ArbG Herne, Urteil vom 10.09.2019 - 3 Ca 384/19
Fundstelle
openJur 2021, 5306
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreitwerden der Klägerin auferlegt.

3. Der Streitwert wird auf 18.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Höhergruppierung der Klägerin zum 01.09.2018 stufengleich oder betragsmäßig zu erfolgen hatte.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 2010 als Verwaltungsangestellte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) für die Verwaltung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in der jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts Anwendung.

Im Rahmen des Projektes Asyl wurden der Klägerin am 01.07.2015 höherwertige Tätigkeiten übertragen und ihr diesbezüglich auf der Grundlage des § 14 Abs. 3 TVöD ab dem 01.07.2015 eine persönliche Zulage in Höhe von 4,5 % ihres individuellen Entgelts gewährt. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin als ausgebildete Verwaltungsfachangestellte in die Entgeltgruppe EG 8 Stufe 3 eingruppiert. In dem Zeitraum vom 20.11.2015 bis zum 24.09.2018 absolvierte die Klägerin den Verwaltungslehrgang II und schloss diesen am 25.09.2018 mit dem Abschluss Verwaltungsfachwirtin erfolgreich ab. Mit Wirkung zum 01.09.2018 wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe 9 b Stufe 3 TVöD höhergruppiert.

Zum 01.01.2017 trat die neue Entgeltordnung zum TVöD (im Folgenden: EGO) in Kraft.

Nr. 7 der Vorbemerkungen (grundsätzliche Eingruppierungsregelungen) EGO lautet auszugsweise wie folgt:

"7. Ausbildungs- und Prüfungspflicht

(1) Im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saar und Schleswig-Holstein sind Beschäftigte im Büro-,Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst (Teil A Abschnitt I Ziffer 3) sowie im Kassen- und Rechnungswesen (Teil B Abschnitt XIII), die nicht die Anforderungen der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 bzw. der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 1 erfüllen, nur dann in den in Absatz 2 genannten Entgeltgruppen eingruppiert, wenn sie die der jeweiligen Entgeltgruppe entsprechende Tätigkeit auszuüben haben und nach Maßgabe des Absatzes 2 mit Erfolg an einem Lehrgang mit abschließender Prüfung teilgenommen haben.

Protokollerklärung zu Absatz 1:

Die Tarifverträge auf der Landesebene im Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbands Nordrhein-Westfalen und des Kommunalen Arbeitgeberverbands Rheinland-Pfalz bleiben bestehen.

(2) 1Für die Eingruppierung in eine der Entgeltgruppen 5 bis 9a ist eine Erste Prüfung abzulegen. Für die Eingruppierung in eine der Entgeltgruppen 9b bis 12 ist eine Zweite Prüfung abzulegen. Satz 1 und 2 gelten nur für auf der Fallgruppe 2 der Entgeltgruppen 5 bzw. 9b aufbauende Eingruppierungen.

Protokollerklärung zu den Absätzen 1 und 2:

Die Lehrgänge und Prüfungen werden bei den durch die Länder oder durch die kommunalen Spitzenverbände anerkannten Verwaltungsschulen oder Studieninstitute durchgeführt. Hierzu rechnen auch solche Lehrgänge und Prüfungen, die nicht für Beamtinnen/Beamte (Beamtenanwärter/-innen) und Beschäftigte gemeinsam, sondern als Sonderlehrgänge für Beschäftigte durchgeführt werden.

(3) 1Hat eine Beschäftigte/ein Beschäftigter die für ihre/seine Eingruppierung nach den Absätzen 1 und 2 vorgeschriebene Prüfung nicht abgelegt, ist ihr/ihm alsbald die Möglichkeit zu geben, Ausbildung und Prüfung nachzuholen. Besteht hierzu aus Gründen, die die/der Beschäftigte nicht zu vertreten hat, keine Möglichkeit oder befindet sich die/der Beschäftigte in der Ausbildung, erhält sie/er mit Wirkung vom Ersten des vierten Monats nach Beginn der maßgebenden Beschäftigung eine persönliche Zulage. Die Zulage wird in Höhe des Unterschiedes zwischen dem Entgelt, das sie/er jeweils erhalten würde, wenn sie/er zu diesem Zeitpunkt in der ihrer/seiner Tätigkeit entsprechenden Entgeltgruppe eingruppiert wäre, und dem jeweiligen Entgelt ihrer/seiner bisherigen Entgeltgruppe gewährt. Sonstige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die von der Entgeltgruppe abhängen, richten sich während der Zeit, für die die Zulage zu zahlen ist, nach der der Tätigkeit der/des Beschäftigten entsprechenden Entgeltgruppe.

