaftsdienste seien sowohl tagsüber als auch nachts, wochentags und an den Wochenenden jeweils zwischen 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr und 20.00 Uhr bis 8.00 Uhr als 12-Stunden-Dienste zu erbringen. Die Einteilung zu diesen Bereitschaftsdiensten erfolge durch verschiedene Mitarbeiter der Verwaltungsgeschäftsstelle. Die Häufigkeit variiere monatlich unter Berücksichtigung des Krankenstandes und urlaubsbedingter Abwesenheit. Es fielen durchschnittlich mindestens zwei bis drei Tage Rufbereitschaft im Monat an. Die Rufbereitschaftsdienste seien nicht frei wählbar. Sie seien obligatorisch und gehörten zu den wesentlichen Aufgaben bei Ausübung der amtsanwaltschaftlichen Tätigkeit. Neben den in der Arbeitgeberbescheinigung (Blatt 30 Gerichtsakte) erwähnten nächtlichen und sonntäglichen Bereitschaftsdienste seien Bereitschaftsdienste innerhalb der Woche und an Samstagen geleistet worden. Die Anzahl dieser Dienste variiere von Jahr zu Jahr.

Für die Bereitschaftsdienste werde ein spezielles und kodiertes Telefon ausgehändigt. Inhalt der Tätigkeit sei unter anderem die Entscheidung über die Beantragung von Haftbefehlen, Wohnungsdurchsuchungen und Beschlagnahmen. Es seien zahlreiche Telefongespräche zu führen. Die Anfragen der Polizei würden telefonisch erfolgen. Nach Prüfung der Rechtslage würde mit den entsprechenden Anträgen telefonisch dem Richter vorgetragen, der darüber fernmündlich entscheide. Das Ergebnis werde sodann ebenfalls telefonisch der beantragenden Polizeidienststelle weitergegeben. Es handele sich ausschließlich um Eilanträge, über die unverzüglich und nicht erst mehrere Stunden später oder am nächsten Tag zu entscheiden sei (Haftbefehle, Wohnungsdurchsuchungen, Beschlagnahmen, Beauftragung von Sachverständigen in Verkehrssachen, Blutentnahmen etc.). Es sei erforderlich, dass die Telefonate vertraulich geführt würden. Es verbiete sich, die anfallenden Telefonate in der Öffentlichkeit zu führen. Zudem seien Gesetzestexte, Computer, Formulare und Schreibmaterial zur Erledigung notwendig.

Bis auf die Zeit wochentags bis 15.00 Uhr könnten diese Dienste ausschließlich von zu Hause aus abgeleistet werden. Abends, nachts und an den Wochenenden sei kein Zugang zum Arbeitsplatz möglich. Es stehe nach der Arbeitgeberbescheinigung fest, dass der Büroarbeitsplatz weder an Sonntagen noch in der Nacht zur Verfügung stehe. Für die Bereitschaftsdienste stelle der Arbeitgeber auch keinen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung.

Die Kläger beantragen,abweichend von dem Bescheid über Einkommensteuer 2017 vom 03.04.2018 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 21.06.2018 die Einkommensteuer 2017 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 1.250,00 € geändert festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2018 und führt ergänzend aus, dass unstreitig sei, dass der Klägerin für ihre Tätigkeit bei der Amtsanwaltschaft ein Büro zur Verfügung stehe und dass das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit bilde. Das Büro bei der Amtsanwaltschaft sei ein anderer Arbeitsplatz im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 Einkommensteuergesetz -EStG-. Er sei zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet. Weitere Anforderungen würden an die Beschaffenheit eines Arbeitsplatzes nicht gestellt. Die konkreten Arbeitsbedingungen und Umstände seien daher grundsätzlich unbeachtlich. Es sei davon auszugehen, dass das Büro der Klägerin bei der Amtsanwaltschaft zur Erfüllung aller Aufgabenbereiche der Klägerin geeignet ist. Daher sei es unerheblich, dass die Klägerin nach eigenem Vortrag umfangreiche Ermittlungsakten in ihrem Arbeitszimmer studiere. Denn die Klägerin könnte diese Arbeiten auch in ihrem Büro erledigen. Es sei ein Beleg dafür, dass das Büro zur Erfüllung aller beruflichen Tätigkeiten geeignet sei, dass die Klägerin das Büro arbeitstäglich aufsuche.

