VG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2020 - 8 K 507/20.F
Fundstelle
openJur 2021, 5964
  • Rkr:

Besteht hinsichtlich eines Mehrfamilienhauses im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung ein sogenannter "Substandard", besteht ein Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 BauGB für Modernisierungsmaßnahmen nur insoweit, als eine geplante Modernisierungsmaßnahme diesen "Substandard" tatsächlich behebt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Anbringung eines Außenaufzugs am Bestandsgebäude des Klägers genehmigungsfähig ist.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks F xxx in A-Stadt (Gemarkung G, H xx (xxx), Flur xxx Flurstück xxx/xx), welches im Geltungsbereich der am 13.9.2005 in Kraft getretenen Erhaltungssatzung E 9 - Östliches G-Viertel (Milieuschutzsatzung) liegt. Auf dem Grundstück befindet sich ein fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus mit Spitzboden (Gebäudeklasse 5). Die Wohnungen im Erdgeschoss sowie im 1., 2. und 3. Obergeschoss sind vermietet; der Spitzboden wird durch den Kläger zu Wohnzwecken ausgebaut. Diese Wohnung will der Kläger selbst bewohnen.

Am 2.7.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Genehmigung zur Errichtung eines Außenaufzugs mit Außentreppe sowie innere Umbauten im EG an seinem Mehrfamilienhaus. Der beantragte Außenaufzug soll dem Antrag entsprechend eine Kabinengröße von 0,60 m x 0,70 m aufweisen. Begründet wurde die bauliche Maßnahme damit, dass durch einen Aufzug altersgerechtes Wohnen ermöglicht werde. Gleichzeitig wurden Abweichungen von § 45 Abs. 5 Hessische Bauordnung (HBO) beantragt, da der geplante Aufzug keine Rollstühle und Krankentragen befördern könne und das Kellergeschoss mit dem Aufzug nicht zu erreichen sei. Die Abweichung wurde damit begründet, dass die baulichen Gegebenheiten einen Aufzug gemäß § 42 Abs. 5 HBO nicht zuließen und eine Erreichbarkeit des Kellergeschosses einen sehr großen baulichen Aufwand erfordere.

Dieser Antrag wurde, nach erfolgter Anhörung, mit Bescheid vom 1.8.2019 abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Bauvorhaben sei nicht genehmigungsfähig, da der Aufzug, anders als für Gebäude der Gebäudeklasse 5 gesetzlich vorgesehen, nicht zur Beförderung von Rollstühlen und Krankentragen geeignet sei. Hierfür sei eine Grundfläche des Aufzugs von 1,10 m x 2,10 m erforderlich. Da der beantragte Aufzug diese Vorgaben nicht erfülle, stehe einer Genehmigung die Erhaltungssatzung E 9 entgegen.

Hiergegen erhob der Kläger am 27.8.2019 Widerspruch, welchen er damit begründete, dass sich der geltend gemachte Anspruch aus § 74 Abs. 1 Hessische Bauordnung (HBO) in Verbindung mit § 172 Abs. 4 S. 1 und 3 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) ergebe. Demnach enthalte § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB einen speziellen Genehmigungsanspruch und eine Baugenehmigung sei zu erteilen, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene. Bauordnungsrechtliche Mindestanforderungen würden den entsprechenden zeitgenössischen Ausstattungszustand vorgeben. Zweck dieser Regelungen sei es, städtebauliche Substandards von der Wirkung einer Erhaltungssatzung auszunehmen. Im vorliegenden Fall bestehe folglich ein Genehmigungsanspruch, da ein Aufzug an Gebäuden mit der Höhe von mehr als 13 Metern im Sinne von § 2 Abs. 4 S. 2 HBO gemäß § 42 Abs. 5 S. 1 HBO mit einer ausreichenden Anzahl an Fahrstühlen ausgestattet sein müsse, wobei gemäß § 42 Abs. 5 S. 2 HBO diese Aufzüge zur Aufnahme von Rollstühlen geeignet sein und Haltestellen in allen Geschossen haben müssten. Gemäß § 42 Abs. 5 S. 3 HBO müsse darüber hinaus mindestens einer dieser Aufzüge Krankentragen und Lasten aufnehmen können. Dass der beantragte Aufzug keine Krankentrage befördern könne, sei hier unerheblich, da dies nur im Falle der Neuerrichtung von Bauten Voraussetzung sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2020 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Begründet wurde die Zurückweisung damit, dass eine solch kostenaufwendige und mietumlagefähige Wertverbesserung den Zielen der Erhaltungssatzung E 9, namentlich der Erhalt der gegenwärtigen Struktur der ortsansässigen Bevölkerung. Von dem Vorhaben gehe auch eine negative Vorbildwirkung aus, die nicht hingenommen werden könne. Auch liege kein Ausnahmetatbestand - insbesondere nicht nach § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB - vor, da das beantragte Vorhaben nicht der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen diene. Davon könne nur dann ausgegangen werden, wenn durch das beantragte Vorhaben bauordnungsrechtswidrige Zustände beseitigt würden. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Bezögen sich § 42 Abs. 5 und 6 HBO lediglich auf Neubauten, läge bereits kein bauordnungsrechtswidriger Zustand vor, welcher gemäß § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB zu beseitigen wäre. Wären sie auch im vorliegenden Fall anwendbar, wäre das Vorhaben dennoch nicht genehmigungsfähig, da das beantragte Vorhaben nicht den Voraussetzungen des § 42 Abs. 5 und 6 HBO entspräche.

