BGH, Urteil vom 16.10.2020 - V ZR 98/19
Fundstelle
openJur 2021, 6408
  • Rkr:
Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig- Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 19. März 2019 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin und H. H. waren in Bruchteilsgemeinschaft Eigentümer zu je . von Wohnungseigentum (mehrere Reihenhäuser). Mit Vertrag vom 30. November 1998 gewährte die beklagte Gemeinde ihnen ein Darlehen in Höhe von 57.750 DM (= 29.527,11 €). Zur Sicherung des Darlehens sollten eine jederzeit fällige vollstreckbare Grundschuld in Höhe des Darlehensbetrages nebst 15% Zinsen bestellt und die weiteren Einzelheiten in einer gesondert abzuschließenden Zweckerklärung geregelt werden. Nach § 16 Nr. 2 des Vertrags ist der Darlehensnehmer "nur berechtigt, eine Berichtigung im Wege des Verzichts, keinesfalls eine Abtretung, zu fordern". Die Klausel findet sich in mehr als zwei weiteren, von der Beklagten geschlossenen Verträgen. Die Klägerin und H. H. bestellten in der Folgezeit der Beklagten an dem Wohnungseigentum eine brieflose Gesamtgrundschuld mit einem Nennbetrag in Höhe von 29.527,11 € nebst dinglichen Jahreszinsen in Höhe von 15% seit dem 19. Mai 2008. Zu der im Darlehensvertrag vorgesehenen gesonderten Zweckerklärung kam es nicht.

Am 8. November 1999 schlossen die Klägerin und H. H. einen notariellen Auseinandersetzungsvertrag. Darin übertrug H. seine Anteile an dem Wohnungseigentum der Klägerin; diese übernahm das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen nebst Zinsen als Alleinschuldnerin. Unter dem 21. März 2000 schlossen beide eine Nachtragsvereinbarung, die auch von dem Bürgermeister der Beklagten unterzeichnet wurde. In Anknüpfung an den Auseinandersetzungsvertrag übernahm darin die Klägerin (erneut) die Verpflichtungen aus dem Darlehen mit der Beklagten zur alleinigen Schuld. Mit zwischen den Parteien rechtskräftigem Urteil vom 20. Juli 2007 wurde festgestellt, dass alleinige Darlehensnehmerin und Verpflichtete aus dem Darlehensvertrag mit der Beklagten die Klägerin ist.

Die Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und H. über das gemeinschaftliche Vermögen scheiterte. Das mit der Gesamtgrundschuld belastete Wohnungseigentum wurde zwangsversteigert und der Ehefrau des H. H. am 29. Mai 2008 zugeschlagen. Die in das geringste Gebot aufgenommene Grundschuld blieb bestehen.

In der Folgezeit nahm der Geschäftsführer der Klägerin die Beklagte aus abgetretenem Recht der Klägerin auf Abtretung der Grundschuld an sich in Anspruch. Die Klage wurde abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO im Juli 2014 zurückgewiesen. Auch die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

