AG Wesel, Urteil vom 04.12.2020 - 5 C 171/20
Fundstelle
openJur 2021, 5859
  • Rkr:

Bei einem erfolglosen Kostenwiderspruch gegen einen Mahnbescheid hat die bezifferte Titulierung von im Mahnbescheid geltend gemachten Verfahrenskosten nicht durch Urteil, sondern durch Kostenfestsetzungsbeschluss zu erfolgen.

Tenor

Die nach Teil-Vollstreckungsbescheid verbliebene Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Auf Antrag der Klägerin, einer Kreditbank, hat das Amtsgericht - Mahnabteilung - Wedding gegen die Beklagte am 24.06.2020 einen Mahnbescheid erlassen (20-0907655-07-N).

Der Mahnbescheid führt als "Hauptforderung" eine Darlehensforderung i.H.v. 2.779,03 € und Verzugszinsen vom 25.04.2019 bis zum 18.06.2020 i.H.v. 348,12 € auf. Darüber hinaus werden in dem Mahnbescheid weitere Zinsansprüche ab 19.06.2020 für die genannten Beträge genannt. Außerdem werden auf der Grundlage eines Streitwertes von 3.127,15 € Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 336,50 € geltend gemacht (Gerichtskosten: 63,50 € (Gebühr §§ 3, 34, Nr. 1100 KV GKG) + 1 € (Auslagen des Antragstellers für dieses Verfahren: Vordruck/Porto/Telefon) + 252 € (Rechtsanwalts-/Rechtsbeistandskosten Gebühr Nr. 3305 VV RVG) + 20 € (Auslagen Nr. 7001/7002 VV RVG)).

Gegen den Mahnbescheid hat die Beklagte einen Formularwiderspruch eingelegt, der sich lediglich gegen die Verfahrenskosten richtet. Die weitergehenden Forderungen aus dem Mahnbescheid sind zwischenzeitlich auf Antrag der Klägerin durch Teil-Vollstreckungsbescheid rechtskräftig tituliert worden. Auf Antrag der Klägerin ist die Sache an das Amtsgericht Wesel zur Durchführung des streitigen Verfahrens abgegeben worden. Die Beklagte ist im Bezirk des Amtsgerichts Wesel wohnhaft.

Mit dem Antrag,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Betrag von 462,50 € zu zahlen,

macht die Klägerin auf der Grundlage eines Streitwertes bis 4.000 € folgende Kosten geltend: 1,0 Verfahrensgebühr, §§ 2, 13, RVG i.V.m. Nr. 3305 VV RVG: 252 € + 0,5 Verfahrensgebühr, §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3308 VV RVG: 126 € + Post- und Fernsprechgebühr Nr. 7002 VV RVG: 20 € + Portoauslagen des Antragstellers für die Übersendung der Klageunterlagen an die Prozessbevollmächtigte: 1 € + Gerichtskosten: 63,50 €.

Das Gericht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass der auf die bezifferte Titulierung von Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 462,50 € gerichtete Klageantrag unzulässig sein dürfte, weil die Kosten des Mahnverfahrens als Teil der beim Empfangsgericht entstehenden Kosten gelten und dem Antrag der Klägerin deshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte.

Daraufhin hat die Klägerin hilfsweise beantragt,

eine Kostengrundentscheidung zu erlassen.

Die Beklagte hat im Streitverfahren vor dem Amtsgericht Wesel weder eine Verteidigungsanzeige noch sonstige Erklärungen abgegeben.

Gründe

Die nach Teil-Vollstreckungsbescheid verbliebene Klage auf bezifferte Titulierung von Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 462,50 € durch Urteil ist als unzulässig abzuweisen. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

Die Kosten des Mahnverfahrens gelten gemäß § 696 Abs. 1 S. 5 ZPO i.V.m. § 281 Abs. 3 S. 1 ZPO als Teil der beim Empfangsgericht entstandenen Kosten (vgl. auch Seibel in: Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 696 Rn. 17) und können deshalb nach entsprechender gerichtlicher Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren beziffert und durch Kostenfestsetzungsbeschluss tituliert werden. Dazu bedarf es keiner gesonderten bezifferten Titulierung der Mahnverfahrenskosten durch ein Urteil. Eine bezifferte Titulierung dieser Kosten durch Urteil mit gleichzeitiger Kostengrundentscheidung zum Rechtsstreit begründete stattdessen die Gefahr, dass die bereits durch Urteil bezifferten Mahnverfahrenskosten nach Maßgabe der Kostengrundentscheidung zum Nachteil der Beklagten im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren (versehentlich) nochmals angemeldet und durch Kostenfestsetzungsbeschluss nochmals und damit doppelt tituliert werden könnten. Es besteht kein Grund dafür, diese Gefahr einzugehen.

