Hessisches LAG, Urteil vom 10.07.2020 - 3 Sa 927/18
Fundstelle
openJur 2021, 5424
  • Rkr:

1) Grundsätzlich sind Umkleidezeiten (und dadurch veranlasste Wegezeiten) für das Tragen besonders auffälliger Schutzkleidung als Arbeitszeiten gemäß § 611a Abs. 2 BGB vergütungsplflichtig.

2) Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann für Umkleide- und Wegezeiten eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen werden, die Vergütungspflicht kann ausgeschlossen werden (Anschluss an BAG 12. Dezember 2018 - 5 AZR 124/18-).

3) Nach § § 7.1.2.1 Satz 3, 28.2 des Manteltarifvertrages der Volkswagen AG vom 15.12.2008 i.d.F. von 05. März 2018 bestehen tarifl. Rgelungen, die die Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten ausschließen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 08. Juni 2018 - 2 Ca 14/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob Umkleidezeiten und damit zusammenhängende innerbetriebliche Wegezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

Die Beklagte produziert Fahrzeuge an mehreren Standorten in der Bundesrepublik. In ihrem Werk in A (bei B) gilt Vertrauensarbeitszeit, eine Stechuhr gibt es nicht. Als Arbeitszeiten werden grundsätzlich die Schichtzeiten erfasst, dies gilt auch, wenn Arbeitnehmer später zur Arbeitsstelle kommen. Vom Teamsprecher oder Meister der jeweiligen Schicht/Abteilung werden die Anwesenheit bzw. Abwesenheit der Mitarbeiter im Computer erfasst, allerdings nicht "sekundengenau". In der Berufungsverhandlung vom 02. August 2019 haben die Parteien erklärt, dass -soweit B als Arbeitsort oder Ort der Niederlassung der Beklagte genannt sei- damit A gemeint sei.

Der Kläger ist seit 17. Oktober 2014 bei der Beklagten im Werk A beschäftigt und seit 2011 Mitglied der IG-Metall. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien heißt es u.a.:

"Arbeitszeit

Ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit wird durch die jeweils gültigen Tarifverträge geregelt; sie beträgt demnach zurzeit 35 Wochenstunden.

Die Lage der Arbeitszeit richtet sich im Übrigen nach den betrieblichen Regelungen, die für die Abteilung gelten, in der Sie eingesetzt sind.

Vergütung

Die monatliche Bruttovergütung richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen in ihrer jeweils gültigen Fassung; sie beträgt zurzeit gemäß Entgeltstufe 11

3731,50 €

Weitergehende Leistungen richten sich nach den für sie geltenden tariflichen und betrieblichen Regelungen.

(...)

Schlussbestimmungen

(...)

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil des Arbeitgebers fachlich/betrieblich anzuwendenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

Im Übrigen gelten die einschlägigen gesetzlichen und betrieblichen Regelungen -einschließlich der Arbeitsordnung- in ihrer jeweils gültigen Fassung, soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist." Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf die Anl. B1, Bl. 93-95 der Akte Bezug genommen.

Er ist in der Gießerei im Bereich Schmelze als Gießerei-Mechaniker, im 3-Schicht-System mit wöchentlich 35 Stunden tätig und hat bei einer Eingruppierung in Entgeltstufe 12 von September bis Dezember 2017 monatlich 4.254,00 EUR brutto verdient. Die Höhe der monatlichen Vergütung ist nach der ersten Verhandlung der Berufungskammer am 02. August 2019 unstreitig geworden.

Als Mitarbeiter der Gießerei wird dem Kläger vor dem Ende der jeweiligen Schicht eine bezahlte Waschzeit nach § 28 Abs. 2 MTV von jeweils 10 Minuten gewährt. Die Länge der täglichen Pausenzeit pro Schicht ergibt sich für die Mitarbeiter im Werk A aus der Betriebsvereinbarung Nr. 02/2007 vom 21. August 2007 (BV Nr. 02/2007), wegen deren Einzelheiten wird auf Bl. 43 ff d. A. Bezug genommen. Beim Kläger im 3-Schicht-System werden pro Schicht 64 Minuten als bezahlte Pause gewährt (insoweit wird auf die Anlage zur BV Nr. 02/2007, Bl. 49 d. A. Bezug genommen). In der Berufungsverhandlung vom 02. August 2019 haben die Parteien unstreitig gestellt, dass diese Betriebsvereinbarung weiterhin gilt.

Da die Kapazitäten der Duschen begrenzt sind, ist auf Wunsch der Mitarbeiter mit dem Betriebsrat abgestimmt, dass die Gießereimitarbeiter vor Schichtende zusätzlich noch 10 Minuten Pause nehmen, infolgedessen sind die letzten 20 Minuten der Arbeitszeit einer Schicht des Klägers eine Kombination aus bezahlter Pause und bezahlter Waschzeit.

Entsprechend stellen sich im 3-Schicht-System die Arbeitszeiten wie folgt dar:

Frühschicht

Spätschicht

Nachtschicht

Beginn

06:30 Uhr

14:30 Uhr

22:30 Uhr

10 Min Waschzeit

ab 14:10 Uhr

ab 22:10 Uhr

ab 06:10 Uhr

Ende

14:30 Uhr

22:30 Uhr

06:30 Uhr

Bezahlte Pause pro Schicht

64 Minuten

64 Minuten

64 Minuten

Hinsichtlich der Umkleidezeiten und innerbetrieblichen Wegezeiten des Klägers gilt Folgendes:

Der Kläger trägt grundsätzlich keine besonders aufwändige Privatkleidung. Privat bekleidet er sich üblicherweise mit Freizeitkleidung, bestehend aus Unterwäsche, Socken, Hose, Hemd bzw. T-Shirt und jahreszeitbedingt bzw. witterungsbedingt mit Pullover, Jacke bzw. bei winterlicher Witterung mit entsprechend gefütterter Winterjacke. Zu Beginn jeder Schicht legt der Kläger seine Privatkleidung ab und eine persönliche Schutzausrüstung (im Folgenden "PSA" genannt) an, diese besteht aus feuerbeständiger Hose, feuerbeständiger Jacke, Sicherheitsschuhen, einem Helm, einer Schutzbrille und einem Gehörschutz (erläuternd wird auf das Bild Anlage B3, Bl. 469 d. A. Bezug genommen). Der Kläger ist verpflichtet, die PSA während seiner Arbeit zu tragen und sie vor Beginn seiner Tätigkeit anzulegen. Er ist nicht verpflichtet, sie im Werk anzulegen. Die Trageverpflichtung des Klägers und weitere Einzelheiten dazu ergeben sich aus der Betriebsvereinbarung Nr. 01/2008 "Arbeitskleidung - Standort B" vom 22. Februar 2007 (BV Nr. 01/2008), wegen deren Einzelheiten auf Bl. 11 - 13 d. A. verwiesen wird.

Im Einzelnen stellt sich der Umkleidevorgang so dar, dass der Kläger sich zu Schichtbeginn zunächst zur Waschkaue begibt, wo sich sein persönlicher Spind befindet. Dabei handelt es sich um einen Doppelspind mit einer inneren Abtrennung. Links befindet sich die Ablage für die private Kleidung und in der rechten Hälfte die Ablage für die PSA. Der Kläger zieht zunächst seine private Kleidung bis auf die Unterhose aus und legt sie links im Spind ab. Der rechten Hälfte des Spindes entnimmt er die in der vorangegangenen Schicht getragene und verschmutzte PSA und trägt sie bis zum Ausgang der Waschkaue in 37 bis 50 m Entfernung. Dort gelangt er über ein Treppenhaus zu der eine Etage tiefer liegenden Waschkaue, wo sich ein weiterer dem Kläger zugeordneter Spind befindet, in dem sich die von einer Wäscherei gereinigte PSA des Klägers befindet. Er zieht die gereinigte PSA an und legt die verschmutzte PSA in einem bereitgestellten Container ab, von dort wird sie einer Spezialreinigung zugeführt. Die PSA wird nicht täglich aber regelmäßig ausgetauscht.

Nachdem der Kläger umgezogen ist, erreicht er über eine Fahrstraße von 100 bis 200m Länge den Pausenraum in seinem Arbeitsbereich. Dort treffen sich die Mitarbeiter der beginnenden Schicht und erhalten vom Mitarbeiter des sogenannten Leitstandes die Informationen zur Übergabe, während sich die Mitarbeiter der vorhergehenden Schicht bereits in der Dusche befinden. Direkt an seinem Arbeitsplatz setzt der Kläger bei Schichtbeginn Schutzbrille und Helm auf. Im Übrigen zieht er -sofern erforderlich- während der Arbeitszeit noch eine Hitzeschutzkleidung an, insofern wird erläuternd auf das Bild in der Mitte von Bl. 85 d. A. verwiesen.

Am Ende seiner Schicht duscht der Kläger bei der Beklagten bevor er das Werksgelände verlässt. Denn er wird u. A. beim Arbeiten am Drehtrommelofen, der beim Schmelzen von Fremdstoffen zunächst mit Lehm verschlossen und dann wieder aufgebohrt wird, sehr schmutzig.

Im Einzelnen bestanden und bestehen bei der Beklagten folgende Regelungen zu Arbeitszeit, Flexibilitätskonto und Arbeitskleidung:

Zunächst hat bei der Beklagten, bzw. ihrer Rechtsvorgängerin eine kollektive Regelung "Betriebsordnung der Volkswagenwerk GmbH" vom 01. Mai 1944 bestanden, in der es geheißen hat:

"Artikel 7 Ordnungsbestimmungen

(...)

f) Das Umkleiden, Waschen und die Aufbewahrung von Kleidungsstücken darf nur in den dafür bestimmten Räumen und nur außerhalb der Arbeitszeit erfolgen. (...)

Lohn- und Gehaltszahlung (vor Artikel 16)

Jedes Gefolgschaftsmitglied hat nur Anspruch auf Bezahlung der tatsächlich geleisteten Arbeit." Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsordnung von 1944 wird auf die Anlage B7, Bl. 694ff d. A. Bezug genommen.

In der nachfolgenden Betriebsordnung vom 10. Mai 1947 hat es geheißen:

"2. Schutz- und Ordnungsbestimmungen

(...)

e) Das Umkleiden, Waschen und die Aufbewahrung von Kleidungsstücken darf nur in den dafür bestimmten Räumen und nur außerhalb der Arbeitszeit erfolgen. In Einzelfällen kann eine Waschzeit von 5 Minuten gewährt werden.