Durch Anerkenntnisurteil vom 10. Januar 2017 ist festgestellt, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin keine Ansprüche auf Rückzahlung des auf der Grundlage des Vertrages vom 30. November 1998 gewährten Darlehens zustehen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abgabe des Angebots einer Abtretung der Gesamtgrundschuld. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte lediglich zur Abgabe eines Angebots bezüglich eines rangletzten Teilbetrages in Höhe von 2.253,76 € nebst dinglicher Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei zwar zur Geltendmachung des Rückgewähranspruchs aktivlegitimiert. Auch stehe die Rechtskraft des Urteils, mit dem die Klage des Geschäftsführers der Klägerin auf Abtretung der Grundschuld abgewiesen worden sei, der Klage nicht entgegen. Diese sei aber nur in Höhe eines letztrangigen Teilbetrages begründet. Richtig sei zwar, dass die Grundschuld nur der Sicherung des von der Beklagten gewährten Darlehens diene und in dem Anerkenntnisurteil vom 10. Januar 2017 rechtskräftig festgestellt sei, dass die Klägerin der Beklagten aus dem Darlehen nichts mehr schulde. Allerdings führe nicht jedes Erlöschen der gesicherten Forderung zum Wegfall des Sicherungszwecks. Unstreitig sei das Darlehen von der Klägerin nur teilweise getilgt worden, der weit überwiegende Teil hingegen nicht. Der Sicherungsvertrag müsse interessengerecht dahingehend ausgelegt werden, dass der Sicherungszweck fortbestehe, soweit das Darlehen nicht von der Klägerin getilgt worden sei. Durch den Zuschlag sei es zu einer Trennung zwischen dinglicher und persönlicher Schuld gekommen, weil die Klägerin die gegen sie gerichtete Darlehensforderung in dem Zwangsversteigerungsverfahren nicht angemeldet habe und daher eine Schuldübernahme durch die Ersteherin nach § 53 Abs. 2 ZVG nicht habe erfolgen können. Aufgrund des rechtskräftigen Anerkenntnisurteils sei die Beklagte gehindert, Ansprüche aus dem Darlehen gegen die Klägerin geltend zu machen. Die Beklagte benötige daher die Grundschuld, um ihre Forderungen aus dem Darlehen befriedigen zu können. Demgegenüber sei ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Abtretung der Grundschuld in voller Höhe nicht erkennbar. Sie bekäme vielmehr ohne Gegenleistung ein werthaltiges Recht zugesprochen.

II.

Die von dem Senat wirksam zugelassene Revision (vgl. den Senatsbeschluss in dieser Sache vom 21. Januar 2020 sowie BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 - IX ZR 249/96, BGHZ 137, 49, 51 ff. mwN) ist unbegründet. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung allerdings nur im Ergebnis stand.

1. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, dass ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückgewähr der Grundschuld in voller Höhe unbegründet sei, weil der Sicherungszweck fortbestehe.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein Grundstückseigentümer, der - wie hier - eine Sicherungsgrundschuld bestellt, aus dem Sicherungsvertrag gegen den Sicherungsnehmer einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten schuldrechtlichen Anspruch auf Abtretung, auf Verzicht oder auf Aufhebung des nicht valutierten Teils der Grundschulden hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 - IX ZR 259/13, NJW 2016, 3239 Rn. 8 mwN). Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht weiter an, dass die Klägerin bezüglich des Rückgewähranspruchs aktivlegitimiert ist und dass die Grundschuld nur der Sicherung des auf der Grundlage des Vertrages vom 30. November 1998 gewährten Darlehens der Beklagten über 29.527,11 € dient.

b) Nicht haltbar ist demgegenüber die von dem Berufungsgericht vorgenommene "interessengerechte Auslegung" der Sicherungsabrede dahin, dass der Sicherungszweck ungeachtet der zwischen den Parteien ergangenen Urteile vom 6. Juli 2007 und 10. Januar 2017 fortbesteht. Sie lässt die Wirkungen der Rechtskraft außer Acht und verstößt, wie die Revision zutreffend rügt, gegen den Grundsatz, dass es bei der Vertragsauslegung anhand der Interessenlage nicht darum geht, dem Rechtsgeschäft zu dem Inhalt zu verhelfen, die der Richter im Entscheidungszeitpunkt als interessengerecht ansieht, sondern maßgeblich der Einfluss ist, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (vgl. Senat, Urteil vom 12. Januar 2001 - V ZR 372/99, BGHZ 146, 280, 284).

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Sicherungszweck der Grundschuld bestehe fort, obwohl rechtskräftig festgestellt ist, dass die Klägerin der Beklagten aus dem gesicherten Darlehen nichts mehr schuldet, wäre hiernach nur haltbar, wenn jedenfalls eine der Parteien bei der Vereinbarung über die Bestellung der Grundschuld erkennbar ein Interesse daran gehabt hätte, rechtskräftige Urteile über den Bestand der Darlehensforderung als für den Fortbestand des Sicherungszwecks unmaßgeblich anzusehen. Das dürfte eher fernliegen und wird seitens des Berufungsgerichts auch nicht festgestellt. Warum es dennoch meint, die rechtskräftige Feststellung, die Klägerin schulde der Beklagten aus dem gesicherten Darlehen nichts mehr, durch eine Auslegung der Sicherungsabrede überspielen zu können, ist nicht nachvollziehbar und lässt sich nur damit erklären, dass es die Folgen des Anerkenntnisses der Beklagten korrigieren will; hierfür bietet die bei Abschluss der Sicherungsvereinbarung erkennbare Interessenlage der Parteien allerdings keine Grundlage.