Daran ändere auch der telefonische Bereitschaftsdienst nichts. Den Bereitschaftsdienst könne die Klägerin an jedem beliebigen Ort gewährleisten. Ein besonderer Raum sei dafür nicht erforderlich, so dass dieser auch nicht vorgehalten werden müsse. Auch alle weiteren Schritte, wie einen Richter anrufen und dessen fernmündliche Entscheidung an die beantragende Polizeidienststelle weitergeben, seien telefonisch zu erledigen. Auch dafür sei weder das Büro in der Amtsanwaltschaft noch das Arbeitszimmer notwendig. Zudem bildeten die bescheinigten drei nächtlichen und sonntäglichen Rufbereitschaften keinen wesentlichen Teil der vereinbarten Arbeitsleistung.

Soweit die Kläger auf weitere geleistete Bereitschaftsdienste hinweisen würden, hätten sie deren tatsächlichen Umfang nicht näher konkretisiert und nicht nachgewiesen. Es könne insoweit dahingestellt bleiben, ob tatsächlich im Zusammenhang mit diesen Diensten der Büroarbeitsplatz generell nicht zur Verfügung gestanden habe.

Die Kläger und der Beklagten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Blatt 28 und 29 Gerichtsakte)

Dem Gericht hat bei der Entscheidung Band I der Lohnsteuer-Arbeitnehmerakten zur Steuernummer ... vorgelegen, die der Beklagte für die Kläger führt.

Gründe

Das Gericht entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Sachverhalt und die Rechtslage sind hinreichend schriftlich erörtert worden. Es ist durch eine mündliche Verhandlung keine weitere Förderung des Rechtsstreits zu erwarten, so dass auf diese verzichtet werden kann.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 03.04.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Den Klägern steht der Abzug von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 1.250,00 € als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zu.

Nach diesen Vorschriften sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Steht für die Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sind maximal 1.250,00 € abzugsfähig. Eine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen in voller Höhe besteht hingegen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet.

Häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er zudem (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.

Bei dem von der Klägerin genutzten Raum handelt es sich ausweislich der Grundrisszeichnungen (Blatt 22 und 33 Lohnsteuer-Arbeitnehmerakte) und ihrer Beschreibung der Möblierung und Ausstattung um ein häusliches Arbeitszimmer in diesem Sinne. Die von den Klägern beschriebene Nutzung für Aktenstudium und Auswertung der polizeilichen Ermittlungsergebnisse, Vorbereitung der Hauptverhandlung und Wahrnehmung des telefonischen Bereitschaftsdienstes ist eine rein berufliche Nutzung. Anhaltspunkte für eine private (Mit-)Benutzung des Raumes ergeben sich weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch nach Aktenlage. Auch der Beklagte geht von einer nahezu ausschließlichen beruflichen Nutzung des Raumes aus.

Der Klägerin steht auch nicht für alle Tätigkeiten, die sie in ihrem Arbeitszimmer ausübt, ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung.

Für die Tätigkeiten der Klägerin als Oberamtsanwältin steht ihr zwar grundsätzlich ein Arbeitsplatz in der Amtsanwaltschaft zur Verfügung. Damit handelt es sich um einen anderen Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift. Er ist für alle anfallenden Arbeiten geeignet, die die Klägerin in einem Büro verrichten muss oder kann. Auch die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, die diesen Arbeitsplatz grundsätzlich für einen Teil der Arbeiten oder einen Teil der Arbeitszeit ungeeignet erscheinen lassen.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin keinen jederzeitigen Zugriff auf den Arbeitsplatz hat. Ein Arbeitsplatz muss nicht für 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche zur Verfügung stehen, um ein geeigneter Arbeitsplatz zu sein. Vielmehr reicht es aus, wenn der Arbeitsplatz dem Steuerpflichtigen jederzeit zu üblichen Zeiten zur Verfügung steht. Er muss dann seine Arbeitszeit und -weise darauf einstellen. Dies ist vorliegend für den überwiegenden Teil der von der Klägerin zu erledigenden Arbeiten der Fall. Einschränkungen in der Nutzbarkeit gibt es während der Büroöffnungszeiten nicht. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es sich zum Beispiel um Poolarbeitsplätze handelt, bei denen aufgrund ihrer Zahl und der Zahl der Mitarbeiter die Gefahr bestehen könnte, an manchen Tagen keinen Platz zu bekommen. Andere Einschränkungen wie Publikumsverkehr, Großraumbüro, Lautstärke der Umgebung führen nicht zu einer Ungeeignetheit von Büroarbeitsplätzen. Solche Umstände hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Es bleibt offen, warum sie die Vorbereitung umfangreicher Akten nur im Arbeitszimmer für möglich hält.

