OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.01.2021 - 7 D 87/18.NE
Fundstelle
openJur 2021, 5644
  • Rkr:
Tenor

Der Bebauungsplan Nr. 253 - Nördlich Am Q./westlich P.-Straße - in der Fassung des Satzungsbeschlusses vom 17.10.2017 ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 253 der Antragsgegnerin in der Fassung des Satzungsbeschlusses vom 17.10.2017.

Der Antragsteller ist Miteigentümer des im Bebauungsplangebiet liegenden Grundstücks Gemarkung E., Flur 25, Flurstücke 430 und 431. Das Grundstück ist mit einer Gewerbeimmobilie bebaut, in der sich zurzeit unter anderem ein Fliesenhandel befindet.

Das Plangebiet hat eine Größe von ca. 1,25 ha. Es ist Bestanteil des im Einzelhandels- und Zentrenkonzept als Ergänzungsstandort definierten Gewerbegebiets Mitte der Stadt E..

Der streitgegenständliche Bebauungsplan setzt zwei Sondergebiete (SO 1 und SO 2) fest. Das Grundstück des Antragstellers liegt im SO 2. In Nr. 1 der textlichen Festsetzungen ist geregelt, dass der Zweck des SO 1 in der Unterbringung von nicht wesentlich störenden, nicht zentrenrelevanten und nicht nahversorgungsrelevanten, auch großflächigen Einzelhandelsbetrieben sowie von sonstigen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben besteht. Der Zweck des SO 2 besteht in der Unterbringung von nicht zentrenrelevanten und nicht nahversorgungrelevanten, auch großflächigen Einzelhandelsbetrieben sowie von sonstigen Gewerbebetrieben.

Das Planaufstellungsverfahren verlief folgendermaßen: Der Planungs-, Umweltschutz-, Grünflächen- und Stadtentwicklungsausschuss (Ausschuss) beschloss am 13.2.2012 erstmalig und mit Aufstellungsbeschluss vom 5.4.2012 erneut die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 253 im beschleunigten Verfahren nach§ 13a BauGB. Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 14.5.2012. Am 4.11.2014 beschloss der Ausschuss, das Bebauungsplanverfahren statt im beschleunigten Verfahren im normalen Verfahren durchzuführen und den Planentwurf mit Begründung in der Zeit vom 1.12.2014 bis 12.1.2015 im Rathaus gemäß § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich auszulegen. Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 21.11.2014. In seiner Sitzung am 24.3.2015 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 253 in seiner Ursprungsfassung ("BL. 1"), die noch keine Unterteilung in zwei Sondergebiete vorsah und für das Sondergebiet in Nr. 6 der textlichen Festsetzungen Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen in Gestalt von Emissionskontingenten festsetzte. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt vom 16.10.2015.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf verpflichtete die Antragsgegnerin mit Urteil vom 25.1.2016 - 4 K 2903/12 -, dem Antragsteller einen planungsrechtlichen Bauvorbescheid für das Vorhaben "Änderung der Nutzung des Untergeschosses in Zentrallager für Schuhfachmarkt mit Warenannahme, Zwischenlager und Belieferung der Fachgeschäfte sowie Änderung der Nutzung des Erdgeschosses in Einzelhandel mit Sonderposten und Saisonüberhängen an Schuhen auf einer Verkaufsfläche von höchstens 400 m²" zu erteilen; dabei ging das Gericht von der Unwirksamkeit der Festsetzungen zur Lärmkontingentierung und damit des Bebauungsplans Nr. 253 in seiner Fassung vom 24.3.2015 aus. Die Antragsgegnerin erteilte unter dem 11.5.2016 den Bauvorbescheid.

Der Ausschuss beschloss daraufhin am 12.9.2016 die erneute öffentliche Auslegung des geänderten Bebauungsplanentwurfs (Aufteilung in SO 1 und SO 2, Wegfall der Emissionskontingente) in der Zeit vom 4.10.2016 bis zum 3.11.2016 im Rathaus der Antragsgegnerin. Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 22.9.2016. Dagegen erhob der Antragsteller Einwendungen. Am 18.1.2017 fand eine Besprechung des Antragstellers und seines Prozessbevollmächtigten mit Vertretern der Antragsgegnerin statt. Der Antragsteller stellte am 11.4.2017 einen weiteren Bauvorbescheidsantrag ohne Sortimentsbeschränkung und mit einer Verkaufsfläche von 619,85 m² (Az.: 00232-17). Nach weiterem Schriftverkehr unterschrieb der Antragsteller am 22.6.2017 "für die Grundstücksgemeinschaft P.-Straße 56" eine Erklärung, die - unter im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen und Wirksamkeitsbedingungen - einen Verzicht der Eigentümer auf die Stellung eines Normenkontrollantrages gegen den Bebauungsplan beinhaltete.

