LG Bielefeld, Urteil vom 18.10.2019 - 2 O 231/18
Fundstelle
openJur 2021, 6152
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 11 U 5/20
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 337,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 22,00 € seit dem 08.03.2018, aus 300,00 € seit dem 25.04.2018 und aus 15,00 € seit dem 24.10.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 80%, die Klägerin zu 15% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 5%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 25%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 80% und die Klägerin zu 15%. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 15.12.2017 gegen 14:30 Uhr auf der G. Straße in J. ereignete.

Am Unfall beteiligt waren der in A. lebende Kläger als Fahrer seines Pkw VW Passat, amtliches Kennzeichen XXX, sowie die Beklagte zu 1) als Fahrerin ihres bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Fiat Panda, amtliches Kennzeichen YYY. Im Unfallzeitpunkt befand sich die Klägerin auf dem Beifahrersitz neben dem Kläger. Die Beklagte zu 2) verursachte den Verkehrsunfall dadurch, dass sie beim Einfahren in einen Kreisverkehr den dort bereits befindlichen VW Passat übersah und mit dessen Seitenwand hinten rechts kollidierte. Durch den Aufprall wurde der VW Passat zudem gegen ein Straßenschild gestoßen, wodurch an seiner rechten vorderen Seite ein weiterer Schaden entstand. Der VW Passat konnte aufgrund der Beschädigungen nur noch mit Hilfe eines Abschleppfahrzeugs transportiert werden. Unstreitig haften die Beklagten den Klägern zu 100% für den diesen unfallbedingt entstandenen Schaden. Der Passat, der über die High-Line Ausstattung verfügte, wurde in ein Autohaus in J. abgeschleppt und dort durch einen Sachverständigen begutachtet (Gutachten Anlage K1, Anlagenband). Der Gutachter gab die Wiederbeschaffungsdauer mit 10 - 14 Tagen, den Wiederbeschaffungswert mit 8.400,00 € brutto und den Restwert mit 3.500,00 € an. Den Restwert ermittelte er durch Einholung von drei Angeboten aus J., N. und W.. Der Kläger verkaufte den VW Passat am 04.01.2018 für 3.500,00 € an das Autohaus U., welches das höchste der im Gutachten aufgeführten Restwertangebote abgegeben hatte. Mit Schreiben vom 04.01.2018 (Anlage B2, Bl. 47 GA) übermittelte die Beklagte zu 2) dem Kläger ein verbindliches Restwertangebot in Höhe von 5.150,00 € brutto/ 4.327,73 € netto der Firma Automobile K. aus E. (Bl. 48 GA). Die Beklagte zahlten dem Kläger auf den ihm entstandenen Fahrzeugschaden 3.867,39 €. Bei der Schadensberechnung berücksichtige sie das Restwertangebot der Firma Automobile K. mit 4.327,73 € netto. Zudem zog sie von dem im Gutachten angegebenen Wiederbeschaffungswert den darin enthaltenen Differenzmehrwertsteueranteil ab. Der Kläger nahm für die Zeit vom 15.12.2017 bis zum 28.12.2017 einen Mietwagen in Anspruch, dessen Kosten von der Beklagten zu 2) vollständig übernommen wurden. Für den Zeitraum vom 29.12.2017 bis zum 13.01.2018 zahlte die Beklagte zu 2) dem Kläger zum Ersatz des diesem entstandenen Nutzungsausfallschadens 50,00 €/Tag (= 800,00 €). Der Kläger kaufte sich am 06.04.2018 ein Ersatzfahrzeug, welches am 09.04.2018 auf ihn zugelassen wurde.