(...)

5. Lohn und Gehalt

Es besteht nur Anspruch auf Bezahlung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit und zwar nach Maßgabe der geltenden Tarifordnung und der für das Werk erlassenen Lohnregelung vom 27.5.1946 bzw. nach Maßgabe des zwischen den Vertragsparteien noch abzuschließenden Tarifvertrages. Günstigere Bestimmungen dieses Tarifvertrages gehen denen der Betriebsordnung vor." Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsordnung von 1947 wird auf die Anlage B8, Bl. 709ff d. A. Bezug genommen.

Anschließend hat es in der Arbeitsordnung vom 23. Dezember 1955 geheißen:

" § 5 Arbeitszeit

(...)

2) Anspruch auf Bezahlung besteht grundsätzlich nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. (...)" Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsordnung von 1955 wird auf die Anlage B9, Bl. 725ff d. A. Bezug genommen.

In der Arbeitsordnung vom 23. Dezember 1960 hat es geheißen:

"§ 4 Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis

(...)

9) Waschen und Umkleiden sind nur in den dafür bestimmten Räumen gestattet. (...)

10) Die Aufenthaltsräume und Waschkauen dürfen -außer in begründeten Ausnahmefällen- nur vor Arbeitsbeginn, in den Pausen und nach Arbeitsschluß betreten werden.

(...)

§ 5 Arbeitszeit

(...)

2) Anspruch auf Bezahlung besteht grundsätzlich nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. (...)" Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsordnung von 1960 wird auf die Anlage B10, Bl. 736ff d. A. Bezug genommen.

In der Arbeitsordnung vom 30. Mai 1969 hat es geheißen:

"§ 4 Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis

(...)

4.12 Waschen und Umkleiden sind nur in den dafür bestimmten Räumen gestattet. (...)

4.13 Die Aufenthaltsräume und Waschkauen dürfen -außer in begründeten Ausnahmefällen- nur vor Arbeitsbeginn, in den Pausen und nach Arbeitsschluß betreten werden.

(...)

§ 5 Arbeitszeit

(...)

5.4 Bezahlt wird nur die Zeit, die dem Werksangehörigen im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit zur Arbeitsleistung im Werk zur Verfügung steht, soweit in den Tarifverträgen nicht andere Regelungen getroffen sind." Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsordnung von 1969 wird auf die Anlage B11, Bl. 749ff d. A. Bezug genommen.

Zwischen dem Vorstand der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat ist am 3. Juni 1977 eine Betriebsvereinbarung Nr. 1/77 "Arbeitsordnung" (im Folgenden: Arbeitsordnung 1977) abgeschlossen worden, die seit dem 01. August 1977 gilt und in der es auszugsweise heißt:

"Arbeitszeit und Arbeitsentgelt

§ 6 Arbeitszeit

Die Dauer der Arbeitszeit richtet sich nach den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden mit dem Betriebsrat vereinbart. Entsprechendes gilt für Abweichungen.

(...)

Abgrenzung

Die Arbeitszeit beginnt und endet am Arbeitsplatz. Waschen und Umkleiden sind außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen. Tarifliche und Sonderregelungen bleiben hiervon unberührt.

(...)

Berechnung

Für die Berechnung der Arbeitszeit der Lohnempfänger sind grundsätzlich nur die von den Kontrolluhren auf der Zeitkarte gestempelten Zeiten unter Berücksichtigung der festgelegten Arbeitszeiten, für die Berechnung der Arbeitszeit der Gehaltsempfänger die auf den dafür vorgesehenen Unterlagen ausgewiesenen Arbeitszeiten maßgebend." Wegen der weiteren Einzelheiten der Arbeitsordnung nebst Protokollnotizen wird auf Bl. 537ff der Akte Bezug genommen.

Zeitgleich sind im Jahr 1977 und 1978 die Arbeitsordnung und neue Regelungen im Manteltarifvertrag verhandelt worden.

Bei der Beklagten existiert eine Betriebsvereinbarung Nr. 02/07 "Individuelles Flexibilitätskonto" vom 01. Dezember 2006 (BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto) mit dem Gesamtbetriebsrat. Danach wird bei der Beklagten für jeden Beschäftigten ein individuelles Flexibilitätskonto eingerichtet mit einer Schwankungsbreite von +/-400 Stunden, für das kein individueller Ausgleichszeitraum gilt. Nach Ziffer 3.3.1 der Gesamtbetriebsvereinbarung erfolgt die Bezahlung von Mehrarbeit zu 100% ab einem positiven Zeitsaldo von 381 Stunden, wegen der weiteren Einzelheiten der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto wird auf Bl. 639-644 der Akte Bezug genommen.

Am 22. Februar 2007 hat die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung Nr. 01/2008 "Arbeitskleidung - Standort B" (BV Nr. 01/2008) abgeschlossen, die ab dem 01. Februar 2008 gültig ist. In dieser Betriebsvereinbarung ist die Bereitstellung von einheitlicher Arbeitskleidung durch die Beklagte und die Trageverpflichtung aller Werksangehörigen geregelt. Wegen der Einzelheiten der BV Nr. 01/2008 wird auf Bl. 11-13 der Akte Bezug genommen. In der Berufungsverhandlung vom 02. August 2019 haben die Parteien unstreitig gestellt, dass diese Betriebsvereinbarung weiterhin gilt.

Darüber hinaus ist zwischen dem Werk Management, Vertrieb Originalteile und dem Betriebsrat der Volkswagen AG B "auf Basis des Tarifvertrages vom 5.10.2006" die Betriebsvereinbarung Nr. 02/2007 "Arbeitszeitregelung ab 01.08.2007 - Werk B" vom 01. August 2007 (BV Nr. 02/2007) geschlossen worden. Darin heißt es unter anderem:

"1.1 Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit

Die tägliche Arbeitszeit beginnt und endet am Arbeitsplatz. Die Verteilung der Arbeitszeit erfolgt in der Früh-und Spätschicht auf 5 Arbeitstage von Montag bis Freitag. Die Verteilung der Arbeitszeit in der Nachtschicht erfolgt auf 5 Arbeitstage von Sonntag bis Donnerstag.

(...)

7. Inkrafttreten und Kündigung

Die Betriebsvereinbarung tritt am 1.8.2007 in Kraft und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

Im Übrigen gelten die Regelungen des Tarifvertrages vom 05.10.2006."

Wegen der weiteren Einzelheiten der BV Nr. 02/2007 wird auf Bl. 43-47 der Akte Bezug genommen. In der Berufungsverhandlung vom 02. August 2019 haben die Parteien unstreitig gestellt, dass diese Betriebsvereinbarung weiterhin gilt.

Zeitgleich zur Arbeitsordnung 1977 sind in den einschlägigen Manteltarifvertrag 1978 in § 5 Lohn- und Gehaltsregelungen aufgenommen worden: "Bezahlt wird nur geleistete Arbeit, es sei denn, daß in diesem Tarifvertrag andere Regelungen getroffen sind." Insoweit wird auf die Anlage B13, Bl. 793 d. A. Bezug genommen. Seit 1991 lautet die tarifvertragliche Regelung des Manteltarifvertrags: "Bezahlt wird geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft, es sei denn, dass durch die Tarifverträge andere Regelungen getroffen sind".

Der aktuelle zwischen der IG Metall und der Beklagten abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 15. Dezember 2008 in der Fassung vom 05. März 2018 (im Folgenden: MTV-VW) hat folgenden Inhalt, soweit hier von Belang:

"2. Abschnitt: Arbeitszeit: Dauer und Flexibilität

(...)

§ 6 Arbeitszeit

(...)

6.3 Arbeitszeitverteilung

§ 6.3.1 Auf Basis der festgelegten Arbeitszeitfixpunkte werden die Arbeitszeitmodelle/Schlichtpläne mit dem Betriebsrat vereinbart. Entsprechendes gilt für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnisse nach dem 31. Dezember 2004 begonnen hat, auf Basis einer durchschnittlichen 35 Stunden-Woche.

Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat kann der Sonnabend als Produktionstag auch in einem Schichtplan genutzt werden, wenn und soweit damit ein positiver Beschäftigungseffekt erzielt wird.

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage -in der Regel von Montag bis Freitag- werden mit dem Betriebsrat vereinbart.

(...)

§ 7 Arbeitszeitflexibilität/Mehrarbeit

(...)

7.1.2 Mehrarbeit

7.1.2.1 Mehrarbeit liegt vor, wenn die im Rahmen der Verteilung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit jeweils festgelegte tägliche und wöchentliche Arbeitszeit überschritten wird. Mehrarbeit wird nur vergütet, wenn sie von der/dem zuständigen Vorgesetzten angeordnet ist.

Es werden jedoch nur volle ¼ Stunden verrechnet.

Grundsätzlich wird Mehrarbeit durch bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeglichen.

(...)

3. Abschnitt: Besondere Entgeltregelungen

§ 12 Entgeltregelungen

12.1 Grundsätze

12.1.1 Bezahlt wird. geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft, es sei denn, dass durch Tarifverträge andere Regelungen getroffen sind.

12.1.2 Beschäftigte sind verpflichtet, bei einem Mangel an geeigneter Arbeit z.B. bei Betriebsstörungen oder Arbeitsunterbrechungen, Energie-, Material-und Auftragsmangel, vorübergehend eine andere zumutbare Arbeit zu leisten.

12.1.3 Beschäftigte, die nach vollkontinuierlichen Schichtplänen arbeiten und nach Schichtplan an einem Feiertag zur Arbeit eingeteilt sind, erhalten bei Arbeitsbefreiung den Verdienstausfall bezahlt.

(...)

5. Abschnitt: Sonstige Regelungen

(...)

§ 28 Sonstiges

28.1 Wird auf Verlangen eigenes Werkzeug benutzt, so ist dafür eine Entschädigung zu bezahlen, deren Höhe im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt wird.

28.2 Beschäftigte, die besonders schmutzige Arbeiten verrichten, erhalten täglich eine bezahlte Waschzeit bis zu 20 Minuten, die innerhalb der täglichen Arbeitszeit liegt. In der Regel beträgt sie z.B. bei Härtern, Lackspritzern und Schleifern in der Chromanlage 10 Minuten und bei Beschäftigten in der Gießerei 20 Minuten.

Mit dem Betriebsrat kann vereinbart werden, dass zur Auslastung der betrieblichen Anlagen die festgelegte Waschzeit unmittelbar im Anschluss an die tägliche Arbeitszeit gelegt wird. Sie wird nicht auf die Mehrarbeitsbegrenzung des § 7.1.2.2 angerechnet.

