Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 01.03.2021 - 8 B 5/21
Fundstelle
openJur 2021, 6528
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 07.12.2020 bzw. der Anfechtungsklage vom 15.02.2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.11.2020 zum Aktenzeichen G-0029-2019 sowie des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2021 zum Aktenzeichen G-0029-2019 wiederherzustellen, wird dem erkennbaren Begehren der Antragstellerin entsprechend (§ 88 VwGO) dahingehend ausgelegt, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Nutzungsuntersagungsverfügung sowie der gleichfalls für sofort vollziehbar erklärten Rückbauverfügung (Ausbau von Küche und Sanitärobjekten) sowie ferner die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der von Gesetzes wegen (§ 248 Abs. 1 S. 2 LVwG) sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung sowie der gleichfalls von Gesetzes wegen (§ 89 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) sofort vollziehbaren Gebührenfestsetzung im Ausgangs- und im Widerspruchsbescheid begehrt.

Der mit diesem Petitum zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Hinsichtlich der Grundverfügungen (Nutzungsuntersagungsverfügung und Rückbauverfügung) gilt folgendes:

In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung. Sie genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO, da sie gesondert schriftlich erfolgt ist und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise begründet hat.

In materieller Hinsicht gilt folgendes: Die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. In diese ist die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzustellen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich ist. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kann kein besonderes Interesse bestehen. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag in der Regel abzulehnen, wenn ein besonderes Vollziehungsinteresse besteht. Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer Interessenabwägung, in der gegenüberzustellen sind zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, die Klage im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall, dass der Antrag abgelehnt, seine gegen die Verfügung erhobene Klage indes Erfolg hat (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 29.07.2013 - 2 MB 19/13 -).

Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da sich die Nutzungsuntersagungs- und Rückbauverfügung vom 18.11.2020 nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

Ihre Rechtsgrundlage findet die Nutzungsuntersagungsverfügung in § 59 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 4 LBO. Die Bauaufsichtsbehörden haben die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen zu treffen und können insbesondere die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, untersagen.

Die angefochtene Verfügung ist formell rechtmäßig, da die Antragstellerin vor ihrem Erlass durch das Schreiben des Antragsgegners vom 16.09.2019 (Bl. 17 Beiakte "B") in einer § 87 Abs. 1 LVwG genügenden Weise angehört worden ist.

Sie ist ferner auch materiell rechtmäßig. Der Antragsgegner ist zu Recht davon ausgegangen, dass die als Abstellschuppen genehmigte (vgl. Beiakte "A") bauliche Anlage von der Antragstellerin zu Wohnzwecken genutzt wird. Insoweit wird auf die anlässlich der Ortsbesichtigung am 06.11.2020 getroffenen Feststellungen des Antragsgegners (Bl. 36 ff Beiakte "B") Bezug genommen. Danach ist das Gebäude (unverändert gegenüber den am 06.09.2019 getroffenen Feststellungen, vgl. hierzu Bl. 8 ff Beiakte "B") weiterhin vollständig möbliert, in wohnungstypischer Weise dekoriert und mit einer Küchenzeile, Waschmaschine und elektrischer Heizung ausgestattet. Außerdem ist offensichtlich die SAT-Schüssel erneuert worden. Dies alles spricht bei lebensnaher Betrachtung dafür, dass das Gebäude (welches nach eigenen Angaben der Antragstellerin in der Vergangenheit zu Wohnzwecken genutzt wurde, vgl. Bl. 22 Beiakte "B") auch weiterhin zu Wohnzwecken genutzt wird und nicht lediglich - wie die Antragstellerin geltend macht - als Abstellraum für die dort befindlichen Gegenstände genutzt wird. Insoweit ist es auch irrelevant, ob die Antragstellerin tatsächlich eine Wohnung angemietet hat, wobei der Antragsgegner insoweit nachvollziehbar auf erhebliche Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Darstellungen der Antragstellerin hingewiesen hat.

Der Antragsgegner hat auch von dem ihm zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Die Nutzungsuntersagung ist geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne, um einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen. Durch die Nutzungsuntersagung wird ohne Zweifel die baurechtswidrige Wohnnutzung des streitgegenständlichen Gebäudes unterbunden.

Auch die Rückbauverfügung kann auf § 59 Abs. 1 S.2, Abs. 2 Nr. 4 LBO gestützt werden. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass eine Nutzungsuntersagung auch die Verpflichtung zur Entfernung von Gegenständen beinhalten darf, wenn sich die rechtswidrige Nutzung gerade im Vorhandensein bestimmter Gegenstände manifestiert (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2017, OVG 2 S 45.16, m.w.N., zitiert nach beck-online). Die angefochtene Verfügung erweist sich auch insoweit als ermessensfehlerfrei. Der angeordnete Rückbau ist hinreichend konkret umschrieben worden (Ausbau von Küche und Sanitärobjekten und Funktionslosstellung der Anschlüsse) und geeignet und erforderlich, den angestrebten Zweck (Unterlassung der Wohnnutzung) zu erreichen. Diese Maßnahme ist auch nicht unverhältnismäßig, da der Antragstellerin die weitere Lagerung der beschriebenen Objekte in dem Abstellschuppen möglich ist und eine Deinstallation keinen zusätzlichen Aufwand erfordert, weil die Objekte ohnehin für die geplante Verbringung in das Wohnhaus deinstalliert werden müssen.

Das öffentliche Interesse an der Vollziehung des wie dargelegt rechtmäßigen Bescheides überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da keine besonderen Umstände zugunsten der Antragstellerin ersichtlich sind.

2. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung gilt folgendes: Auch insoweit ist der Antrag unbegründet, da die Zwangsgeldandrohung sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist, so dass das gesetzlich indizierte öffentliche Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Ihre Rechtsgrundlage findet sie die Zwangsgeldandrohung in §§ 235 Abs. 1 S.1, 236, 237 LVwG. Gegen die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Nutzungsuntersagung bestehen keine Bedenken (s.o.). Die Bestimmung einer Frist war nach § 236 Abs. 2 S. 2 LVwG entbehrlich, da eine Unterlassung künftiger Wohnnutzung erzwungen werden soll. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes (2.000 €) ist nicht zu beanstanden. Es hält sich im gesetzlichen Rahmen (§ 237 Abs. 3 LVwG) und steht zum öffentlichen Interesse einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung für die Antragstellerin andererseits in einem angemessenen Verhältnis.

3. Hinsichtlich der Gebührenfestsetzungen gilt folgendes: Auch insoweit ist der Antrag unbegründet, da die Gebührenfestsetzungen sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweisen, so dass das gesetzlich indizierte öffentliche Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Ihre Rechtsgrundlage finden sie in §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 BauGebVO i. V. m. Tarifstelle 6 der Anlage 1 zur BauGebVO (Ausgangsbescheid) bzw. § 15 Abs. 3 VwKostG (Widerspruchsbescheid). Zweifel an den tatsächlichen Grundlagen sind insoweit weder von der Antragstellerin geäußert worden noch für das erkennende Gericht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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