LG Braunschweig, Urteil vom 29.01.2021 - 11 O 2136/19
Fundstelle
openJur 2021, 5703
  • Rkr:

1. Liegt eine illegale Abschalteinrichtung dergestalt vor, dass eine Motorsteuerungssoftware ganz eng an die Bedingungen des Prüfstandes anknüpft, ist von einem bewussten Vorgehen auszugehen.

2. Eine Konzernmutter, die die Entscheidung bei der Motorenentwicklung, eine illegale Abschalteinrichtung zu verwenden, wenigstens mitgetragen hat, haftet für das Inverkehrbringen der über diesen Motor verfügenden Fahrzeuge.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs der Marke xxx mit der xxx an den Kläger 21.671,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 21.671,66 € seit dem 12.07.2019 zu zahlen.

Im weitergehenden Umfang wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 41 % und die Beklagte 59 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ im Zusammenhang mit einem PKW-Kauf gegen die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs und Mitverantwortliche für den darin eingebauten Motor Schadensersatzansprüche geltend.

Am 31.03.2015 erwarb der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger zum Preis von 34.445,38 € netto (40.990 € brutto) das die o.g. FIN aufweisende EU-Neufahrzeug vom Typ xxx – ein SUV der Oberklasse -.

Der Kläger begehrte zunächst die Erstattung/Freistellung von Fremdfinanzierungsaufwand in Höhe von insgesamt 47.400 € abzüglich Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.866,23 €. Mit Schriftsatz vom 24.11.2020 - dem Beklagtenvertreter am 26.11.2020 förmlich zugestellt - stellte der Kläger die Klage dahingehend um, dass seitdem die Rückzahlung des Bruttokaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.866,23 € begehrt wird. Der km-Stand des Fahrzeugs wurde in dem Schriftsatz nicht mitgeteilt. Aktuell weist das Fahrzeug einen km-Stand von 92.710 km auf.

Im streitgegenständlichen Fahrzeug mit der o.g. FIN ist ein 6-Zylinder-Dieselmotor mit einem Hubraum von 3,0 l und einer Leistung von 204 PS verbaut. Der Motor wurde von der xxx – einer Tochter des Konzerns der Beklagten – entwickelt und wird konzernübergreifend in diversen xxx und xxx-Fahrzeugen eingesetzt.

Das KBA ordnete als zuständige Behörde betreffend auch das streitgegenständliche Fahrzeug wegen der Verwendung von insgesamt fünf Strategien in der Motorsteuerungssoftware des Emissionskontrollsystems, die darüber hinaus auch mit einem ab einer Temperatur von +10°Celsius eingreifenden sog. „Thermofenster“ arbeitet, mit bestandskräftigem Verwaltungsakt einen verbindlichen Rückruf an. Bei drei Strategien war sich das KBA dabei selbst nicht sicher, ob es sich bei diesen um illegale Abschalteinrichtungen handelt. Zwei Strategien aber stufte das KBA als unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der VO (EG) 715/2007 ein:

Im Rahmen einer Strategie A (im Folgenden: Aufheizstrategie A) wird zum Starten der Aufheizstrategie eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet, die über eine Und-Verknüpfung miteinander verknüpft sind. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind dabei so eng bedatet, dass die Aufheizstrategie A nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Schon kleine Abweichungen im Fahrprofil und der Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Aufheizstrategie A.

Im Rahmen einer Strategie E wird nach der gesetzlich vorgesehenen Aktivierung des Aufforderungssystems nicht über die gesamte Restreichweite gleich viel Reagens – AdBlue -, welches zum Betrieb des zum Emissionskontrollsystem gehörenden SCR-Katalysators benötigt wird, eingedüst.

Wegen des Inhalts des Rückrufbescheides wird Bezug genommen auf die Anlage K 5.

Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Softwareupdate, welches vom KBA freigegeben wurde. Der Kläger ließ das Update nachfolgend aufspielen.