28.3 Der nach § 28.2 in Frage kommende Personenkreis wird mit dem Betriebsrat festgelegt."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Manteltarifvertrages wird auf die Anlage B6, Bl. 472-532 der Akte Bezug genommen.

Mit außergerichtlichem Schreiben vom 30. November 2017 hat der Kläger von der Beklagten "rückwirkend seit September 2017 den errechneten Durchschnittsbetrag in Höhe von 139,68 Euro brutto" pro Monat für Umkleidezeiten im Zusammenhang mit dem An- und Auskleiden verlangt, wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 8f der Akte Bezug genommen.

Auf einen Hinweis des Gerichts ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden, dass der Kläger in der Zeit von 03. September 2017 bis 26. Dezember 2017 insgesamt 70 Schichten zu jeweils acht Stunden gearbeitet hat. Im Einzelnen sind 20 Schichten im September, 19 Schichten im Oktober, 16 Schichten im November und 15 Schichten im Dezember 2017 angefallen. In der Zeit vom 17. bis einschließlich 19. Dezember 2017, vom 28. November bis 30. November 2017 und vom 01. bis 03. Dezember 2017 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Vom 11. bis 18. Oktober 2017 und vom 27. bis 29. Dezember 2017 hat der Kläger Urlaub in Anspruch genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der vom Kläger geleisteten Schichten wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 25. Oktober 2019, dort Seiten 2 bis 4, Bezug genommen.

Mit dem Schriftsatz vom 25. Oktober 2019 hat der Kläger auch klargestellt, dass er für insgesamt angeblich geleistete 71 Schichten 661,24 € brutto zu beanspruchen habe. Auf Basis des Monatsentgelts von 4.245,00 Euro brutto hat er bei 152,25 Stunden im Monat (35 Stunden X 4,35 Wochen) ein Stundengrundentgelt von 27,94 € brutto ermittelt und zugrunde gelegt. Angesichts der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bleibe es bei dem geltend gemachten Zahlungsantrag von 558,72 €. Darüber hinaus hat er klargestellt, dass der Streitgegenstand auf die tatsächlich geleisteten Schichten bzw. Arbeitszeiten des Klägers, ohne Berücksichtigung von Urlaubszeiten, krankheitsbedingten Fehlzeiten und gesetzlichen Feiertagen, begrenzt sei.

Mit seiner bei Gericht am 15. Januar 2018 eingegangenen, Klage, der Beklagten am 18. Januar 2018 zugestellt, hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung weiteren Entgeltes für die Monate September bis einschließlich Dezember 2017 in Anspruch genommen und zwar für die Zeit, die er nach seiner Ansicht außerhalb der regulären Arbeitszeit für das An- und Ablegen der PSA benötigt. Er hat vorgetragen, die PSA "vor Aufnahme der "direkten" Arbeit und nach Beendigung dieser Arbeit, also nach Schichtende, an- bzw. abzulegen". Zu den durch 2 Mitglieder des Betriebsrates und einen Beauftragten des Betriebsrates am 21. März 2018 beim Kläger und 2 Kollegen zu Schichtbeginn durchgeführten Zeitmessungen der Umkleide- und Wegezeiten hat der Kläger vorgetragen:

Anlegen der PSA, 14:00 Uhr

C(1996)(Einzelzeit in Minuten)

Kläger(Einzelzeit in Minuten)

D(1961)(Einzelzeit in Minuten)

Betreten der Waschkaue Weg zum Spind

0,23

0,28

0,11

Spind aufschließen

0,02

0,03

0,05

Wechsel der Arbeitskleidung (schmutzig gegen sauber)

2,15

3,08

2,41

Auskleiden bis auf Unterwäsche und Ablage im Spind

2,57

2,16

1,34

Ankleiden der PSA

4,07

3,48

4,48

Spind schließen

0,07

0,06

0,12

Weg zum Arbeitsplatz

2,42

2,40

2,20

Zu den am 28. März 2020 bei 2 Kollegen und am 14. Mai 2018 beim Kläger jeweils zu Schichtende durchgeführten Zeitmessungen der Umkleide- und Wegezeiten hat er vorgetragen:

C(Einzelzeit in Minuten)

Kläger(Einzelzeit in Minuten)

D(Einzelzeit in Minuten)

Arbeitsplatz zur Waschkaue

1,49

3,12

1,49

Betreten Waschkaue und Weg zum Spind

0,23

0,24

0,33

Spind aufschließen

0,07

0,05

0,02

Auskleiden der PSA und in Spind legen

1,0

1,45

1,50

Handtuch und Duschutensilien aus Spind nehmen

0,49

0,16

1,11

Spind abschließen

0,05

-

0,05

Spind zur Dusche

0,11

0,19

0,19

Duschvorgang und abtrocknen

10,05

5,10

8,47

Dusche zum Haartrockner

0,06

0,05

Haare Trocknen

0,37

0,13

Haartrockner zum Spind

0,13

0,12

Spind aufschließen

0,05

insgesamt 0,23

0,01

Duschutensilien in Spind legen

0,47

0,08

1,22

Ankleiden privater Kleidungsstücke

4,06

3,54

4,53

Spind abschließen

0,05

0,07

0,05

Weg zum Ausgang der Waschkaue

0,26

0,42

0,17

16,41

Er hat behauptet, für das An- und Ablegen der PSA jeweils 10 Minuten, also täglich insgesamt 20 Minuten aufzuwenden, so dass bei monatlich 19,66 Stunden für die Monate September bis einschließlich Dezember 2017 insgesamt 139,68 Euro pro Monat als Vergütung nachzuzahlen wäre, hilfsweise hat er geltend gemacht, dass diese Zeit seinem Arbeitskonto gutzuschreiben sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 558,72 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise

2. die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 19,66 Stunden (dezimal) gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass eine Anspruchsgrundlage für den klägerischen Anspruch nicht erkennbar sei. Insbesondere sei der Anspruch des Klägers nach § 12.1.1 des Manteltarifvertrages ausgeschlossen. Eine Regelung zur Bezahlung von Umkleidezeiten oder der Anlegung einer persönlichen Schutzausrüstung sei zwischen den Tarifparteien nicht vereinbart. Auch nach der im Betrieb der Beklagten geltenden Arbeitsordnung sei festgelegt, dass die Arbeit am Arbeitsplatz beginne und daher eine Vergütungspflicht für Umkleidezeiten nicht bestehe. Der Zeitaufwand zum Anlegen der PSA betrage nach ihrer Messung 5,27 Minuten zu Schichtbeginn und zum Ablegen am Schichtende 4,94 Minuten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in 1. Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Kassel hat mit Urteil vom 8. Juni 2018 die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass eine Vergütungspflicht der vom Kläger aufgewendeten Zeiten für das An- und Ablegen der PSA aus den tarifvertraglichen Bestimmungen nicht zu erkennen sei. Eine Vergütungspflicht für Umkleidezeiten sei unstreitig zwischen den Tarifparteien nicht vereinbart worden, entsprechend sei auch der Hilfsantrag unbegründet. Sie ergebe sich auch nicht aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Grundsätzlich bestehe eine Vergütungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB für die vom Arbeitgeber angeordnete Umkleidezeit im Betrieb. Denn mit seiner Weisung zum Umkleiden mache der Arbeitgeber das Zurücklegen des Weges von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Diese arbeitsrechtliche Verpflichtung zum An -und Ablegen der PSA sei von der arbeitsvertraglich vereinbarten und zu leistenden Arbeit zu trennen. Nach § 12.1.1 Manteltarifvertrag sei die Beklagte lediglich verpflichtet, geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft zu vergüten, es sei denn, durch Tarifverträge wären andere Regelungen getroffen. Derartige Regelungen hätten die Tarifparteien nicht getroffen, anders als bei der Gewährung von bezahlten Waschzeiten gemäß § 28.2 MTV. Auch die Auslegung von § 12.1.1 MTV ergebe, dass die Tarifvertragsparteien allein für geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft eine Vergütungspflicht vereinbart hätten. Dies werde insbesondere durch den 2. und 3. Halbsatz der Vorschrift deutlich, da dort eine Ausnahmeregelung für Vergütungspflichten gemäß dem 1. Halbsatz allein unter der Voraussetzung vereinbart worden sei, dass entsprechende Regelungen durch Tarifverträge getroffen sind, welche vorliegend nicht erkennbar seien. Die systematische Einordnung des Begriffes "geleistete Arbeit" sei begrifflich so auszulegen, dass damit die vom Arbeitnehmer zu erbringende geschuldete Arbeitsleistung zu verstehen sei und nicht weitere gegebenenfalls vom Arbeitgeber angeordnete und nicht zur eigentlichen Arbeitsleistung gehörende Tätigkeiten. Nachdem ein Vergütungsanspruch des Klägers nicht zu erkennen sei, könne dahinstehen, ob durch die von der Beklagten in der Arbeitsordnung vorgenommene Regelung, dass die Arbeit erst am Arbeitsplatz beginne, der Vergütungsanspruch des Klägers wirksam ausgeschlossen werde.Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 28.2 MTV, denn diese Regelung erfasse lediglich Waschzeiten. Diese mache der Kläger nicht geltend, sondern Umkleidezeiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Seiten 5-7 des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 25. Juni 2018 zugestellt worden ist, hat er mit am 12. Juli 2018 beim hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 30. Juli 2018 beim hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Er meint, ihm stehe bei einem Stundengrundentgelt von 27,94 € brutto (4.254,00 € : 152,25 Stunden [=35 Stunden X 4,35 Wochen]) für im Zeitraum von September bis Dezember 2017 insgesamt 71 geleisteten Schichten, für die zu Beginn und Ende der Schichten jeweils anfallenden 10 Minuten Umkleide- und Wegezeiten, also insgesamt 20 Minuten pro Tag, insgesamt noch Vergütung für 1420 Minuten bzw. 23 Stunden und 20 Minuten zu. Dies ergebe rechnerisch einen Vergütungsanspruch von 661,24 €, wovon er -unter Berücksichtigung tariflicher Ausschlussfristen lediglich 558,72 € brutto begehre. Er behauptet, mit seinen 45 Jahren altersentsprechend gesund zu sein und keine behinderungsbedingte Bewegungseinschränkung zu haben. Er ziehe sich, wie sich auch aus einem Abgleich mit den weitergehenden Messungen ableiten lasse, unter Ausnutzung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit zügig um. Die Wegstrecke vom Spind zum Ausgang der Waschkaue betrage ca. 200m, von seinem 1. zum 2. Spind 50m und nach dem Umkleidevorgang von der Waschkaue zum Sammeltreffpunkt im Pausenraum betrage 200m. Zu Schichtbeginn benötige er 2 Minuten und 16 Sekunden zum Ausziehen seiner privaten Kleidung und 3 Minuten und 48 Sekunden zum Ankleiden der PSA. Auch die anderen beiden Mitarbeiter, bei denen die Zeit gemessen wurde, würden für das Umkleiden zu Schichtbeginn 6-7 Minuten benötigen. Einschließlich der Wegezeit zum Sammelplatz betrage der Zeitraum zwischen Betreten der Waschkaue und Eintreffen am Sammelplatz zwischen 11 und 12 Minuten. Bei Schichtende benötige er für das Ausziehen der PSA 1 Minute und 45 Sekunden. Auch die anderen beiden Mitarbeiter, bei denen die Zeit gemessen wurde, würden für das Umkleiden zu Schichtende 5-6 Minuten benötigen. Insgesamt benötige der Kläger für das Umkleiden und die Wegezeit vom Arbeitsplatz bis zum Verlassen der Waschkaue gerundet 10 Minuten. Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung durch das Gericht seien die durchgeführten Messungen am 21. und 28. März bzw. 15. Mai 2018

