LG Köln, Urteil vom 15.10.2019 - 16 O 233/18
Fundstelle
openJur 2021, 6121
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gegenüber dem beklagten Land Rückzahlungsansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend.

Die I Restaurant GmbH [im Folgenden: Schuldnerin] wurde am 30.09.2013 gegründet und am 16.10.2013 in das Handelsregister eingetragen. Sie hatte das Betreiben von Restaurants, das Erbringen von gastronomischen Dienstleistungen aller Art und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte zum Gegenstand. Geschäftsführer war Herr I1 , der auch Geschäftsführer der wegen Vermögenslosigkeit gelöschten H2 GmbH war, die wiederum Komplementär-Gesellschaft mehrerer insolventer Gesellschaften war. Mit Beschluss vom 01.04.2015 (Anlage K1, Bl. 9 GA) eröffnete das Amtsgericht Köln das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dem gingen ein am 13.12.2014 beim Amtsgericht eingegangener Fremdantrag des beklagten Landes vom 10.12.2014 (Anlage K5, Bl. 29 ff. GA) und ein am 19.01.2015 eingegangener Eigenantrag voraus.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Rückforderung folgender Zahlungen geltend, wobei zwischen den Parteien im Streit steht, ob diese hinsichtlich einer Zahlung überhaupt und im Übrigen durch die Schuldnerin erfolgten:

Datum

Betrag

Kontoauszug in Anlage K2

21.05.2014

5.000 Euro

Bl. 24 GA

23.05.2014

5.000 Euro

Bl. 22 GA

27.05.2014

2.500 Euro

Bl. 21 GA

02.06.2014

2.000 Euro

Bl. 15 GA

14.500 Euro

Die o.g. Beträge wurden vom Konto der Schuldnerin auf Privatkonten des Geschäftsführers I1 gezahlt, der diese mit Ausnahme der Zahlung vom 21.05.2014 wiederum an das G weiterleitete. Als Verwendungszweck gab er die Steuernummer der Schuldnerin an.

Der Kläger legt als Anlage K2, Bl. 13 ff. GA Kontoauszüge des bei der Sparkasse KölnBonn geführten Geschäftskontos mit der Nr. ... vor, in welchen die Schuldnerin als Kontoinhaberin benannt ist. Sämtliche o.g. Zahlungen trugen als Verwendungszweck die Steuernummer der Schuldnerin, nämlich ... Buchhalterisch wurden die Zahlungen bei der Schuldnerin in dem Konto Nr. ... ("Umsatzsteuer laufendes Jahr") als "aconto"-Zahlungen erfasst (Anlage K3, Bl. 25 GA). Auch im Verwendungszweck der Zahlung vom 21.05.2014 findet sich auf dem Kontoauszug der Begriff "A conto".

Am 25.03.2014 erließ das G eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Höhe von 17.029,42 Euro gegenüber der Sparkasse KölnBonn als Drittschuldnerin (Anlage K4, Bl. 26 ff. GA). Ausweislich der beigefügten Rückstandsaufstellung ergibt sich, dass die Umsatzsteuer für Oktober 2013 in Höhe von 9.501,68 Euro, fällig zum 08.01.2014 und die Umsatzsteuer für November 2013 in Höhe von 6.991,24 Euro, fällig zum 10.01.2014, rückständig waren. Der Restbetrag entfällt auf Säumniszuschläge und Gebühren. Der Buchhaltung der Schuldnerin zufolge hatte sie auf ihre Umsatzsteuerschuld im Jahre 2014 lediglich zwei Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 1.500 Euro am 05.02.2014 und am 21.02.2014 (Anlage K3, Bl. 25 GA) erbracht.