Protokollerklärung zu Absatz 3:

Der Arbeitgeber darf die Entsendung der/des Beschäftigten zu einem Lehrgang nicht von Vorbildungsvoraussetzungen abhängig machen. Macht die Schule oder das Institut die Zulassung zum Lehrgang von solchen Voraussetzungen abhängig, hat die/der Beschäftigte dies nicht zu vertreten.

(4) 1Die Zulage entfällt vom Ersten des folgenden Monats an, wenn die/der Beschäftigte entweder a) die Prüfung auch im Wiederholungsfalle nicht bestanden hat oder b) nicht an der ihrer/seiner Tätigkeit entsprechenden Ausbildung und Prüfung teilnimmt, nachdem ihr/ihm die Möglichkeit hierzu geboten worden ist. Sie entfällt ferner, wenn die/der Beschäftigte nach bestandener Prüfung in der ihrer/seiner Tätigkeit entsprechenden Entgeltgruppe eingruppiert ist. In diesem Falle erhält die/der Beschäftigte das Entgelt, das sie/er erhalten hätte, wenn sie/er in dem in Absatz 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt in der höheren Entgeltgruppe eingruppiert wäre."

Zur Eingruppierung bestimmt § 17 Abs. 4 TVöD - VKA in seiner ab dem 01.03.2017 geltenden Fassung:

"...

1Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe aus den Entgelt-

gruppen 2 bis 14 der Anlage A werden die Beschäftigten der glei-

chen Stufe zugeordnet, die sie in der niedrigeren Entgeltgruppe er-

reicht haben, mindestens jedoch Stufe 2.

2Die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe beginnt mit dem

Tag der Höhergruppierung.

3Bei Höhergruppierungen aus einer der Stufen 2 bis 4 der Entgelt-

gruppe 9a in die Entgeltgruppe 9b wird abweichend von Satz 2 die

in der jeweiligen Stufe der Entgeltgruppe 9a zurückgelegte Stufen-

laufzeit auf die Stufenlaufzeit in der Entgeltgruppe 9b angerechnet.

4Bei einer Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe ist die/der

Beschäftigte der in der höheren Entgeltgruppe erreichten Stufe zuzu-

ordnen.

5Die/Der Beschäftigte erhält vom Beginn des Monats an, in dem die

Veränderung wirksam wird, das entsprechende Tabellenentgelt aus

der in Satz 1 oder Satz 4 festgelegten Stufe der betreffenden Entgelt-

gruppe."

Bis zum 28.02.2017 hatte § 17 Absatz 4 Satz 1 TVöD - VKA hingegen noch die folgende Fassung:

"1Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Be-

schäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr

bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2."

..."

Mit Schreiben vom 21.01.2019 (Bl. 50/51 d.GA.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre Eingruppierung nach bestandener Prüfung zur Verwaltungsfachwirtin rückwirkend ab dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem ihr bislang die Zulage gewährt worden sei. Gemäß der Vorbemerkung Nr. 7 Abs. 4 zur Anlage 1 der Entgeltordnung VKA sei deshalb für die Stufenzuordnung in der neuen Entgeltgruppe auf den Zeitpunkt der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit abzustellen. Da die Zulage für die höherwertige Tätigkeit bereits vor dem 01.03.2017, nämlich ab dem 01.07.2015 gezahlt worden sei, verbleibe es bei der betragsmäßigen und nicht stufengleichen Höhergruppierung entsprechend § 17 Abs. 4 TVöD in der bis zum 28.02.2017 geltenden Fassung. Die Klägerin hatte die Beklagte zuvor mit Schreiben vom 21.12.2018 aufgefordert, sie in die Entgeltgruppe 9b Stufe 4 einzugruppieren.

Sie verfolgt dieses Begehren mit ihrer am 28.02.2019 bei Gericht eingegangenen Klage weiter.

Seit dem 01.08.2019 ist die Klägerin in die Entgeltgruppe EG 9c Stufe 3 eingruppiert.