Die Klägerin stellte sich am Unfalltag in einem Krankenhaus vor (Atteste Anlage K9, Anlagenband). In der Zeit vom 18.12. bis 29.12.2017 wurde sie durch einen Hausarzt krankgeschrieben (Attest Anlage K10, Anlagenband). Eine weitere Krankschreibung erfolgte vom 16.01. bis 31.01.2018 (Attest Anlage K11). Zudem absolvierte die Klägerin im Zeitraum vom 30.01. bis 16.02.2018 eine manuelle Therapie, die an sechs Tagen stattfand und für die sie eine Zuzahlung in Höhe von 22,00 € leisten musste. Darüber hinaus musste die Klägerin 15,00 € Attest-Kosten zahlen. Die Klägerin hat von klein auf eine Verkrümmung der Wirbelsäule. Die Beklagte zu 2) zahlte ihr unter Berücksichtigung der ersten Krankschreibung ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 €.

Die Beklagte zu 2) zahlte auf die den Klägern außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten 892,02 €.

Der Kläger ist der Auffassung, er müsse sich lediglich den Restwert entgegenhalten lassen, der sich aus dem von ihm eingeholten Gutachten ergäbe. Das von der Beklagten eingeholte Restwertangebot müsse er sich nicht entgegenhalten lassen, da er das Fahrzeug vor Erhalt des Angebotes bereits verkauft gehabt habe. Er sei nicht dazu verpflichtet gewesen, aufgrund des Erstinformationsschreibens der Beklagten vor dem Verkauf mit der Beklagten in Kontakt zu treten. Auch habe er auf die Angaben des Sachverständigen in dem Gutachten vertrauen dürfen, da die von diesem eingeholten Restwertangebote aus dem regionalen Markt in Bezug auf seinen Heimatort stammten. Dem stünde nicht entgegen, dass die bietenden Händler aus Orten stammten, die 179 - 190 km von seinem Wohnort entfernt lägen, da alle demselben Bundesland angehörten und eine entgegenstehende Definition des Begriffes "regional" nicht existiere. Abgesehen davon sei es ihm nicht anzulasten, ein Angebot angenommen zu haben, welches aus der Nähe des Standortes des beschädigten Fahrzeugs stamme. Dafür spräche, dass die Abschleppkosten deutlich höher ausgefallen wären, wenn er das Fahrzeug nach A. hätte abschleppen lassen, zumal schon anhand der Beschädigungen klar gewesen sei, dass das Fahrzeug zum Restwert verkauft werden würde. Die Firma Autohaus K. sei Mitglied einer Restwertbörse, so dass ihr Angebot aus einem Sondermarkt stamme, auf den er sich nicht verweisen lassen müsse. Er bestreitet, dass der von dem Autohaus K. angebotene Restwert unternehmerisch nachvollziehbar sei und "den einzig richtigen Preis" darstelle. Zudem sei kein unterschiedliches Preisgefälle zwischen D. und Umgebung und A. und Umgebung gegeben.

Der Kläger behauptet, das Gutachten sei ihm am 27.12.2017 zugeschickt worden, so dass er erst ab diesem Zeitpunkt mit der Suche nach einem Ersatzfahrzeug habe beginnen können. Auch wenn das Gutachten von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen ausgehe, sei es ihm trotz intensiver Suche nicht möglich gewesen, vor dem 06.04.2018 ein vergleichbares Ersatzfahrzeug zu finden. Er habe sich an verschiedenen Orten, etwa in A., H., I., J., K. oder L. zahlreiche Ersatzfahrzeuge angesehen. Die Fahrzeuge seien nicht in Betracht gekommen, da sie anders als der beschädigte Passat teilweise kein Schiebedach, kein Navigationsgerät oder keine Anhängerkupplung aufgewiesen hätten bzw. sich teilweise herausgestellt hätte, dass die Reifen zu stark abgefahren gewesen seien, die vorhandenen Kratzer oder Dellen stärker als auf den Lichtbildern zu erkennen gewesen seien oder ihm die Farbe nicht zugesagt habe. Zudem habe er nach einem Fahrzeug mit möglichst hoher Laufleistung gesucht, da - insofern unstreitig - auch das beschädigte Fahrzeug, welches 2011 erstmals zugelassen worden sei, im Unfallzeitpunkt eine Laufleistung in Höhe von 274.759 km aufgewiesen habe. Er ist daher der Auffassung, die Beklagen schuldeten ihm der Ersatz eines weiteren Nutzungsausfallschadens für den Zeitraum vom 14.01.2018 bis zum 08.04.2018 (= 85 Tage x 50,00 € = 4.250,00 €).

