LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.08.2018 - 6 Sa 276/18
Fundstelle
openJur 2021, 5661
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 Ca 2122/17

Parallelentscheidung zum Urteil der Kammer vom 24.08.2018, 6 Sa 274/18, das vollständig dokumentiert ist.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 28.02.2018 - AZ: 6 Ca 2122/17 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Vertragsänderung zu einer Teilzeitbeschäftigung in Form einer Verringerung seiner Jahresarbeitszeit.

Der Kläger ist seit dem 01.01.1992 bei der Beklagten als Brauer gegen einen Monatsbruttolohn von zuletzt 3.500,-- EUR beschäftigt. Er ist derzeit mit einer jährlichen Arbeitszeit im Umfang von 10/12 einer Vollzeitkraft in der Abteilung Brautechnik tätig. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die beklagte Brauerei ist ein Unternehmen des InBev-Konzerns und hat zusammen mit der Muttergesellschaft und zehn Schwestergesellschaften mit der NGG diverse Haustarifverträge abgeschlossen, u. a. auch den Tarifvertrag zur Regelung von Teilzeitarbeit vom 03.07.2009 (TeilzeitTV). Den Hintergrund für diesen Tarifvertrag bildet der zwischen denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte sog. Sozialtarifvertrag vom selben Tag (Bl. 38 ff. d. A.). In dessen Präambel heißt es:

"Durch den Abschluss dieses Sozialtarifvertrags soll sichergestellt werden, dass vor dem Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen die Anwendungsmöglichkeiten des Sozialtarifvertrags in ausreichender Form ausgeschöpft worden sind."

§ 3 des Sozialtarifvertrags hat folgenden Wortlaut:

"(1) Teilzeitarbeit gem. "Bremer Modell (10/12 Modell)"

Zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen Regelungen der Konzerngesellschaften zur Teilzeit haben die Parteien am 03.07.2009 einen Tarifvertrag über Teilzeitarbeit gem. "Bremer Modell" geschlossen.

Die nachfolgenden Punkte werden bei Erstellung des Tarifvertrages zur Teilzeit berücksichtigt. Der Tarifvertrag zur Teilzeit wird parallel zu diesem Sozialtarifvertrag unterzeichnet.

Für den Standort Bremen gilt der Teilzeittarifvertrag vom 08.12.2006. Für alle anderen Standorte wird Teilzeit analog des Bremer Teilzeittarifvertrages eingeführt.

Für Mitarbeiter, die

?aus den Abteilungen Brautechnik, Abfüllung, Qualitätswesen, Instandhaltung, Energieversorgung, Logistik und die gewerblichen Mitarbeiter in den Technischen Diensten,

?die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und

?mindestens seit zwei Jahren bei InBev beschäftigt sind

besteht ein Rechtsanspruch zur Teilzeitarbeit nach den Regelungen des Teilzeittarifvertrages."

Der TeilzeitTV selbst enthält die folgenden Regelungen:

"§ 2 Präambel

Dieser Tarifvertrag regelt in Präzisierung der Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes den Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung für Arbeitnehmer bei freien Teilzeitarbeitsplätzen sowie Verfahrensweisen, wenn Arbeitnehmer Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen wollen.

§ 3 Mögliche Formen der Teilzeitarbeit

Folgende Formen von Teilzeitarbeit sind möglich:

1.Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit im Blockmodell - ausgehend von einer 37-Stunden-Woche - nach folgenden Möglichkeiten:

Modell

Tägliche

wöchentliche Sollarbeitszeit

jährliche

11

6,78

33,92

1.763,67

10

6,17

30,83

1.606,33

5,55

27,75

1.443,00

4,93

24,67

1.282,67

4,32

21,58

1.122,33

3,70

18,50

962,00

Bei hiervon abweichenden tariflichen Arbeitszeiten ist die obige Berechnung entsprechend der jeweils anwendbaren tariflichen Arbeitszeit anzupassen.