Er vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dass die Umkleidezeiten allein der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dienen würden und im Austauschverhältnis stünden. Entsprechend würden sie zur geschuldeten Arbeitsleistung gehören. Der Vergütungsanspruch sei weder durch § 12 noch durch § 6 MTV ausgeschlossen. So werde in § 6 MTV auch nicht geregelt, dass "Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen" keine Arbeitszeiten seien. In diesem Tarifvertrag sei an keiner Stelle definiert, was unter "geleistete Arbeit" zu verstehen sei. Deshalb sei im Umkehrschluss all das Arbeitsleistung, was im Synallagma stehe und damit auch das Umkleiden. Wegen des Tarifvorbehalts und der unterschiedlichen Regelungsbereiche des Manteltarifvertrages und der Arbeitsordnung sei eine Zusammenführung beider Regelwerke in dem Sinne, das Umkleiden außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen sei und nur geleistete Arbeit bezahlt werde, nicht zulässig. Der Vergütungsanspruch sei auch weder durch § 28.2 MTV noch durch die Betriebsvereinbarung zur Führung eines individuellen Flexibilitätskontos ausgeschlossen. Hilfsweise macht er geltend, auf seinem individuellen Flexibilitätskonto eine Zeitgutschrift vorzunehmen. Diese komme möglicherweise dann in Betracht, sofern es sich bei den Umkleidezeiten um Mehrarbeitszeiten bzw. Arbeitszeit im Sinne einer Arbeitszeitverlängerung an einem Arbeitstag handeln sollte.

§ 30.1.1 des Manteltarifvertrages sei nach §§ 2 und 4 ArbGG i.V.m. § 101ff Arbeitsgerichtsgesetz unwirksam, entsprechend sei für das Begehren des Klägers der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht verschlossen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 8. Juni 2018 -2 Ca 14/18-abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 558,72 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 19,66 Stunden (dezimal) gutzuschreiben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderliche Zeit des An- und Ablegens der persönlichen Schutzausrüstung bestehend aus feuerfesten Sicherheitsstiefeln, feuerhemmende Sicherheitshose und Jacke, Schutzhelm, Schutzbrille und Gehörschutz im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten dem Grunde nach zu vergüten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie hält beide Hilfsanträge für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Dem Hilfsantrag zu 3 fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Sie vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dem Kläger stünden aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen die geltend gemachten Ansprüche im Hinblick auf die behaupteten Umkleidezeiten nicht zu. Bei der PSA handele es sich um keine besonders auffällige Dienstkleidung, die der Kläger auch außerhalb des Betriebes tragen und damit auch zu Hause an- und ablegen dürfe.

Die Entfernung vom Spind des Klägers zum Ausgang der Waschkaue betrage 37m und vom Waschkauespind zum Spind mit der Wechselkleidung 62m. Der Weg vom Waschkauespind bis zum Pausenraum betrage 157m.

Sie meint, der Kläger habe die erforderlichen Tatsachen für eine Schätzung der Umkleidezeiten nicht vorgetragen. Er habe weder dazu vorgetragen, ob die von ihm behaupteten Zeiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erzielt worden seien, noch dazu, welche konkreten Kleidungsstücke er trage. Insbesondere lege er keine konkreten Anknüpfungstatsachen vor wie z.B. Knöpfe, Gürtel, Schnüren etc. Die vom Kläger angegebenen reinen Umkleidezeiten würden seine Klageforderung nicht stützen. Es sei nicht nachvollziehbar, was er mit der Position "Wechsel der Arbeitskleidung schmutzig gegen sauber" meine und weshalb dies 3,08 Minuten dauere. Auch sein Vorbringen zu den Wegezeiten sei unsubstantiiert. Wegezeiten seien ausschließlich dann vergütungspflichtig, wenn sie notwendig seien, um das behauptete An- und Ablegen der Dienstkleidung durchführen zu können, sie müssten durch das Ankleiden veranlasst sein. Jedenfalls die Umkleidezeit nach Schichtende löse keine weitere Vergütungspflicht der Beklagten aus. Denn der Kläger erhalte eine bezahlte Waschzeit gemäß § 28.2 MTV, diese liege am Ende der täglichen Arbeitszeit. Da er sich zwangsläufig nach der Arbeit ausziehen müsse, um zu duschen, stehe das Umkleiden nach Schichtende zwangsläufig im Zusammenhang mit der tarifvertraglich geregelten Waschzeit. Mit dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 6 Sa 722/18, sei davon auszugehen, dass Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten von weniger als 15 Minuten pro Arbeitstag gemäß § 7.1.2.1 MTV keine vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen würden.

Die Vergütung von Umkleidezeiten sei bei der Beklagten zu keinem Zeitpunkt Gegenstand von Tarifverhandlungen gewesen. Die Betriebs- und Tarifvertragsparteien hätten die streitgegenständlichen tariflichen Regelungen über viele Jahrzehnte übereinstimmend dahingehend verstanden und in der Praxis umgesetzt, dass Umkleide- und Wegezeiten keine geleistete Arbeit darstellen würden und nicht vergütungspflichtig seien. Angesichts des Grundrechtsschutzes durch Art. 9 Abs. 3 GG könnten die Tarifvertragsparteien durch eine Änderung der Rechtsprechung zu bestimmten Fragen nicht dazu gezwungen werden, ihre über Jahrzehnte in einem einheitlichen und gefestigten Verständnis angewendeten Tarifnormen zu ändern. Ihren tatsächlichen Willen hätten die Tarifvertragsparteien eindeutig dokumentiert und praktiziert. Der Ausschluss der Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten sei unmissverständlich in der Arbeitsordnung geregelt. § 6.3.1 Abs. 3. Der MTV-VW sehe eine diesbezügliche tarifvertragliche Öffnungsklausel vor. Gehe man allerdings, entgegen der Auffassung der Beklagten, davon aus, dass der Tarifvertrag keine Regelung zur Vergütungspflicht enthalte, könne er auch keine Regelungssperre gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG auslösen, so dass die Vergütungspflicht von Umkleidezeiten in jedem Fall nach Ziffer 6 Abs. 3 der Arbeitsordnung ausgeschlossen sei. Darüber hinaus sei der Vergütungsanspruch für Umkleidezeiten auch durch die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf die Arbeitsordnung ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung zur Auslegung des MTV wird auf ihre Berufungserwiderung vom 4. Oktober 2018, dort Seite 12-14, ihren Schriftsatz vom 25. Juli 2019, dort Seite 4-6, und ihren Schriftsatz vom 20. Dezember 2019, dort Seite 1-10, Bezug genommen.

Auch wegen der in der ersten Berufungsverhandlung erteilten Hinweise und Auflagen wird auf das Protokoll der Berufungsverhandlung am 02. August 2019 Bezug genommen.

In der Berufungsverhandlung am 10. Juli 2020 hat der Kläger hinsichtlich der durchgeführten Zeitmessungen erläutert, dass zu Schichtbeginn mit der Position "Weg zum Arbeitsplatz" der Weg von der Waschkaue bis zum Pausenraum gemeint sei. Am Ende der Schicht sei mit der Position "Arbeitsplatz zur Waschkaue" der Weg von der Maschine, an der er jeweils eingesetzt war, bis zum Pausenraum gemeint und er sei am Tag der Messung, am 14. Mai 2018, (zufällig) am hintersten Hochofen eingesetzt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die Berufungsniederschriften vom 2. August 2019 und 10. Juli 2020 Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet.

A. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 8. Juni 2018 -2 Ca 14/18- ist nach ihrer Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil statthaft, § 64 Abs. 2a ArbGG. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

B. In der Sache ist die Berufung des Klägers unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Zahlungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere nicht aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Ebenso wenig steht dem Kläger der hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch zu, seinem Arbeitszeitkonto 19,66 Stunden (dezimal) gutzuschreiben. Der in der Berufung erstmalig hilfsweise für den Fall des Unterliegens geltend gemachte Antrag festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderliche Zeit des An- und Ablegens der persönlichen Schutzausrüstung bestehend aus feuerfesten Sicherheitsstiefeln, feuerhemmende Sicherheitshose und Jacke, Schutzhelm, Schutzbrille und Gehörschutz im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten dem Grunde nach zu vergüten ist, ist unzulässig.

I. Entgegen der von der Beklagten in der Berufungsverhandlung am 02. August 2019 geäußerten Rechtsauffassung steht der Zulässigkeit der Klage § 30.1.1. MTV nicht entgegen.

1. Jedenfalls nach der dynamisch ausgestalteten Bezugnahmeregelung im Arbeitsvertrag der Parteien ist u. A. der MTV-VW auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar.

2. Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien mit § 30.1.1. MTV für die Dauer des danach vorgesehenen innerbetrieblichen Einigungsverfahrens den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen überhaupt ausgeschlossen haben. Denn ein solcher Ausschluss wäre jedenfalls nach §§ 2 und 4 ArbGG unwirksam.