Der Kläger hat sich vorprozessual mit anwaltlichem Schreiben von 27.11.2018, auf welches Bezug genommen wird (Anlage K 3), an die Beklagte gewandt.

Er ist der Auffassung, dass die Beklagte u.a. gem. § 826 BGB Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des damals gezahlten Kaufpreises verpflichtet sei. Eine Nutzungsentschädigung sei aufgrund einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 300.000 km in Anrechnung zu bringen.

Der Kläger behauptet, dem damaligen Vorstand der Beklagten sei die Verwendung der streitgegenständlichen Software wenigstens bekannt gewesen. Die streitgegenständliche Software sei bewusst aus übertriebener Gewinnsucht unter Ausnutzung des eigenen Informations- und Wissensvorsprungs und unter Missachtung der Gesundheit anderer Menschen und der Umwelt verwendet worden. Schäden der Erwerber von über die Software verfügenden Fahrzeugen seien in Kauf genommen worden. In Kenntnis der Software hätte er – der Kläger – das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gekauft.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.990 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des o.g. Fahrzeugs und Herausgabe von Nutzungen in Höhe von 6.866,23 €;

2. festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe der weitergehenden, im Lauf des Rechtsstreits gezogenen Nutzungen erledigt ist, und

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.706,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die o.g. Darlegung des Klägers zum Kenntnisstand und zur Motivation des Vorstandes. Sie – die Beklagte – verfüge derzeit über keine Kenntnisse, dass einzelne Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der streitgegenständlichen Software beteiligt waren oder die Entwicklung dieser Software seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt haben.

Die Beklagte meint, dass der Kläger nicht dargelegt und bewiesen habe, dass die streitgegenständliche Software sein Kaufverhalten beeinflusst hat. Auch sei dem Kläger – so die Beklagte weiter - durch den Kauf des Fahrzeugs kein Schaden entstanden. Ein Schaden sei jedenfalls durch Aufspielen des Updates wieder entfallen. Weiter fehle es an einem Vortrag und einem Beweis dafür, dass die Beklagte eine Schädigung des Klägers wenigstens billigend in Kauf genommen habe; eine sekundäre Darlegungslast der Beklagte bestünde insoweit nicht.

Das Gericht hat der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.12.2020 (Bl. 178 d. A.) einen rechtlichen Hinweis erteilt, auf den Bezug genommen wird.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gem. § 826 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu, indes nur in zugesprochener Höhe.

a) Die Beklagte handelte zunächst sittenwidrig:

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (Urteil des BGH vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, zit. nach juris, Rn. 15).

Von einem sittenwidrigen Verhalten gegenüber einem Fahrzeugkäufer, auch einem Gebrauchtwagenkäufer, ist im Rahmen des sog. „Abgasskandal“ nach der o.g. Rechtsprechung des BGH (a.a.O., Rn. 23, 16), auszugehen, wenn ein Konzern aufgrund einer für diesen getroffenen strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung der Zulassungsbehörde, sich zugleich die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbstverständlich voraussetzen, gezielt zunutze machend, systematisch, langjährig und in großer Stückzahl in Deutschland Fahrzeuge in den Verkehr bringt, die über eine Abschalteinrichtung verfügen, durch die unerlaubt Einfluss auf den Stickoxidausstoß genommen und dieses über das Maß des nach den gesetzlichen Vorschriften Zulässigen hinaus erhöht wurde (BGH, a.a.O., Rn. 27). Das an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns stellt – so der BGH weiter - ein verwerfliches - einer bewussten aktiven arglistigen Täuschung des Käufers gleichstehendes - Verhalten dar, da es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch die bereits erwähnte Täuschung der Zulassungsbehörde erreicht werden sollte und dies – was aus den Gesamtumständen folgt - mit einer Gesinnung verbunden war, die sich im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden gleichgültig (BGH, a.a.O., Rn. 23) und im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt sogar rücksichtslos (BGH, a.a.O., Rn. 27) zeigt. Ein solches Vorgehen verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern, auch bei Gebrauchtwagenkäufern, verursachten Schäden dem BGH geboten erscheint (BGH, a.a.O., Rn. 23).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:

aa) Der streitgegenständliche Motortyp wurde konzernübergreifend in diverse xxx- und xxx-Modell verwendet, d.h. es wurden in großer Stückzahl Fahrzeuge in den Verkehr gebraucht, die über den streitgegenständlichen Motor verfügen.

