VG Magdeburg, Beschluss vom 18.01.2021 - 15 E 18/20
Fundstelle
openJur 2021, 6275
  • Rkr:

Zu den Voraussetzungen des Ansatzes einer Höchstgebühr im Disziplinarrecht.

Gründe

Der Antrag der Einleitungsbehörde vom 14.07.2020 in der letzten Gestalt vom 15.10.2020 auf Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.02.2026.06.2020 in Gestalt vom 23.09.2020 hat keinen Erfolg.

Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle hat den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.06.2020 auf die Erinnerung der Einleitungsbehörde mit Beschluss vom 23.09.2020 dahingehend abgeändert, dass die von der Einleitungsbehörde an den Beamten Herrn B. für das Disziplinarverfahren insgesamt zu zahlenden Kosten von 3.111,14 Euro auf 2.682,74 Euro reduziert wurden, weil die Honorarvereinbarung in Höhe von 550,00 Euro nicht zu berücksichtigen ist; nur die Termingebühr in Höhe von 370,00 Euro. Bezüglich der Rüge zu den angesetzten Höchstgebühren und Fahrtkosten wurde nicht abgeholfen. Mit weiterer Beschwerde vom 15.10.2020 wendet sich die Erinnerungsführerin dagegen, dass die Termingebühr wegen Nichtanwesenheit des Beamten überhaupt nicht angefallen sei.

Zutreffend hat die Kostenbeamtin die Honorarvereinbarung nicht berücksichtigt (VG Magdeburg, Beschluss v. 14.03.2013, 8 A 19/08). Die Festsetzung der über den Mittelwert hinausgehenden Höchstgebühr ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Disziplinargericht hat bereits in dem Beschluss v. 08.05.2012 (8 A 21/10) ausgeführt:

"Für die Tätigkeit im Disziplinarverfahren (Teil 6 Abschn. 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG) hat der Gesetzgeber Rahmengebühren vorgesehen. In diesem Fall bestimmt der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Gebühr nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftragsgebers (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dadurch, dass der Gesetzgeber die Bestimmung der Gebühr dem billigen Ermessen des Bevollmächtigten überlassen hat, hat er diesem einen gewissen Spielraum bei der Bestimmung der Gebührenhöhe innerhalb des vorgegebenen Rahmens eingeräumt. Diese Bestimmung ist lediglich dann nicht verbindlich für das Festsetzungsverfahren, wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist und die von dem Bevollmächtigten getroffene Bestimmung unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Nur völlig abwegige Überlegungen und Missachtungen von wesentlichen kostenrechtlichen Aspekten können Anlass zur Korrektur geben. Daher muss Ausgangspunkt der rechtlichen Überprüfung des Kostenansatzes im Erinnerungsverfahren sein, ob der Rechtsanwalt das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft, das heißt unbillig ausgeübt hat. Weder der Kostenschuldner noch das Gericht dürfen ihr Ermessen an die Stelle des Rechtsanwalts setzten.

Für durchschnittliche Fälle ist vom Mittelwert des jeweiligen Rahmens auszugehen. Ein Spielraum für die Erhebung einer höheren Gebühr besteht erst und nur, wenn besondere Umstände eine Erhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, U. v. 17.08.2005, 6 C 13.04; juris). Dabei rechtfertigt allein der Umstand, dass es sich um ein Disziplinarverfahren handelt, nicht ohne Weiteres die Ansetzung der Höchstgebühr. Die einschlägige Rahmengebühr betrifft ausschließlich Disziplinarverfahren und diese ähnliche berufsgerichtliche Verfahren, so dass die Besonderheit dieser Verfahren bei der Bemessung der Rahmengebühr durch den Gesetzgeber bereits berücksichtigt worden ist.

Bei den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG sind Umfang und die Schwierigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu prüfen. Bereits die Überschreitung der "Normalbelastung" eines dieser Kriterien rechtfertigt hinreichend eine Erhöhung; es müssen nicht alle Kriterien des § 14 RVG erfüllt sein (Gerold/Schmidt/v.Eicken//Madert/Müller-Rabe; RVG § 14 Rz. 38). Bei der Prüfung des Umfangs ist im Wesentlichen der mit der Ausführung des Mandats verbundene zeitliche Aufwand zu berücksichtigen. Von einem überdurchschnittlichen Zeitaufwand ist auszugehen, wenn die Mandatsbearbeitung insgesamt drei Stunden übersteigt (Schneider/Wolf; RVG, 5. Auflage, § 14 Rz. 32). Dazu wurde durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin glaubhaft vorgetragen, dass allein schon die Sichtung des Verwaltungsvorgangs mindestens zwei Stunden betrug. Dies ist auch für das Gericht nachvollziehbar, da der behördliche Verwaltungsvorgang bereits acht Bände umfasste. Derartiges Aktenmaterial ist auch in Disziplinarverfahren eher ungewöhnlich. Das Disziplinargericht ist nicht der Auffassung der Erinnerungsführerin, dass es sich lediglich um eine durchschnittliche Angelegenheit gehandelt habe, da die Verletzung der beamtenrechtlichen Folgepflicht häufig Gegenstand einfacher Disziplinarverfahren sei (vgl. zu einem einfachen Fall: VG Wiesbaden, Beschluss v. 29.03.2011, 28 O 1281/10.WI; Bay.VGH, Beschluss v. 12.02.2009, 16a CD 08.2917; VG Berlin, Beschluss v. 11.11.2010, 80 Dn 18.08; alle juris). Dem ist bereits aufgrund der in der Disziplinarverfügung aufgezählten Vielzahl der einzelnen Pflichtenverstöße nicht zu folgen. So wurden der Beamtin ausweislich der Darstellung im Tatbestand des Urteils der Disziplinarkammer vom 09.11.2011 (8 A 21/10 MD) eine Vielzahl von Pflichtenverstößen an einzelnen Tagen vorgeworfen. Auf den Tatbestand wird verwiesen. Zudem wurde das Disziplinarverfahren um weitere Pflichtenverstöße erweitert. Ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils hat das Gericht den Grundsatz "in dubio pro reo" berücksichtigt, was auch eher ungewöhnlich ist. Auch die Verhandlungsdauer des Gerichts anlässlich der mündlichen Verhandlung von 3 Stunden und 10 Minuten vor der Einzelrichterin, spricht für eine überdurchschnittliche Angelegenheit (anderer Fall auch: VG Wiesbaden, a.a.O.). Hier einen überdurchschnittlichen zeitlichen Aufwand zu verneinen, erschließt sich dem Gericht nicht.

