LG Köln, Urteil vom 16.12.2020 - 3 O 326/18
Fundstelle
openJur 2021, 5852
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.260,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2019 zu zahlen.

Der Beklagte wird ferner verurteilt, dem Kläger an vorgerichtlichen Anwaltskosten einen Betrag in Höhe von 1.895,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2019 zu erstatten.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weitere materielle und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden zu erstatten, die diesem infolge der zahnmedizinischen Behandlungsfehler durch den Beklagten in den Jahren 2012 und 2013 in der Vergangenheit bereits entstanden sind und zukünftig noch entstehen werden, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus zahnärztlichen Behandlungen in der Praxis des Beklagten im Zeitraum 2012 bis 2013.

Der am 25.04.1964 geborene Kläger begab sich ab September 2012 in zahnmedizinische Behandlung beim Beklagten, mit zum Teil ca. 20 Jahre alter Versorgung mit zwei Teilbrücken. Im Oberkiefer wurden Überkronungen vorgenommen, u.a. am 29.01.2013 an den Zähnen 13, 12, 11, 21 und 23. Zudem wurde eine teilweise Klammerversorgung mit einer Prothese der Zähne im Unterkiefer vorgenommen, ebenso eine Überkronung an den Zähnen 36 und 37. Am 08.04.2014 stellte sich der Kläger erneut in der Praxis des Beklagten vor, wobei die Einzelheiten dieses Praxisbesuchs zwischen den Parteien streitig sind. Dem Kläger wurden am 08.04.2014 die Zähne 36 und 37 durch den Beklagten extrahiert. Im Oktober 2015 suchte der Kläger die Praxis des Zahnarztes Dr. Dr. B auf, der eine Querfraktur im Kronenrandbereich der Zähne 12 und 13 feststellte. Am 01.03.2016 erstellte der Beklagte eine prothetische Neuplanung, welche die Krankenkasse des Klägers genehmigte. Am 11.11.2016 sollten die Arbeiten zur neuen Prothetik durchgeführt werden, jedoch brach der Kläger kurz vor Beginn die Behandlung bei dem Beklagten ab. Der Kläger ließ sodann die Nachbehandlungen bei anderen Zahnärzten vornehmen, wobei die Einzelheiten streitig sind.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihn fehlerhaft behandelt. Die Überkronung der Zähne 36 und 37 hätte der Beklagte nicht einfach vornehmen dürfen. Zudem habe er im Anschluss an die Einsetzung der Prothese im Unterkiefer von Anfang an dauerhaft auftretende Probleme mit dem Bissschluss gehabt. Der Beklagte habe ihm auf Nachfrage diesbezüglich gesagt, dass er sich damit abfinden müsse. Auch seien die Arbeiten an den Zähnen 13, 12, 11, 21 und 23 behandlungsfehlerhaft erfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, aufgrund des Verhandlungsverlaufs und längeren Beschwerdebilds sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 EUR angemessen, da sich der Kläger bis heute in zahnärztlicher Anschlussbehandlung befinde und seit fünf Jahren an Beschwerden leide, die dem Beklagten zuzurechnen seien.

Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 08.01.2019 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 15.05.2019 hat der Kläger die Klage teilweise, in Höhe von 297,16 €, zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1.) den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen, das einen Betrag von 5.000 EUR jedoch nicht unterschreiten sollte, zzgl. 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2.) den Beklagten zu verurteilen, an ihn für bereits entstandene zurückliegende materielle Schäden einen Betrag in Höhe von 5.795,27 EUR, zu zahlen, zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

3.) den Beklagten zu verurteilen, an ihn an vorgerichtlichen Anwaltskosten einen Betrag in Höhe von 1.895,44 EUR zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