Der Ausschuss beschloss am 26.6.2017 die erneute öffentliche Auslegung des hinsichtlich des Bestandsschutzes im Sinne der obigen Erklärung geänderten Bebauungsplanentwurfs in der Zeit vom 17.7.2017 bis zum 16.8.2017. In der Begründung der Beschlussvorlage wird u. a. ausgeführt, es hätten Verhandlungen stattgefunden, wie den wirtschaftlichen bzw. privaten Interessen des Eigentümers Rechnung getragen, aber den öffentlichen Belangen genüge getan werden könne. Im Rahmen der Einigung werde dem Eigentümer für eine Baugenehmigung, basierend auf der Bauvoranfrage vom 11.4.2017 (Az 00232-17), ein erweiterter Bestandsschutz eingeräumt. Auf der Planurkunde sei unter Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen die maximal zulässige Verkaufsfläche auf "höchstens 620 qm" zu erhöhen. Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 6.7.2017.

Mit Schreiben vom 7.7.2017 bat die Antragsgegnerin zur Konkretisierung der Bauvoranfrage 00232-17 um Vorlage einer Sortimentsliste. Daraufhin formulierte der Antragsteller mit Schreiben vom 25.7.2017 den Gegenstand seiner Bauvoranfrage 00232-17 wie folgt:

"Verkauf von Sonderposten, Saisonüberhängen, Rückläufer und B-Ware im Bereich Schuhe, Bekleidung, Sportartikel im Erdgeschoss."

In seiner Sitzung am 17.10.2017 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 253 als Satzung. In der sachlichen Darstellung zur Beschlussvorlage wird darauf verwiesen, dass mangels einer fristgerecht konkretisierten Bauvoranfrage für die Umnutzung und Erweiterung des Erdgeschosses für den Einzelhandel mit Sonderposten und Saisonüberhängen an Schuhen mit einer größeren Verkaufsfläche ein erweiterter Bestandsschutz dafür nicht notwendig sei und die entsprechende textliche Festsetzung entfallen könne. Zudem sei aufgrund einer Stellungnahme der Bezirksregierung ein klarstellender Hinweis bezüglich einer möglichen Ansiedlung eines Betriebs nach der Störfallverordnung aufzunehmen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt vom 20.10.2017.

Der Antragsteller hat am 17.10.2018 den Normenkontrollantrag gestellt.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Antrag sei zulässig. Ihm fehle nicht im Hinblick auf die Erklärung vom 22.6.2017 das Rechtsschutzbedürfnis. Diese Erklärung sei für die Grundstücksgemeinschaft P.-Straße 56 abgegeben worden. Bei dieser handele es sich um eine Bruchteilsgemeinschaft bestehend aus seinem Bruder und ihm. Dieser komme keine eigene Rechtsqualität zu. Schon aus diesem Grunde laufe die Verzichtserklärung für die Bruchteilsgemeinschaft leer. Unabhängig davon seien die in der Verzichtserklärung formulierten Bedingungen nicht eingetreten. Der Antrag sei auch begründet. Zunächst liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vor. Es fehle an einem Hinweis auf die konkret betrachteten Lärmbelange (Verkehrs- und Gewerbelärm). Weiterhin sei der Hinweis darauf, dass Stellungnahmen "schriftlich oder zur Niederschrift" eingereicht werden könnten, fehlerhaft. Der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden. Die Satzung bestehe hier aus mehreren Blättern, die als Bl. 1 und Bl. 2 gekennzeichnet seien. Beide Blätter wären nur dann wirksam ausgefertigt, wenn diese körperlich verbunden worden wären, was nicht der Fall sei, oder die Ausfertigung vom 18.10.2017 auch auf Bl. 1 erfolgt wäre. Das Nebeneinander der beiden Blätter führe zudem zu einer Unbestimmtheit des Bebauungsplans. Die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens sei hier unzulässig gewesen. Durch die Änderungen des Plans sei der Kern der Abwägungsentscheidung betroffen. Der Bebauungsplan sei während des ergänzenden Verfahrens insbesondere mit Blick auf die bestandsschützende Festsetzung für sein Grundstück mehrfach geändert worden. Hier hätte es einer erneuten Offenlage im Sinne von § 4a Abs. 3 BauGB bedurft. Die Festsetzung eines Sondergebietes sei unzulässig. Die nach den textlichen Festsetzungen in den festgesetzten Sondergebieten zulässigen Nutzungen seien ohne weiteres auch in einem Gewerbegebiet zulässig. Der Bebauungsplan sei auch abwägungsfehlerhaft. Die Planung gehe in der Planbegründung nicht auf seine bekannte Erweiterungsabsicht ein. Der generelle Ausschluss von jeglichen zentren- und nahversorgungsrelevanten Einzelhandelsbetrieben sei ebenfalls abwägungsfehlerhaft. Der Bebauungsplan lasse insoweit ein schlüssiges Konzept vermissen. Es sei unschlüssig, warum nicht jedenfalls auch kleinflächige Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten Sortimenten zugelassen würden. Dagegen dürften großflächige Einzelhandelsbetriebe zentren- und nahversorgungsrelevante Nebensortimente theoretisch auf einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m² anbieten. Der Lärmkonflikt bleibe völlig ungelöst. Es fehle hier schon an einer belastbaren Grundlage für die Gliederung des Sondergebiets. Das ursprüngliche schalltechnische Gutachten sei fehlerhaft.