Ein Klageausschluss wäre nach §§ 2 und 4 ArbGG unwirksam. Denn die Streitigkeit der Parteien über die Vergütungspflicht für Wege- und Umkleidezeiten ist als bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Ziffer 3a ArbGG den Arbeitsgerichten zur Entscheidung zugewiesen und nach § 4 ArbGG kann in diesen Fällen die Arbeitsgerichtsbarkeit bloß nach Maßgabe der §§ 101 bis 110 ArbGG ausgeschlossen werden. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Das Personal der Beklagten im Allgemeinen und der Kläger als Mitarbeiter der Gießerei im Besonderen gehören offensichtlich nicht zu dem in § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG genannten Personenkreis, so dass die Tarifvertragsparteien den Rechtsweg vor den Arbeitsgerichten nicht wirksam ausschließen können (vgl. z. B. BAG 14. Januar 2004 -4 AZR 581/02- Rn. 54, BAGE 109, 153).

II. Der vom Kläger mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 558,72 € brutto für angebliche 23 Stunden und 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten steht ihm gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere ergibt er sich nicht aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag und dem MTV-VW.

1. Hinsichtlich der Forderungshöhe ist der Kläger von seinem ursprünglichen und im Berufungsverfahren präzisierten Vortrag, im streitgegenständlichen Zeitraum 71 Schichten gearbeitet zu haben, spätestens im Schriftsatz vom 04. Februar 2020 wieder abgerückt, als er eingeräumt hat, die Schicht am 20. Oktober 2018 versehentlich zweimal angegeben zu haben. Im Ergebnis bleibt es gleichwohl bei den vom Kläger rechnerisch geltend gemachten 23 Stunden und 20 Minuten, denn bei 70 Schichten à 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten ergeben sich insgesamt 1.400 Minuten und damit 23 Stunden und 20 Minuten. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, auf welcher Basis der Kläger bei einem Stundenlohn von 27,94 € bei 23 Stunden und 20 Minuten einen rechnerischen Anspruch von 661,24 € ermittelt hat -tatsächlich dürfte der Betrag bei 651,00 € liegen- da er lediglich die Zahlung von 558,72 € brutto beansprucht, § 308 Abs. 1 ZPO.

2. Jedenfalls nach der Bezugnahmeregelung im Arbeitsvertrag der Parteien sind u. A. der MTV-VW und die BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar.

3. Im Rahmen des geltend gemachten Zahlungsanspruchs kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass es sich bei den für den Zeitraum vom 03. September bis 26. Dezember 2017 geltend gemachten 23 Stunden 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten anlässlich von 70 Arbeitsschichten insgesamt um vergütungspflichtige Arbeitszeit i.S.v. § 12.1.1 MTV-VW handelt. Ihm würde gleichwohl kein Zahlungsanspruch zustehen. Denn auch wenn es sich -bei Zugrundelegung der klägerischen Rechtsansicht- insgesamt um 20 Minuten Mehrarbeit pro Schicht handeln würde, dann wäre diese Mehrarbeit nach § 7.1.2.1 Satz 4 MTV-VW grundsätzlich durch bezahlte Freistellung von der Arbeit auszugleichen.

Unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung, dass pro Schicht jeweils 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten anfallen und es sich dabei um Mehrarbeit i.S.v. § 7.1.2.1 MTV-VW handelt, ist diese bereits deshalb nicht vergütungspflichtig, weil die Tarifvertragsparteien nach § 12.1.1 i.V.m. § 7.1.2. MTV-VW für Mehrarbeit gesonderte Vergütungsregelungen getroffen haben. Danach wird Mehrarbeit grundsätzlich durch bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeglichen und nur ausnahmsweise vergütet (in diesem Sinne auch LAG Niedersachen 15. August 2019 -6 Sa 722/18- für einen anderen Standort der Beklagten, Anlage B14, Bl. 794ff d. A.). Dazu, dass seine Mehrarbeit ausnahmsweise nach § 7.1.2.5.1 MTV-VW oder § 7.1.2.5.2 MTV-VW zu vergüten wäre, hat der Kläger nichts vorgetragen.

a) Mehrarbeit liegt nach § 7.1.2.1Satz 1 MTV-VW vor, wenn die im Rahmen der Verteilung der tariflichen Arbeitszeit jeweils festgelegte tägliche und wöchentliche Arbeitszeit überschritten wird.

b) Nach der mit der Klageschrift geäußerten Rechtsansicht des Klägers handelt es sich bei den von ihm arbeitstäglich geltend gemachten jeweils 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten um Mehrarbeit i.S.d. § 7.1.2.1 MTV-VW. Insoweit wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Umkleide- und Wegezeiten zusätzlich zu der im Rahmen der Verteilung der tariflichen Arbeitszeit jeweils festgelegten täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit anfallen.

c) Ein Fall vergütungspflichtiger Mehrarbeit i.S.d. der tariflichen Vorschriften würde bei den vom Kläger geltend gemachten jeweils 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten pro Schicht nicht vorliegen. Denn in § 7.1.2 MTV-VW haben die Tarifvertragsparteien die Vergütungspflicht der Beklagten für Mehrarbeit teilweise ausgeschlossen und teilweise an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Die Voraussetzungen für eine Vergütungspflicht dieser Mehrarbeit liegen nicht vor.

aa) Nach den tarifvertraglichen Vorschriften ist geleistete Mehrarbeit grundsätzlich nicht zu vergüten, sondern sie wird nach § 7.1.2.1 Satz 4 MTV-VW generell durch bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeglichen. Ein Zahlungsanspruch für erbrachte Mehrarbeit ergibt sich aus § 7.1.2.1 MTV-VW zunächst nicht.

bb)Dazu, dass hier die Beklagte ausnahmsweise Mehrarbeit nach § 7.1.2.5.1 MTV-VW und/oder gemäß Ziffer 3.3.1 der BV 02/07 Flexibilitätskonto zu vergüten hätte, hat der Kläger nichts vorgetragen.

aaa) Denn die Vergütungspflicht für Mehrarbeit nach § 7.1.2.5.1 MTV-VW knüpft daran an, dass die Betriebsparteien bei der Vereinbarung von Zusatzschichten eine Abgeltung in Geld für die Beschäftigten mit einem positiven Zeitsaldo auf dem individuellen Flexibilitätskonto vereinbaren.

Dazu, dass er jedenfalls am Ende des streitgegenständlichen Zeitraums überhaupt über einen positiven Zeitsaldo auf seinem individuellen Flexibilitätskonto verfügt hat, hat der Kläger nichts vorgetragen.

bbb) Ebenso wenig hat der Kläger dazu vorgetragen, dass die Voraussetzungen zur Auszahlung der von ihm geforderten 100% der streitgegenständlichen Stunden nach Ziffer 3.3.1 der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto vorlagen.

Denn nach Ziffer 3.3.1 der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto erfolgt die Bezahlung von Mehrarbeit erst ab einem positiven Zeitsaldo von 381 Stunden zu 100%. Dazu, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, hat der Kläger nichts vorgetragen.

cc) Eine Vergütungspflicht der Beklagten nach § 7.1.2.5.2 MTV-VW kommt offensichtlich als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Denn danach besteht eine Vergütungspflicht für die Mehrarbeit, die bis zu 5 Stunden Dauer nicht unmittelbar vor oder nach der normalen schichtplanmäßigen Arbeitszeit ausgeführt wird. Ein solcher Fall liegst ersichtlich nicht vor.

d) Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Rechtsauffassung vertritt, sein Zahlungsanspruch sei durch die Betriebsvereinbarung zur Führung eines individuellen Flexibilitätskontos (BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto) nicht ausgeschlossen, ist dies zunächst korrekt.

Es bedeutet aber nicht zugleich im Umkehrschluss, dass ihm ein Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte zusteht.

aa) Die BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto enthält zur Frage der Umkleide- und Wegezeiten keine ausdrückliche Regelung und hat damit einen grundsätzlichen Vergütungsanspruch nach § 611a Abs. 2 BGB auch nicht anderweitig geregelt.

bb) Die Betriebsparteien haben die BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto auf Basis der entsprechenden Öffnungsklausel in § 7 MTV-VW im Rahmen ihrer Regelungskompetenz abgeschlossen und sich darin an den durch § 7 MTV-VW vorgegebenen Rahmenbedingungen orientiert. Gegenteiliges wird auch vom Kläger nicht behauptet.

cc) In dem für den Kläger geführten individuellen Flexibilitätskonto werden nach Ziffer 3.1 BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto die von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden erfasst, die über die durch Schichtpläne oder Arbeitszeitmodelle gestaltete tarifliche regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen.

Ein solches Zeitguthaben drückt nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus (vgl. z. B. BAG 23. September 2015 -5 AZR 767/13- Rn. 20, NZA 2016, 295).

dd) Entsprechend der tarifvertraglichen Vorgaben in § 7.2.6 haben die Betriebsparteien in Ziffer 3.3 der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto Regelungen zur Auszahlung eines positiven Zeitsaldos in Abhängigkeit vom individuellen Stand des Flexibilitätskontos vorgesehen.

Wie bereits ausgeführt, B. II. 3. b) bb) und cc) der Entscheidungsgründe, hat der Kläger zu den Voraussetzungen eines Auszahlungsanspruchs nach Ziffer 3.3 der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto nichts vorgetragen, insbesondere nicht dazu, dass die Voraussetzungen einer Auszahlung von 100% der streitgegenständlichen Stunden nach Ziffer 3.3.1 der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto vorliegen, nämlich ein positiver Zeitsaldo von 381 Stunden.

III. Der vom Kläger für den Fall des Unterliegens gestellte Hilfsantrag, seinem Arbeitskonto 19,66 Stunden (dezimal) gut zu schreiben, ist angefallen, nachdem der Hauptantrag unbegründet ist.

Ein Anspruch auf Zeitgutschrift von 19,66 Stunden (dezimal) steht ihm gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere ergibt er sich nicht aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag, dem MTV-VW und der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto. Auch wenn die Umkleidezeiten und damit im Zusammenhang stehenden innerbetrieblichen Wegezeiten grundsätzlich nach § 611a Abs.2 BGB vergütungspflichtig sind, womit zunächst ggfl. eine Zeitgutschrift zu erfolgen hätte, besteht jedoch aufgrund der tariflichen Regelungen in § 7.1.2.1 Satz 3 und in § 28.2 MTV-VW kein Anspruch auf Zeitgutschrift.

1. Jedenfalls nach der dynamisch ausgestalteten Bezugnahmeregelung im Arbeitsvertrag der Parteien sind u. A. der MTV-VW, die BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto, die BV Nr. 02/2007 und die BV Nr. 01/2008 auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar.

