LG Münster, Urteil vom 08.08.2019 - 2 O 347/19
Fundstelle
openJur 2021, 6154
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 16.07.2019 wird bestätigt.

Der Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Beklagte ist zudem noch Notar.

Die Parteien sind gemeinsam Gesellschafter der GbR A1, eine Anwaltssozietät mit dem Sitz in B. Die Parteien haben unter dem 14.12.2017 zum 01.01.2018 einen Sozietätsvertrag geschlossen.Bei dem Sozietätsvertrag handelt es sich nicht um eine Neugründung einer Sozietät, sondern die Sozietät besteht bereits seit dem Jahre 1950. Die Verfügungsklägerin C ist seit 1994 und der Verfügungsbeklagte ist seit 2004 Mitglied der Sozietät.

Gemäß § 18 des Vertrages ist eine Kündigung der Sozietät erstmalig auf den 31.12. des 5. Jahres nach dem Eintritt möglich, danach zu dem Ende eines jeden 3. Jahres, jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr. Gemäß § 9 des Sozietätsvertrages besteht ein Wettbewerbsverbot. Hiernach dürfen die Sozien während der Dauer ihrer Zugehörigkeit zur Sozietät in den Tätigkeitsbereichen der Sozietät weder für eigene, noch für fremde Rechnung entgeltlich oder unentgeltlich tätig werden. Dieses Wettbewerbsverbot bezieht sich auf die anwaltliche Tätigkeit des Beklagten, aber nicht auf die notarielle Tätigkeit.

Der Verfügungsbeklagte möchte die Sozietät verlassen und seine anwaltliche und notarielle Berufstätigkeit in einer anderen Sozietät in B fortführen.

Hierzu hat der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 12.06.2019 und 24.06.2019 das Sozietätsverhältnis aus wichtigem Grund zum 30.06.2019 außerordentlich gekündigt. Nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens sei das Vertrauensverhältnis tiefgreifend zerrüttet. Hierzu verweist der Verfügungsbeklagte auf ein Schreiben der Verfügungsklägerin zu 1) vom 23.11.2018 und auf eine Abmahnung vom 28.05.2019. Wegen aller Einzelheiten wird auf die Schreiben Bezug genommen.

Der Verfügungsbeklagte hat seine Vorhaben auch schon umgesetzt. So hat er beispielsweise einige Mandanten angesprochen und diese veranlasst, das Mandatsverhältnis mit der früheren Sozietät zu beenden und stattdessen den Verfügungsbeklagten persönlich zu beauftragen. Darüber hinaus hat er durch ein Zeitungsinserat im B Volksblatt sowie durch entsprechende Mitteilung gegenüber der Gesellschaft und auch dem Amtsgericht Bocholt kund getan, dass er künftig nicht mehr unter der Kanzleianschrift der Gesellschaft, sondern unter einer anderen Adresse in B zu erreichen ist.

Aufgrund dessen nehmen die Verfügungskläger den Beklagten in Bezug auf seine anwaltliche Tätigkeit, nicht aber auf seine notarielle Tätigkeit, entsprechend dem Wettbewerbsverbot gemäß § 9 des Sozietätsvertrages auf entsprechende Unterlassung in Anspruch.

Am 16.07.2019 ist eine entsprechende einsteilige Verfügung der Kammer mit folgendem Inhalt ergangen:

"Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, während der Dauer der Zugehörigkeit zur Sozietät A1 GbR außerhalb der A1 GbR in den Tätigkeitsbereichen der Sozietät für eigene oder fremde Rechnung entgeltlich oder unentgeltlich tätig zu werden, soweit und solange keine Ausnahme von diesen Beschränkungen durch die Gesellschafterversammlung der A1 GbR zugelassen worden ist."

Gegen diese einstweilige Verfügung hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass seine Kündigung wirksam ist und das Sozietätsverhältnis beendet ist. Ihm sei es nicht mehr zuzumuten, für die Sozietät tätig zu werden. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört. Da das Wettbewerbsverbot ja auch nur die anwaltliche, nicht aber die notarielle Tätigkeit betreffe, sei auch aus diesem Grunde es unzumutbar, ihn bezüglich der anwaltlichen Tätigkeit mit einem Wettbewerbsverbot zu belegen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 16.07.2019 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungskläger beantragen,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Nach Ansicht der Verfügungskläger ist die Kündigung des Verfügungsbeklagten unwirksam, da kein Grund für eine fristlose Kündigung bestehe.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da sie zu Recht erlassen worden ist.