In dem Insolvenzantrag des beklagten Landes vom 10.12.2014 (Anlage K5, Bl. 29 ff. GA) führte dieses aus, dass die angemeldeten Lohn- und Umsatzsteuerbeträge schon ab Beginn der gewerblichen Tätigkeit hätten angemahnt werden müssen. Ab März 2014 seien die Zahlungen sehr unregelmäßig erfolgt, so dass fortlaufend Vollstreckungsmaßnahmen hätten durchgeführt werden müssen. Die ausgebrachte Kontenpfändung bei der Sparkasse KölnBonn habe nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Das betriebliche Konto sei bereits vor Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung am 26.03.2014 gekündet worden und habe nur noch im Abwicklungsverhältnis bestanden. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durch den Vollziehungsbeamten des G vom 27.05.2014 sei fruchtlos erfolgt. Die dem Insolvenzantrag beigefügte Rückstandaufstellung weist unter den lfd. Nummern 30 bis 33 Umsatzsteuerschulden für die Monate Dezember 2013 bis März 2014, welche jeweils zum 10. des übernächsten Monats fällig wurden, in folgender Höhe auf:

fällig zum

Schuldbetrag

Dez 2013

10.02.2014

10.740,46 Euro

Jan 2014

10.03.2014

3.416,13 Euro

Feb 2014

10.04.2014

2.651,00 Euro

März 2014

12.05.2014

5.889,85 Euro

GESAMT

22.697,44 Euro

Unter der lfd. Nummer 41 der Rückstandsaufstellung findet sich ferner eine am 10.02.2014 fällig werdende Sondervorauszahlung 2014 in Höhe von 9.977 Euro.

Am 28.02.2014 kam es mangels Deckung des o.g. Geschäftskontos der Schuldnerin zu sechs Rücklastschriften (vgl. das als Anlage K6, Bl. 35 GA vorgelegte Buchhaltungskonto Nr. ...# "Nebenkosten des Geldverkehrs"). Aus den berechneten Benachrichtigungsentgelten ist ersichtlich, dass es am 27.03.2014, am 31.03.2014, am 30.04.2014, am 05.05.2014 (5 Stück), am 26.05.2014 und am 30.05.2014 zu nicht eingelösten Lastschriften und/oder Schecks gekommen war. Aus dem Konto ist ferner ein Mahngebühr vom 23.04.2014 und eine Rücklastgebühr am 25.04.2014 ersichtlich.

Aus einem Kontoauszug des Geschäftskontos der Schuldnerin (Anlage K7, Bl. 41 GA) ergibt sich, dass am 24.03.2014 auf eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung der IKK classic 7.099,57 Euro gezahlt wurden.

Das Beitragskonto der B (Anlage K8, Bl. 42 GA) weist erstmals zum 19.12.2013 und 06.01.2014 fällige "Mahn-/Vollstreckungskosten" sowie zum 27.12.2013 fällig werdende Säumniszuschläge auf. Auf die Beiträge für Oktober 2013 bis Februar 2014 in Höhe von monatlich 2.786,96 Euro, also für 5 Monate insgesamt 13.3934,80 Euro, leistete die Schuldnerin am 19.12.2013 2.786,96 Euro und am 25.02.2014 eine Abschlagszahlung. Am 21.03.2014 finden sich auf dem Konto der B Rücklastschriftkosten in Höhe von 7,50 Euro.

Aus dem Beitragskonto der C (Anlage K9, Bl. 46 ff. GA) ist ersichtlich, dass die Schuldnerin die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.792,44 Euro und 1.722,44 Euro für Januar und Februar 2014 erst am 17.06.2014 leistete. Säumniszuschläge wurden regelmäßig ab dem 05.02.2014 erhoben und gebucht.

Aus dem Beitragskonto der N (Anlage K10, Bl. 54 GA) ist ersichtlich, dass Säumniszuschläge ab dem 30.10.2013 erhoben wurden und die Schuldnerin am 24.12.2013 erstmalig einen Betrag in Höhe von 2.543,69 Euro leistete, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits 7.631,07 Euro fällig waren. Danach überwies die Schuldnerin erst wieder am 22.04.2014 eine Abschlagszahlung in Höhe von 1.000 Euro auf einen aufgelaufenen Betrag von 14.307,77 Euro.

Am 09.05.2016 (Anlage KE2, Bl. 104 ff. GA) erließ das G einen Haftungsbescheid gegenüber Herrn I1 für die Steuerschuld der I Restaurant GmbH in Höhe von 141.256,52 Euro. Aus diesem ergibt sich, dass die Schuldnerin bis dato folgende Steuerrückstände hatte: Lohnsteuer April bis Dezember 2014, Umsatzsteuer 2013, Umsatzsteuer für Januar bis Oktober 2014.