Das Vorhaben sei letztlich auch nicht genehmigungsfähig, weil es als ein Schritt in die richtige Richtung zu verstehen sei.

Der Kläger hat am 26.2.2020 Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erhoben.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, es könne keine negative Vorbildfunktion entstehen, da es sich bei einem bewusst klein gehaltenen Aufzug nicht um eine kostenaufwendige Wertverbesserung handele. Das Vorhaben sei gerade dazu geeignet, es den älter werdenden Bestandsmietern zu ermöglichen, weiterhin in ihren Wohnungen zu leben. Er ist der Auffassung, dass dies der Zweck des Ausnahmetatbestands des § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB sei. Zur Stützung seines Sachvortrags beruft sich der Kläger auf die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.05.2012 - 10 B 9.11, juris)

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 05.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2020 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung für das Vorhaben "Errichtung eines Außenaufzugs mit Außentreppe sowie innere Umbauten im EG an ein Mehrfamilienhaus" vom 05.07.2019 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft im gerichtlichen Verfahren ihren in den angefochtenen Bescheiden bereits dargelegten Rechtsstandpunkt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter anstelle der Kammer im schriftlichen Verfahren (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 5.7.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2020 erweist sich als rechtmäßig und verletzt daher den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf den von ihm begehrten Verwaltungsakt (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage die Erteilung der begehrten Baugenehmigung ist § 72 Abs. 1 Halbsatz 1 HBO -. Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem beantragten Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, welche im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Bei dem Vorhaben handelt es sich zunächst um ein genehmigungspflichtiges Vorhaben.

Die Genehmigungspflicht ergibt sich aus § 62 Abs. 1 HBO. Das Vorhaben stellt weder ein nach § 63 i. V. m. der Anlage zur HBO genehmigungsfreies, noch ein nach Maßgabe von § 63 Abs. 1 HBO von der Genehmigungspflicht freigestelltes Vorhaben dar. Insbesondere liegt es nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern ist als Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach Maßgabe von § 34 Baugesetzbuch - BauGB - bauplanungsrechtlich zu beurteilen. Gründe, die gegen ein Einfügen des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB sprechen liegen indes nicht vor und werden auch seitens der Beklagten aus Ablehnungsgrund nicht geltend gemacht. Darüber hinaus liegt das Vorhaben jedoch im Geltungsbereich der Erhaltungssatzung E 9. Da es sich im vorliegenden Fall um eine Änderung einer baulichen Anlage im Sinne von § 172 Abs. 1 S. 1 BauGB handelt, besteht auch eine besondere Genehmigungspflicht aufgrund dieser Vorschrift. Der Zulässigkeit des Vorhabens i. S. d. § 72 Abs. 1 HBO steht entgegen, dass ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer solchen Genehmigung aufgrund von § 172 Abs. 3 BauGB entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht besteht.