bb) Die „Aufheizstrategie A“, über die der streitgegenständliche Motor verfügt, stellt weiter eine illegale Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der VO (EG) 715/2007 dar, da ihre Nichtaktivierung außerhalb der Bedingungen des NEFZ – die Aufheizstrategie wird (Näheres dazu unten) fast ausschließlich unter Bedingungen des Prüfstandes aktiv – dazu führt, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems außerhalb der Bedingungen des NEFZ gegenüber dem Testmodus mit den dort geltenden synthetischen Parametern verringert ist. Ohnehin kommt aber dem o.g. – bestandskräftigen - Bescheid des KBA als Verwaltungsakt eine Tatbestandswirkung in dem Sinne zu, dass seine Feststellungen für die Zivilgerichte bindend sind und deren Rechtmäßigkeit der Prüfung der Zivilgerichte entzogen ist (OLG Oldenburg, Urteil vom 16.10.2020, 11 U 2/20, zit. nach juris, Rn. 60 m.w.N.).

cc) Zudem ist von einer bewussten und gewollten Täuschung der Zulassungsbehörden auszugehen, die zur Annahme einer sittenwidrigen Schädigung führt.

Worin genau die Täuschung der Zulassungsbehörde in dem der o.g. Entscheidung vom 25.05.2020 zugrundeliegenden Fall lag, hat der BGH - leider – offengelassen (vgl. dazu Beschluss der Kammer vom 02.06.2020, 11 O 4083/18, zit. nach juris, Rn. 4, 8 und die Ausführungen unten). Immerhin ist der Entscheidung vom 25.05.2020 (und auch der Presseerklärung im Verfahren VI ZR 433/19) aber zu entnehmen, dass eine eine Haftung nach § 826 BGB auslösende irgendwie geartete Täuschung der Behörde im Falle der Verwendung einer illegalen Abschalteinrichtung dann anzunehmen ist, wenn letztere auf die Prüfstandbedingungen zugeschnitten ist, also bei Verlassen der Prüfstandbedingungen die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems gegenüber dem Testmodus verringert. Eine Abschalteinrichtung in diesem Sinne aber stellt die „Aufheizstrategie A“ dar:

Die Aufwärmstrategie wird auf dem Prüfstand aktiv, im Normalbetrieb dagegen nahezu nicht. Dies ergibt sich aus den im KBA-Bescheid wiedergegeben Bedingungen für die Aktivierung der Aufheizstrategie A. Zu diesen Bedingungen gehören insbesondere eine „Drehzahl für 4 s zwischen 920 rpm und 1200 rpm“ und eine zurückgelegte Fahrstrecke nach Zündung von „20-40m“. Diese Kriterien bilden ausweislich der Ausführungen im genannten Bescheid exakt die Bedingungen des Prüfzyklus: „Durchfährt das Fahrzeug nach der Leerlaufphase die Betriebszustände 2 und 3 des Grund-Stadtfahrzyklus des NEFZ (erste Beschleunigungsphase und darauffolgende Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit), bewegt sich die zurückgelegte Strecke im Bereich von etwa 30 m und trifft somit genau den Korridor der applizierten zurückgelegten Wegstrecke von 20 - 40 m seit Zündung ein.“

Auch die Drehzahlkriterien und die Kriterien für die Umweltbedingungen entsprechen nach den Ausführungen des KBA denen des Prüfstandbetriebs. Aufgrund der eng gefassten Kriterien und der Verbindung mit einer das kumulative Vorliegen aller Voraussetzungen erfordernden „Und-Verknüpfung“, wird die Aufwärmstrategie letztlich quasi ausschließlich im Prüfstandbetrieb aktiviert.

