AG Hanau, Urteil vom 22.05.2019 - 39 C 287/18
Fundstelle
openJur 2021, 5431
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 713,29 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16.10.2018 sowie eine Nebenforderung von 40,00 € zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil insgesamt gegen ihn vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch geltend.

Die Klägerin bietet Dienstleistungen für Rechtsanwälte an, der Beklagte ist Rechtsanwalt. Am 24.10.2017 kam es zu einem Telefonat zwischen einer Mitarbeiterin der Klägerin und dem Beklagten oder einem Mitarbeiter des Beklagten. Inhalt des Telefonates war ein Gespräch über die Gestaltung eines Profileintrages für den Beklagten seitens der Klägerin auf ihrer Onlineplattform, die Geltung eines dreimonatigen, für den Beklagten kostenfreien, jederzeit kündbaren Testzeitraumes für das Vertragsverhältnis und die automatische Verlängerung des Vertragsverhältnis bei ausbleibender Kündigung um 12 Monate zu insgesamt 713,29 €; ein Vertrag mit diesem Inhalt kam zwischen den Parteien in der Folgezeit im Ergebnis zustande. Die Klägerin gestaltete einen Profileintrag für den Beklagten auf ihrer Onlineplattform. Die Klägerin übersendete dem Beklagten das Schreiben vom 26.10.2017, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 14 d.A. verwiesen wird. Mit Rechnung vom 26.01.2018 (Bl. 15 d.A.) berechnete die Klägerin dem Beklagten für den Zeitraum des ersten Vertragsjahres vom 26.01.2018 bis zum 25.01.2019 einen Betrag von insgesamt 713,29 € brutto. Mit E-Mail vom 26.01.2018 (Bl. 35 d.A.) kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis. Die Klägerin mahnte den Beklagten vorgerichtlich mehrfach zur Zahlung.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei ihr mangels fristgerechter Kündigung in der bis längstens zum 25.01.2018 laufenden Testphase zur Zahlung des Betrages für das erste Vertragsjahr verpflichtet. Dieses Ende des Testzeitraumes ergebe sich zumindest nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens aufgrund des Schreibens vom 26.10.2017. Die Klägerin behauptet, die Parteien hätten bereits in dem Gespräch am 24.10.2017 den Vertrag abgeschlossen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 713,29 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 40,00 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, er schulde der Klägerin keine Zahlung, weil er den Vertrag in der Testphase, die erst am 26.01.2018 geendet habe, wirksam gekündigt habe. Die Fristberechnung sei anhand des Schreibens vom 26.10.2017 vorzunehmen, dessen Inhalt betreffend ein Ende der Testphase am 25.01.2018 falsch und unbeachtlich sei. Vertragsschluss sei erst mit Zugang des Schreibens vom 26.10.2017 an diesem Tag erfolgt; erst dann habe die Testphase begonnen. Im Gespräch am 24.10.2017 habe kein Vertrag mit Wirkung für den Beklagten geschlossen werden können, weil der bei dem Beklagten angestellte Herr (Name) das Telefonat geführt habe, der nicht die Vollmacht gehabt habe, für den Beklagten Verträge abzuschließen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten in der Hauptsache die Zahlung von 713,29 € aufgrund des Vertrages von Oktober 2017 über das Einstellen eines Profileintrages für den Beklagten auf ihrer Onlineplattform für das erste Vertragsjahr vom 26.01.2018 bis zum 25.01.2019 verlangen.

Der Abschluss eines Werkvertrages zwischen den Parteien, die ordnungsgemäße Erbringung der vereinbarten Leistungen seitens der Klägerin und die Höhe der klägerseits für das erste Vertragsjahr berechneten Vergütung sind zwischen den Parteien unstreitig.