2.Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit nach folgenden Möglichkeiten:

?Ganze freie Tage pro Woche

?Reduzierung der täglichen Arbeitszeit, die tägliche Mindestarbeitszeit beträgt jedoch 3 Stunden

Die Anwendungsmöglichkeiten der aufgeführten Modelle auf die Betriebsabteilungen sind einvernehmlich durch die Betriebsparteien festzulegen. Kommt es zwischen den Parteien zu keiner Verständigung, entscheidet eine Eignungsstelle gemäß § 76 BetrVG.

Die Teilzeitarbeitnehmer werden während der Arbeitsphase grundsätzlich innerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeitmodelle eingesetzt.

§ 4 Rechtsanspruch

Für Arbeitnehmer,

?die in den Abteilungen Brautechnik, Abfüllung, Qualitätswesen, Instandhaltung, Energieversorgung und Logistik beschäftigt sind und für die gewerblichen Arbeitnehmer der Technischen Dienste,

?die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und

?mindestens seit zwei Jahren bei der InBev beschäftigt sind,

besteht ein Rechtsanspruch zur Teilzeitarbeit nach den Regelungen dieses Teilzeittarifvertrages.

§ 5 Verteilung der Arbeitszeit

Arbeitnehmer, die eine in § 3 beschriebene Reduzierung ihrer Arbeitszeit wünschen, können sich bis spätestens 2 Monate vor dem gewünschten Wirksamwerden der Arbeitszeitreduzierung bei der Personalabteilung mit ihren Vorschlägen melden. Dem Betriebsrat ist eine Kopie des Antrags zu übermitteln.

Der Betriebsrat und die Personalabteilung können gemeinsam auf einzelne Arbeitnehmer zugehen und mit ihnen die Möglichkeiten einer Reduzierung der Arbeitszeit beraten.

Die Verteilung der reduzierten Arbeitszeit auf Woche, Monat bzw. Jahr wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber festgelegt und bedarf zu ihrem Wirksamwerden der Zustimmung des Betriebsrates.

Die Produktions- und Personalbedarfsplanung für das Folgejahr hat bis spätestens zum 31. Oktober des Jahres zu erfolgen. Es werden einvernehmlich mit dem Betriebsrat Arbeits- und Nichtarbeitszeiträume definiert. Der Abbau von Zeitguthaben erfolgt in den definierten Nichtarbeitszeiträumen.

Höchstanzahl der Teilzeitarbeitsplätze und das Gesamtverhältnis von Teilzeitarbeit zu Vollzeitarbeit werden im Rahmen dieses Verfahrens einvernehmlich zwischen den Tarifparteien bestätigt bzw. neu festgelegt. Die Tarifparteien können dies den Betriebsparteien übertragen.

Zur Arbeit außerhalb der vereinbarten Teilzeitmodelle (§ 3) besteht keine Verpflichtung. Davon kann unter Mitbestimmung des Betriebsrates und unter Zahlung eines Mehrarbeitszuschlages von 50 % abgewichen werden.

Kommt es zwischen den Parteien zu keiner Verständigung, entscheidet eine Einigungsstelle gemäß § 76 BetrVG.

Die Parteien vereinbaren eine quartalsweise Überprüfung der Jahresplanung im Hinblick auf die Teilzeitarbeitsplätze und Arbeitszeitmodelle. Die Bewertung des 30.09. fließt in die Jahresplanung des Folgejahres ein. Der 31.12. des Jahres dient als Stichtag für die Feststellung des Arbeitszeitsaldos."

Auf den Inhalt des TeilzeitTV im Übrigen wird verwiesen (Bl. 47 ff. d. A.).