4.) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weitere materielle und immaterielle Schäden zu erstatten, die diesem infolge der zahnmedizinischen Behandlungsfehler durch den Beklagten in den Jahren 2012 und 2013 in der Vergangenheit bereits entstanden sind und zukünftig noch entstehen werden, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe mit dem Kläger auch über festsitzenden Zahnersatz gesprochen, was der Kläger jedoch aus Kostengründen abgelehnt habe. Er behauptet, die Prothese habe tadellos gesessen, was aus den fehlenden Eintragungen zu Beschwerden in der Kartei ersichtlich sei. Der Beklagte behauptet, der Kläger habe sich am 08.04.2014 mit völlig zerstörten Zähnen 36 und 37 vorgestellt. Diese Zähne seien nicht erhaltungsfähig gewesen, sodass sie zu extrahieren gewesen seien. Der Kläger habe überdies die weitere Behandlung verweigert und abgebrochen. Der Kläger habe zudem die Zahnprothese nicht getragen, sondern in der Hosentasche mit sich geführt. Der Beklagte behauptet, er habe daraufhin und auch sonst mehrfach den Kläger darauf hingewiesen, dass ohne das Tragen der Unterkieferprothese eine regelrechte Abstützung der Kaukräfte in den Seitenzahnbereichen nicht gewährleistet sei und sich somit in ungünstiger Weise auf die Frontzähne verlagern würde. Auch sei die Mundhygiene des Klägers mangelhaft gewesen. Der Beklagte behauptet, der Kläger habe durch langes Zuwarten zwischen den Behandlungsterminen und Nichttragen der Unterkieferprothese Querfrakturen an den Oberkieferfrontzähnen verursacht. Ihn treffe daher jedenfalls ein Mitverschulden.

Ferner behauptet der Beklagte, dass zwischen der von ihm vorgenommenen Behandlungen und der Extraktionswürdigkeit der Zähne 17, 13, 12, 11 und 21 kein Ursachenzusammenhang bestehe. Über die weitere Behandlung nach dem letzten Vorstellen des Klägers in seiner Praxis am 11.11.2016 erklärt sich der Beklagte mit Nichtwissen.

Auch bestreitet der Beklagte den Ursachenzusammenhang zwischen der von ihm ausgeführten Behandlung und der vom Kläger geltend gemachten Kosten in Bezug auf Zahn 34, die Implantate an Stelle der Zähne 17, 13, 12, 11 und 21 sowie die computergesteuerte Tomographie, die medizinisch nicht notwendig gewesen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines schriftlichen und mündlichen Sachverständigengutachtens. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2020 und das schriftliche Sachverständigengutachten vom 30.11.2019 Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten aus dem selbständigen Beweisverfahren (Az. 3 OH 18/16 LG Köln) wurden beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 8.260,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2019 sowie die beantragte Feststellung.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 8.260,11 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 ff, 630a ff. BGB, von dem 5.000,00 € auf das Schmerzensgeld und 3.260,11 € auf den materiellen Schaden entfallen. Der Beklagte hat Behandlungsfehler begangen und damit seine Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt, durch die dem Kläger ein kausaler und zurechenbarer Schaden entstanden ist.

Dass dem Beklagten u.a. ein grober Behandlungsfehler gemäß § 630h Abs. 5 BGB unterlaufen ist, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH, Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 139/10 -, Rz. 8 zitiert nach juris). Der Sachverständige Dr. L hat in seinem Gutachten, welches er unter anderem auf Grundlage der in vielfacher Hinsicht völlig unzureichenden Dokumentation des Beklagten und der weiteren Behandlungsunterlagen erstattet hat, ausgeführt, dass dem Beklagten in Bezug auf die Zähne 36 und 37 ein grober Behandlungsfehler unterlaufen sei, indem diese ohne genauere Untersuchung überkront und wenige Monate später extrahiert worden seien. Auf dem OPG der Ausgangslage vom 17.09.2012 seien im Bereich des Zahnes 37 "deutliche(!) Auffälligkeiten" vorhanden gewesen, so dass die Erstellung eines Zahnfilms "zwingend notwendig" gewesen sei. Das direkte Überkronen des Zahnes 37 war nach Ansicht des Sachverständigen ein nicht verständlicher Fehler, der schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Denn Zahn 37 sei schwer vorgeschädigt gewesen, sodass eine genauere Bildgebung durch den Beklagten hätte erfolgen müssen. Auch kann der Sachverständige den Grund für die Notwendigkeit der Extraktion der Zähne 36 und 37 nur wenige Monate nach der Überkronung, insbesondere in Bezug auf Zahn 36, nicht im Ansatz nachvollziehen, zumal eine aussagekräftige Dokumentation fehle. Die Extraktionswürdigkeit folge nach den Ausführungen des Sachverständigen auch nicht zwingend daraus, dass der Zahn nicht mehr vital gewesen sei. Es sei keine Vitalitätsprobe dokumentiert. Zwar könne er, der Sachverständige, nicht abschließend beurteilen, ob eine endodontische Revisionsbehandlung des Zahns 37 diesen hätte retten können. Eine apikale Aufhellung an Zahn 37 sei festzustellen, so dass plausibel sei, dass dieser sich ggfs. gelockert hatte. Dies sei aber ebenfalls nicht in der Behandlungsdokumentation vermerkt.