Gemäß § 2 E 9 dient die Erhaltungssatzung dem Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (§ 172 Abs. 1 S.1 Nr. 2 BauGB). Der Prüfungsmaßstab für die Genehmigungsfähigkeit des streitgegenständlichen Bauantrags ergibt sich somit aus § 172 Abs. 4 BauGB. Demnach darf die Genehmigung eines Bauvorhabens versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Sie ist gemäß § 172 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 BauGB zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist.

Wie die Beklagte zutreffend geltend macht, stellt die Neuerrichtung eines Aufzuges im Haus des Klägers eine mietumlagefähige Wertsteigerung dar, welche jedenfalls im Rahmen der Neuvermietung und einer entsprechenden Mietanpassung geeignet ist, die aktuell dort ansässige Bevölkerung zu verdrängen. Hierbei ist abstrakt auf die in der Begründung zur Erhaltungssatzung E9 unter Punkt B (Sozialstrukturelle Situation) Kategorie "Berufsgruppen, Einkommensverhältnisse und Mieten" aufgeführte Bevölkerungsgruppe (unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse) und nicht auf die aktuellen Bewohner der Wohnungen abzustellen (Battis/Kreuzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage, § 172, Rn. 13). Das Tatbestandsmerkmal der Verdrängung ist dabei auch mit Blick auf die nahe und mittlere Zukunft auszulegen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 172 Abs. 4 S. 2 BauGB, welcher eine Genehmigung nur unter Berücksichtigung der Belange des Allgemeinwohls zulässt.

Soweit der Kläger geltend macht, durch die Maßnahme werde den aktuellen und zukünftigen Bewohnern des Hauses sowie ihm selbst ein altersgerechtes Wohnen ermöglicht, verkennt er den Regelungszweck des § 172 Abs. 4 BauGB. Dieser dient nicht der Sicherung der Wohnnutzung für aktuelle Bewohner oder auch generell (zukünftiger) Bewohner des jeweiligen Gebäudes, sondern dem Schutz der Wohnbevölkerung in einem Wohngebiet als solche.

Durch die Genehmigung eines Aufzugs entstünde ein negatives Vorbild, welches dazu führen könnte, dass weitere gleichartige Bauvorhaben beantragt würden und genehmigt werden müssten. Eine solche einmal in Gang gesetzte Entwicklung würde dazu führen, dass das gesamte Gebiet aufgewertet und für zahlungskräftigere Mieter attraktiv gemacht würde. Die angestammte Bevölkerung könnte sich in absehbarer Zeit die zu erwartenden steigenden Mieten nicht mehr leisten und würde verdrängt.

Hinsichtlich der Einschätzung, welche Vorhaben eine negative Vorbildwirkung haben und in wie weit dies eine Gefahr für die Ziele der Erhaltungssatzung darstellen, ist der Beklagten ein Ermessen eingeräumt (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG); vgl. Urteil vom 30.06.2004 - 4 C 1.03 in NVwZ-RR 2005, 383, 386; Urteil vom 18.06.1997 - 4 C 2.97 in NVwZ 1998, 503, 504).

Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Genehmigung auf Grundlage der Erhaltungssatzung ergibt sich nicht aus § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB. Diese Vorschrift bestimmt, dass eine Genehmigung im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung zu erteilen ist, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, Modernisierungsmaßnahmen, die über bloße Instandhaltung hinausgehen, zu ermöglichen, wenn dadurch ein Substandard beseitigt wird. Eine Erhaltungssatzung soll somit nicht dazu dienen in einem Bereich, der durch Substandards geprägt ist, diese festzuschreiben. Ausnahmsweise nimmt der Gesetzgeber in derartigen Fällen eine Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung hin.

Hinsichtlich der Ausstattung des Gebäudes des Klägers liegt ein entsprechender Substandard vor. Unzweifelhaft ist bei der Frage, ob ein Substandard vorliegt, nicht allein auf die tatsächlichen Gegebenheiten des Geltungsbereiches abzustellen. Diese müssen im Hinblick auf den Standard, den das Bauordnungsrecht setzt, gesehen werden, da andernfalls die durchschnittlichen Wohnverhältnisse in einem konkreten Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung gerade unter dem Standard festgeschrieben würden, den der Gesetzgeber jeweils aktuell allgemein verlangt (vgl. BVerwG Beschluss vom 17.12.2004 - 4 B 85.04, juris Rn. 10; Ernst/Zinkhan/Bielenberg, Baugesetzbuch, 138. EL, § 172 Rn. 187 m. W. N.). Den bauordnungsrechtlichen Standard setzt § 42 Abs. 5 S. 1 HBO. Die Regelung sieht für Gebäude mit einer Höhe von mehr als 13 Metern vor, dass diese Aufzüge in ausreichender Zahl haben müssen.