Die Kündigung des Beklagten mit E-Mail vom 26.01.2018 beendete das Vertragsverhältnis erst zum Ablauf des ersten Vertragsjahres am 25.01.2019. Dem Beklagten stand am 26.01.2018 kein Recht zu einer das Vertragsverhältnis früher beendenden Kündigung zu, insbesondere war die mit der Möglichkeit der jederzeitigen Kündigung verbundene Testphase bereits am 25.01.2018 abgelaufen. Das Schreiben der Klägerin vom 26.10.2017 nannte als letzten Tag der Testphase den 25.01.2018. Dieses Schreiben stellt ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar, dem der Beklagte nicht widersprochen hat und dessen Inhalt zum Vertragsinhalt geworden ist.

Im Handelsverkehr gilt der Grundsatz, dass der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich widersprechen muss, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben inhaltlich so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte. Durch sein Schweigen wird der Vertrag nach Maßgabe des Bestätigungsschreibens geändert oder ergänzt; war noch kein Vertrag geschlossen, kommt er mit dem aus der Bestätigung ersichtlichen Inhalt zustande (Palandt, BGB, 78. Aufl., § 147 Rn. 8).

Möglicher Absender eines Bestätigungsschreibens ist jeder, der ähnlich einem Kaufmann am Geschäftsleben teilnimmt und erwarten kann, dass ihm gegenüber nach kaufmännischer Sitte verfahren wird (BGH, Urteil v. 26.06.1963, Az. VIII ZR 61/62, juris, Rn. 12). Der Empfänger des Bestätigungsschreibens kann auch ein Nichtkaufmann sein, der ähnlich einem Kaufmann am Geschäftsleben teilnimmt und von dem erwartet werden kann, dass er nach kaufmännischer Sitte verfährt, also dem Bestätigungsschreiben wenn nötig widerspricht; zum Beispiel ein Rechtsanwalt. Das bedeutet eine Teilnahme am Geschäfts- oder Berufsverkehr in größerem, aber nicht unbedingt vollkaufmännischem Umfang. Weiter muss das bestätigte Geschäft zu den kaufmännischen bzw. Berufsgeschäften des Bestätigungsempfängers gehören (OLG Hamm, Urteil v. 15.11.1999, Az. 18 U 38/99, juris; Hopt, in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2018, § 346 Rn. 18, beck-online).

Dem Schreiben muss eine hinreichend konkretisierte ernsthafte Verhandlung (in der Sicht des Bestätigenden ein Abschluss) vorausgegangen sein, wofür der Bestätigende beweispflichtig ist. Voraussetzung beispielsweise ist eine mündliche oder telefonische Vorverhandlung. Das Schreiben braucht die Verhandlungen nicht ausdrücklich zu erwähnen, aber es muss der Verhandlung zeitlich unmittelbar folgen, es kommt für die Frist auf den Fall an (Verstreichen weniger Tage muss nicht schaden). Nicht entscheidend ist die Bezeichnung des Schreibens. Das Schreiben muss aber erkennbar bestimmt sein, einen erfolgten Abschluss und seinen Inhalt verbindlich festzulegen (Hopt, in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2018, § 346 Rn. 20 f., beck-online).