In den ersten Jahren seit Inkrafttreten des TeilzeitTV gab die Beklagte allen Teilzeitbegehren statt. Zu Regelungen nach § 5 Abs. 5 des TeilzeitTV kam es nicht. Im Jahr 2012 beantragten 22 Arbeitnehmer eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit nach den Regelungen des TeilzeitTV, welche die Beklagte unter Hinweis darauf ablehnte, es bestehe kein weiterer Bedarf an Arbeitszeitreduzierungen. Ein von einem der Arbeitnehmer geführter Rechtsstreit endete zu dessen Gunsten durch Urteil des hiesigen Landesarbeitsgerichts vom 06.09.2013 (- 10 Sa 315/13 - unveröffentlicht). Seit dem Jahr 2014 schlossen die Tarifvertragsparteien des TeilzeitTV sog. "Protokollnotizen zum Tarifvertrag zur Regelung von Teilzeitarbeit vom 03.09.2009" (Bl. 22 ff. d.A.) ab. Diese sahen eine Begrenzung der Ansprüche der Mitarbeiter auf Teilzeitarbeit für die jeweiligen Jahre vor. Grund hierfür war, dass die Mitarbeiter der Beklagten eine Vielzahl von Teilzeitbegehren an diese richteten, welche insgesamt dazu führten, dass die bei der Beklagten notwendigerweise aufrechtzuerhaltenden Betriebsabläufe in Gefahr gerieten. In den Protokollnotizen heißt es jeweils:

"§ 4 Schlussbestimmungen

(1) Mit den vorstehenden Regelungen gilt die Festlegung des Verhältnisses von Teilzeit- zu Vollzeitarbeitnehmern im Sinne des § 5 Absatz 5 des Tarifvertrages zur Regelung von Teilzeitarbeit für den Standort J. für die Laufzeit dieser Regelung als erfüllt."

Für das Jahr 2018 ist bisher keine Protokollnotiz im Sinne von § 5 Abs. 5 TeilzeitTV zustande gekommen.

Nach der Personalplanung der Beklagten für das Jahr 2018 stehen ihr in der Abteilung Brautechnik bei einer Iststundenzahl von 24.149 über den eigentlichen Personalbedarf hinaus 75 Arbeitsstunden als Puffer zur Verfügung. Die Umsetzung der von Mitarbeitern dieser Abteilung gestellten Teilzeitbegehren würde dort zu einem negativen Stundensaldo von 759 Arbeitsstunden führen.

Mit E-Mail vom 29.11.2017 bat die Beklagte die Gewerkschaft NGG um Termine für eine Regelung für das Jahr 2018. Mit weiteren E-Mails vom 14.12.2017 wiederholte sie ihre Bitte. Unter dem 18.12.2017 antwortete die NGG zunächst, wegen Erkrankung eines Mitarbeiters könnten Terminvorschläge leider erst im Januar unterbreitet werden. Mit E-Mail vom 25.01.2018 erklärte der Vorsitzende des NGG Landesbezirks Nordrhein-Westfalen sodann:

"Ihre Mail vom 03.01.2018 zum Thema Protokollnotiz - Teilzeitquote an Frau X. hat diese zuständigkeitshalber an uns weitergeleitet. Aufgrund der aktuellen Lage in Ihrem Unternehmen (Verkauf/Übergang) möchten wir zu diesem Thema vorerst allerdings keine Verhandlungen aufnehmen."

Unter dem 19.04.2018 erklärte der zuständige Mitarbeiter der NGG, mit der Beklagten "über die Terminabstimmung telefonieren" zu wollen, war jedoch telefonisch nicht erreichbar und meldete sich auch nicht auf die per E-Mail geäußerte Bitte der Beklagten, zur Vereinfachung Terminvorschläge zu unterbreiten. Im Laufe des Berufungsverfahrens schrieb die Konzernmutter der Beklagten die NGG an, erklärte die Verhandlungen unter Bezugnahme auf die vorgeschilderten Vorgänge als gescheitert und schlug die Einsetzung einer tariflichen Einigungsstelle vor. Die NGG antwortete mit Schreiben vom 17.07.2018, sie sehe keine Zuständigkeit einer Einigungsstelle, bat um Entschuldigung für die Verzögerung und unterbreitete Terminvorschläge. Die daraufhin aufgenommenen Tarifverhandlungen waren im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer noch nicht abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 07.03.2017 hat der Kläger eine sofortige Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit nach dem Modell "08/12" beantragt und dieses Begehren zunächst auch mit seiner Klage vom 11.10.2017 weiterverfolgt. Im Laufe des Rechtsstreits hat er mit Schreiben vom 20.12.2017 hilfsweise die Reduzierung der Arbeitszeit auf 8/12 zum 01.03.2018 beantragt, später die Klage um einen entsprechenden Hilfsantrag erweitert und zum Schluss unter Rücknahme des zunächst angekündigten Hauptantrags nur noch den ursprünglichen Hilfsantrag als Hauptantrag weiter verfolgt.