In einem Rechtsstreit, in dem die Parteien nach einem Kostenwiderspruch gegen einen Mahnbescheid im Streitverfahren mit Blick auf das Vertretungsverbot gemäß § 181 BGB darüber gestritten haben, ob der klagende Insolvenzverwalter befugt war, Kosten i.H.v. 707 € nach Maßgabe des Mahnbescheides dafür zu beanspruchen, dass er Anwälte der Rechtsanwaltssozietät, der auch er angehörte, mit der Prozessführung beauftragt hatte, hat das Landgericht Bielefeld im Berufungsverfahren eine entsprechende Befugnis bejaht und die Beklagte verurteilt, an die Klägerseite 707 € zu zahlen (LG Bielefeld, Urteil vom 16.03.2005, 21 S 2/05, zitiert nach Juris mit weiteren Nachweisen auf ZIP 2005, 1095f. und ZInsO 2005, 779f.). Ohne dass das Landgericht Bielefeld auf die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für den bezifferten Kostenantrag selbst näher eingegangen ist, wird man das Rechtsschutzbedürfnis in diesem Fall deshalb bejahen können, weil die Parteien um die Frage, ob die entsprechenden Kosten als erstattungsfähige Kosten im Sinne von § 91 ZPO anzuerkennen waren, ausdrücklich gestritten haben und diese Frage mit Blick auf das Vertretungsverbot des § 181 BGB einer materiellrechtlichen gerichtlichen Klärung bedurfte. Eine vergleichbare Problematik, die eine gerichtliche Klärung durch Urteil rechtfertigen könnte, ist im Entscheidungsfall indes nicht ersichtlich. Dass die Erstattungsfähigkeit der von der Klägerin angemeldeten Verfahrenskosten dem Grunde nach zweifelhaft sein könnte, ist weder von den Parteien geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Vor diesem Hintergrund bleibt es im Entscheidungsfall ungeachtet des Urteils des Landgerichts Bielefeld dabei, dass die auf die bezifferte Titulierung von Mahnverfahrenskosten durch Urteil gerichtete Klage unzulässig ist, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Es kommt hinzu, dass in dem von der Klägerin mit der Anspruchsbegründung bezifferten Betrag von 462,50 € mit der Verfahrensgebühr für die Vertretung der Klägerin im Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides nach §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3308 VV RVG in Höhe von 126 € Kosten enthalten sind, die bei den Verfahrenskosten im Mahnbescheid überhaupt noch nicht aufgeführt worden sind, während wiederum die weiteren Gerichtskosten für das streitige Verfahren i.H.v. 73 € weder im Mahnbescheid noch in dem mit 462,50 € bezifferten Kostenantrag der Klägerin enthalten sind. Vor diesem Hintergrund ist auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenklarheit eine einheitliche und abschließende Behandlung und Festsetzung der gesamten Kosten geboten, die dem Kostenfestsetzungsverfahren vorzubehalten ist.

Schlussendlich ist es auch unter Streitwertgesichtspunkten geboten, die Kosten nicht unnötig (teilweise) schon durch ein beziffertes Urteil zu titulieren, sondern die Titulierung der gesamten erstattungsfähigen Kosten dem Kostenfestsetzungsverfahren vorzubehalten. Würde ein unzutreffender Streitwert zugrunde gelegt, bestünde bei bereits durch Urteil bezifferten Kosten die Gefahr von Fehlern, die durch eine begründete Streitwertbeschwerde im Anschluss an das Urteil nicht problemlos korrigiert bzw. rückgängig gemacht werden könnten. Bei der Kostenfestsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren besteht diese Gefahr dagegen weit weniger, weil die Kostenfestsetzung üblicherweise erst nach der Klärung etwaiger Streitfragen zum Streitwert erfolgt. Auch aus diesem Grunde ist die Titulierung bezifferter Mahnverfahrenskosten durch Urteil bei einem Kostenwiderspruch jedenfalls dann abzulehnen, wenn - wie im Entscheidungsfall - weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Erstattungsfähigkeit der im Mahnbescheid geltend gemachten Verfahrenskosten gemäß § 91 ZPO schon dem Grunde nach zweifelhaft sein könnte.

Der Beklagten sind gemäß §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden, weil sie in der Hauptsache im Wesentlichen unterlegen ist. Die in dem Mahnbescheid vom 24.06.2020 geltend gemachten Forderungen i.H.v. 2.779,03 € und 348,12 € sowie die geltend gemachten Zinsen sind nach Maßgabe des unwidersprochen gebliebenen Vorbringens der Klägerin zwischenzeitlich durch Teil- Vollstreckungsbescheid rechtskräftig tituliert worden, so dass die Beklagte insoweit gemäß § 91 ZPO als Unterlegene die Kosten des Rechtsstreits unter Einschluss der Kosten des Mahnverfahrens zu tragen hat. Gründe für eine davon abweichende Kostenentscheidung nach anderen Vorschriften sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es besteht gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine Veranlassung, die Klägerin mit Blick auf die Kosten des streitigen Verfahrens vor dem Amtsgericht Wesel mit einer anteiligen Kostenquote zu belasten, weil ihr Unterliegen wirtschaftlich gesehen verhältnismäßig geringfügig ist, da es nur die Frage betrifft, ob die Kosten des Mahnverfahrens durch beziffertes Urteil oder im Kostenfestsetzungsverfahren zu den Kosten des Rechtsstreits durch Kostenfestsetzungsbeschluss zu titulieren sind und durch die Klärung dieser Frage keine besonderen zusätzlichen Kosten verursacht worden sind, da eine gerichtliche Kostengrundentscheidung mit Blick auf den Kostenwiderspruch der Beklagten und die insoweit erfolgte Abgabe des Verfahrens durch das Mahngericht sowieso erforderlich war.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Das Gericht hat gemäß § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Der Streitwert wird auf 2.779,03 € bis zum 08.09.2020 und auf 462,50 € ab dem 09.09.2020 festgesetzt. Der Streitwert ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht mit einem Wert bis 4.000 € anzusetzen, weil es sich bei der im Mahnbescheid neben der Darlehensforderung von 2.779,03 € titulierten weiteren Forderung von 348,12 € um Verzugszinsen und damit nicht um eine Hauptforderung, sondern um eine Nebenforderung handelt, die gemäß § 43 Abs. 1 GKG bei der Streitwertbemessung keine Berücksichtigung findet. Entscheidend für die Streitwertfestsetzung ist dabei der materiellrechtliche Charakter der Verzugszinsen als Nebenforderung und nicht deren auf Antrag der Klägerin erfolgte formalrechtliche Einordnung im Mahnbescheid als "Hauptforderung".

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Duisburg zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Duisburg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Wesel statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Wesel, Herzogenring 33, 46483 Wesel, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.