Die Klägerin behauptet, sie habe durch den Unfall eine HWS-Distorsion erlitten, unter der sie bis zum 09.02.2018 durch Schmerzen im HWS-Bereich gelitten habe. Sie habe nach Ablauf der ersten Krankschreibung zwar versucht, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Dieser Versuch sei jedoch gescheitert, da die notwendigen körperlichen Bewegungen und physischen Anstrengungen durch die Arbeit zu starken Schmerzen geführt hätten, die die Einnahme von Schmerzmitteln erforderlich gemacht hätten. Auch die zweite Krankschreibung sowie die verschriebene manuelle Therapie beruhten daher auf dem Unfall. Sie ist der Auffassung, die Verletzungen rechtfertigten die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 1.300,00 € (= 1.800,00 € insgesamt).

Die Kläger beantragen,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 5.282,61 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.032,61 € ab dem 13.01.2018, aus 4.250,00 € ab dem 25.04.2018,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 37,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 22,00 € ab dem 08.03.2018 und aus 15,00 € seit Rechtshängigkeit sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, einen Betrag zu 1.300,00 € jedoch nicht unterschreiten sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 25.04.2018 zu zahlen,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei Scholten, Reiß und Partner GbR in Höhe von 369,38 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, der Kläger müsse sich bei der Schadensberechnung das Restwertangebot vom 04.01.2018 entgegenhalten lassen. Dieses folge zum einen daraus, dass ihm die Beklagte zu 2) mit einem sogenannten "Erstinformationsschreiben" vom 18.12.2017 - insoweit unstreitig - darum gebeten habe, das beschädigte Fahrzeug nicht zu verkaufen, bevor ihm nicht von ihr ein besseres, als im Gutachten angegebenes Restwertangebot, unterbreitet würde. Abgesehen davon habe er das beschädigte Fahrzeug auch aus dem Grund nicht schon vor Erhalt ihres Restwertangebotes verkaufen dürfen, da er sich erst Monate später das Ersatzfahrzeug angeschafft habe, was zeige, dass er auf den frühzeitigen Verkauf des beschädigten Fahrzeugs kaum angewiesen gewesen wäre. Zudem sind sie der Auffassung, dass er auf den im Gutachten aufgeführten Restwert nicht habe vertrauen dürfen, da der Gutachter sein Gutachten ausschließlich auf Angebote gestützt habe, die nicht aus der Heimatregion des Klägers stammten.

Sie bestreiten, dass dem Kläger das Gutachten erst am 27.12.2017 zugegangen sei und dass es ihm nicht möglich gewesen sei, sich bis zum 13.01.2018 ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen. Der Kläger verkenne, dass er lediglich einen Anspruch darauf habe, ein vergleichbares Fahrzeug zu finden, nicht hingegen einen Anspruch darauf, sein Wunschfahrzeug bzw. exakt das verunfallte Fahrzeug noch einmal zu finden. Auch bestreiten sie den hypothetischen Nutzungswillen und die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit für den Zeitraum ab dem 14.01.2018.

Sie bestreiten, dass die von der Klägerin behaupteten Verletzungsfolgen unfallbedingt seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger selber keine Verletzungen erlitten habe und dass der Aufprall an der Seite, nicht jedoch am Heck erfolgt sei. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin über den Zeitraum der ersten Arbeitsunfähigkeit hinaus an unfallbedingten Schmerzen im HWS-Bereich gelitten und gleichwohl bis zum 16.01.2018 abgewartet habe, bis sie erneut einen Arzt aufgesucht habe. Die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500,00 € sei daher ausreichend und angemessen gewesen. Auch bestreiten sie die Unfallbedingtheit der Attest- und Behandlungskosten.