Damit steht der Klägerin für ihre Tätigkeit einschließlich der Vor- und Nachbereitung von Sitzungen sowie zum Lesen und Bearbeiten umfangreicher Ermittlungsakten ein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung. Dies gilt auch für Bereitschaftsdienste, die während der Bürozeiten zu leisten sind.

Dies gilt aber nicht für die vom Arbeitgeber bescheinigten drei Bereitschaftsdienste (nächtliche und sonntägliche Rufbereitschaft). Zu den Zeiten, als diese Dienste abzuleisten waren, bestand nach der Arbeitgeberbescheinigung kein Zugang zum Arbeitsplatz in der Behörde (Blatt 30 Gerichtsakte). Weil die Bereitschaftsdienste auch zu den Zeiten geleistet werden mussten, in denen die Klägerin keinen Zugang zu ihrem Arbeitsplatz in der Behörde hatte, stand ihr für diesen Teil der zu leistenden Arbeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Denn wenn der vom Arbeitgeber bereitgestellte Arbeitsplatz tatsächlich für einen Teil der zu leistenden Arbeiten (zum Beispiel Bereitschaftsdienste außerhalb der regulären Arbeitszeit) nicht genutzt werden kann, steht für diese (Teil)Tätigkeiten ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 07.08.2003 - VI R 41/98, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2004, 80). Daraus folgt die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von maximal 1.250,00 €.

Dem steht nicht entgegen, dass die von der Arbeitgeberbescheinigung erfassten Bereitschaftsdienste nur einen kleinen Teil der jährlich von der Klägerin zu leistenden Arbeitszeit erfasst (deutlich unter fünf Prozent). Denn es kommt weder auf den Anteil der Arbeitszeit an, für den der Steuerpflichtige keinen anderen Arbeitsplatz hat, noch darauf, ob die Einrichtung und Nutzung eines Arbeitszimmers erforderlich war.

Die Klägerin hätte die während der bescheinigten Bereitschaftsdienste anfallenden Tätigkeiten auch an einem anderen Platz in dem von den Klägern bewohnten Haus ausüben können. Die Arbeiten sind so gestaltet, dass sie auch in einem nicht speziell dafür eingerichteten Raum erledigt werden können. Die Verschwiegenheit kann einfach dadurch hergestellt werden, dass die Klägerin die Telefonate nicht von dem Raum aus führt, in dem sich ihr Mann (oder auch andere Personen) aufhält. Die erforderlichen Materialien sind nicht so umfangreich, dass es zu ihrer Aufbewahrung und Nutzung zwingend eines eigenen Raumes bedarf.

Die Klägerin kann aber nicht darauf verwiesen werden, dass sie diese Arbeiten an einer anderen Stelle, insbesondere nicht in einem eigens dafür eingerichteten Arbeitszimmer, hätte erledigen müssen, nur, weil ihr dies möglich gewesen wäre.