2. Bezüglich der Anzahl von insgesamt 19,66 Stunden (dezimal) gutzuschreibender Stunden hat der Kläger mit der Klageschrift angenommen, dass sich auf Basis seines Schichtmodells unter Abzug von 27 Urlaubstagen pro Jahr ein durchschnittliches Arbeitssoll von 177 Arbeitstagen im Jahr ergebe und -bei insgesamt 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten pro Schicht- ein Jahresaufwand für Umkleide- und Wegezeiten von 59 Stunden. Hieraus hat er augenscheinlich für den eingeklagten Zeitraum von September bis Dezember 2017 einen Wert von insgesamt 19,66 Stunden (dezimal) ermittelt.

Für das Berufungsgericht ist bereits die Höhe der begehrten Zeitgutschrift von 19,66 Stunden (dezimal) nicht nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere deshalb, weil er im Zusammenhang mit dem als Hauptantrag geltend gemachten Zahlungsantrag auf den Hinweis des Berufungsgerichts für den selben streitgegenständlichen Zeitraum für 70 Schichten à 20 Minuten Umkleide- und Wegezeiten insgesamt 23 Stunden und 20 Minuten beansprucht. Selbst wenn der Kläger im Hinblick auf § 7.1.21 Satz 3 MTV-VW lediglich die Gutschrift von jeweils einer ¼ Stunde als Mehrarbeit pro Schicht verlangen würde, wäre die verlangte Zeitgutschrift von 19,66 Stunden (dezimal) nicht nachvollziehbar. Denn bei einer Gutschrift von 15 Minuten für 70 Schichten ergäbe sich insgesamt eine gutzuschreibende Zeit von 1.050 Minuten (15 x 70), dies entspricht 17 Stunden und 30 Minuten, bzw. 17,5 Stunden (dezimal).

Im Folgenden geht das Gericht davon aus, dass der Kläger von den sich rechnerisch ergebenden 23 Stunden und 20 Minuten lediglich einen Teil, nämlich 19,66 Stunden (dezimal) geltend macht.

3. Zunächst handelt es sich bei der vom Kläger unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigten Zeit zum An- und Ablegen der PSA einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von der Umkleide- bis zur Arbeitsstelle (zumindest weit überwiegend) um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB.

a) Anknüpfungspunkt ist dabei zunächst, ob die streitgegenständlichen Umkleide- und Wegezeiten "Arbeit" sind und vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB.

aa) Nachdem der MTV-VW "Arbeit" nicht definiert, kann auf die Definition in § 2 Abs. 1 ArbZG zurückgegriffen werden. Danach ist Arbeitszeit die Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Die gesetzliche Vergütungspflicht knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts -der sich die erkennende Kammer anschließt- zählt zu den "versprochenen Diensten" i.S.d. § 611 BGB nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme des Arbeitnehmers, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt (vgl. z. B. 06. September 2017 -5 AZR 382/16- Rn. 12f, BAGE 160, 167; BAG 26. Oktober 2016 -5 AZR 168/16- Rn. 10f, BAGE 157, 116; grundlegend insoweit: BAG 19. September 2012 -5 AZR 678/11- Rn. 23, BAGE 143, 107, jeweils m.w.N.). Entsprechend ist "Arbeit" als Leistung der versprochenen Dienste i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (so ausdrücklich BAG 06. September 2017 -5 AZR 382/16- Rn. 12, BAGE 160, 167; BAG 26. Oktober 2016 -5 AZR 168/16- Rn. 10f, BAGE 157, 116).

bb) Zur Arbeit gehört auch das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. Der Arbeitnehmer hat an der Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares Interesse und der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer Vergütung für die von ihm dafür im Betrieb aufgewendete Zeit. Denn die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand, einschließlich des Aufsuchens der Umkleideräume, beruht auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung (so ausdrücklich BAG 06. September 2017 -5 AZR 382/16- Rn. 13, BAGE 160, 167; BAG 13. Dezember 2016 -9 AZR 574/15- Rn. 23, BB 2017, 735, jeweils m.w.N.). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit -und damit an einer vergütungspflichtigen Arbeitszeit- fehlt es, wenn der Arbeitnehmer erlaubterweise die Dienstkleidung zu Hause anlegt und sie bereits auf dem Arbeitsweg trägt. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur dem Bedürfnis des Arbeitgebers, denn der Arbeitnehmer muss auf dem Arbeitsweg keine eigenen Kleidungsstücke einsetzen und kann sich frei gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (vgl. BAG 06. September 2017 -5 AZR 382/16- Rn. 13, BAGE 160, 167; BAG 17. November 2015 -1 ABR 76/13- Rn. 25, BAGE 153, 225).

cc) Danach handelt es sich bei den vom Kläger benötigten Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der PSA im Betrieb und den damit verbundenen Wegezeiten im Betrieb grundsätzlich um vergütungspflichtige Arbeitszeiten, jedenfalls soweit diese Zeiten durch das An- und Ablegen der PSA im Betrieb veranlasst sind.

aaa) Der Kläger ist nach der BV Nr. 01/2008 zum Tragen der PSA verpflichtet.

bbb) Bei der vom Kläger zu tragenden Dienstkleidung handelt es sich um besonders auffällige Dienstkleidung.

Eine besonders auffällige Dienstkleidung ist u.A. dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht wird. Dafür ist unerheblich, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist (vgl. z. B. BAG 06. September 2017 -5 AZR 382/16- Rn. 19, BAGE 160, 167). Denn regelmäßig hat der Arbeitnehmer an einer Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten kein Interesse.

In Anwendung der dargestellten Maßstäbe handelt es sich bei der Dienstkleidung des Klägers um eine besonders auffällige Dienstkleidung, mit der er in der Öffentlichkeit dem Betrieb der Beklagten und dort einem bestimmten Bereich zugeordnet werden kann. Die PSA des Klägers ist farblich dezent in verwaschenem Blau gehalten. Auf der linken Brusttasche des Oberteils ist das Firmenemblem der Beklagten aufgebracht und zusammen mit dem kittelartigen Schnitt des Oberteils und dem eher bequemen Schnitt der Hose ist leicht zu erkennen, dass der Träger der PSA im gewerblichen Bereich der Beklagten beschäftigt ist.

Nachdem der Kläger seine besonders auffällige Dienstkleidung auch tatsächlich im Betrieb der Beklagten an- und ablegt, bleibt es dabei, dass der damit verbundene Zeitaufwand, einschließlich des Aufsuchens der Umkleideräume, auf der Anweisung der Beklagten zum Tragen der Dienstkleidung beruht und vergütungspflichte Arbeitszeit ist.

ccc) Es kann an dieser Stelle dahinstehen, dass aus Sicht der Berufungskammer, die vom Kläger auch beanspruchten Zeiten für das Betreten der Waschkaue bis zum Spind, dessen Aufschließen, das Ausziehen der Straßenoberbekleidung (also Jacke, Mantel, Schal, Mütze oder ähnliches), bzw. das Anziehen der Straßenoberbekleidung, das Abschließen des Spinds und der Weg zum Ausgang der Waschkaue keine vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen (in diesem Sinne auch LAG Niedersachen 15. August 2019 -6 Sa 722/18). Denn diese Tätigkeiten sind weder fremdnützig noch stehen sie im Synallagma. Vielmehr liegt es im Interesse des Klägers selbst, dass die Beklagte ihm einen Spind zur Verfügung stellt, in dem er seine Straßenoberbekleidung während der Arbeit einschließen kann und diese nicht mit an den unmittelbaren Arbeitsort nehmen muss. Gleichwohl kann unterstellt werden, dass auch diese Zeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

4. Auch, wenn es sich bei den vom Kläger behaupteten Umkleide- und Wegezeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit i. S.v. § 12.1.1 MTV-VW handelt, steht ihm insoweit kein Anspruch auf Zeitgutschriften zu. Denn die Tarifvertragsparteien haben mit den tariflichen Vorschriften in § 7.1.2.1 Satz 3 und in § 28.2 MTV- VW Regelungen getroffen, die vorliegend die Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten ausschließen.

Jedenfalls die am Schichtende vom Kläger geltend gemachten Umkleide- und Wegezeiten sind bereits mit dem monatlichen tariflichen Tabellenentgelt abgegolten, weil sie entsprechend § 28.2 MTV- VW innerhalb der regulären Schichtzeiten anfallen bzw. der Kläger nicht substantiiert dargetan hat, dass sie nach den vergüteten Schichtzeiten anfallen. Die zu Schichtbeginn anfallenden Umkleide- und Wegezeiten fallen in einem zeitlichen Umfang unter 15 Minuten an und sind deshalb nach § 7.1.2.1 Satz 3 MTV- VW nicht vergütungspflichtig.

a) Grundsätzlich ist mit der Einordnung der Umkleide- und Wegezeiten als Teil der weisungsgebundenen Arbeit i.S.v. § 611a Abs. 1 BGB die Frage noch nicht beantwortet, ob und wie diese Zeiten zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleide- und Wegezeiten getroffen werden (vgl. z.B. BAG 12. Dezember 2018 -5 AZR 124/18- Rn. 19, NZA 2019, 549f; BAG 25. April 2018 -5 AZR 245/17- Rn. 40, NZA 2018, 1081f).

b) Entsprechend den tarifvertraglichen Vorgaben in § 7.1 und § 7.2 MTV- VW haben die Betriebsparteien in Ziffer 3.1 der BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto Regelungen zum Aufbau von Zeitsalden getroffen. Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die vom Kläger eingeklagten 19,66 Stunden (dezimal) nicht erfüllt.

Nach Ziffer 3.1. BV Nr. 02/07 Flexibilitätskonto erfolgt der Aufbau von Zeitsalden ausschließlich durch geleistete Arbeitsstunden, die über die durch Schichtpläne oder Arbeitszeitmodelle gestaltete tarifliche regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen.

Mit der gezahlten monatlichen tariflichen Vergütung wird die Arbeitszeit vergütet, die innerhalb der regulären Schichtzeit anfällt, nebst 64 Minuten bezahlte Pause pro Schicht. Entsprechend besteht ein darüber hinaus gehender Zahlungsanspruch für Umkleide- und Wegezeiten u.A. ausschließlich dann, wenn diese außerhalb der mit der monatlich tariflich vergüteten Arbeitszeit liegen.

c) Jedenfalls die am Schichtende vom Kläger geltend gemachten Umkleide- und Wegezeiten sind bereits mit dem monatlichen tariflichen Tabellenentgelt abgegolten, weil sie entsprechend § 28.2 MTV-VW innerhalb der regulären Schichtzeiten anfallen bzw. der Kläger nicht substantiiert dargetan hat, dass sie außerhalb der vergüteten Schichtzeiten anfallen.