Aufgrund des Umstandes, dass die „Aufheizstrategie A“ exakt auf den Prüfstand zugeschnitten ist, ist schließlich auch von einem bewussten Vorgehen auszugehen, ein Zufall ist ausgeschlossen.

Vor dem Hintergrund der „Aufheizstrategie A“ kann es dahinstehen, ob die Verwendung der vom KBA ebenfalls monierten Reduzierung der AdBlue-Einspritzung, sobald das Aufforderungssystem aktiviert ist - unzweifelhaft eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der VO (EG) 715/2007 -, dem BGH ebenfalls geeignet erscheint, eine Haftung gem. § 826 BGB auszulösen. Anhand des Urteils des BGH vom 25.05.2020 kann diese Frage - leider - nicht beantwortet werden. Die Reduzierung der AdBlue-Einspritzung knüpft nicht an den NEFZ, also an das Verlassen der Testbedingungen an, so dass nicht klar ist, ob der BGH gleichwohl eine unter den o.g. weiteren Bedingungen zu ahndende Täuschung der Behörde annehmen würde. Offen gelassen hat der BGH darüber hinaus (ausdrücklich), ob die naturgemäß heimliche Verwendung einer illegalen Abschalteinrichtung nicht eine zu ahndende konkludente aktive unmittelbare Täuschung des Käufers durch Inverkehrbringen des Fahrzeugs darstellt. Diese Fragen dürften sich im Rahmen der markenübergreifenden juristischen Aufarbeitung des "Dieselskandals" noch wiederholt stellen. Im Verfahren VI ZR 252/19 und etwa auch in dem Verfahren VI ZR 739/20 – dort (u.a) zu Fragestellungen um § 852 BGB – ist damit eine Chance, manche sagen gar Verpflichtung, zur Rechtssicherheit beizutragen, vertan worden.

Die übrigen drei Abschalteinrichtungen, wegen derer ebenfalls ein Rückruf betreffend den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp angeordnet wurden, sind nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten gem. § 826 BGB auszulösen, kann doch noch nicht einmal die zuständige Fachbehörde abschließend beurteilen, ob es sich bei diesen um unzulässige im Sinne der maßgeblichen europarechtlichen Vorschriften handelt. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorschriften aber kann nicht als verwerfliches Tun im Sinne von § 826 BGB angesehen werden (zur Verwendung eines sog. „Thermofensters“ OLG Frankfurt, Urteil vom 13.11.2019, 13 U 274/18, zitiert nach juris, Rn. 64; im Ergebnis etwa auch OLG Hamm, Urteil vom 05.11.2020, 18 U 86/20, zit. nach juris, Rn. 5 m.w.N.).

Auch die Verwendung des o.g., nicht an die Bedingungen des NEFZ anknüpfenden „Thermofensters“ ist jedenfalls mangels Hinzutreten sonstiger Umstände nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten gem. § 826 BGB auszulösen,

dd) Mit der Verwendung der „Aufheizstrategie A“ ging – nach der Rechtsprechung des BGH - weiter einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und weiter die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung des Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder –untersagung drohte. Welche – möglicherweise auch zeitlich oder örtlich beschränkten – Maßnahmen die Zulassungsbehörde bei einer Aufdeckung der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ergreifen würde, stand nicht im Vorhinein fest.