Der Kläger und die Klägerin wurden persönlich angehört. Insofern wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2019 (Bl. 168 ff. GA) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem Umfang begründet, der sich aus dem Tenor ergibt. Im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf die Zahlung weiteren Schadensersatzes aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls, so dass die Klage insofern als unbegründet abzuweisen war. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung weiterer 1.032,61 € auf den ihm entstandenen Fahrzeugschaden. Denn die Beklagte zu 2) hat durch die bereits getätigte Zahlung den Anspruch des Klägers voll erfüllt.

a.

Der Kläger muss sich bei der Schadensberechnung das von der Beklagten zu 2) eingeholte Restwertangebot in Höhe von unstreitig 4.327,73 € netto entgegenhalten lassen und durfte nicht auf den in dem von ihm eingeholten Gutachten angegebenen Restwert (= 3.500,00 €) vertrauen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der auch die Kammer folgt, hat ein Geschädigter auch dann, wenn er von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht durch Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges beheben will, das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten (BGH, Urteil vom 27.09.2016, Az. VI ZR 673/15, NJW 2017, 953 ff.). Das bedeutet, dass er gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen (BHG aao). Diesem Gebot genügt er im Hinblick auf den bei der Schadensberechnung zu berücksichtigenden Restwert dann, wenn er die Veräußerung seines Fahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem vom Geschädigten aus gesehen allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH aaO). Nicht gehalten ist der Geschädigte hingegen, über ein solches Gutachten hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei auch Angebot von räumlich weiter entfernteren Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen (BGH aaO). Auch muss der Geschädigte, der ein solches Gutachten eingeholt hat, nicht abwarten, ob ihm der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer ein besseres als in dem Gutachten genanntes Angebot unterbreitet bzw. weiterleitet (BGH aaO).

aa.

Der Kläger durfte vorliegend nicht auf die Richtigkeit des von ihm eingeholten Gutachtens vertrauen, da dieses den oben dargestellten Anforderungen nicht genügt. Denn die vier Restwertangebote, die in dem Gutachten aufgeführt sind, stammen nicht aus dem in Bezug auf den Wohnort des Klägers regionalen Markt.

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH kann eine Entfernung von fast 200 Kilometern, wie sie hier gegeben ist, nicht mehr als "regional" angesehen werden. Dieses ergibt sich daraus, dass der BGH vorrangig aus dem Grund auf den regionalen Markt des Geschädigten abstellt, da es dem Geschädigten möglich sein müsse, das Fahrzeug einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb des Ersatzwagens in Zahlung zu geben (BGH aaO). Das in diesem Fall notwendige Vertrauen seit typischerweise ohne weitere Nachforschungen jedoch nur ortsansässigen Vertragswerkstätten und Gebrauchtwagenhändlern entgegenzubringen, die der Geschädigte kenne bzw. über die er unschwer Erkundigungen einholen könne. Solche Werkstätten bzw. Händler befinden sich typischer Weise aber deutlich näher am Wohnort des Geschädigten, als in etwa 200 Kilometer Entfernung.

Unerheblich ist vor diesem Hintergrund auch, dass die eingeholten Angebote im vorliegenden Fall alle aus der Region des Fahrzeugstandortes stammen (so auch OLG Hamm, Urteil vom 28.09.2018, Az. I-9 U 137/16, Anlage B9, Bl.102 ff. GA). Denn auch wenn es praktisch erscheint, ein Fahrzeug, welches in deutlicher Entfernung zum Wohnort des Geschädigten verunfallt und dadurch fahruntauglich geworden ist, in der Region des Unfallortes zu verkaufen, ist diese Region gleichwohl nicht diejenige, in der sich im Regelfall die Werkstätten oder Gebrauchtwagenhändler befinden, denen der Geschädigte ohne große Bemühungen so viel Vertrauen entgegenbringen kann, dass er ihnen das verunfallte Fahrzeug bei dem Kauf eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung gibt.

bb.