Er hat die Auffassung vertreten, er habe gemäß § 3 Abs. 1 des Sozialtarifvertrages vom 03.07.2009 i. V. m. § 4 TeilzeitTV einen Rechtsanspruch auf die von ihm gewünschte Verringerung der Arbeitszeit, da er die in § 4 TeilzeitTV geregelten Voraussetzungen erfülle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, seinem Antrag vom 20.12.2017 zuzustimmen, seine Arbeitszeit ab dem 01.03.2018 auf 8/12 der Jahresarbeitszeit - im Blockmodell gemäß § 3 Ziffer 1 des Tarifvertrages zur Regelung von Teilzeitarbeit vom 03.07.2009 - zu reduzieren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, solange noch keine Protokollnotiz für das Jahr 2018 zustande gekommen sei, könne der Antrag des Klägers nicht beschieden werden. Unerheblich sei, zu welchem Zeitpunkt eine Protokollnotiz zustande komme. Den jeweiligen Protokollnotizen sei zu entnehmen, dass Teilzeitanträge aus dem Vorjahr ihre Gültigkeit behielten und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Arbeitszeitreduzierung führen würden.

Mit Urteil vom 28.02.2018, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Wesel die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses ihr am 19.03.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.04.2018 Berufung eingelegt und diese mit einem am 22.05.2018 - dem Dienstag nach Pfingsten - beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe die tariflichen Regelungen unzutreffend ausgelegt. Die Regelung nach § 5 Abs. 5 des TeilzeitTV sei eine Anspruchsvoraussetzung nach dem Tarifvertrag. Von dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten der NGG, sich den Verhandlungen zu entziehen, dürfe der Kläger nicht profitieren. Außerdem fehle es bislang an einer Festlegung der Anwendungsmöglichkeiten der Teilzeitmodelle auf die Betriebsabteilungen durch die Betriebsparteien nach § 3 vorletzter Absatz TeilzeitTV.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 28.02.2018 - AZ: 6 Ca 2122/17 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag. Bei der in § 5 Abs. 5 TeilzeitTV vorgesehenen Quotenregelung handle es sich nicht um eine Anspruchsvoraussetzung. Schon gar nicht könne man annehmen, dass im Falle einer Nichtverhandlung durch die Gewerkschaft automatisch die von der Beklagten definierte Quote gelte, welche sie berechtigen würde, Teilzeitanträge abzulehnen. Die Ausgestaltung der Teilzeit - ob durch freie Tage oder Reduzierung der täglichen Arbeitszeit - sei für seinen Rechtsanspruch auf Teilzeit unerheblich. Gegebenenfalls habe die Beklagte ihr Initiativrecht nutzen und notfalls die Einigungsstelle anrufen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg, da die zulässige Klage unbegründet ist.

1. Der auf Annahme eines Vertragsangebots gerichtete Antrag ist allerdings nicht schon deshalb unbegründet, weil der Kläger die rückwirkende Änderung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.03.2018 verlangt. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) kommt die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung mit Rückwirkung in Betracht. Ein Vertragsangebot kann auch dann angenommen werden, wenn es auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Dies gilt selbst in den Fällen, in denen der Vertrag hinsichtlich der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann (BAG v. 20.01.2015 - 9 AZR 735/13 -, Rn. 15, NZA 2015, 816).

2. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts besteht - jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - kein durchsetzbarer Anspruch des Klägers auf Verringerung seiner Arbeitszeit, da es an einer Festlegung durch die Tarifparteien nach § 5 Abs. 5 TeilzeitTV fehlt. Das folgt aus der Auslegung des TeilzeitTV.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können (vgl. nur BAG v. 22.03.2018 - 6 AZR 29/17 - Rn. 12, NZA 2018, 722; BAG v. 05.05.2015 - 1 AZR 806/13 -, Rn. 14, juris). Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Weiter ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 26.10.2016 - 5 AZR 226/16 - Rn. 25, juris).

b) Danach ergibt sich, dass dem Arbeitnehmer nicht bereits durch Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 TeilzeitTV ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit eingeräumt wird, sondern dass hierfür - wenn die Beklagte dem Teilzeitbegehren nicht freiwillig stattgibt - eine Festlegung nach § 5 Abs. 5 TeilzeitTV erforderlich ist. § 4 TeilzeitTV bestimmt nämlich - insofern wortgleich mit § 3 des Sozialtarifvertrags - ausdrücklich, dass ein Rechtsanspruch "nach den Regelungen dieses Teilzeitvertrages" besteht. Zu diesen gehört insbesondere § 5 TeilzeitTV.

Bereits nach dem Tarifwortlaut "werden" die Begrenzungen festgelegt. In diesem Zusammenhang wird das Verb "werden" zur Bildung des Futurs benutzt und drückt damit etwas Zukünftiges aus. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fehlt hier demnach kein "muss", um die zu vereinbarenden Quoten als Anspruchsvoraussetzung anzusehen. Vielmehr würde umgekehrt das vom Arbeitsgericht vertretene Verständnis des § 5 Abs. 5 TeilzeitTV erwarten lassen, dass etwa die Wendung "kann" (festgelegt werden) verwendet worden wäre. Entsprechend spricht § 5 Abs. 5 TeilzeitTV "das Gesamtverhältnis" von Teil- und Vollzeitarbeit, nicht hingegen ein nur eventuell festzulegendes Verhältnis an.

Weiter ergibt sich aus der Präambel des TeilzeitTV, dass dieser den Teilzeitanspruch in Präzisierung der Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes regelt. Damit nimmt die Präambel auf § 8 Abs. 4 S. 3 TzBfG Bezug, wonach die Gründe, aus denen ein Arbeitgeber ein Teilzeitbegehren berechtigt ablehnen darf, durch Tarifvertrag festgelegt werden können. Die Tarifvertragsparteien gewähren demnach zwar einen eigenständigen Teilzeitanspruch, bezwecken jedoch gleichzeitig, im genannten gesetzlichen Rahmen den Anspruch nach § 8 TzBfG zu regeln. Dieser Hintergrund ist bei der Auslegung des TeilzeitTV stets mit zu bedenken. Die in § 4 TeilzeitTV geregelten Voraussetzungen liegen jedoch sämtlich außerhalb des genannten Regelungszwecks, auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung die Ablehnungsgründe zu präzisieren. Ergäbe sich allein durch die Erfüllung der in § 4 TeilzeitTV genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, würde diesem Regelungszweck des TeilzeitTV keine Rechnung getragen. Die bezweckte Präzisierung betrieblicher Gründe findet sich allein in § 5 Abs. 5 TeilzeitTV. Dazu korrespondierend spricht die Präambel davon, den Anspruch auf Teilzeit "bei freien Teilzeitarbeitsplätzen" zu regeln. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, würde man die Quotenregelung gemäß § 5 Abs. 5 TzBfG nicht als zwingende Voraussetzung verstehen, denn dann hätten die Arbeitnehmer selbst dann einen Anspruch auf Teilzeit, wenn keine dahingehenden Arbeitsplätze vorhanden ("frei") wären.