Richtigerweise ist der Sicherungsvertrag dahin auszulegen, dass der Sicherungszweck entfällt, wenn der Sicherungsgeber aus dem gesicherten Darlehen nichts mehr schuldet. Letzteres steht infolge des Urteils vom 6. Juli 2007, wonach Schuldnerin des Darlehens auch im Außenverhältnis allein die Klägerin ist, in Verbindung mit dem Anerkenntnisurteil vom 10. Januar 2017 fest.

c) Das von dem Berufungsgericht hervorgehobene, durch die Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks bedingte Auseinanderfallen von dinglicher und (ehemaliger) persönlicher Haftung verändert die sich aus dem Sicherungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten der Parteien nicht.

Bestünde der Sicherungszweck fort, könnte die Beklagte die Grundschuld weiterhin verwerten, und sich aus dem Erlös befriedigen. Hieran ist sie durch die Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks nicht gehindert; die Ersteherin hat die Grundschuld übernommen und haftet der Beklagten in voller Höhe des Nennbetrags (vgl. Senat, Urteil vom 29. Januar 2016 - V ZR 285/14, BGHZ 209, 1 Rn. 9 f.). Die Zwangsversteigerung ändert aber auch nichts an der durch den Sicherungsvertrag begründeten Pflicht der Beklagten, die Grundschuld nach Wegfall des Sicherungszwecks der Klägerin zurückzugewähren. Nach einer Zwangsversteigerung ist dies allerdings nur durch Abtretung der Grundschuld möglich; die entgegenstehende Vereinbarung im Darlehensvertrag ist nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB unwirksam (vgl. Senat, Urteil vom 29. Januar 2016 - V ZR 285/14, aaO Rn. 13; Urteil vom 18. Juli 2014 - V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 Rn. 7 und 18).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts führen diese Rechtsfolgen nicht zu interessenwidrigen Ergebnissen:

Die Ersteherin hat ein belastetes Grundstück erworben, dafür aber ein entsprechend geringeres Bargebot nach § 49 Abs. 1 ZVG entrichtet; ein Teil des nach den Versteigerungsbedingungen zu erbringenden Kaufpreises ist durch den nominalen Grundschuldbetrag ersetzt worden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 - IV ZR 452/02, BGHZ 155, 63, 65 f.). Die Klägerin hat als frühere Eigentümerin des Grundstücks dadurch im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens weniger erlöst. Dass sie im Falle der von ihr verlangten Abtretung der Grundschuld ein werthaltiges Recht erhielte, ist daher konsequent. Ist der Sicherungszweck entfallen, steht die Grundschuld wirtschaftlich gesehen nicht mehr der Beklagten, sondern der Klägerin zu.

2. Das Urteil stellt sich in dem angefochtenen Umfang allerdings aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Klage ist unzulässig, weil ihr die materielle Rechtskraft (§ 322 Abs. 1, § 325 Abs. 1 ZPO) des Urteils entgegensteht, mit dem die Klage des Geschäftsführers der Klägerin gegen die Beklagte auf Abtretung der Grundschuld abgewiesen worden ist. Die Prüfung ist von Amts wegen vorzunehmen, da die Rechtskraft ein unabdingbares, in jeder Verfahrenslage zu beachtendes Prozesshindernis für eine erneute gerichtliche Nachprüfung des schon beschiedenen Anspruchs schafft (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1983 - V ZR 287/81, NJW 1984, 126, 127; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05, NJW 2008, 1227 Rn. 9; Urteil vom 7. April 2011 - I ZR 34/09, NJW 2011, 2787 Rn. 13 jeweils mwN).