Dieses hat zur Folge, dass der Kläger - hätte er das Risiko des Verkaufes gegen einen zu niedrigen Restwert vermeiden wollen - vor dem Verkauf weitere Ermittlungen hätte anstellen müssen bzw. sich mit der Beklagten zu 2) in Verbindung hätte setzen müssen (OLG Hamm aaO). Hätte er sich mit der Beklagten zu 2) in Verbindung gesetzt, dann hätte er das verunfallte Fahrzeug an die Firma Automobile K. verkaufen können. Unerheblich ist insofern, ob es sich bei diesem Angebot um ein solches aus einem Sondermarkt handelt oder nicht. Denn vor dem Hintergrund, dass dieses Angebot der Beklagten zu 2) zumindest am 04.01.2018, also dem Tag, an dem der Kläger das verunfallte Fahrzeug auch tatsächlich verkaufte, vorlag, bis zum 16.01.2018 verbindlich angegeben war und eine kostenfreie Abholung vom Standort beinhaltete, wäre dem Kläger die Annahme dieses Angebotes möglich und unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit auch zumutbar gewesen.

b.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die in dem Wiederbeschaffungswert enthaltene Mehrwertsteuer berücksichtigt wird. Denn es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass er im Zuge der Ersatzbeschaffung tatsächlich Mehrwertsteuer gezahlt hätte.

2.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung weiteren Nutzungsausfallschadens, da die Beklagte zu 2) seinen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Nutzungsausfallschadens durch die Übernahme der Mietwagenkosten bzw. die schon geleisteten Zahlungen auf den Nutzungsausfallschaden vollständig erfüllt hat.

a.

Der Kläger hatte Anspruch auf die Zahlung von Mietwagenkosten bzw. auf Ersatz des ihm entstandenen Nutzungsausfallschadens bis einschließlich zum 13.01.2018. Dieses ergibt sich daraus, dass die Wiederbeschaffungsdauer nach dem von ihm vorgelegten und von den Beklagten insofern nicht angezweifelten Gutachten 10 bis 14 Tage beträgt. Selbst dann, wenn man aber zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass ihm dieses Gutachten erst am 27.12.2017 vorlag, war mit den Zahlungen sowohl die maximale Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen abgegolten, als auch ein Zuschlag von weiteren 3 Tagen wegen der in diesem Zeitraum liegenden Sonn- und Feiertage.

b.

Der Kläger kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass er sich das Ersatzfahrzeug tatsächlich erst am 06.04.2018 gekauft hat. Denn es ist ihm nicht gelungen darzulegen und zu beweisen, dass es ihm nicht möglich gewesen ist, sich innerhalb der im Gutachten genannten Frist ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Soweit er tatsächlich länger als im Gutachten angegeben für die Anschaffung des Ersatzfahrzeugs gebraucht hat, ist dieses den Beklagten daher nicht zuzurechnen.

aa.

So stellt es einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB dar, dass der Kläger nicht bereits mit Erhalt des Gutachtens mit der intensiven Suche nach einem Ersatzfahrzeug begonnen hat, sondern damit erst ab dem 29.01.2018 begonnen hat, wie er im Rahmen seiner mündlichen Anhörung bestätigte.

bb.

Darüber hinaus ergibt sich aus seinem Vortrag, dass eine frühzeitige Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs daran gescheitert ist, dass er deutlich überzogene Anforderungen an das Ersatzfahrzeug gestellt hat. Im Rahmen der Wiederbeschaffung hat der Geschädigte lediglich Anspruch auf die Beschaffung eines mit dem beschädigten Fahrzeug wirtschaftlich gleichwertigen/vergleichbaren Fahrzeugs. Es besteht indessen kein Anspruch darauf, ein mit dem geschädigten Fahrzeug identisches Fahrzeug zu erhalten, da dieses nahezu immer unmöglich wäre.