Zwar wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen auch eine Entfernung des Zahns 37 wegen des erheblichen Aufwands dieser Behandlung bereits bei Behandlungsbeginn vertretbar gewesen. Dass aber auch andere Behandlungsmöglichkeiten zahnärztlich vertretbar gewesen wären, ist für den vorliegenden Behandlungsfehler unbeachtlich. Indem der Beklagte keine Dokumentation über die Aufklärung vorgelegt und auch sonst keinen Beweis erbracht hat, ist die Einwilligung des Klägers in die Extraktion unwirksam (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 02.03.1999 ¬- 5 U 176/98 -, Rz. 27 zitiert nach juris). Das Fehlen der Dokumentation geht hier zulasten des Beklagten. Dokumentationsmängel gerade vor einer Zahnextraktion führen zu einer Umkehr der Beweislast dergestalt, dass vermutet wird, die Zahnextraktion sei ohne medizinische Indikation erfolgt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 07.05.1984 - 7 U 306/83 Rn 6-8 zitiert nach juris).

Die Kammer folgt den umfassenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. L . Die fachliche Qualifikation ist aufgrund seiner Tätigkeit als Oberarzt in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Propädeutik und Werkstoffwissenschaften des Universitätsklinikums Bonn und als erfahrener Gerichtsgutachter unzweifelhaft gegeben. Insbesondere zeigt aber sein sorgfältig erstelltes Gutachten eine umfassende Auseinandersetzung mit den Behandlungsunterlagen. Auch hat er sich mit Fragen und Einwendungen in der mündlichen Verhandlung eingehend auseinandergesetzt und seine Ausführungen präzisiert. Mängel der Begutachtung sind danach unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich, so dass die Kammer das Gutachten ihrer Entscheidung umfassend zugrundelegt.

Auch konnte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten und seiner Vernehmung nachvollziehbar darlegen, warum ein weiterer Erkenntnisgewinn durch eine Untersuchung des Klägers nicht zu erwarten sei. Es hat auch nachvollziehbar erläutert, weshalb er von den Einschätzungen der Gutachterin der Krankenkasse Dr. M teilweise abweicht. Er hat dargelegt, dass die Gutachterin Dr. M - entgegen der Auffassung des Beklagten - die Arbeiten an Zahn 37 ebenfalls nicht als ausreichend ansah und dass, selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, sie etwas übersehen hätte. Denn hier habe eindeutig eine apikale Aufhellung an Zahn 37 vorgelegen, die sogar für Laien ersichtlich sei und erkannt werden müsse.