Zumindest die vom Kläger tabellarisch aufgelisteten Umkleide- und Wegezeiten am Schichtende bis einschließlich der Zeit für "Duschutensilien in Spind legen", liegen innerhalb der regulären Schichtzeiten, die mit dem monatlichen tariflichen Tabellenentgelt bereits abgegolten sind. Infolgedessen steht dem Kläger zumindest für die geltend gemachten Zeiten "Arbeitsplatz zur Waschkaue" (3:12), "Betreten der Waschkaue zum Spind" (0:24), "Spind aufschließen" (0:05), "Auskleiden der PSA und in Spind legen" (1:45), "Handtuch und Duschutensilien aus Spind nehmen" (0:16), "Spind zur Dusche" (0:19), "Duschvorgang und abtrocknen" (5:10), "Dusche zum Haartrockner" bis "Spind aufschließen" (insgesamt 0:23) und "Duschutensilien in Spind legen" (0:08) kein (weiterer) Vergütungsanspruch gegen die Beklagten zu.

Dazu, dass die darüber hinaus von ihm als Wege- und Umkleidezeiten geltend gemachten Zeiten für das "Ankleiden privater Kleidungsstücke" (3:53 Minuten), "Spind abschließen" (0,07 Minuten) und "Weg zum Ausgang der Waschkaue" (0:42) überhaupt außerhalb der vergüteten regulären Schichtzeiten liegen, hat der Kläger bereits nicht substantiiert vorgetragen. Auch die Auslegung von § 28 Abs. 2 MTV-VW ergibt, dass dem Kläger für die zu Schichtende anfallenden Zeiten für Umkleide- und Wegezeiten kein gesonderter Vergütungsanspruch zusteht.

aa) Soweit der Kläger vorträgt, die PSA "nach Beendigung der Arbeit, also nach Schichtende", abzulegen (und damit nach der regulär vergüteten Arbeitszeit), ist dieses Vorbringen unbeachtlich, weil es im Gegensatz zu dem unstreitigen Vorbringen der Parteien steht, dass dem Kläger als Mitarbeiter der Gießerei vor dem Ende der jeweiligen Schicht eine bezahlte Waschzeit nach § 28 Abs. 2 MTV-VW in Höhe von 10 Minuten gewährt wird und dass nach einer Abstimmung mit dem Betriebsrat bei den Gießereimitarbeiter die letzten 20 Minuten der Arbeitszeit einer Schicht eine Kombination aus bezahlter Pause und bezahlter Waschzeit sind.

Es entspricht auch dem Wortlaut von § 28 Abs. 2 MTV-VW, dass die bezahlte Waschzeit innerhalb der Schichtzeiten liegt. Denn § 28 Abs. 2 MTV-VW lautet:

"Beschäftigte, die besonders schmutzige Arbeiten verrichten, erhalten täglich eine bezahlte Waschzeit bis zu 20 Minuten, die innerhalb der täglichen Arbeitszeit liegt. In der Regel beträgt sie z.B. bei Härtern, Lackspritzern und Schleifern in der Chromanlage 10 Minuten und bei Beschäftigten in der Gießerei 20 Minuten."

Liegt die (bezahlte) Waschzeit innerhalb der Schicht, muss der Kläger notwendigerweise vor deren Inanspruchnahme seine PSA ausziehen. Dies bedeutet zugleich, dass der Kläger seine PSA nicht nach, sondern vor dem Schichtende ablegt, bevor er nämlich vor dem Schichtende die (bezahlte) 10-minütige Waschzeit gemäß § 28 Abs. 2 MTV-VW in Anspruch nimmt. Auf diesen Umstand hat bereits die Beklagte in der Berufung hingewiesen.

bb) Darüber hinaus folgt aus dem Umstand, dass die (bezahlte) Waschzeit innerhalb der Schicht liegt, dass sämtliche vor der Waschzeit liegenden und/oder notwendigerweise mit ihr im Zusammenhang stehenden Handlungen, ebenfalls innerhalb der Schichtzeit liegen und mit dem monatlichen tariflichen Tabellenentgelt bereits abgegolten sind und dem Kläger darüber hinaus kein Zahlungsanspruch mehr zusteht. Insgesamt sind von den vom Kläger behaupteten Umkleide- und Wegezeiten zumindest 11 Minuten und 42 Sekunden, bereits mit dem monatlichen tariflichen Tabellenentgelt abgegolten.

Denn die Inanspruchnahme der bezahlten Waschzeit in der Waschkaue setzt notwendigerweise voraus, dass der Kläger zuvor einzelne Handlungen vorgenommen und bereits abgeschlossen hat, die in seiner Aufzählung der Zeitmessungen der Umkleide- und Wegezeiten enthalten sind. Vor Inanspruchnahme der bezahlten Waschzeit muss der Kläger zwingend zuvor in der Waschkaue angekommen sein, dort seine PSA abgelegt haben, seine Duschutensilien dem Spind entnommen haben und zumindest die Dusche aufgesucht haben. Im Einzelnen handelt es sich um die vom Kläger geltend gemachten Zeiten für Arbeitsplatz zur Waschkaue" (3:12), "Betreten der Waschkaue zum Spind" (0:24), "Spind aufschließen" (0:05), "Auskleiden der PSA und in Spind legen" (1:45), "Handtuch und Duschutensilien aus Spind nehmen" (0:16), "Spind zur Dusche" (0:19). Zur bezahlten Waschzeit nach § 28 Abs. 2 MTV zählen auch die geltend gemachten Zeiten für "Duschvorgang und abtrocknen" (5:10), "Dusche zum Haartrockner" bis "Spind aufschließen" (insgesamt 0:23) und "Duschutensilien in Spind legen" (0:08). Erst mit dem Zurücklegen der Duschutensilien ist der "Waschvorgang" abgeschlossen.

cc) Soweit der Kläger darüber hinaus für das "Ankleiden privater Kleidungsstücke" (3:53), "Spind abschließen" (0,07) und "Weg zum Ausgang der Waschkaue" (0:42) Umkleide- und Wegezeiten reklamiert, hat er bereits nicht schlüssig dargetan, dass diese Zeiten außerhalb der mit dem monatlichen Tabellenentgelt ohnehin vergüteten Schichtzeiten liegen. Insoweit fehlt jegliches Vorbringen des Klägers dazu, wann die Schichtzeit während der von ihm reklamierten Zeiten überhaupt zu Ende geht. Dies geht zu seinen Lasten als Anspruchsteller.

dd) Aber auch wenn unterstellt wird, dass es sich bei den Umkleide- und Wegezeiten zum Schichtende im Zusammenhang mit dem "Ankleiden privater Kleidungsstücke" (3:53), "Spind abschließen" (0,07) und "Weg zum Ausgang der Waschkaue" (0:42) um vergütungspflichtige Arbeitszeit i. S.v. § 12.1.1 MTV-VW handelt, würde dem Kläger gleichwohl für diese Zeiten kein Zahlungsanspruch zustehen. Dies ergibt die Auslegung von § 28 Abs. 2 MTV.

aaa) Grundsätzlich folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. st. Rspr. vgl. z. B. BAG 27. Juli 2017 - 6 AZR 701/16 - Rn. 19, ZTR 2017, 720; BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/10 - Rn. 17f, BAGE 134, 184; BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/81 - Rn. 24, BAGE 46, 308ff). Bei der Auslegung eines ablösenden Tarifvertrags kann neben dem ablösenden Tarifvertrag selbst auch der abgelöste Tarifvertrag mit herangezogen werden. Dies folgt schon aus dem insoweit unmittelbar ersichtlichen tariflichen Regelungszusammenhang (st. Rspr. des BAG, z. B. BAG 27. Juli 2017 - 6 AZR 701/16 - Rn. 19, ZTR 2017, 720; BAG 14. Juli 2015 - 3 AZR 903/13, Rn. 17, zitiert nach juris).

Angesichts der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse von Dritten, die an den Tarifvertragsverhandlungen unbeteiligt waren, kann im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Wille der Tarifvertragsparteien ausschließlich dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar einen Niederschlag gefunden hat. Denn die Normunterworfenen müssen den Regelungsgehalt tariflicher Normen erkennen können. Gerade bei unzweifelhaftem Wortlaut sind sie weder verpflichtet, sich Kenntnis über weitere Auslegungsmöglichkeiten zu verschaffen, Auskünfte ihrer Koalitionen einzuholen oder etwaige "Vorgängertarifverträge" ausfindig zu machen (BAG 10. Dezember 2014 -4 AZR 503/12- RN. 22, BAGE 150, 184; BAG 21. März 2012 -4 ZAR 254/10- Rn. 40, AP Nr. 229 zu § 1 TVG, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Es ist anerkannt, dass bei der Auslegung von Tarifverträgen eine Bindung an den möglichen Wortsinn eines Begriffs dann nicht besteht, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang das Vorliegen eines Redaktionsversehens ergibt. Dieser Gesamtzusammenhang muss sich aus den Tarifnormen ergeben. Redaktionsversehen können ausschließlich dann zu einer vom Tarifwortlaut abweichenden Auslegung des Tarifvertrages führen, wenn die Tarifnorm nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang unklar ist und der von den Tarifvertragsparteien erkennbar verfolgte Regelungszweck verfehlt wird (BAG 04. August 2016 - 6 AZR 129/15 - Rn. 37, NZA-RR 2016, 627, unter Verweis auf: BAG 19. Januar 2016 - 9 AZR 608/14 - Rn 19, ZTR 2016, 455; BAG 21. November 2012 - 4 AZR 139/11 - Rn. 16, AP § 1 TVG Nr. 54: Lufthansa; BAG 13. Dezember 1995 - 4 AZR 615/95, II 4 der Entscheidungsgründe, Rn. 40ff, NZA 1996,1050, jeweils mwN.; für Gesetze z.B. BVerfG 19. Dezember 2017 - 1 BvL 3/14 und 1 BvL 4/14 - NJW 2018, 361, Rn. 147).

bbb) Die Anwendung der dargestellten Grundsätze führt dazu, dass die Tarifvertragsparteien in § 28 Abs. 2 MTV eine Regelung zur Pauschalierung der für den Waschvorgang anfallenden Zeiten getroffen haben, einschließlich der damit in unmittelbaren Zusammenhang stehenden Zeiten.