Den Verfügungsklägern steht der begehrte Unterlassungsanspruch aus § 9 und § 1 des Sozietätsvertrages i.V.m. §§ 112, 113 HGB sowie entsprechend des gesellschaftsrechtlichen Loyalitätsgrundsatzes zu, den die Verfügungskläger im Wege des "actio pro socio" gegen den Verfügungsbeklagten durchsetzen können.

Der Verfügungsbeklagte hat den Sozietätsvertrag nicht wirksam fristlos gekündigt.

Unstreitig ist die Kündigungsfrist gemäß § 18 des Sozietätsvertrages, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob § 18 so zu verstehen ist, dass eine erstmalige Kündigung zum 31.12.2022 oder bereits zum 31.12.2020 (da der Verfügungsbeklagte bereits seit 2004 Mitglied der Sozietät ist) möglich ist. Jedenfalls ist die ausgesprochene Kündigung zum 30.06.2019 nicht wirksam, da kein wichtiger Grund bestanden hat. Der Verfügungsbeklagte gibt in seinem Kündigungsschreiben an, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den Verfügungsklägern zerstört sei.

Für das Gericht nachvollziehbare Gründe gibt der Verfügungsbeklagte hierfür nicht an.

Soweit der Verfügungsbeklagte auf das "Abmahnschreiben" vom 28.05.2019 der Verfügungsklägerin zu 1) verweist, so kann das Gericht in diesem Schreiben nicht die Zerstörung eines Vertrauensverhältnisses erblicken. Im Gegenteil fordert die Verfügungsklägerin zu 1) den Verfügungsbeklagten in diesem Schreiben dazu auf, zu einem vernünftigen Umgang miteinander zurückzuführen. Die Verfügungsklägerin zu 1) hat ausdrücklich mitgeteilt, dass sie jederzeit zu Gesprächen bereit sei.

Auch nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung kann das Gericht nicht erkennen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört ist. Beide Verfügungskläger haben ausdrücklich erklärt, dass sie an einer Fortführung der Sozietät interessiert seien und jederzeit zu Gesprächen mit dem Verfügungsbeklagten bereit seien. Von der Ernsthaftigkeit dieser Aussage ist die Kammer insbesondere auch aufgrund des persönlichen Eindrucks überzeugt, den die Verfügungsklägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat. Die Verfügungsklägerin zu 1) hat nachdrücklich ihren Wunsch bestätigt, ihre Tätigkeit mit dem Verfügungsbeklagten weiter durchzuführen und jederzeit zu Gesprächen bereit zu sein.

Auch in dem handschriftlichen Schreiben vom 23.11.2018 hat die Verfügungsklägerin zu 1) ausdrücklich erklärt, dass sie für ein Gespräch offen sei.

Nach alledem ist die fristlose Kündigung des Verfügungsbeklagten nicht wirksam. Der Verfügungsbeklagte wird auch nicht mit einem Berufsverbot belegt. Ihm steht es frei, seine anwaltliche Tätigkeit in den Räumen der alten Sozietät weiter zu betreiben. Soweit der Verfügungsbeklagte anführt, dass ein Wettbewerbsverbot mit einem Anwaltsnotar nicht wirksam vereinbart werden kann, so ist das zwar zutreffend und hierauf bezieht sich auch die einstweilige Verfügung nicht. Zugegebenermaßen ist auch die getrennte Tätigkeit als Notar und Anwalt in verschiedenen Räumlichkeiten nicht einfach durchzuführen. Dies hat der Verfügungsbeklagte allerdings selber verursacht durch seine fristlose Kündigung. Hieraus kann nicht hergeleitet werden, dass auch das Wettbewerbsverbot für ihn als Anwalt unwirksam ist.

Nach alledem war die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Für eine Vollstreckungsschutzentscheidung sah das Gericht keine Veranlassung.

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