LG Köln, Urteil vom 11.07.2019 - 24 O 410/18
Fundstelle
openJur 2021, 5298
  • Rkr:
Tenor

I.

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.462,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke W vom Typ Q mit der Fahrzeugindentifizierungsnummer ...# zu zahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der unter 1.) genannten Zug-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befindet.

4.

Die Beklagte wird verurteilt, die durch die Beauftragung des

Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen

Rechtsanwaltskosten in Höhe von 573,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5

Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.04.2019 zu

zahlen.

5.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 47 % und die Beklagte zu 53 %.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger kaufte am 11.03.2015 in Bergisch Gladbach einen W vom Typ Q mit der Fahrzeugindentifizierungsnummer ...# als Gebrauchtfahrzeug mit einer Laufleistung von 26.950 km zum Preis von 30.790,- €.

Der Wagen verfügte über einen Dieselmotor der Baureihe ...

Am 20.03.2017 erfolgte ein Softwareupdate.

Bei Einreichung der Klage hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von ca. 130.000 km. Am Tag vor der mündlichen Verhandlung betrug die Laufleistung 145.142 km.

Mit Anwaltsschreiben vom 22.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte mit Fristsetzung zum 06.12.2018 zur Zahlung von 30.790,- € gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung auf.

Dem kam die Beklagte nicht nach.

Der Kläger behauptet, bei der ursprünglich im Motor eingesetzten Software handele es sich um eine unzulässige Abschaltautomatik, die vortäusche, die gesetzlichen Stickoxidwerte als Grundlage für die Betriebserlaubnis würden eingehalten.

Der Schaden bestehe in der täuschungsbedingten Disposition über sein Vermögen.

Der Kläger meint, es bestehe insbesondere auch ein Anspruch aus § 826 BGB. Er behauptet, die Entscheidungsträger der Beklagten hätten von dem Einsatz der illegalen Abschaltrichtung gewusst.

Der Kläger geht hinsichtlich der anzurechnenden Nutzungsentschädigung von einer zu erwartenden Gesamtnutzungsdauer von ca. 300.000 km bis 500.000 km aus.

Vorgerichtliche Anwaltskosten seien mit einer nicht anrechenbaren 0,65-Gebühr berechtigt.

Der Kläger meint, es bestehe auch ein Zinsanspruch aus § 849 BGB.

Der Kläger beantragt:

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadenseratz in Höhe des Kaufpreises des Fahrzeugs in Höhe von 30.790,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.12.2018 zu zahlen;

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Aufwendungen und Schäden, die aufgrund des Erwerbs und des Unterhalts des Fahrzeugs W Q mit der FIN ...# entstanden sind und weiterhin entstehen werden;

dies - Antrag zu 1.) und 2.) - Zug um Zug gegen

Übereignung des Fahrzeugs W Q mit der FIN ...# sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klagepartei, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

3.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis in Höhe von 30.790,- € seit dem 12.03.2015 bis zum 06.12.2018 zu zahlen;

4.

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs W Q ...# seit dem 07.12.2018 in Annahmeverzug befindet;

5.

die Beklagte zu verurteilen, die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 749,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die aus ihrer Sicht fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln.

Die Beklagte behauptet, von einer Abgasmanipulation könne keine Rede sein.

Das Fahrzeug habe stets über eine wirksame Betriebserlaubnis verfügt.

Insbesondere sei das Softwareupdate zu berücksichtigen, das unstreitig zwischenzeitlich durchgeführt worden sei. Hierdurch sei jedenfalls ein irgendwie gearteter Schaden entfallen. Irgendwelche nachteiligen Auswirkungen des Softwareupdates auf das streitgegenständliche Fahrzeug seien nicht eingetreten.

Insbesondere was den angeblichen Anspruch aus unerlaubter Handlung angehe, fehle es an sämtlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Der Vorstand der Beklagten habe von der sog. Abschaltautomatik keine Kenntnis gehabt.

Jedenfalls seien die gezogenen Gebrauchsvorteile in Abzug zu bringen. Insoweit - so behauptet die Beklagte - sei eine Gesamtnutzungsdauer von 200.000 bis 250.000 km anzusetzen.

Es liege auch kein Annahmeverzug vor.

Sie tritt auch der Geltendmachung der vorgerichtlichen Kosten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ist nach § 32 ZPO gegeben. Ein Tatbestandsmerkmal der vorliegend geltend gemachten unerlaubten Handlung ist in dem den Vermögensschaden ausmachenden Abschluss des Kaufvertrages zu sehen, der in Bergisch Gladbach und mithin im Bezirk des Landgerichts Köln erfolgt ist.