(1) Bereits der Wortlaut "eine bezahlte Waschzeit bis zu 20 Minuten, die innerhalb der täglichen Arbeitszeit liegt" spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung nicht ausschließlich die Zeiten erfassen wollten, die für den eigentlichen Dusch- bzw. Waschvorgang anfallen, andernfalls wäre nicht erklärlich, weshalb bis zu 20 Minuten für den Waschvorgang veranschlagt wurden. Die veranschlagten 20 Minuten übersteigen den Zeitraum deutlich, der allein für den eigentlichen Dusch- bzw. Waschvorgang benötigt wird. Dies zeigen bereits die vom Kläger selbst aufgelisteten Zeiten, auch wenn sie den eigentlichen Dusch-/Waschvorgang nicht getrennt erfassen, sondern zusammen mit dem Abtrocknen im Anschluss an die Dusche. So behauptet er, dass einer seiner Kollegen 10 Minuten und 5 Sekunden, der andere Kollege 8 Minuten und 47 Sekunden und er selbst 5 Minuten und 10 Sekunden zum Duschen und Abtrocknen am Ende der Schicht benötige. Sämtliche Zeiten zeigen, dass allein das Duschen und Waschen selbst, im Sinne des Einsatzes von Wasser und Seife zur Körperreinigung, deutlich weniger als 20 Minuten in Anspruch nimmt. Davon dürften auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen sein. Dies lässt umgekehrt nur den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien mit der Festlegung einer bezahlten "Waschzeit bis zu 20 Minuten, die innerhalb der täglichen Arbeitszeit liegt" pauschal sämtliche Zeiten im Zusammenhang mit dem Waschvorgang mit bis zu 20 Minuten bezahlte Waschzeit täglich vergüten wollten, ohne dass es im Einzelnen darauf ankommt, wie viel Zeit jeder einzelne Arbeitnehmer konkret benötigt.

(2) Dies wird durch die Systematik des MTV-VW bestätigt. Denn nach § 12.1.1 MTV- VW wird lediglich geleistete Arbeit und Arbeitsbereitschaft bezahlt, sofern im Tarifvertrag keine anderen Regelungen getroffen sind. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien in § 28 Abs. 2 MTV-VW eine gesonderte Regelung getroffen die die pauschalierten Zeiten des Waschvorgangs betrifft.

(3) Insbesondere die Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck von § 28 Abs. 2 MTV-VW bestätigen, dass mit dieser Vorschrift sämtliche im Zusammenhang mit dem Waschvorgang am Ende der Schicht anfallenden Handlungen pauschaliert mit der vorgesehenen Waschzeit von bis zu 20 Minuten erfasst sind.

Auf Basis der seit 1944 im Betrieb der Beklagten bestehenden kollektiven Regelungen, nämlich der Betriebsordnungen und ab 1955 der Arbeitsordnungen hat im Betrieb der Beklagten stets die Regelung bestanden, dass Waschen und Umkleiden grundsätzlich nicht vergütet werden, sofern es keine anderslautenden tariflichen Regelungen gibt. Dies hat auch der damaligen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprochen, wonach der Arbeitgeber regelmäßig die Vergütung nur für die eigentliche Tätigkeit verspreche (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99- BAGE 96, 45). Vor diesem historischen Hintergrund haben die Tarifvertragsparteien mit § 28 Abs. 2 MTV-VW eine Regelung getroffen, wonach für den dort beschriebenen Personenkreis vor dem Ende der Schicht Waschzeiten bis zu 20 Minuten vergütet werden. Ohne eine solche Regelung, wäre Waschzeit am Ende der Schicht nicht zu vergüten.

(4) Ein solches Tarifverständnis ist praktikabel und entspricht der jahrelang gelebten Praxis im Betrieb der Beklagten.

(5) Ob dem Kläger über die bezahlte Waschzeit von 10 Minuten am Ende der Schicht eine weitere bezahlte Waschzeit nach den tarifvertraglichen Vorschriften zusteht, ist nicht zum Streitgegenstand erhoben.

d) Die weiteren vom Kläger zu Schichtbeginn behaupteten Umkleide- und Wegezeiten fallen in einem zeitlichen Umfang unter 15 Minuten an und sind bereits deshalb nach § 7.1.2.1 Satz 3 MTV-VW nicht vergütungspflichtig.

Nach dem klägerischen Vorbringen fallen bei ihm insgesamt vor Schichtbeginn Umkleide- und Wegezeiten im Umfang von 12 Minuten und 49 Sekunden an. Unterstellt es handelt sich insoweit um Mehrarbeit i.S.v. § 7.1.2.1 MTV-VW, ist diese bereits deshalb nicht vergütungspflichtig, weil die Tarifvertragsparteien nach § 12.1.1 i.V.m. § 7.1.2. MTV-VW für Mehrarbeit gesonderte Vergütungsregelungen getroffen haben. In § 7.1.21 Satz 3 MTV-VW haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass nur volle ¼ Stunden als Mehrarbeit verrechnet werden. Entsprechend wird Mehrarbeit die unter 15 Minuten täglich liegt, nicht verrechnet und nicht vergütet (in diesem Sinne auch LAG Niedersachen 15. August 2019 -6 Sa 722/18).

e) Darüber hinaus kann dahinstehen, ob der Kläger mit den von ihm behaupteten Zeitmessungen eine hinreichende Basis für eine Schätzung seiner erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten vorgetragen hat. Allerdings neigt die Kammer der Ansicht des Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seiner Entscheidung vom 15. August 2018 -6 Sa 722/18- zu, dass der Kläger zur Erfüllung seiner Darlegungslast hätte vortragen müssen, welche konkreten privaten Kleidungsstücke er am 21. März 2018 vor der Schicht um 14:00 Uhr abgelegt hat und welche konkreten privaten Kleidungsstücke er am 14. Mai 2018 am Ende der Frühschicht angelegt hat. Dies beruht auf der Überlegung, dass es aus Sicht des Berufungsgerichts für eine Ermittlung der Umkleidezeiten, unter Berücksichtigung der Variablen des Umkleidevorgangs (vgl. BAG 26. Oktober 2016 -5 AZR 168/16- Rn. 28f, BAGE 157, 116f), unerlässlich ist zu wissen, welche Privatkleidung der Arbeitnehmer anlässlich der Zeitmessung tatsächlich getragen hat. Andernfalls kennt das Gericht bei einer Schätzung der Umkleidezeiten die Variablen nicht, insbesondere kann das Gericht nicht beurteilen, ob der Arbeitnehmer anlässlich der Zeitmessung, z. B. aus witterungsbedingten Gründen oder aus persönlichen Gründen, eine aufwändigere Kleidung als üblicherweise oder ausnahmsweise kaum zu wechselnde Kleidung getragen hat.

Der Kläger hat allerdings nicht konkret dazu vorgetragen, welche Kleidung er an den Tagen der Zeitmessungen getragen hat. Er hat lediglich allgemein dargelegt, welche Privatkleidung er grundsätzlich trägt. Daraus lässt sich allerdings die Grundlage einer Schätzung nicht entnehmen, weil unklar bleibt, ob der Kläger an den Tagen der konkreten Messungen z.B. infolge der Witterungsbedingungen mehr oder weniger Kleidungsstücke getragen hat. Auch aufgrund der für die Zeitmessung angegebenen Tageszeit und aus den Daten der Messungen, nämlich 21. März und 14. Mai 2018, lassen sich keinerlei Rückschlüsse auf die Temperaturen und übrigen Witterungsbedingungen an diesen Tagen ziehen. Es kann sich ebenso um sonnige und warme Tage, wie um regnerische, stürmische und kalte Tage gehandelt haben. Diese unbekannten Witterungsbedingen hätten zumindest Auswirkungen auf die Oberbekleidung des Klägers gehabt.

III. Der in der Berufung erstmalig hilfsweise für den Fall des Unterliegens geltend gemachte Antrag festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderliche Zeit des An- und Ablegens der persönlichen Schutzausrüstung bestehend aus feuerfesten Sicherheitsstiefeln, feuerhemmende Sicherheitshose und Jacke, Schutzhelm, Schutzbrille und Gehörschutz im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten dem Grunde nach zu vergüten ist, ist unzulässig.

1. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmalig den Feststellungsantrag erhoben hat, ist die darin enthaltene Erweiterung des Streitgegenstandes nach § 533 ZPO zulässig.

Die Beklagte hat im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO konkludent in die Klageänderung eingewilligt, indem sie dies nicht gerügt hat. Sie wird auch auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

2. Der zweite Hilfsantrag ist angefallen, nachdem der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag unbegründet sind.

3. Als allgemeiner Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist der Antrag unzulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt.

a) Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist dafür nur gegeben, wenn der Streit durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird (vgl. z.B. 9 AZR 54/19- NZA 2020, 541).

b) Nach diesen Voraussetzungen ist ein Feststellungsinteresse vorliegend zu vereinen. Mit der Rechtskragt der begehrten Feststellung wären weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien nicht auszuschließen, weil insbesondere die Frage, welche konkrete Zeit für das An- und Ablegen der PSA jeweils erforderlich ist, zwischen den Parteien weiterhin streitig ist. Dies zeigt bereits ihr Vorbringen im vorliegenden Rechtsstreit.

4. Auch ist das Feststellungsinteresse nicht ausnahmsweise gemäß § 256 Abs. 2 ZPO entbehrlich. Es handelt sich nicht um eine zulässige Zwischenfeststellungsklage.

Die nach § 256 Abs. 2 ZPO für die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage erforderliche Vorgreiflichkeit fehlt, weil die Klage zur Hauptsache unabhängig von der begehrten Feststellung abweisungsreif ist (vgl. z.B. BAG 20. Januar 2010 -5 AZR 986/08- Rn. 21, AP Nr. 187 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, mit weiteren Nachweisen).

Dem Kläger steht unabhängig davon, ob die erforderliche Zeit zum An- und Ablegen der PSA zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt, weder der geltend gemachte Vergütungsanspruch noch der Anspruch auf Zeitgutschrift zu.

Auf die Unzulässigkeit des Hilfsantrages hat bereits die Beklagte in der Berufung hingewiesen.

C. Als unterlegener Partei waren dem Kläger die Kosten der erfolglos eingelegten Berufung aufzuerlegen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.