ee) Schließlich ist davon auszugehen, dass die Entscheidung bei der Motorentwicklung, eine illegale Abschalteinrichtung zu verwenden, von der Beklagten als Konzernentscheidung entweder selbst getroffen, mindestens aber bewusst mitgetragen wurde. Dies ist vorliegend als unstreitig anzusehen, da der Kläger die Kenntnis des Konzernvorstandes behauptet und die Beklagte dies – obwohl es ihr im Rahmen einer sekundären Darlegungslast obliegt - trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht erheblich bestritten hat. Der Kläger hat hinreichende Anhaltspunkte für eine Entscheidung oder mindestens Kenntnis des Konzernvorstandes der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass es sich bei der markenübergreifenden Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende Entscheidung von erheblicher, konzernstrategischen Bedeutung handelte, die nämlich mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern verbunden war, sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit des Konzerns (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, zit. nach juris, Rn. 39). Die vorgenannten Umstände genügen in Verbindung mit den Schwierigkeiten der Fahrzeugerwerber, die internen Vorgänge bei der Beklagten konkret darzulegen, für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19, zit. nach juris, Rn. 15). Der Beklagten ist auferlegt worden mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Beteiligung ihrer Vorstandsmitglieder an der Entwicklung und/oder Verwendung der streitgegenständlichen Software hat. Sie hat hierauf nicht angemessen reagiert, obwohl ihr dies möglich und zumutbar war (BGH, a.a.O., Rn. 39). Mit der Behauptung, bei den durchgeführten Untersuchungen, die noch nicht abgeschlossen seien, hätten sich keine Erkenntnisse über eine Beteiligung von Vorstandsmitgliedern im aktienrechtlichen Sinne an der Entwicklung oder Verwendung der Abschalteinrichtung ergeben, ist die Beklagte ihrer o.g. sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19, zit. nach juris, Rn. 15).

b) Durch das Verhalten der Beklagten ist dem Kläger auch kausal ein Schaden entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt.

Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar. Insoweit bewirkt § 826 BGB einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen (BGH, a.a.O., Rn. 47, m.w.N.). Das spätere Aufspielen des Softwareupdates ist ohne Belang, da der ungewollte Vertragsschluss als Schaden nicht nachträglich zum gewollten Vertragsschluss wurde (BGH, a.a.O., Rn. 58). Die Bejahung eines Vermögensschadens unter dem genannten Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BH, a.a.O., Rn. 47, 48). Vorliegend war das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar, weil es einen verdeckten Sachmangel – die streitgegenständliche Software – aufwies, es aus der ex ante Sicht eines Käufers letztlich vom Zufall abhing, ob der unerkannt bestehende Mangel aufgedeckt und die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs in der Folge durch Anordnung einer Betriebsbeschränkung oder gar –untersagung eingeschränkt wird. Bei Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls ist der Erwerb des Fahrzeugs auch nach der Verkehrsanschauung unvernünftig und damit für den Kläger nachteilig, die Brauchbarkeit des Fahrzeugs mithin nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht des Klägers eingeschränkt (BGH, a.a.O., Rn. 52 ff.).

c) Das Verhalten der Beklagten war auch nachweislich – nämlich indiziell feststehend - kausal für den Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts kann als Indiz (BGH, a.a.O, Rn. 50) ein Erfahrungssatz zugrunde gelegt werden, wonach auszuschließen ist, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem - so der BGH - im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (BGH, a. a. O., Rn. 49). Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer großer Bedeutung. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich typischerweise als solcher auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus; bei generalisierender Betrachtung erfolgen Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt. Das rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der - wie hier der Kläger - ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der – vom BGH angenommenen - bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (BGH, a.a.O., Rn. 51).

d) Die damals verantwortlichen technischen Vorstände der Beklagten handelten auch vorsätzlich.

Zunächst ist davon auszugehen, dass sie die o.g. strategische Unternehmensentscheidung entweder selbst getroffen, mindestens aber die Umsetzung der Strategie gekannt und gebilligt haben (s.o.).