a) Vorprozess und jetzige Klage betreffen denselben Streitgegenstand.

aa) Rechtsfehlerhaft leitet das Berufungsgericht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Juli 2008 (XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922) her, dass die Klägerin den Rückgewähranspruch nochmals geltend machen könne. Die Entscheidung besagt, dass einer auf eigenes Recht gestützten Klage die Rechtskraft eines Urteils zwischen denselben Parteien nicht entgegensteht, in dem die allein auf abgetretenes Recht gestützte Klage abgewiesen worden ist. Macht der Kläger zunächst erfolglos einen Anspruch aus abgetretenem Recht geltend und erhebt er anschließend nochmals Klage gestützt auf die Begründung, ihm stehe der auf dasselbe Ziel gerichtete Anspruch aus eigenem Recht, etwa aufgrund einer Vertragsübernahme zu, handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände. Mit der Entscheidung über Ansprüche aus abgetretenem Recht wird deshalb nicht zugleich über solche aus eigenem Recht entschieden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922 Rn. 19). Das Berufungsgericht übersieht aber, dass ein solcher Sachverhalt hier nicht gegeben ist.

bb) Die vorliegende Klage betrifft gerade keinen anderen Streitgegenstand. Wie sich aus den vorliegenden Akten des Vorprozesses ergibt, deren Inhalt vom Senat für die Frage der Zulässigkeit der Klage von Amts wegen zu berücksichtigten ist, hat der Geschäftsführer der Klägerin dort den - an ihn abgetretenen - Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der Grundschuld gegen die Beklagte geltend gemacht. Die Klägerin stützt die jetzige gegen die Beklagte gerichtete Klage auf denselben Anspruch. Dieser wurde ihr - nachdem er im Vorprozess geltend gemacht worden ist - von ihrem Geschäftsführer wieder rückabgetreten.

b) Die Klägerin ist gemäß § 325 Abs. 1 ZPO an die Rechtskraft des im Vorprozess zwischen ihrem Geschäftsführer und der Beklagten ergangenen Urteils gebunden, weil sie nach Rechtshängigkeit des Vorprozesses infolge der Rückabtretung des Rückgewähranspruchs Rechtsnachfolgerin ihres Geschäftsführers geworden ist.

c) Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg darauf, dass mit dem Anerkenntnisurteil vom 10. Januar 2017 eine neue Tatsache vorliege, auf die sie ihre Klage wegen der zeitlichen Grenze der materiellen Rechtskraft, dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess, stützen könne.

aa) Zwar handelt es sich bei dem Anerkenntnisurteil um eine neue Tatsache.

Die materielle Rechtskraft wird auf den unmittelbaren Streitgegenstand des Urteils, d. h. auf die Rechtsfolge beschränkt, die aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet (vgl. Senat, Urteil vom 29. September 2017 - V ZR 19/16, BGHZ 216, 83 Rn. 15; BGH, Urteil vom 25. Februar 1985 - VIII ZR 116/84, BGHZ 94, 29, 33; Urteil vom 28. Juli 2011 - VII ZR 180/10, NJW-RR 2011, 1528 Rn. 13). Sie hindert daher eine neue abweichende Entscheidung grundsätzlich dann nicht, wenn dies durch eine nachträgliche Änderung des Sachverhalts veranlasst wird. Eine Folge dieser zeitlichen Grenze der Rechtskraft ist es, dass § 767 Abs. 2 ZPO Einwendungen gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst zulässt, sofern die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind. Dass ein Anspruch nur als "nach den derzeitigen Verhältnissen" zugesprochen bzw. aberkannt wird, braucht in dem Urteil nicht besonders zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 1983 - V ZR 287/81, NJW 1984, 126, 127; Urteil vom 29. September 2017 - V ZR 19/16, BGHZ 216, 83 Rn. 15 jeweils mwN).

bb) Das Anerkenntnisurteil vom 10. Januar 2017 bezieht sich aber nicht auf ein für das im Vorprozess ergangene Urteil entscheidungserhebliches Tatbestandsmerkmal.