Richtig führt die Erinnerungsführerin aus, dass auch die subjektive Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber maßgeblich sei. Der Bewertung der Erinnerungsführerin, dass bei Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich sich keine besondere Bedeutung für den Beamten ergeben könnte, mag das Disziplinargericht nicht folgen. Zum einen übersieht diese Argumentation, dass es sich bei der hier ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge bereits nicht um eine im unteren Bereich der gestaffelten Disziplinarmaßnahmen liegenden Sanktionsmöglichkeit handelt. Denn bei dieser Disziplinarmaßnahme handelt es sich um die nach dem Verweis und der Geldbuße folgende dritte und letzte Stufe der von dem Dienstherrn aufgrund seiner Disziplinarbefugnis auszusprechenden Sanktionsmöglichkeit. Darüber liegen nur die vom Disziplinargericht auszusprechenden sog. Höchstmaßnahmen, nämlich die Zurückstufung und die Entfernung aus dem Dienst. Schließlich führt auch das Disziplinargericht in seinen Entscheidungsgründen aus, dass sich die Beamtin zum Zeitpunkt der Pflichtenverstöße in einer zumindest zeitweise schwierigen psychischen Situation befand. Sie musste die Erziehung eines Kleinkindes alleine bewältigen und war auch aufgrund der häufigen Erkrankungen des Kindes physisch und psychisch angespannt. Dies hat das Disziplinargericht ausdrücklich mildernd berücksichtigt. Letztendlich führt das Disziplinargericht aus, dass das Disziplinarverfahren für die Beamtin mit erheblichen Belastungen verbunden war. Die Klägerin war aufgrund der Belastungen des Disziplinarverfahrens über einen längeren Zeitraum erkrankt. Bei diesen Besonderheiten des Disziplinarverfahrens darf im Erinnerungsverfahren auch genannt werden, dass ausweislich der Entscheidungsgründe der Disziplinarbehörde gewisse Aufklärungsdefizite hinsichtlich des entlastenden Vorbringens der Klägerin und auch Verfahrensverstöße zu bescheinigen waren. Unter Berücksichtigung all dieser durch das Gericht festgestellten Milderungsgründe ist festzuhalten, dass zumindest auch und letztendlich die subjektive Bedeutung der Angelegenheit für die Beamtin für den Arbeitsaufwand und die Höchstgebühr ausschlaggebend war. Das rechtfertigt eine Überschreitung der Mittelgebühr und lässt die vom Rechtsanwalt getroffene Ermessensentscheidung objektiv nicht als unbillig erscheinen."

Diese Ausführungen gelten auch im vorliegenden Verfahren. Das Disziplinargericht schließt sich dazu den Ausführungen der Kostenbeamtin in dem Beschluss vom 23.09.2020 vollumfänglich an und darf darauf verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Die Bedeutung des Disziplinarverfahrens für den Beamten und den Dienstherrn, die enorm große und ungewöhnliche Öffentlichkeitsbeteiligung und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit dürfen als bekannt vorausgesetzt werden. Daran ändert die verfahrenstechnische gerichtliche Beendigung des noch unter dem Regime der Disziplinarordnung zu entscheidenden förmlichen Disziplinarverfahrens durch Disziplinargerichtsbescheid nichts.

Soweit nunmehr die Termingebühr insgesamt angegriffen wird, weil der Beamte am 03.02.2015 nicht am Termin teilgenommen habe, greift dies nicht. Zum einen hat der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 30.10.2020 vorgetragen, dass sein Mandat sehr wohl anwesend gewesen sei und zum anderen ist dies auch nicht entscheidend. Denn die Anwesenheit des Mandanten ist regelmäßig für die Entstehung der Termingebühr nicht notwendig. Zur Entstehung der Termingebühr reicht es auch, dass der Rechtsanwalt den Termin wahrnimmt (Schneider/Wolf; Anwaltskommentar, RVG, 7.Aufl. VV Vorb. 3 zu Rd Nr. 100). Nach dem RVG werden die Tätigkeiten des Rechtsanwaltes vergütet, die durch ihn selbst erbracht werden.

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