 Haben die verantwortlichen technischen Vorstände der Beklagten die o.g. strategische Unternehmensentscheidung damit aber wenigstens mitgetragen, so handelten sie auch vorsätzlich gem. § 826 BGB. Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Dabei braucht der Täter nicht zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich Fahrlässigkeit gegeben. Es kann aber durchaus gerechtfertigt sein, im Einzelfall aus dem Wissen einer natürlichen Person auf deren Willen zu schließen. Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist (BGH, a.a.O., Rn. 61 ff.). Im Falle der technischen Vorstände der Beklagten ist schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ihnen als für die zentrale Aufgabe der Entwicklung und des Inverkehrbringens der Fahrzeuge zuständigem Organ das Risiko einer Betriebsbeschränkung oder –untersagung und gleichzeitig auch bewusst war, in Kenntnis der genannten Risiken werde niemand - ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis - ein damit belastetes Fahrzeug erwerben (BGH, a.a.O., Rn. 63). Von einer übertriebenen Gewinnsucht als Antrieb des Vorstandes kann ebenfalls ausgegangen werden: Ein anderer plausibler Grund ist schlicht weder vorgetragen noch ersichtlich.

e) Der (ungewollte) Vertragsabschluss begründete einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte. Er ist darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als ob der Kläger den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (BGH, a.a.O., Rn. 55).

Der Kläger muss sich indes im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (BGH, a.a.O., Rn. 64). Nach den von der Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (BGH, a.a.O., Rn. 65). Die vorgenannten Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch gem. § 826 BGB. Die Anwendung der Grundsätze auszuschließen, würde den Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadenersatz rücken (BGH, a.a.O., Rn. 67). Einwände, mit der Vorteilsanrechnung würden die Präventionswirkung des Deliktsrechts verfehlt, das Gebot unionskonformer Rechtsanwendung verletzt, die Beklagte unangemessen entlastet und gesetzliche Wertungen missachtet, greifen nicht durch (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19, zit. nach juris, Rn. 34).

Insbesondere hindert das Gemeinschaftsrecht die nationalen Gerichte nicht daran, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der gemeinschaftsrechtlichen gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Anspruchsberechtigten führt: Zum einen ist es mit dem unionsrechtlichen Effizienzgebot vereinbar nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung einen Ersatzanspruch zu versagen, der zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde (BGH, a.a.O., Rn. 76). Zum anderen steht auch die Verbrauchgüterkaufrichtlinie den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nicht entgegen, schon weil sie selbst für den Fall, dass – wie im Ergebnis auch vorliegend - die Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt wird, die Erstattung gezogener Nutzungen vorsieht.

Der Nutzungsvorteil berechnet sich nach der Multiplikation des Bruttokaufpreises mit den bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BGH, a.a.O., Rn. 69 f.) gefahrenen Kilometern, dividiert durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt. Eine Begrenzung der Vorteilsausgleichung – etwa auf den Wertverlust des Fahrzeugs – ist dabei nicht angezeigt (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 354/19, zit. nach juris, Rn. 15).

Dabei ist das Gericht vom Nettokaufpreis von 34.445,38 € ausgegangen:

Zum einen ist der Kläger unstreitig vorsteuerabzugsberechtigt, da die entsprechende Darlegung der Beklagten unbestritten geblieben ist. Sollte der Kläger die Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht haben, besteht der aufgrund des Kaufvertrages eingetretene und verbliebene Schaden aber letztlich nur in Höhe des Nettokaufpreises. Sollte der Kläger von einem Vorsteuerabzug nicht Gebrauch gemacht haben, ist dies jedenfalls im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen.

Zum anderen besteht auch keine Veranlassung, von einem niedrigeren Betrag als dem Nettokaufpreis auszugehen, weil das Fahrzeug mit einem Mangel behaftet war. Dieser wirkte sich auf die Möglichkeit, das Fahrzeug entsprechend seiner Bestimmung zu nutzen, nicht erkennbar aus (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019, 13 U 37/19, zit. nach juris, Rn. 120).