(1) Ist über einen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden worden, ermöglicht eine nachträglich eingetretene Tatsache eine neue abweichende Entscheidung nur dann, wenn sie denjenigen Sachverhalt verändert hat, der in dem früheren Urteil als für die ausgesprochene Rechtsfolge maßgebend angesehen worden ist; bei dieser Beurteilung ist von den Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Urteils auszugehen und zu prüfen, ob die neu entstandene Tatsache die dort bejahten oder verneinten Tatbestandsmerkmale beeinflusst (Senat, Urteil vom 11. März 1983 - V ZR 287/81, NJW 1984, 126, 127 mwN; MüKo-ZPO/Gottwald, 6. Aufl., § 322 Rn. 154). Allerdings wird vertreten, dass es bei klageabweisenden Urteilen ausreichend sei, wenn die neue Tatsache nach den Entscheidungsgründen des im Vorprozess ergangenen Urteils zwar unerheblich ist, aber relevant wäre, wenn die Klage aus einem anderen, nach dem gesetzlichen Tatbestand denkbaren und von dem Beklagten auch geltend gemachten Grund abgewiesen worden wäre (Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 152 ff., 170; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozess, 1970, S. 255 ff.). Dieser Ansicht steht indessen entgegen, dass bei einer klageabweisenden Entscheidung der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung ist (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205). Diese Rechtskraftbindung darf nicht nachträglich durch hypothetische Erwägungen unterlaufen werden (MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl., § 322 Rn. 155).

(2) Bei dem Anerkenntnisurteil vom 10. Januar 2017 handelt es sich nicht um eine Tatsache, die sich auf ein Tatbestandsmerkmal bezieht, das für den Subsumtionsschluss im Vorprozess von entscheidender Bedeutung war. Tragend für die Abweisung der von dem Geschäftsführer der Klägerin erhobenen Klage auf Abtretung der Grundschuld war, dass § 16 Nr. 2 des Darlehensvertrages nur einen Verzicht auf die Grundschuld vorsieht, nicht aber deren Abtretung an den Sicherungsgeber. Die Vereinbarung könne entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dahingehend angepasst werden, dass im Hinblick auf die erfolgte Zwangsversteigerung des belasteten Wohneigentums die Abtretung verlangt werden könne. In dem Vorprozess ging das Gericht somit von der Wirksamkeit der in § 16 Nr. 2 des Darlehensvertrages enthaltenen Vereinbarung aus. Der geltend gemachte Rückübertragungsanspruch ist daher unabhängig von der Frage abgewiesen worden, ob der Sicherungszweck erledigt war. Die neue Tatsache - die durch das Anerkenntnisurteil belegte Erfüllung der gesicherten Darlehensforderung - hätte folglich zu keiner anderen Entscheidung im Vorprozess geführt. Dass die Frage des Vorliegens Allgemeiner Geschäftsbedingungen dort nicht thematisiert wurde, ist ebenso wie die später ergangene Entscheidung des Senats (Urteil vom 18. Juli 2014 - V ZR 178/13, BGHZ 202, 150) zur Unwirksamkeit einer Klausel, wie sie in § 16 Nr. 2 des Darlehensvertrages enthalten ist, unerheblich. Der Streitgegenstand des Vorprozesses wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das damalige Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen - hier das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen - dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 19 mwN). Auch ein Wandel der Rechtsprechung lässt die Rechtskraftwirkung früherer Urteile unberührt (BAG, NZA 1996, 1058, 1060; RGZ 125, 159, 161 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. November 19

- IVb ZB 6/82, BGHZ 89, 114, 121 zum Wiederaufnahmeverfahren; MüKo-ZPO/Gottwald, 6. Aufl., § 322 Rn. 159; Stein/Jonas/Althammer, 23. Aufl., ZPO § 322 Rn. 255).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele Haberkamp Hamdorf Vorinstanzen:

LG Kiel, Entscheidung vom 14.05.2018 - 4 O 138/17 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 19.03.2019 - 3 U 45/18 -