Dieses Verständnis wird durch einen näheren Blick auf die Systematik des § 5 TeilzeitTV bestätigt, welcher der gesetzlichen Regelung in § 8 TzBfG nachgebildet ist. Ähnlich § 8 Abs. 2 und 3 TzBfG beschäftigen sich die Absätze 1 bis 3 des § 5 TeilzeitTV mit der Antragsfrist sowie einer durch den Teilzeitantrag ausgelösten Verhandlungsobliegenheit. Kommt es in diesem Rahmen zu einer einvernehmlichen Regelung, ist das Teilzeitbegehren erledigt. Ein weiteres Konfliktlösungsmodell ist dann nicht erforderlich, da die Arbeitsvertragsparteien ihre wechselseitigen Interessen in Einklang gebracht haben. Nur für den Fall, dass die Verhandlungen nicht zu einer Einigung führen, bestimmt § 5 Abs. 4 und 5 TeilzeitTV auf der Basis des § 8 Abs. 4 TzBfG, welche betrieblichen Gründe der Arbeitgeber den geäußerten Teilzeitwünschen entgegenhalten kann. Wie oben ausgeführt, besteht der Regelungszweck des TeilzeitTV insbesondere darin, Bestimmungen für diese Eskalationsstufe zu treffen. Entsprechende inhaltliche Festlegungen finden sich in den Absätzen 4 und (vor allem) 5 des § 5 TeilzeitTV. Nach Abs. 4 ist zunächst die Produktions- und Personalbedarfsplanung zu erstellen, die sodann die Grundlage für die Bestätigung bzw. Festlegung der Höchstanzahl der Teilzeitarbeitsplätze und des Verhältnisses von Teilzeitarbeit zu Vollzeitarbeit nach Abs. 5 bildet (vgl. Abs. 5: "im Rahmen dieses Verfahrens"). Wenn und solange aber keine derartige Festlegung erfolgt ist, fehlt es an der vom TeilzeitTV gerade bezweckten Präzisierung der betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien für diesen Fall der Arbeitgeberin das Einwenden derartiger Gründe abschneiden wollten, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Eine solche Auslegung würde verkennen, dass der Sinn des TeilzeitTV darin besteht, den gesetzlichen Begriff der betrieblichen Gründe durch die sachnäheren Tarifvertragsparteien auszufüllen, nicht etwa dieses Tatbestandsmerkmal des § 8 Abs. 4 TzBfG im Fall der Nichteinigung schlicht abzuschaffen.

Der vorliegende Fall zeigt anschaulich, dass anderenfalls die Beklagte auf das Wohlwollen der Gewerkschaft angewiesen wäre, um überhaupt eine Anspruchsbegrenzung zu bewirken. Ein derartiger faktischer Verzicht auf die eigene Verhandlungsposition durch eine Tarifvertragspartei stellt zur Überzeugung der Berufungskammer kein plausibles Auslegungsergebnis dar. Die Beklagte wäre im Fall umfangreicher Teilzeitanträge "erpressbar".

Anderes folgt auch nicht etwa aus § 5 Abs. 7 TeilzeitTV. Entgegen der Ansicht der Beklagten und in Übereinstimmung mit der seitens der NGG außergerichtlich geäußerten Auffassung stellt dieser nämlich kein Konfliktlösungsmodell für den Fall des Scheiterns einer Einigung auf die in Absatz 5 vorgesehenen Regelungen bereit. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut, wonach eine Einigungsstelle nach § 76 BetrVG entscheidet. Hierbei handelt es sich aber um eine betriebliche Einigungsstelle. Die von der Beklagten vertretene Auslegung im Sinne einer tariflichen Einigungsstelle ist mit diesem Wortlaut nicht zu vereinbaren. Zudem fehlt es an jeglichen Regelungen dazu, wie eine solche auf Antrag einer Tarifvertragspartei - notfalls auch gegen den Willen der anderen Tarifvertragspartei - gebildet werden soll. Unstreitig besteht nämlich keine ständige Einigungsstelle der Tarifparteien. Maßgeblich kommt die Tarifsystematik hinzu. Die Regelung zur Bildung einer Einigungsstelle findet sich nämlich nicht im Anschluss an den Abs. 5, sondern nach Abs. 6 des § 5 TeilzeitTV, welcher gerade einen betrieblichen Mitbestimmungstatbestand regelt, zu welchem die Möglichkeit des Anrufens einer Einigungsstelle nach § 76 BetrVG passt.

Zwar bleibt der Tarifvertrag im Falle des Nichtzustandekommens einer Vereinbarung gemäß § 5 Abs. 5 TeilzeitTV inhaltsleer, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Dies haben die Tarifvertragsparteien aber bewusst in Kauf genommen, indem sie die Quotenregelung zukünftigen Festlegungen durch die Tarifparteien überlassen haben. Die Arbeitnehmer werden hierdurch nicht schutzlos gestellt. Ihnen bleibt vielmehr der uneingeschränkte Anspruch nach § 8 TzBfG, dem die Beklagte dann keine tarifvertraglich festgelegten betrieblichen Gründe entgegenhalten kann.

3. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht ausnahmsweise aus §§ 4, 5 TeilzeitTV i.V.m. § 162 Abs. 1 BGB.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch nach dem TeilzeitTV ausnahmsweise unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 162 Abs. 1 BGB entstehen kann, sofern eine Regelung gemäß § 5 Abs. 5 TeilzeitTV dadurch verhindert wird, dass sich die Beklagte Verhandlungen entzieht (vgl. hierzu LAG Düsseldorf v. 06.09.2013 - 10 Sa 315/13 - n.v.). Anders als in dem Sachverhalt, welcher der vorgenannten Entscheidung der 10. Kammer des LAG Düsseldorf zugrunde lag, wäre der Beklagten das bisherige Nichtzustandekommen einer Begrenzungsregelung nicht vorwerfbar, da nicht sie, sondern die NGG sich bislang den Verhandlungen entzogen hat. Zudem liegen die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 BGB auch aus einem anderen Grund nicht vor. Es steht noch gar nicht fest, dass der Bedingungseintritt verhindert ist. Die Tarifparteien befinden sich in Verhandlungen. Wie oben ausgeführt wäre auch eine rückwirkende Vertragsänderung möglich. Zudem besteht sogar für das Jahr 2018 noch die Möglichkeit einer tatsächlichen Reduzierung der Jahresarbeitszeit um weitere 2/12.

Mit dem Vorstehenden korrespondiert, dass die Rechtskraft dieses Urteils einem Anspruch des Klägers nicht entgegensteht, wenn eine Einigung nach § 5 Abs. 5 TeilzeitTV noch zustande kommt und die Beklagte nach deren Inhalt dem Kläger dessen Teilzeitbegehren nicht versagen könnte.

4. Einen Anspruch nach § 8 TzBfG hatte die Berufungskammer nicht zu prüfen, da der Kläger einen solchen nicht geltend gemacht hat und insofern gemessen an dem tariflichen Anspruch ein anderer Streitgegenstand vorliegt.

Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die von dem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet (vgl. nur BAG v. 23.01.2018 - 9 AZR 200/17 - NZA 2018, 653; BGH v. 29.09.2011 - IX ZB 106/11 - NJW 2011, 3653 Rn. 11).

Danach handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Der vom Kläger geltend gemachte tarifliche Anspruch weist bereits andere Voraussetzungen auf als derjenige aus § 8 TzBfG. Der gesetzliche Anspruch setzt lediglich voraus, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. § 4 TeilzeitTV verlangt hingegen eine Beschäftigungsdauer von mindestens zwei Jahren. Beim Verfahrensablauf hingegen reicht nach dem Tarifvertrag für das Teilzeitverlangen eine Frist von mindestens zwei Monaten vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitreduzierung, während die gesetzliche Frist drei Monate beträgt. Vor allem aber weist der tarifliche Anspruch andere Rechtsfolgen auf. Nach § 9 TeilzeitTV besteht ein von § 9 TzBfG abweichendes Rückkehrrecht. So gilt abweichend von § 9 TzBfG in den ersten 12 Monaten ein uneingeschränktes Recht zur Vollzeit. Zudem kann der Antrag nach dem TeilzeitTV auch im Falle einer berechtigten Ablehnung jederzeit wiederholt werden und bleibt nach der Handhabung der Tarifvertragsparteien auch für die Folgejahre aufrechterhalten (vgl. die jeweiligen Protokollnotizen). Hingegen kann nach § 8 Abs. 6 TzBfG frühestens nach zwei Jahren ein erneuter Antrag gestellt werden.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei

R E V I S I O N

eingelegt werden.

Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundesarbeitsgericht

Hugo-Preuß-Platz 1

99084 Erfurt

Fax: 0361-2636 2000

eingelegt werden.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.

Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.

* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

Barth Jacob Bruckhaus

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