Der Genehmigungsfähigkeit des hier beantragten Aufzugs steht jedoch entgegen, dass er nicht geeignet ist, den festgestellten Substandard zu beseitigen, da er die bauordnungsrechtlichen Vorgaben nicht erfüllt. Gemäß § 42 Abs. 5 S. 2 und 3 HBO müssen entsprechende Aufzüge nämlich zur Aufnahme von Rollstühlen geeignet sein und Haltestellen in allen Geschossen aufweisen, wobei mindestens ein Aufzug im Gebäude zusätzlich eine Krankentrage und Lasten aufnehmen können und von der öffentlichen Verkehrsfläche aus erreichbar sein muss. § 42 Abs. 6 HBO legt entsprechende Maße für die Aufnahme von Krankentragen fest. Unstreitig kann der beantragte Aufzug weder eine Krankentrage noch einen Rollstuhl aufnehmen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sind diese Vorgaben nicht allein für Neubauten anzuwenden. Bereits aus dem Wortlaut des § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB ergibt sich, dass eine ausnahmsweise Genehmigung trotz der potentiellen Verdrängungsgefahr für die ansässige Bevölkerung nur unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen möglich ist. Der Gesetzgeber hat hier deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Interessen Einzelner (Modernisierungsinteresse des Eigentümers und ggf. der aktuellen Bewohner, öffentliches Interesse an der Vermeidung von Substandards) und das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gegeneinander abgewogen werden müssen. Es handelt sich um einen Ausnahmetatbestand dessen Zweck darin besteht zu verhindern, dass bestehende Substandards in den jeweiligen Vierteln festgeschrieben werden. Der mit Modernisierungsmaßnahmen verbundene Effekt der Aufwertung des entsprechenden Gebiets soll jedoch nur insoweit hingenommen werden, als die Maßnahme tatsächlich auch geeignet ist, ein zeitgemäßes Ausstattungsniveau zu erreichen. Voraussetzung für einen Genehmigungsanspruch ist daher, dass die Modernisierungsmaßnahme einen bauordnungsrechtlichen Substandard auch tatsächlich beseitigt, d. h. einen Zustand herstellt, der den bauordnungsrechtlichen Vorgaben voll entspricht. Nur soweit ein Vorhaben die Erfüllung aller aktuellen bauordnungsrechtlichen Standards zu gewährleisten vermag, kann der nachteilige Effekt, der durch die Erhaltungsatzung regelmäßig vermieden werden soll, nämlich eine potentielle Verdrängung der angestammten Bevölkerung, ausnahmsweise gerechtfertigt werden.

Auch unter Berücksichtigung der seitens des Klägers zur Stützung seiner Rechtsauffassung in Bezug genommenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 31.05.2012 - OVG 10 B 9.11 -, juris) gelangt das erkennende Gericht zu keinem anderen Ergebnis. Wie das OVG Berlin-Brandenburg in der angeführten Entscheidung selbst darlegt, geht von den bauordnungsrechtlichen Vorgaben lediglich eine Indizwirkung für einen Genehmigungsanspruch aus. Es bedarf daher im Einzelfall stets einer sorgfältigen Betrachtung und Abwägung der gegenläufigen Belange. Ebenso beurteilt eine derartige Sachlage auch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG Beschluss vom 17.12.2004 - 4 B 85.04, juris Rn. 10) auf das sich auch das OVG Berlin-Brandenburg bezieht. Das OVG Berlin-Brandenburg hat darüber hinaus deutlich gemacht, dass bei überdurchschnittlicher Verdrängungsgefahr kein Anspruch auf eine Genehmigung bestehen kann, wenn der Einbau eines Aufzugs aufgrund seiner Vorbildwirkung dazu beiträgt, dieser Entwicklung weiter Vorschub zu leisten.

Ermessensfehler seitens der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und werden durch den Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.

Ergänzend nimmt das Gericht im Übrigen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20.01.2020, die es sich zu eigen macht (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt gemäß § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

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