Sogar aus den von dem Kläger vorgelegten Angeboten (Anlage K8) ergibt sich jedoch, dass ihm vor dem 06.04.2018 tatsächlich zahlreiche Fahrzeuge angeboten worden sind, die mit dem beschädigten Fahrzeug im oben ausgeführten Sinn vergleichbar waren. Insbesondere wurden ihm zahlreiche VW Passat 2.0 TDI angeboten, die wie das verunfallte Fahrzeug über ein Schiebedach, eine Anhängerkupplung und ein Navigationssystem verfügten. Wenn der Kläger einige dieser Angebote seinem Vortrag zufolge lediglich aus dem Grund abgelehnt hat, da ihm die Farbe (Expertise Nr. 2678 "iron grey metallic") nicht gefallen hat oder ihm die Reifen zu sehr abgefahren waren (Expertise Nr. 2839, Nr. 5157), hat er damit die Anforderungen an die Vergleichbarkeit deutlich überspannt.

Soweit der Kläger behauptet, ihm sei es abgesehen von diesen Ausstattungsmerkmalen entscheidend darauf angekommen, dass das Ersatzfahrzeug eine so auffällig hohe Laufleistung aufweisen würde, wie das beschädigte Fahrzeug, ist dieser Wunsch weder nachvollziehbar noch berechtigt. Denn auch der Kläger behauptet nicht, dass die ihm angebotenen Fahrzeuge aufgrund der niedrigeren Laufleistungen deutlich teurer als im Gutachten kalkuliert gewesen wären.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 300,00 € sowie auf die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 37,00 € gem. §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nicht, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.

1.

Die Klägerin hat sich aufgrund des Unfallgeschehens eine HWS-Distorsion zugezogen, wodurch sie bis zum 09.02.2018 unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im HWS-Bereich gelitten hat.

Dieses ergibt sich aus ihren nachvollziehbaren und plausiblen Angaben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung. Die Klägerin hat detailliert und ohne dass ihr eine Belastungstendenz anzumerken war geschildert, noch am Unfalltag bemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmen würde und sich deshalb abends in ein Krankenhaus begeben zu haben. Im Anschluss an die erste Krankschreibung habe sie zunächst versucht, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, was ihr jedoch nur beschwerlich und insbesondere nur durch die Einnahme von Schmerzmitteln möglich gewesen sei. Daher habe sie sich dann erneut einem Hausarzt vorgestellt und sei erneut krankgeschrieben worden. Zudem habe sie die verordnete manuelle Therapie durchgeführt. Ihre Angaben werden dadurch bestätigt, dass sie sich tatsächlich noch am Unfalltag in einem Krankenhaus vorgestellt und im Anschluss einen Hausarzt aufgesucht hat, und dass sowohl seitens des Krankenhauses als auch seitens des Hausarztes eine HWS-Distorsion diagnostiziert wurde. Zwar findet sich in dem Bericht des Krankenhauses vom 16.04.2018 (Anlage K9) als Diagnose lediglich der "Verdacht auf Halswirbelsäulendistorsion". In dem Bericht vom 15.12.2017 (ebenfalls Anlage K9) wurde jedoch auch seitens des Krankenhauses die Diagnose "Schleudertrauma HWS" gestellt. Auch der Hausarzt stütze seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 18.12.17 bis 29.12.17 auf die Diagnose "Schleudertrauma beidseitig" (Anlage K13). Vor dem Hintergrund, dass der VW Passat nicht nur den seitlichen Aufprall mit dem anderen Fahrzeug, sondern auch den Aufprall vorne rechts mit dem Straßenschild erlitt, ist eine solche Verletzungsfolge auch nachvollziehbar. Dass auch die Beklagte zu 2) keine Zweifel daran hatte, dass sich die Klägerin eine HWS-Distorsion durch den Unfall zugezogen hat, ergibt sich daraus, dass sie ihr vorgerichtlich vorbehaltlos 500,00 € Schmerzensgeld gezahlt hat und nur die Dauer der Beeinträchtigungen über dem 29.12.2017 hinaus in Zweifel gezogen hat. Angesichts der plausiblen und lebensnahen Schilderung der Klägerin, welche durch die ärztliche Stellungnahme vom 03.10.2018 (Anlage K 20, Bl. 90 f. GA) sowie die korrespondierenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum 16.1.18 bis 09.02.18 (Anlagen K13) und die Heilmittelverordnung vom 16.01.2018 (Anlage K12) bestätigt werden, bestehen keine Zweifel daran, dass die Folgen der HWS-Distorsion tatsächlich erst mit Ablauf der zweiten Krankschreibung abgeklungen waren. Denn es ist nicht ersichtlich, dass in der Zwischenzeit ein weiteres Ereignis eingetreten wäre, welches die Beschwerden hervorgerufen hätte. Auch hat die Klägerin im Rahmen ihren mündlichen Anhörung glaubhaft versichert, zuvor nie über Beschwerden im Halswirbelbereich gelitten zu haben, sondern lediglich über Rückenschmerzen.

Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin fast zwei Monate lang unter den Folgen der HWS-Distorsion zu leiden hatte und zur Linderung der Folgen die manuelle Therapie durchführen musste, erscheint insgesamt die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 800,00 € als erforderlich und angemessen, so dass angesichts der bereits gezahlten 500,00 € ein Anspruch auf Zahlung weiterer 300,00 € besteht. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht angesichts der von der Klägerin nachvollziehbar geschilderten Beeinträchtigungen hingegen nicht, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.

2.

Die Klägerin hat Anspruch auf die Erstattung der von ihr für die manuelle Therapie entstandenen Kosten in Höhe von 22,00 € sowie auf die Erstattung der ihr unfallbedingt entstandenen Attest-Kosten in Höhe von 15,00 €. Dass die Klägerin 22,00 € Zuzahlung wegen der manuellen Therapie zahlen musste, ist unstreitig und ergibt sich zudem aus der Anlage K14. Auch dass die Klägerin für die ärztliche Stellungnahme vom 03.10.2018 (Anlage K 20, Bl. 90 f. GA) 15,00 € zahlen musste ist unstreitig und ergibt sich zudem aus der Anlage K21 (Bl. 94 GA). Sowohl die Attest-Kosten als auch die Zuzahlung zu der Heilbehandlung sind auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen. Insofern wird auf die oben gemachten Ausführungen Bezug genommen.

III.

Der Kläger hat mangels Hauptanspruches keinen Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

IV.

Die Klägerin hat Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 300,00 € seit dem 25.04.2018, aus 22,00 € seit dem 08.03.2018 und aus 15,00 € seit dem 24.10.2018 gem. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB bzw. gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte zu 2) hat unstreitig auf die ihr mit Schreiben vom 10.04.2018 gesetzte und mit Schreiben vom 17.04.2018 bekräftigte Fristsetzung zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes an die Klägerin keine Zahlungen geleistet, so dass sich die Beklagten seit dem 25.04.2018 in Zahlungsverzug befunden haben.

Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 21.02.2018 (Anlage K15) vergeblich dazu auf, die Heilbehandlungskosten bis zum 07.03.2018 zu zahlen, so dass sich die Beklagten seit dem 08.03.2018 mit der Zahlung in Verzug befunden haben.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Attest-Kosten ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klageerweiterung wurde den Beklagten am 23.10.2018 zugestellt.

V.

Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf die Freistellung von weiteren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Teil des unfallbedingten Schadens gem. §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG.

Denn die Beklagte zu 2) hat den Anspruch der Kläger auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bereits vollständig erfüllt. Der bereits geleistete Betrag berechnete sich nach einem Gegenstandswert in Höhe von 7.429,61 € (= 525,00 € für die Klägerin + 6.904,61 € für den Kläger) unter Zugrundelegung einer 1,6 Gebühr. Soweit die Klägerin tatsächlich einen weiteren Anspruch auf Zahlung von insgesamt 337,00 € hatte, führt diese Erhöhung des Gegenstandswertes nicht zu einem Gebührensprung und damit nicht zu höheren Anwaltskosten.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

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