Mit Schreiben vom 05.03.2018 (Anlage K11, Bl. 55 GA) forderte der Kläger das G unter Fristsetzung bis zum 23.03.2018 zur Rückzahlung von 17.500 Euro auf. Das G kündigte lediglich die Rückerstattung einer Bareinzahlung in Höhe von 2.000 Euro vom 25.11.2014 an. Sämtliche Zahlungen seien an das beklagte Land erfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Zahlungen seien nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. In den streitgegenständlichen Zahlungen lägen Rechtshandlungen der Schuldnerin. Die Zahlungen seien unzweifelhaft dem Vermögen der Schuldnerin zuzuordnen.

Die Schuldnerin habe sich bereits seit Anfang 2014, jedenfalls am 20.05.2014 in einer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr überwundenen wirtschaftlichen Krise befunden. Spätestens zum 25.03.2014 sei von einer Zahlungseinstellung auszugehen. Die aus der Rückstandsaufstellung (Bl. 31 GA) ersichtlichen Steuerschulden seien bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen worden. Das beklagte Land habe Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin aufgrund der schleppenden Zahlungsweise gehabt.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 14.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2018, hilfsweise ab dem 30.03.2018, äußerst hilfsweise ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land behauptet, Zahlungseingänge seien nur am 28.05.2014 über 5.000 Euro, am 29.05.2014 über 2.500 Euro und am 05.06.2014 über 2.000 Euro festzustellen. Ein weiterer Zahlungseingang in Höhe von 5.000 Euro sei nicht festzustellen. Es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung, weil es sich um eine nicht anfechtbare Drittzahlung auf die Haftungsverbindlichkeit des Geschäftsführers handele.

Zudem sei die Zahlungsunfähigkeit nicht dargelegt. Die Vorlage einer Liquiditätsbilanz sei nicht entbehrlich. Eine Zahlungseinstellung sei nicht in einer Gesamtschau festzustellen. Die fälligen Steuerverbindlichkeiten der Schuldnerin seien gezahlt worden. Schließlich fehle es am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Der Geschäftsführer habe erwartet und gewünscht, dass eine solche nicht eintrete. Auch das G sei davon ausgegangen, dass sich die Schuldnerin von einer "anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willensrichtung" habe leiten lassen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger steht gegenüber dem beklagten Land der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1, 129 InsO a.F.

Anwendbar ist § 133 Abs. 1 InsO a.F. Die neuen Regelungen des Reformgesetzes finden erst auf alle Insolvenzverfahren Anwendung, die nach dem 04.04.2017 eröffnet worden sind (Art. 103j Abs. 1 EGInsO). Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren bereits am 01.04.2015 eröffnet.

Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Der Kläger ist dafür beweisfällig geblieben, dass die streitgegenständliche Zahlung vom 21.05.2014 beim G eingegangen ist.

In den übrigen durch den Kläger angefochtenen Zahlungen liegen keine Rechtshandlungen der Schuldnerin. Der Geschäftsführer I1 leistete aus dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont des beklagten Landes nicht als Leistungsmittler auf eine Steuerschuld der Schuldnerin, sondern auf dessen eigene Haftungsverbindlichkeit.

Von den Fällen, in denen der Zahlende als Leistungsmittler auf Grund einer Verpflichtung gegenüber seinem Gläubiger (dieser im Folgenden als Schuldner bezeichnet) an den Dritten leistet, müssen die Fälle abgegrenzt werden, in denen der Leistungsmittler auf Grund einer eigenen Verpflichtung heraus an den Leistungsempfänger leistet (Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 129 Rz 325 ff.). Eine Zahlung des "Leistungsmittlers" hat in diesen Fällen Doppelwirkung zu Gunsten des Schuldners als auch des Leistungsempfängers. Doppelte Leistungsverpflichtungen entstehen insbesondere bei Bürgschaften oder Schuldbeitritten, bei einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter oder durch die Haftung gem. § 73 AO im Fall einer umsatzsteuerlichen Organschaft sowie in Gesamtschuldverhältnissen (BGH 19.1.2012 IX ZR 2/11 Tz 16 Z 192, 221 = NJW 2012, 1585 = NZI 2012, 177 = ZInsO 2012, 264 = ZIP 2012, 280).