Auch im weiteren Behandlungsverlauf liegt nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ein Behandlungsfehler des Beklagten vor. Am 13.05.2014 erfolgte eine weitere Beratung durch den Beklagten, jedoch ohne Dokumentation des Inhalts. Am 26.09.2014 hätte nach den Feststellungen des Sachverständigen eindeutiger Handlungsbedarf bestanden. Denn nach der Entfernung der Zähne 36 und 37 sind gebotene Maßnahmen zur Wiederherstellung der Kaufunktionen unterblieben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte dem Beklagten bewusst sein müssen, dass der Kläger die Prothese aufgrund der Extraktion der Zähne 36 und 37 gar nicht tragen konnte, sodass es zwangsläufig zu einer erhöhten Belastung der Frontzähne kommen würde. Jedoch wurde der Kläger - den Unterlagen zufolge - nicht über die Folgen eines Nichttragens aufgeklärt, was nach Ansicht des Sachverständigen ebenfalls einen Behandlungsfehler darstellt. Dies ergibt sich daraus, dass die Zähne 36 und 37 gerade zur Befestigung der Prothese mit einer Doppelklammer dienten; diese beiden Zähne, an denen die Doppelklammer der Prothese befestigt wurde, wurden aber entfernt. Die Dokumentation vom 26.09.2014 ist insoweit nicht ausreichend, da der Kläger die Prothese auch zu diesem zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Monaten nicht mehr tragen konnte. Der Sachverständige bekundete zudem, es sei nicht nachzuvollziehen, dass zu diesem Zeitpunkt trotz der "absolut heiklen Situation" keine weiteren Eintragungen in der Behandlungsdokumentation erfolgt seien und die Behandlung erst am 14.08.2015 erfolgt sei.

Auch in Bezug auf die Überkronung der Zähne 13, 12, 11, 21 und 23 liege ein Behandlungsfehler vor. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zumindest an den Zähnen 13 und 11 am Tag der Eingliederung Kronenrandungenauigkeiten bestanden haben, d.h. dass keine Passgenauigkeit bestanden habe. Diese beruhten entweder auf einer falschen Zementierung oder einer falschen Fertigung. In beiden Fällen läge nach Ansicht des Sachverständigen ein Behandlungsfehler vor. Dadurch sei erhebliche Karies an den Zähnen entstanden, bei denen die Präparationsgrenzen nicht erreicht worden seien, nämlich an den Zähnen 11, 13, 21. Auch geht der Sachverständige davon aus, dass die Krone an Zahn 12 von Anfang an nicht gepasst hat.

Die Kammer folgt auch in diesem Punkt den Ausführungen des Sachverständigen, der nachvollziehbar dargelegt hat, dass eine Begutachtung auf Grundlage der Bildgebung im Rahmen einer Gesamtschau mit den vorhandenen Behandlungsunterlagen möglich sei.

Als Folge der Behandlungsfehler sei daher auch der Verlust der Zähne 13, 11 und 21 anzusehen, weil die Behandlungsfehler hier jedenfalls mitursächlich gewesen seien. In welchem Umfang ein mögliches Nichttragen der Prothese im Unterkiefer und die daraus folgende fehlende Abstützung im Seitenzahnbereich zu der später angegebenen Fraktur der Zähne beigetragen hat, könne er - der Sachverständige - im Nachhinein nicht mehr beurteilen. Diese stelle nach Ansicht des Sachverständigen eine weitere Belastung der Zähne dar, wobei aber unwahrscheinlich sei, dass dies einzige Ursache für die Fraktur der verblockten Zähne gewesen sei. Wahrscheinliche Ursache ist nach seinen Ausführungen die schlechte Einpassung der Kronen, die die Zähne durch eine Kronenrandkaries zusätzlich geschwächt hat. Ein Bruxismus sei hingegen nicht dokumentiert, so dass diese sonst denkbare weitere alternative Ursache ausscheide. Insbesondere könne ein etwaiges Nichttragen der Prothese und eine daraus folgende höhere Belastung den Beklagten aber auch deshalb nicht entlasten, weil die Prothese aufgrund seines - bereits oben festgestellten - Behandlungsfehlers für den Kläger nicht mehr sinnvoll habe getragen werden können. Der Verlust des Zahns 17 könne dem Beklagten hingegen aufgrund der starken Vorschädigung und der schlechten Prognose nicht dem Beklagten zugerechnet werden.

Ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 BGB konnte der Beklagte hingegen nicht beweisen. Die Zeuginnen I und H haben zwar bekundet, dass der Kläger geäußert habe, er trage die Prothese nicht, da er nicht festsitzenden Zahnersatz ablehne. Nach den Ausführungen des Sachverständigen bleibe es aber dabei, dass Behandlungsfehler vorliegen. Zudem gehen diesbezügliche Dokumentationsmängel zulasten des Beklagten, § 630h Abs. 3 BGB. Ein Mitverschulden ergibt sich auch nicht aus einer mangelnden Mundhygiene. Diese hat der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren als "befriedigend" bezeichnet. Außerdem ist nicht hinreichend konkret dargetan, inwiefern eine - unterstellte - unzureichende Mundhygiene zur Schadensentstehung beigetragen hat.

Die Kammer hält das beantragte Schmerzensgeld von 5.000 € gemäß §§ 287 ZPO, 253 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die aufgeführten zurechenbaren Schäden an den Zähnen für ausreichend aber auch erforderlich. Ein höheres Schmerzensgeld ist hingegen nicht auszusprechen, weil der Kläger für erhebliche Schmerzen, die ein noch höheres Schmerzensgeld rechtfertigen könnten, beweisfällig geblieben ist. Zu berücksichtigen sind ferner die zahlreichen erheblichen Vorschädigungen des Gebisses des Klägers und die damit verbundene schlechte Prognose für den langfristigen Erhalt der verlustig gegangenen Zähne.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist dem Kläger aufgrund dieser Behandlungsfehler ein dem Beklagten zurechenbarer Schaden i.H.v. 3.260,11 EUR entstanden, § 287 ZPO: Dieser ergibt sich aus den Kosten der Rechnung vom 31.07.2018 in Höhe 287,79 € (Kosten Nachbehandler für herausnehmbare provisorische Versorgung), der Rechnung vom 03.06.2018 anteilig im Umfang von geschätzt 737,82 € (Implantatbehandlung), der Rechnung vom 12.01.2017 in Höhe von geschätzt 74,50 € (Hälfte der geltend gemachten 149,00 €, weil dort für Leistungen für vier Zähne erbracht; nur für zwei davon beruht dies auf Behandlungsfehlern), Rechnung vom 10.01.2018 160,00 € (behandlungsfehlerbedingte Entfernung Zähne 13, 12, 11, 21) sowie der Rechnung vom 07.06.2017 anteilig über geschätzt 2.000,00 EUR (Insertion von zwei Implantaten). Im Übrigen ist der Kläger hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen den Nachbehandlungskosten und den Behandlungsfehlern des Beklagten beweisfällig geblieben.

Daneben war der Feststellungsanspruch des Klägers für weitere materielle und immaterielle Schäden auszusprechen, hinsichtlich der immateriellen Schäden allerdings mit der Einschränkung auf nicht vorhersehbare immaterielle Schäden.

II.

Zurechenbare Schadensfolge sind zudem die Rechtsanwaltskosten, da dem Grunde nach die Einschaltung eines Rechtsanwalts "erforderlich" gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist. Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts war auch bereits die vorgerichtliche Inanspruchnahme der Leistungen eines Rechtsanwalts angemessen. Dieser Anspruch, der auf die DEVK Versicherung als Versicherer des Klägers übergegangen ist, wurde diesem auch abgetreten, sodass er aktivlegitimiert ist. Der Ansatz einer 2,0-fachen Geschäftsgebühr ist hier angemessen, weil die vorgerichtliche Tätigkeit des Klägervertreters umfangreich und komplex war.

III.

Der jeweilige Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Zinsbeginn ist analog § 187 Abs. 1 BGB der 09.01.2019.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 269, 708 Nr. 11, 709 S. 1 und S. 2, 711 ZPO. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens und werden von der darin getroffenen Kostenentscheidung mit umfasst (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - VII ZB 9/03 -, juris).

Der Streitwert wird auf bis 25.000,00 EUR festgesetzt.

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