Sie durfte für diesen Teil der zu erledigenden Arbeiten ein Arbeitszimmer einrichten und nutzen. Es steht der Klägerin frei, ob sie sich für diesen Teil ihrer Tätigkeit eines Arbeitszimmers bedient oder ob sie die anfallenden Arbeiten, die im Wesentlichen aus dem Führen von Telefonaten und dem Prüfen der Rechtslage und deren Umsetzung zum Beispiel in Formulare besteht, in nicht speziell dafür eingerichteten oder vorgehaltenen Räumen der Wohnung erledigt. Es kommt für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten nicht auf die Erforderlichkeit des Arbeitszimmers an. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bestimmt abschließend, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abziehbar sind. Weitere Voraussetzungen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer regelt das Gesetz nicht. Die Erforderlichkeit ist kein Merkmal des Abzugstatbestands. Es genügt die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung (BFH, Urteile vom 08.03.2017 - IX R 52/14, BFH/NV 2017, 1017, Rn. 13, mit weiteren Nachweisen; vom 03.04.2019 - VI R 46/17, BFH/NV 2019, 903). Der Gesetzgeber typisiert in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die Abzugsvoraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer, indem er die Abzugsmöglichkeit auf die zwei im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung) begrenzt. Der Steuerpflichtige ist in den vom Gesetz genannten Fallgruppen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass die Aufwendungen hierfür (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst sind, obwohl auch in diesen Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht ausgeschlossen werden kann (BFH, Großer Senat, Beschluss vom 27.07.2015 - GrS 1/14, BStBl. II 2016, 265, Rn. 61; vgl. auch Urban, Deutsche Steuer-Zeitung -DStZ- 2016, 747, 748 f.). Den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG angesprochenen Fallgruppen liegt daher die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich sind (vergleiche Heger, Der Betrieb 2016, 249, 250).

Das Gesetz verwendet den Begriff der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit nicht. Vielmehr typisiert es mit den beiden genannten Fallgruppen die Erforderlichkeit der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers, ohne den Begriff der Erforderlichkeit in Gestalt eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu einem Tatbestandsmerkmal zu erheben (BFH, Urteil vom 27.09.1996 - VI R 47/96, BStBl. II 1997, 68, unter 2.b). Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für die beiden Fälle, in denen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt nur abzugsfähig sind, folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung (BFH, Urteil vom 08.03.2017 - IX R 52/14, BFH/NV 2017, 1017, Rn. 14). Denn mit den beiden in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG geregelten Fallgruppen sollen gerade Streitigkeiten über die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers vermieden werden (Bundestags-Drucksache 13/1686, S. 16, Bundesrats-Drucksache 171/2/95, S. 36; BFH, Urteil vom 03.04.2019 - VI R 46/17, BFH/NV 2019, 903).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, kommt es nicht darauf an, ob für die Ableistung der bescheinigten Bereitschaftsdienste ein Arbeitszimmer erforderlich war. Ausreichend für den Abzug der Aufwendungen (1.250,00 €) ist, dass für diesen Teil der Tätigkeit kein Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Die Klägerin konnte ihre Tätigkeit auch nicht anders organisieren. Denn die Dienste waren gerade zu Zeiten zu leisten, an denen die Klägerin keinen Zugang zu ihrem Büroarbeitsplatz hatte.

Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass diese Dienste nur einen geringen Teil der Arbeitsleistung der Klägerin ausmachten (bei 239 Arbeitstagen unter zwei Prozent). Auf den zeitlichen Umfang kommt es nicht an (anders noch Finanzgericht -FG- Düsseldorf, Urteil vom 04.05.2017 - 8 K 329/15 E, Entscheidungen der FG -EFG- 2018, 277: 3,1% der Gesamtarbeitszeit zu wenig - aufgehoben durch BFH, Urteil vom 03.04.2019 - VI R 46/17, BFH/NV 2019, 903). Der zeitliche Umfang führt auch nicht dazu, dass die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nur zu einem Teil (weniger als 1.250,00 €) abgezogen werden könnte. Wenn die Abzugsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG vorliegen, ist keine Kürzung der abzugsfähigen Aufwendungen wegen tatsächlicher Nichtnutzungszeiten oder wegen anderer, den Abzug von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nicht begründender, beruflicher Tätigkeiten (zum Beispiel ein Aktenstudium, welches auch am Büroarbeitsplatz des Arbeitgebers möglich gewesen wäre) vorzunehmen. Nicht-nutzung oder anderweitige berufliche Nutzung sind keine privaten Nutzungen (BFH, Urteil vom 15.12.2016 - VI R 86/13, BStBl. II 2017, 941, Rn. 17 mit weiteren Nachweisen).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO- analog.

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