Im Grundsatz gilt: Erfüllt der Dritte aus eigenem Vermögen eine eigene Verpflichtung, ist eine solche Leistung in der Insolvenz des "ursprünglichen Schuldners" unanfechtbar (BGH 21.6.2012 IX ZR 59/11 Tz 6 ZIP 2012, 1468; Henkel ZInsO 2012, 774, 778). In diesen Fällen liegt keine mittelbare Zuwendung des Schuldners, sondern eine Eigenleistung des Dritten vor (BGH 19.1.2012 IX ZR 2/11 Tz 19 Z 192, 221 = NJW 2012, 1585 = NZI 2012, 177 = ZInsO 2012, 264 = ZIP 2012, 280; BGH 3.4.2014 IX ZR 201/13 Tz 26 ZInsO 2014, 1004 = ZIP 2014, 1032; BGH 15.9.2014 II ZR 442/13 Tz 22 ZInsO 2015, 1216; BGH 28.1.2016 IX ZR 185/13 Tz 11 NZI 2016, 262 = ZIP 2016, 426 = ZInsO 2016, 444; zum alten Recht BGH 24.9.1962 VIII ZR 18/62 Z 38, 44, 46f = WM 1962, 1240; MK/Kayser § 129 Rn 49a; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, 2010, S. 330). Erfüllt der Dritte hingegen trotz Eigenverpflichtung die Verbindlichkeit seines Gläubigers und späteren Insolvenzschuldners, liegt eine anfechtbare Leistung vor. Entscheidend ist daher, ob der Dritte auf die eigene oder die fremde Verbindlichkeit geleistet hat.

Entsprechend dem im Bereicherungsrecht entwickelten Grundsatz zur Bestimmung der Leistungsbeziehungen ist das Verständnis des Empfängers für die Frage maßgeblich, ob eine Eigenleistung des Zahlenden oder eine mittelbare Zuwendung des Schuldners vorliegt (BGH 19.1.2012 IX ZR 2/11 Tz 19 Z 192, 221 = NJW 2012, 1585 = NZI 2012, 177 = ZInsO 2012, 264 = ZIP 2012, 280; BGH 21.6.2012 IX ZR 59/11 Tz 6 ZIP 2012, 1468; zum alten Recht BGH 16.9.1999 IX ZR 204/98 Z 142, 284 = NZI 1999, 1764 = ZInsO 1999, 640; BGH 9.10.2008 IX ZR 59/07 NZI 2008, 733 = ZInsO 2008, 733; siehe auch Palandt/Sprau § 812 Rn 14 sowie Kruth NZI 2012, 177, 182). Von einer Eigenleistung muss der Empfänger jedenfalls dann ausgehen, wenn der Dritte ausdrücklich oder konkludent eine Tilgungsbestimmung auf seine eigene Verbindlichkeit abgibt. Umgekehrt liegt eine Zahlung auf die Verbindlichkeit des "ursprünglichen Schuldners" vor, wenn der Empfänger dies auf Grund ausdrücklicher oder konkludenter Erklärungen so verstehen musste (BGH 21.6.2012 IX ZR 59/11 Tz 6 ZIP 2012, 1468). Allerdings spricht einiges dafür, dass auch eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung die Annahme einer Eigenleistung des Zahlenden jedenfalls dann nicht ausschließt, wenn dadurch die Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters des Zahlenden eingeschränkt würden, ohne dass dies auf Grund einer besonderen Schutzwürdigkeit des Empfängers gerechtfertigt wäre (vgl. bspw. BGH 9.10.2008 IX ZR 59/07 ZIP 2008, 2183 = NJW 2008, 3780 = ZInsO 2008, 1202 = NZI 2008, 733).