Der Antragsteller beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 253 - Nördlich am Q./westlich P.-Straße - in der Fassung des Satzungsbeschlusses vom 17.10.2017 für unwirksam zu erklären

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei unzulässig. Dem Antrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller könne sich aufgrund der Erklärung vom 22.6.2017 nicht auf die angebliche Unwirksamkeit des Bebauungsplans berufen. Er habe bewusst gegen die Erklärung vom 22.6.2017 verstoßen und den Bedingungseintritt durch die Änderung der Bauvoranfrage vereitelt. Folge der treuwidrigen Änderung der Bauvoranfrage sei es gemäß § 162 Abs. 1 BGB, dass die Bedingung eingetreten und damit der Verzicht auf eine Normenkontrolle nach § 47 VwGO wirksam sei. Der Antragsteller habe die Erklärung auch unterzeichnet. Nach den gesamten Umständen des Einzelfalls sei die Erklärung für die Grundstückseigentümer abgegeben worden. Der Normenkontrollantrag sei auch unbegründet. Der Bebauungsplan sei wirksam ausgefertigt worden. Es habe keiner gesonderten Ausfertigung des Bl. 1 bedurft, da der beschlossene Bebauungsplan auf Bl. 2 abgedruckt sei. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB sei nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sei eine Unterscheidung hinsichtlich der Lärmarten nicht zwingend. Die Rüge der fehlerhaften Belehrung im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB sei nicht rechtzeitig erhoben worden. Die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB sei zulässig gewesen. Die Identität des Bebauungsplans sei nicht angetastet worden. Eine neue Offenlage hätte keine neuen Erkenntnisse gebracht und sei deshalb entbehrlich gewesen. Die infolge des treuwidrigen Verhaltens des Antragstellers erfolgte Änderung der Verkaufsfläche betreffe ausschließlich den Antragsteller. Sein Interesse sei durch die im Jahr 2017 geführten Gespräche und die Erklärung vom 22.6.2017 hinreichend bekannt gewesen. Die Festsetzung eines Sondergebietes sei zulässig. Großflächige Einzelhandelsbetriebe seien regelmäßig in einem Gewerbegebiet unzulässig. Der Bebauungsplan leide auch an keinem Abwägungsmangel. Die Festsetzung zu den zentrenrelevanten Randsortimenten sei nicht zu beanstanden. Aufgrund der geringen Größe des Plangebietes und der damit verbundenen Beschränkung der Gesamtverkaufsfläche seien den Rand- und Nebensortimenten bereits durch die 10 % Grenze deutliche Grenzen gesetzt. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf eine über die Berücksichtigung des Bauvorbescheids hinausgehende Festsetzung eines Marktes mit 620 m² Verkaufsfläche. Auch der Immissionsschutz sei zutreffend abgearbeitet worden. Der Lärmkonflikt bleibe nicht ungelöst. Die Frage der Sicherstellung des Immissionsschutzes außerhalb des Plangebietes werde bei einer künftigen Änderung der bestehenden Nutzungen in den Genehmigungsverfahren oder im Rahmen von nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Anordnungen zu prüfen sein.

Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 6.7.2020 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigte Niederschrift und die Lichtbilder Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Vorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag ist zulässig

Der Antragsteller ist antragsbefugt.

Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018- 4 BN 33.17-, BRS 86 Nr. 192, m. w. N.

Die Antragsbefugnis steht danach regelmäßig dem Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks zu, der sich gegen sein Eigentum betreffende Festsetzungen wendet. Der Antragsteller ist Grundeigentümer im Plangebiet und wendet sich u. a. gegen sein Eigentum betreffende Festsetzungen des Plans zur Beschränkung des Einzelhandels.

Der Antrag ist auch fristgerecht innerhalb eines Jahres nach der erfolgten Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Dem Antragsteller fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag.

Für das Rechtsschutzinteresse reicht es aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein kann. Es genügt, wenn - im Sinne einer tatsächlichen Prognose - zu erwarten ist, dass die Gemeinde einen neuen Plan mit möglicherweise für den Antragsteller günstigeren Festsetzungen aufstellen wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.12.2012 - 7 D 64/10.NE -, BRS 81 Nr. 21 = BauR 2013, 917; BVerwG, Urteil vom 13.12.2018 - 4 CN 3.18 -, BRS 86 Nr. 33 = BauR 2019, 813.

Es erscheint hier nicht ausgeschlossen, dass sich die Antragsgegnerin mit Blick auf die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans für den Erlass eines neuen Bebauungsplans entscheidet, der für den Antragsteller günstigere Festsetzungen, z. B. zum erweiterten Bestandsschutz, enthält.

Der Zulässigkeit des Normenkontrollantrages steht auch nicht der in Ziffer 1 der Erklärung vom 22.6.2017 enthaltene Rechtsbehelfsverzicht entgegen. Das Wirksamwerden dieses Verzichts setzt nach dem Inhalt der Erklärung voraus, dass der Antragsteller zu dem Az. 00232/17 einen (planungsrechtlichen) Vorbescheidsantrag auf Genehmigung der Änderung der Nutzung des Untergeschosses in "Zentrallager mit Warenannahme, Zwischenlager und Belieferung der Fachgeschäfte" sowie Änderung der Nutzung des Erdgeschosses in "Einzelhandel mit Sonderposten und Saisonüberhängen an Schuhen" auf einer Verkaufsfläche von höchstens 620 m² stellt, die Antragsgegnerin einen entsprechenden Vorbescheid erteilt und schließlich der hier streitige Bebauungsplan mit den in der Erklärung wiedergegebenen Festsetzungen in Kraft tritt. Diese Voraussetzungen sind nicht eingetreten. Es fehlt schon daran, dass der Antragsteller den anhängigen Vorbescheidsantrag mit dem Az. 00232-17 in dem vorgeschriebenen Sinne beschränkt hat. In dem Antrag vom 11.4.2017 war nach den vom Senat beigezogenen Verwaltungsvorgängen eine entsprechende Beschränkung nicht enthalten. Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin war sie auch nicht etwa der Erklärung vom 22.6.2017 zu entnehmen; deshalb sah die Antragsgegnerin ausweislich ihres Schreibens vom 7.7.2017 im Übrigen auch selbst Anlass zu einer entsprechenden Konkretisierung der Sortimente, die Gegenstand der Voranfrage 00232-17 sein sollten. Mangels einer den Vorstellungen der Antragsgegnerin genügenden Erklärung zu den Sortimenten ist kein entsprechender Vorbescheid erteilt worden. Schließlich ist auch der Bebauungsplan nicht mit dem von der Erklärung vorausgesetzten Inhalt in Kraft getreten.

Dem Antragsteller kann auch nicht entsprechend § 242 BGB und mit Blick auf den Rechtsgedanken aus § 162 Abs. 1 BGB entgegengehalten werden, er habe mangels Stellung eines entsprechenden Vorbescheidsantrages das Wirksamwerden des Rechtsbehelfsverzichts treuwidrig verhindert und könne sich deshalb nicht auf dessen Unwirksamkeit berufen. Nach § 162 Abs. 1 BGB gilt die Bedingung als eingetreten, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird.