II.

Der Kläger hat - auch nach den Rechtsgrundsätzen, die das OLG Köln im Beschluss vom 29.11.2018 (18 U 70/18) aufgestellt hat - einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich des Nutzungsersatzes Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 826 BGB in Höhe von 17.462,29 €.

1.

Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.

a)

Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH, Urteil v. 3.12.2013 - XI ZR 295/12, zitiert nach juris). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteil v. 3.12.2013, a.a.O.; BGH, Urteil v. 20.11.2012 - VI ZR 268/11, zitiert nach juris, jeweils m.w.N.).

Vorliegend bestehen für die Kammer keine Zweifel daran, dass die Beklagte aus Gewinnstreben sowohl die zuständigen Behörden als auch Käufer von Fahrzeugen aus dem W -Konzern wie den Kläger durch Entwicklung und Verwendung des Softwareprogramms in dem von ihr hergestellten Dieselmotor ... über den unter normalen Fahrbedingungen erhöhten Schadstoffausstoß täuschte. Dies geschah, um Behörden und Kunden in dem Glauben zu lassen, Fahrzeuge mit dem Motor ... würden die vorgeschriebenen Grenzwerte einhalten, was tatsächlich nicht zutrifft. Ohne diese Maßnahme hätten die Beklagte und ihre Tochterunternehmen angesichts der Wichtigkeit der Eingruppierung in eine möglichst hohe Schadstofffreiheitsklasse geringere Verkaufszahlen erzielt.

Bei dem in der Motorenreihe ... verwendeten Programm handelt es sich um eine illegale Funktion zur Abgasmanipulation und nicht um eine zulässige Gestaltung zur Optimierung im NEF-Zyklus (s. nunmehr auch Beschluss des BGH vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -, juris). Das ergibt sich schon aus dem gerichtsbekannten, vom Kraftfahrtbundesamt angeordneten und seitens der Beklagten nicht angegriffenen weitreichenden Rückruf von betroffenen Fahrzeugen des W -Konzerns. Wären die betroffenen Fahrzeuge nicht in diesem Sinne mangelbehaftet, hätte es eines zwingend angeordneten Rückrufs nicht bedurft. Der den Käufern gegenüber nicht offen gelegte Einsatz der sog. Mogelsoftware hat, verbunden mit den Prospektangaben betreffend die entsprechenden Fahrzeuge, auch dazu geführt, dass die Käufer sich in der irrigen Vorstellung befanden, auch im Betrieb des Fahrzeugs außerhalb des Prüfstands würden die Werte, mit denen geworben wurde, zumindest annäherungsweise erreicht.

Die Täuschung durch die Beklagte gegenüber den Kunden erfolgte systematisch, in erheblichem Umfang und über einen jahrelangen Zeitraum. Sogar jetzt streitet die Beklagte ihre zivilrechtliche Verantwortung noch ab, indem sie behauptet, das Fahrzeug des Klägers sei nicht mangelhaft und die Programmaktualisierung lediglich eine freiwillige Leistung. Angesichts dieses völligen Fehlens eines Unrechtsbewusstseins bringt die Beklagte nach Ansicht der Kammer auch zum Ausdruck, dass sie den sittenwidrigen Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung auch im Nachhinein billigt. Dass eine bewusste Täuschung ein erhebliches Indiz für die Annahme eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens darstellen kann, ist allgemein anerkannt.

b)

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass ihr ein etwaiges Fehlverhalten von Mitarbeitern nicht zuzurechnen sei, weil es unterhalb der Ebene ihrer Organe stattgefunden haben soll. Denn auch wenn dies so sein sollte, müsste sich die Beklagte die Verstöße analog § 31 BGB zurechnen lassen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Vorschrift über eine Zurechnung des Handelns bestellter Vertreter zu einer Repräsentantenhaftung für Personen erweitert, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind (BGH, Urteil v. 05.03.1998 - III ZR 183/96). Auch den Personen, die nach dem Vortrag der Beklagten nicht zu deren Vorstand gezählt und über die Entwicklung und Verwendung der illegalen Abschalteinrichtung entschieden haben, kam eine entsprechende Stellung zu. Denn wenn diese Personen, wie es die Beklagte darstellt, eigenständig und ohne die Erforderlichkeit einer Freigabe von vorgesetzter Stelle so weitreichende Entscheidungen für die Entwicklung einer im gesamten Konzern der Beklagten verbauten Motorenreihe mit der vorbeschriebenen sog. Mogelsoftware treffen konnten, so war ihnen eine erhebliche innerbetriebliche Entscheidungskompetenz zugewiesen.