Die Klägerin trägt vor, dass sie, wenn es bei der bisherigen Eingruppierung verbleiben würde, erst ab dem 01.07.2020 gemäß Stufe 4 vergütet werden würde. Es bestehe daher vom 01.09.2018 bis zum 01.07.2020 eine 22-monatige ungerechtfertigte Einkommensdifferenz. Der monatliche Unterschied betrage rund 500,00 € brutto. Sie habe Anspruch auf stufengleiche Höhergruppierung gemäß § 17 Abs. 4 TVöD - VKA in der ab dem 01.03.2017 geltenden Fassung. Nr. 7 Abs. 4 Satz 3 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung sei nicht als speziellere Regelung zu berücksichtigen. Hätte sie erst nach dem 01.03.2017 die höherwertige Tätigkeit ausgeübt, wäre sie problemlos in die Einkommensgruppe 9b in die Entgeltgruppe 9b Stufe 4 eingruppiert worden. Sie habe den Lehrgang zur Verwaltungswirtin auch nur absolvieren dürfen, weil sie höherwertige Tätigkeiten ausgeübt habe. Sie sei deshalb gezwungen gewesen, die höherwertigen Tätigkeiten im Sinne der Entgeltgruppe 9b ab dem 01.07.2015 zu übernehmen. Die Vorschrift in Nr. 7 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung sei willkürlich und führe zu massiver Ungerechtigkeit. Die Gewährung der an sie gezahlten Zulage sei auch keine Privilegierung, sondern zwingende Folge der Tatsache, dass sie bereits höherwertige Tätigkeiten Tag für Tag ausgeübt habe. Der Nachteil setze sich im Übrigen bis zum Erreichen der Stufe 6 viele weitere Jahre fort. Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinerlei Rechtfertigung. Die verfassungsrechtlich akzeptierte Grenze von Stufenregelungen werde massiv überschritten.

Da sei aufgrund der Verrichtung weiterer höherwertiger Tätigkeiten seit dem 01.08.2019 in die Entgeltgruppe 9c eingruppiert sei, beantrage sie weiterhin , ab diesem Zeitpunkt in dieser Vergütungsgruppe ebenfalls in Stufe eingestuft zu werden.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass sie in dem Zeitraum vom 01.09.2018 bis zum 31.07.2019 der Entgeltgruppe 9 b Stufe 4 TVÖD VKA zuzuordnen war und dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 b Stufe 4 TVÖD VKA rückwirkend für den Zeitraum vom 01.09.2018 bis zum 31.07.2019 zu zahlen