Fehlt es an einer ausdrücklichen oder konkludenten Tilgungsbestimmung, ist in der Regel von einer Eigenleistung und nicht von einer mittelbaren Zuwendung des Zahlenden auszugehen (BGH 19.1.2012 IX ZR 2/11 Tz 20, 31 Z 192, 221 = NJW 2012, 1585 = NZI 2012, 177 = ZInsO 2012, 264 = ZIP 2012, 280 [anders aber für die Zuordnung bei steuerlichem Haftungsanspruch ebda. Tz 19]; zustimmend Bitter/Herwig WuB VI A § 130 InsO 1.12; enger aber BGH 21.6.2012 IX ZR 59/11 Tz 6 ZIP 2012, 1468; krit. Kruth NZI 2012, 177, 182). Denn zum einen wird es bei einer eigenen Verpflichtung des Zahlenden regelmäßig an einer Veranlassung der Zahlung durch den Schuldner als Voraussetzung einer mittelbaren Zuwendung fehlen (BGH 8.12.2005 IX ZR 182/01 NZI 2006, 290 = ZInsO 2006, 94; BGH 19.1.2012 IX ZR 2/11 Tz 20, 31 Z 192, 221 = NJW 2012, 1585 = NZI 2012, 177 = ZInsO 2012, 264 = ZIP 2012, 280; dazu oben Rn 265 ff). Bestand für den Empfänger kein Anlass anzunehmen, dass der Dritte eine Fremdleistung erbringen wollte, wird es zum anderen häufig an der Erkennbarkeit der Zuwendung als Leistung des Schuldners fehlen (BGH 19.1.2012 IX ZR 2/11 Tz 31 Z 192, 221 = NJW 2012, 1585 = NZI 2012, 177 = ZInsO 2012, 264 = ZIP 2012, 280; dazu oben Rn 267).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe musste und durfte das beklagte Land aus seinem Blickwinkel davon ausgehen, dass der Geschäftsführer I1 mit den streitgegenständlichen Zahlungen auf seine aus §§ 191, 69, 34 AO folgende Haftungsschuld leistete. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Haftungsbescheid zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen war. Ein Haftungsanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft; der Haftungsbescheid konkretisiert lediglich den bereits entstandenen Haftungsanspruch und bildet die Grundlage für die Verwirklichung dieses Anspruchs. Der Haftungsbescheid hat demnach ebenso wie der Steuerbescheid keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung (BGH, Urteil vom 19.01.2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221). Die Haftungsschuld des Geschäftsführers I1 war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen bereits entstanden, da die Voraussetzungen der §§ 34, 69 AO gegeben waren. Danach haftet der Geschäftsführer einer Gesellschaft für die Steuerschuld derselben, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Schuldnerin hatte ausweislich der Rückstandsaufstellung vom 10.12.2014 (Bl. 31 GA) im Mai 2014 Umsatzsteuerschulden in Höhe der hier streitgegenständlichen Zahlungen.

Auch aufgrund der im Rahmen der Überweisung angegebenen Steuernummer musste das G nicht darauf schließen, dass der Geschäftsführer auf eine Steuerverbindlichkeit der Schuldnerin leisten wollte. Denn der später erlassene Haftungsbescheid trägt die Steuernummer der Schuldnerin, obwohl es sich um eine eigene Verbindlichkeit des Geschäftsführers handelt.

Soweit aus objektivem Blickwinkel durchaus nachvollziehbar ist, dass die Zahlungen letztlich aus dem Vermögen der Schuldnerin stammen, kommt es nicht auf diesen objektiven Blickwinkel, sondern auf den Empfängerhorizont an. Dies steht im Einklang mit der Intention der Vorschrift des § 133 Abs. 1 InsO, wonach die Anfechtbarkeit gerade die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners voraussetzt. Eine solche Kenntnis setzt zwingend voraus, dass für den Anfechtungsgegner überhaupt erkennbar wird, dass die Zahlungen aus dem Vermögen des Schuldners stammen.

Mangels Bestehen eines Hauptanspruchs besteht kein Zinsanspruch.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 14.500 Euro