Der Senat versteht die Erklärung vom 22.6.2017 dahin, dass der Antragsteller (und sein Bruder) wie die Antragsgegnerin - letztere im Rahmen ihrer Bindung an das Gesetz - frei bleiben sollten, die eingangs genannten Bedingungen zu erfüllen oder auch nicht. Wie bereits der Umstand zeigt, dass lediglich der Antragsteller und nicht auch die Antragsgegnerin die Erklärung unterschrieben hat, haben die Beteiligten nicht etwa einen städtebaulichen Vergleichsvertrag schließen wollen, der wechselseitige Verpflichtungen zur Stellung eines auf die beschriebene Nutzungsänderung gerichteten Vorbescheidsantrages sowie zur Erteilung eines entsprechenden Vorbescheides begründet und das Wirksamwerden u. a. des Rechtsbehelfsverzichts alleine unter die Bedingung des Inkrafttretens eines Bebauungsplans mit dem in der Erklärung skizzierten Inhalt gestellt hätte. Schon mangels einer rechtlichen Bindung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Erteilung des Vorbescheides vermag der Senat der Erklärung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass sich umgekehrt der Antragsteller (und sein Bruder) endgültig auf einen Vorbescheidsantrag mit dem in der Erklärung genannten Inhalt beschränken wollte. Eine solche (einseitige) Verpflichtung kommt - entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin - auch im Wortlaut der Erklärung nicht hinreichend zum Ausdruck. So verstanden gewährte die Erklärung den Mitgliedern der Bruchteilsgemeinschaft lediglich eine Option, die sie - gemessen an den eingangs genannten rechtlichen Maßstäben - zulässigerweise nicht genutzt haben.

Der Normenkontrollantrag ist begründet.

Der Bebauungsplan weist im Hinblick auf § 4a Abs. 3 BauGB einen durchgreifenden formellen Mangel auf. Wegen der Änderungen des Plans am Tag des Satzungsbeschlusses - hinsichtlich des erweiterten Bestandsschutzes für das Grundstück des Antragstellers und seines Bruders (statt 620 m² nur noch 400 m² Verkaufsfläche) - bedurfte es zwar keiner erneuten uneingeschränkten Beteiligung der Öffentlichkeit, weil Grundzüge der Planung nicht berührt waren, wohl aber einer Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit, die nicht stattgefunden hat.

Gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB ist der Entwurf des Bebauungsplans, wird er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt, erneut auszulegen und sind die Stellungnahmen erneut einzuholen. Werden durch die Änderung oder Ergänzung des Entwurfs des Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt, kann die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschränkt werden, § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB.

Jedenfalls die Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift sind erfüllt.

Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin war die erneute Offenlage auch nicht entbehrlich.

Das Beteiligungsverfahren ist allerdings nicht um seiner selbst willen zu betreiben. Hat eine nach öffentlicher Auslegung vorgenommene Ergänzung einer Festsetzung lediglich klarstellende Bedeutung, so besteht kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung oder einer erneuten Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, denn inhaltlich ändert sich am Planentwurf nichts. Entsprechendes gilt, wenn der Entwurf nach der Auslegung in Punkten geändert wird, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.1.2020 - 4 BN 25.19 -, ZfBR 2020, 676 = juris.

Hier hatte die Änderung indes keine lediglich klarstellende Bedeutung und beruhte auch nicht auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Beteiligten.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere nicht allein der Umstand, dass zu dem Plan mit dem schließlich beschlossenen Inhalt bereits im Rahmen der ersten Offenlage im ergänzenden Verfahren eine Äußerungsmöglichkeit bestand. Eine bereits früher bestehende Äußerungsmöglichkeit zu einer Entwurfsfassung allein reicht nicht aus, um die Verpflichtung zur erneuten öffentlichen Auslegung des Plans entfallen zu lassen. Das Gesetz garantiert mit § 3 Abs. 2, § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB, dass die Bürger einmal Gelegenheit hatten, zu dem Planentwurf in seiner letzten Fassung Stellung zu nehmen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.4.2016 - 4 BN 9.16 -, BRS 84 Nr. 25 = BauR 2016, 1269.

Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob mit der erneuten Offenlage die Gewinnung neuer Erkenntnisse verbunden ist, oder - wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat - mit solchen nicht mehr gerechnet werden kann.

Der Mangel ist nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) BauGB unbeachtlich. Die Vorschrift gilt für die unterbliebene Beteiligung einzelner Personen, Behörden oder Träger öffentlicher Belange, nicht aber für das vollständige Unterlassen einer gebotenen (wenn auch ggf. personell zu beschränkenden) erneuten Beteiligung.

Der Mangel wurde fristgerecht i. S. d. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB mit Schreiben vom 17.10.2018 gerügt und ist mithin auch nicht nachträglich unbeachtlich geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.