und weiterhin festzustellen, dass sie seit dem 01.08.2019 der Entgeltgruppe 9 c Stufe 4 TVÖD VKA zuzuordnen ist und dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 c Stufe 4 TVÖD VKA seit dem 01.08.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich darauf, die geltenden Tarifbestimmungen des TVöD rechtmäßig angewandt zu haben. Nachdem die Klägerin am 25.09.2018 den Verwaltungslehrgang II erfolgreich abgeschlossen und damit die persönlichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b erfüllt habe, habe kein Anspruch mehr auf Zahlung einer Zulage bestanden, Ziff. 7 Abs.4 Satz 2 und 3 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung zum TVöD. Danach entfalle die Zulage, wenn Beschäftigte nach bestandener Prüfung in der ihrer Tätigkeit entsprechenden Entgeltgruppe eingruppiert seien. In diesem Fall sei das Entgelt zu zahlen, was die Klägerin erhalten hätte, wenn sie in dem in Ziffer 7 Abs. 3 Satz 2 der Vorbemerkungen genannten Zeitpunkt, das heißt am 01. des vierten Monats nach Beginn der maßgebenden Beschäftigung eingruppiert gewesen wäre. Es sei also eine fiktive Höhergruppierung zum Zeitpunkt des Beginns der Zulagenzahlung unter Beachtung der zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifregelungen vorzunehmen. Da sie fälschlicherweise die Zulage bereits ab dem 01. Tag der Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten und nicht erst ab dem 01. des vierten Monats gezahlt habe, sei die fiktive Höhergruppierung zugunsten der Klägerin auch zu diesem Datum, dem 01.07.2015, durchgeführt worden. Eine fiktive Höhergruppierung zum 01.10.2015 hätte keine Auswirkungen auf die Stufenzuordnung gehabt. Deshalb sei im Hinblick auf die fiktive Höhergruppierung der Klägerin zum 01.07.2015 die Regelung des § 17 Abs. 4 TVöD in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden. Danach erfolge eine betragsmäßige Höhergruppierung. Da sich die Klägerin am 01.07.2015 in der Entgeltgruppe EG 8 Stufe 3 befunden habe, habe im Sinne dieser betragsmäßigen Höhergruppierung nach dem damaligen Tabellenentgelt in der höheren Entgeltgruppe 9b eine Zuordnung zur Stufe 2 erfolgen müssen. Darüber hinaus sei auch die mit dem Zeitpunkt der Höhergruppierung neu beginnende Stufenlaufzeit gemäß § 17 Abs. 4 Satz 4 TVöD a.F. zu berücksichtigen. Hiernach habe die Stufenlaufzeit in der Entgeltgruppe 9b Stufe 2 am 01.07.2015 fiktiv begonnen, so dass die Klägerin die nächste Stufe 3 in der Entgeltgruppe 9b am 01.07.2017 erreicht habe. Deshalb sei die Klägerin nach Abschluss des Verwaltungslehrgangs II in die Entgeltgruppe 9b Stufe 3 einzugruppieren gewesen. Bei der Regelung der Ziffer 7 Abs. 4 der Vorbemerkung zur Entgeltordnung VKA handele es sich um eine tarifrechtliche Regelung, die vorliegend als speziellere Regelung zu § 17 Abs. 4 TVöD n.F. zu berücksichtigen sei mit der Folge, dass in dem konkret vorliegenden Fall der Klägerin für deren Höhergruppierung die Regelung gemäß § 17 Abs. 4 TVöD in der bis zum 28.02.2017 geltenden Fassung anzuwenden sei. Eine Ungleichbehandlung liege im Fall der Klägerin auch gerade nicht vor. Die Klägerin lasse unberücksichtigt, dass sie bis zum Abschluss des Verwaltungslehrgangs II am 25.09.2018 die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen für eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9b überhaupt nicht erfüllt habe. Auch die stichtagsbezogene Neuregelung der stufengleichen Höhergruppierung ab dem 01.03.2017 durch die Tarifvertragsparteien sei zulässig und verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei der Neuregelung der Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen stelle die Stichtagsregelung einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung dar. Eine Umstellung von Vergütungssystemen ohne Stichtagsregelungen sei nicht durchführbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin macht im Wege der Eingruppierungsfeststellungsklage die Feststellung einer konkreten Stufenzuordnung im Hinblick auf die vorgenommene Höhergruppierung in eine bestimmt bezeichnete Entgeltgruppe geltend. Da die Klägerin die Zuordnung in Stufe 4 der Entgeltgruppe 9 b anstelle der von der Beklagten vorgenommenen Zuordnung in die Stufe 3 der Entgeltgruppe 9 b begehrt, ist ein Feststellungsinteresse gegeben (vgl. insoweit auch BAG, Urteil vom 20.09.2012, 6 AZR 211/11, NZA - RR 2013, 105; BAG, Urteil vom 17.11.2010, AZ: 4 AZR 188/09, NZA - RR 2011, 304).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, ab dem 01.09.2018 gemäß der Entgeltgruppe 9 b Stufe 4 TVöD - VKA vergütet zu werden. Ebenso wenig hat sie einen Anspruch darauf, ab dem 01.08.2019 in Stufe 4 der Entgeltgruppe 9c eingestuft zu werden.

Die Beklagte hat die Klägerin zutreffend ab dem 01.09.2018 betragsmäßig und nicht stufengleich in die Stufe 3 der Entgeltgruppe 9 b TVöD - VKA höhergruppiert. Dies ergibt sich aus Nr. 7 Abs. 4 Satz 3 Vorbemerkung der Entgeltordnung zum TVöD i. V. mit § 17 Abs. 4 TVöD-VKA in der bis zum 28.02.2017 geltenden Fassung.

Nr. 7 Abs. 3 der Vorbemerkung zur Entgeltordnung regelt, dass ein Beschäftigter, der die für seine Eingruppierung vorgeschriebene Prüfung nicht abgelegt hat, die Möglichkeit erhalten muss, Ausbildung und Prüfung nachzuholen. Sofern sich der Beschäftigte in der Ausbildung befindet, erhält er nach Satz 2 der Regelung vom 01. bis 04. Monat nach Beginn der maßgebenden Beschäftigung eine persönliche Zulage. Gemäß Nr. 7 Abs. 4 Satz 2 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung entfällt die Zulage, wenn der Beschäftigte nach bestandener Prüfung in der seiner Tätigkeit entsprechenden Entgeltgruppe eingruppiert ist. Gemäß Satz 3 der Vorschrift erhält in diesem Fall der Beschäftigte das Entgelt, das er erhalten hätte, wenn er in dem in Absatz 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt in der höheren Entgeltgruppe eingruppiert wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Demzufolge ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seien Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08, juris; BAG, Urteil vom 19.09.2007, 4 AZR 670/06, BAGE 124, 110; BAG, Urteil vom 07.07.2004, 4 AZR 433/03, BAGE 111, 204, 209).