Zudem ist das Gericht im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO von einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgegangen. Das mag auf den ersten Blick wenig erscheinen. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Fahrleistung, die ein Fahrzeug in seiner Lebensdauer zurücklegen kann, von verschiedenen Faktoren abhängig ist, nicht nur von der Lebensdauer des Motors, sondern auch von der Lebensdauer der anderen Bauteile, etwa auch der – in immer größerer Anzahl verbauten - Elektronikbauteile. Zu berücksichtigen ist ferner, dass gerade Fahrzeuge der Oberklasse – wie das streitgegenständliche – im Schadensfall schnell sehr kostenintensiv werden, ein Betrieb des Fahrzeugs daher auch schon bei nicht astronomisch hohen Laufleistungen unwirtschaftlich werden kann. Wie zur Bestätigung hat - außerhalb des sog. „Abgasskandals“ - auch der 8. Senat des BGH vor nicht allzu langer Zeit für ein sehr gut vergleichbares Oberklassefahrzeug – einem SUV der Oberklasse - mit einem zudem hubraumidentischen Motor (xxx) im Rahmen einer kaufrechtlichen Rückabwicklung ebenfalls auf eine angenommene Gesamtlaufleistung von „nur“ 250.000 km abgestellt (BGH, Beschluss vom 09.12.2014, VIII ZR 196/14, zit. nach juris, Rn. 3).

Vor dem vorgenannten Hintergrund hat das Gericht den Nutzungsersatz mit 12.773,72 € veranschlagt.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verzinsung der Hauptforderung unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen, § 291 BGB. Zu beachten war dabei grundsätzlich, dass der Kläger die auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteile zum Teil erst zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Schluss der mündlichen Verhandlung erlangt hat. Der nach § 291 BGB zu verzinsende Betrag lag mithin bei Eintritt der Rechtshängigkeit höher als der schließlich zuzusprechende Betrag und hat sich dann sukzessive auf den schließlich zuzuerkennenden Betrag ermäßigt (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19, zit. nach juris, Rn. 38). Da der km-Stand des Fahrzeugs bei Zustellung des Schriftsatzes vom 24.11.2020 nicht bekannt ist, schied ein weitergehender Zinsanspruch als der zugesprochen indes aus. Eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises bedurfte es, da lediglich eine Nebenforderung betroffen ist, nicht, § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO.

3. Der Feststellungsantrag zu Ziffer 2. ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Eine teilweise Erledigung des Rechtsstreits kann mangels Mitteilung des km-Standes zum Zeitpunkt der Zustellung des Schriftsatzes vom 24.11.2020 nicht festgestellt werden.

4. Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten scheidet aus. Der Kläger hat einen Auftrag zur vorgerichtlichen Rechtsverfolgung nicht schlüssig dargelegt.

Ob eine vorprozessual Geltendmachung von Ansprüchen eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (Vgl. ausführlich OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019, 13 U 12/19, zit. nach juris, Rn. 114 ff.).

Gemessen an den vorgenannten Ausführungen steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Er hat lediglich vorgetragen, die Beklagte sei bereits vorgerichtlich zur Zahlung aufgefordert worden. Vortrag dazu, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein (unbedingter) Klageauftrag erteilt worden sei, fehlt. Eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises bedurfte es – da lediglich eine Nebenforderung betroffen ist – nicht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

7. Streitwert: Bis zum 24.11.2020 (Eingang des Schriftsatzes des Klägervertreters vom selben Tag) Wertstufe bis 45.000 € (maßgeblich für die Gerichtsgebühren), seitdem Wertstufe bis 35.000 €.

Hat der auf Schadensersatz klagende Kläger – wie vorliegend – im Klageantrag ein Nutzungsentgelt berücksichtigt, so ist der sich daraus ergebende Abzugsbetrag bei der Bemessung des Streitwerts auch dann wertmindernd in Abzug zu bringen, wenn der Kläger insoweit eine Zug-um-Zug-Verurteilung verlangt (OLG Bamberg, Beschluss vom 03.07.2019, 4 W 46/19, zitiert nach juris; st. Rspr. auch des OLG Braunschweig).

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