Der Umstand, dass der Absender sein Schreiben nicht als "Bestätigungsschreiben", sondern als "Auftragsbestätigung" bezeichnet hat, hindert nicht, es als "kaufmännisches Bestätigungsschreiben" im Rechtssinne aufzufassen. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung, welche die Partei ihrem Schreiben gibt. Es ist auch nicht unbedingt erforderlich, dass das Schreiben frühere mündliche oder telefonische Abreden ausdrücklich erwähnt oder in Bezug nimmt. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Schreiben seinem Inhalt nach den Zweck erfüllt, das Ergebnis vorangegangener Vertragsverhandlungen verbindlich festzulegen (BGH, Urteil v. 09.07.1970, Az. VII ZR 70/68, juris, Rn. 25). Die Auftragsbestätigung schließt Vorverhandlungen, die noch nicht zum Vertragsschluss geführt haben, ab. Mit der Auftragsbestätigung nimmt der Kaufmann ein ihm gemachtes Angebot ("Auftrag") an und macht dadurch in der Regel den Vertrag perfekt. Weicht die Auftragsbestätigung vom Angebot ab, gilt dies als Ablehnung und neuer Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB). Dieser neue Antrag bedarf der Annahme, Schweigen darauf genügt grundsätzlich nicht. Das Bestätigungsschreiben hält demgegenüber nach Vorverhandlungen, die (tatsächlich oder zumindest in der Sicht des Bestätigenden) zum Vertragsschluss geführt haben, den bereits (formlos) zustande gekommenen Vertrag gegenüber dem anderen Teil schriftlich fest. Das Bestätigungsschreiben ist also in der Regel bloße Beweisurkunde. Im Interesse des Verkehrsschutzes muss aber weitergehend der Empfänger, der das Bestätigungsschreiben widerspruchslos hinnimmt, dessen Inhalt als richtig gegen sich gelten lassen. Schweigen auf das Bestätigungsschreiben gilt also als Zustimmung: Der vorher nicht perfekte Abschluss wird es dadurch, der mit einem anderen Inhalt bekommt den des Schreibens (Hopt, in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2018, § 346 Rn. 16 f., beck-online).

Ist ein Vertrag wegen der Mitwirkung eines vollmachtlosen Vertreters schwebend unwirksam, so kann dieser Mangel durch Schweigen auf das dem Vertragsschluss folgende Bestätigungsschreiben geheilt werden; dass das an den Vertragspartner gerichtete Bestätigungsschreiben "zu Händen" des vollmachtlosen Vertreters adressiert ist, ändert daran grundsätzlich nichts (BGH, Urteil v. 27.09.1989, Az. VIII ZR 245/88, juris).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens sind vorliegend erfüllt. Beide Parteien nahmen zumindest ähnlich einem Kaufmann am Geschäftsleben teil und das streitgegenständliche Geschäft gehörte den Berufsgeschäften der Parteien an. Dem Schreiben vom 26.10.2017 waren konkrete, ernsthafte Verhandlungen in einem Telefonat am 24.10.2017 vorangegangen. Das Schreiben vom 26.10.2017 nahm auf dieses Gespräch Bezug und folgte der Verhandlung zeitlich unmittelbar. Es ist inhaltlich als kaufmännisches Bestätigungsschreiben einzuordnen. Auch wenn es fälschlich als Auftragsbestätigung bezeichnet wurde, bestätigt es inhaltlich aus der Sicht der Klägerin den formlos zustande gekommenen Vertrag. Das Schreiben geht inhaltlich von einem bereits abgeschlossenen Vertrag aus, was sich daraus ergibt, dass der Beklagte als Kunde willkommen geheißen wird, ein Passwort übersendet bekommt und die aus Klägersicht vereinbarten Vertragskonditionen, insbesondere ein bis zum 25.01.2018 laufender Testzeitraum, wiedergegeben werden. Der Beklagte hat diesem Bestätigungsschreiben nicht widersprochen. Es ist kein Tatbestand erfüllt, der ausnahmsweise der Rechtsverbindlichkeit des Bestätigungsschreibens entgegenstehen könnte; der Beklagte bestätigt in diesem Verfahren vielmehr im Wesentlichen den Inhalt des Schreibens und behauptet einzig einen um einen Tag längeren Testzeitraum.

Die Klägerin hat sich bereits in der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2019 auf die Grund-sätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens berufen. Diese Thematik wurde erörtert und der Beklagte hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern, was er getan hat. Eine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme auf den nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin, der wiederholt ein Berufen auf die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens enthielt, war wegen bereits in der mündlichen Verhandlung gewährtem rechtlichem Gehör nicht mehr erforderlich.

Die weiteren, zwischen den Parteien streitigen Umstände können dahinstehen.

Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

Der Anspruch auf die zugesprochene Schadenpauschale von 40,00 € folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 5 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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