Der Wortlaut von Nr. 7 Abs. 4 Satz 3 i. V. mit Abs. 3 Satz 2 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung ist eindeutig. Am 01. des vierten Monats nach Beginn des Verwaltungslehrgangs galt § 17 Abs. 4 der TVöD - VKA in der bis zum 28.02.2017 geltenden Fassung. Denn die Klägerin hat die höherwertige Tätigkeit ab dem 01.07.2015 ausgeübt und auch ab diesem Zeitpunkt (nicht bereits erst ab dem vierten Monat nach Übernahme der höherwertigen Tätigkeiten) die entsprechende Zulage erhalten. Unabhängig davon, ob man vorliegend auf den 01.07.2015 oder auf den 01.10.2015 abstellt, galt zu diesem Zeitpunkt jedenfalls der TVöD - VKA in seiner Fassung, die bis zum 28.02.2017 Geltung beanspruchte. Demnach war den Beschäftigten bei Eingruppierungen in eine höhere Entgeltgruppe diejenige Stufe zuzuordnen, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhielten, mindestens jedoch die Stufe 2 erfüllten. Diese Voraussetzung ist mit der Eingruppierung in die Stufe 3 der Entgeltgruppe 9 b - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - erfüllt.

Soweit das Arbeitsgericht Gelsenkirchen in seiner Entscheidung vom 04.04.2018, 2 Ca 1764/17, juris bereits ausgeführt hat, dass der Regelung der Nr. 7 Abs. 4 Vorbemerkungen zur Entgeltordnung nur bei dem dargelegten Verständnis unter Beachtung des ohnehin eindeutigen Wortlauts zu einer sinnvollen Anwendung verholfen werden kann, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Tarifvertragsparteien eine inhaltsleere Regelung schaffen wollten, schließt sich die erkennende Kammer den Ausführungen des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen (Rdz. 58 ff) vollumfänglich an. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat insoweit auch darauf hingewiesen, dass die Tarifvertragsparteien die bereits mit identischem Wortlaut in § 2 Anlage 3 BAT enthaltene Regelung auch in Kenntnis der zum 01.03.2017 vereinbarten Neuregelung des § 17 Abs. 4 TVöD - VKA in die Entgeltordnung, die zum 01.01.2017 in Kraft getreten ist, übernommen haben. Wenn die Tarifvertragsparteien gewollt hätten, dass anders als bisher ein fiktiver Zeitpunkt für die Bemessung des Entgeltes nicht gelten sollte, hätten sie die entsprechende Regelung streichen oder eine ausdrückliche Regelung zu Übergangsfällen aufnehmen müssen.

Die erkennende Kammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen in seiner Entscheidung vom 04.04.2018 auch insoweit ausdrücklich an, als das Arbeitsgericht Gelsenkirchen weiterhin ausführt, dass die Regelung in Nr. 7 Abs. 4 Satz 3 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung auch weder willkürlich noch sonst aus Rechtsgründen unwirksam sei. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen weist darauf hin, dass mit der Regelung sichergestellt werde, dass derjenige, der von dem 01.03.2017 bereits eine höherwertige Tätigkeit ausgeübt hat und über die notwendige Prüfung verfügte, nicht schlechter gestellt wird als derjenige Beschäftigte, der - wie vorliegend die Klägerin - zwar vor dem 01.03.2017 eine höherwertige Tätigkeit ausgeübt hat, aber nicht über die notwendige Prüfung verfügte, die indes für die Höhergruppierung persönliche Voraussetzung ist. Es ist keine Rechtfertigung dafür erkennbar, dass der Beschäftigte ohne Prüfung gegenüber dem Beschäftigten mit Prüfung bessergestellt wird.

Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass Beschäftigte, die nach dem 01.03.2017 die höherwertige Tätigkeit ausüben und die notwendige Ausbildung und Prüfung absolvieren, von der seit dem 01.03.2017 geltenden stufengleichen Höhergruppierung profitieren. Die entsprechende Stichtagsregelung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht (BAG, Urteil vom 14.09.2016, 4 AZR 456/14, juris; BAG, Urteil vom 15.01.2015, 6 AZR 646/13, juris). Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgeltes wie auch der weiteren, den tarifgebundenen Arbeitnehmern zufließenden Leistungen grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, weil dies nach Überzeugung des Gesetzgebers zu sachgerechteren Ergebnissen führt, als eine staatlich beeinflusste Entgelt- und Leistungsfindung. Den Tarifvertragsparteien ist es grundsätzlich auch freigestellt, zu bestimmen, welche Zeiten welcher Tätigkeiten sie in welcher Form berücksichtigen wollen (BAG, Urteil vom 14.09.2016, 4 AZR 456/14, juris; BAG, Urteil vom 03.07.2014, 6 AZR 1067/12, juris). Die Tarifautonomie schließt desgleichen die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen ein, die Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gar gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die Betroffenen differenzierende Regelungen ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG, Urteil vom 14.09.2016, 4 AZR 456/14 a.a.O.). Stichtagsregelungen sind insoweit Typisierungen in der Zeit, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Ausdruck einer gebotenen pauschalierenden Betrachtung sind. Eine Umstellung von Vergütungssystemen ist ohne Stichtagsregelung nicht durchführbar. Eine solche ist aus Gründen der Praktikabilität ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigen Personenkreises sachlich gerechtfertigt, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert (BAG, Urteil vom 13.08.2009, 6 AZR 244/08, juris; Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 09.01.2019, 17 Sa 625/18 E, juris, nicht rechtskräftig).

Durch die neue Entgeltordnung des TVöD im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände wurde die bis dahin geltende betragsmäßigen Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen von einer stufengleichen Zuordnung abgelöst. Da sich der Wechsel des Entgeltsystems am 01.01.2017 vollzog, war es sachgerecht, dass sich Beförderungen vor und nach diesem Stichtag unterschiedlich auswirken konnten (LAG Niedersachsen, Urteil vom 09.01.2019, 17 Sa 625/18 E, a.a.O.). Dass die Änderungen betreffend die stufengleiche Höhergruppierung nicht schon zum 01.01.2017, sondern erst zum 01.03.2017 in Kraft traten, ist insoweit unschädlich, da die Neuregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD - VKA nicht für Höhergruppierungen gelten sollte, die sich durch die Überleitung in die neue Entgeltordnung ergeben. Daher war es auch nicht sachwidrig, dass sich Beförderungen erst nach dem Stichtag 01.03.2017 unterschiedlich auswirken konnten (LAG Niedersachsen, Urteil vom 09.01.2019, 17 Sa 625/18 E, a.a.O.). Vorübergehende Vergütungsnachteile für einzelne Arbeitnehmer durften die Tarifvertragsparteien bei der Einführung der stufengleichen Höhergruppierung in Kauf nehmen. Solche vorübergehenden Entgeltnachteile sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sie auf die autonome vergütungsrechtliche Bewertung einzelner Tätigkeiten durch die Tarifvertragsparteien als integralen Bestandteil der Tarifautonomie zurückzuführen sind (BAG, Urteil vom 20.09.2012, 6 AZR 211/11, juris; LAG Niedersachen, Urteil vom 09.01.2019, 17 Sa 625/18 E, a.a.O.). Auch die Anerkennung von Erfahrungsstufen durch die Tarifvertragsparteien obliegt ihrer autonomen vergütungsrechtlichen Bewertung. Die Tarifvertragsparteien können frei bestimmen, ob sie nur die Erfahrung in der jeweiligen Entgeltgruppe honorieren wollen oder auch bei Höhergruppierungen eine erfahrungsbedingte Verbesserung der Arbeitsleistung nach Qualität und Quantität durch Beibehaltung der bisherigen Erfahrungsstufe anerkennen wollen. Es ist überdies darauf hinzuweisen, dass durch die Regelung in § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD - VKA darüber hinaus keine gezielte und dauerhafte Benachteiligung der vor diesem Stichtag beförderten Arbeitnehmer zur Folge hat (vgl. dazu die weiteren Ausführungen des LAG Niedersachsen, Urteil vom 09.01.2019, 17 Sa 625/18 E, a.a.O.).

Nach alledem ist die Eingruppierung der Klägerin zutreffend vorgenommen worden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. mit § 91 Abs. 1 ZPO. Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. mit § 42 Abs. 3 GKG. Zugrunde gelegt wurde der 36-fache monatliche Differenzbetrag.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Hamm

Marker Allee 94

59071 Hamm

Fax: 02381 891-283

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

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