Im Übrigen ist von einer sekundären Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich der verantwortlichen Stellen und dem Informationsfluss in ihrem Konzern ausgehen, der sie nicht ausreichend nachgekommen ist. Der Kläger hat ausreichend und unter Ausschöpfung der ihm zugänglichen Quellen hierzu vorgetragen. Ein näherer Vortrag ist ihm hinsichtlich dieser Tatsachen jedoch nicht möglich, da es sich um interne Betriebsabläufe der Beklagten handelt. Der Beklagten ist demgegenüber ein konkreter Vortrag hierzu insbesondere hinsichtlich der erfolgten Aufarbeitung durch ihre interne Revision und externe Rechtsanwaltskanzleien zumutbar; ein solcher Vortrag ist indes nicht substantiiert erfolgt.

Inwieweit daneben eine Haftungszurechnung nach den Grundsätzen des § 831 BGB erfolgen könnte - was naheliegend ist -, kann vorliegend dahinstehen.

c)

Das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ist auch kausal für die Kaufentscheidung der Klägerin gewesen. Bei täuschendem oder manipulativem Verhalten ist es für die Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ausreichend, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (vgl. etwa BGH Urteil v. 12.05.1995 - V ZR 34/94 -, zitiert nach juris). Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Wagen gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass dieser die beworbenen Abgaswerte angesichts deren allgemein bekannten Bedeutung in mehrfacher Hinsicht (Betriebserlaubnis, Kfz-Steuer, etwaige Fahrverbote bei Nichteinhaltung der Grenzwerte, Umweltfragen) in Wirklichkeit nicht hat.

d)

Durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten wurde der Kläger geschädigt. Durch die Verwendung der sog. Mogelsoftware stellen sich - wie auch die Beklagte wusste und billigte - die Prospektangaben über Abgaswerte, wie dargetan, als täuschend dar. Wird jedoch eine Kaufentscheidung durch Täuschung mitherbeigeführt, so liegt bereits ein Schaden vor, wenn der Kaufgegenstand sich für den Käufer als für seine Zwecke nicht voll brauchbar erweist (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urteil des BGH vom 08.03.2005 - XI ZR 170/04 -, zitiert nach juris, mit weit. Nachw.). Im Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02 -, zitiert nach juris, hat der BGH im Zusammenhang mit einem Anspruch nach § 826 BGB hervorgehoben:

826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab: Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung. Der Inhalt der Pflicht zum Ersatz eines solchen Schadens bestimmt sich nach den §§ 249 ff BGB. Danach ist im vorliegenden Fall der in seinem Vertrauen in die Richtigkeit der Adhoc-Mitteilung vom 20.05.1999 enttäuschte Anleger P. im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die für die Veröffentlichung Verantwortlichen ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Mitteilung nachgekommen wären. Da er in diesem Fall - wie festgestellt - die Aktien nicht erworben hätte, kann er nach § 249 Abs. 1 BGB Geldersatz in Höhe des für den Aktienerwerb aufgewendeten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Rechtspositionen auf die - an dem Erwerbsgeschäft nicht beteiligten - Schädiger verlangen." Es kommt in diesem Fall bei der Prüfung, ob ein Schaden vorliegt, gerade nicht darauf an, ob der Preis der erworbenen Kaufsache ihrem objektiven Marktwert entspricht (vgl. auch Grüneberg in Palandt, BGB, 77. Aufl., § 311 Rz 72)."

Angesichts der Bedeutung der nicht eingehaltenen Abgaswerte kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Wagen sich zum Zeitpunkt des Kaufs als für die Zwecke des Klägers nicht geeignet erwiesen hat. Ein Schaden im normativen Sinne ist demnach eingetreten.

e)

Der Schadensersatzanspruch des Klägers entfällt auch nicht infolge des im März 2017 vorgenommenen Softwareupdates. Dass er das Softwareupdate hat durchführen lassen, bedeutet nicht, dass er sich seiner Rechte aus § 826 BGB begeben hätte oder dass es treuwidrig (§ 242 BGB) wäre, nunmehr gleichwohl aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte vorzugehen. Für die Annahme eines - ohnehin nur unter besonderen Voraussetzungen anzunehmenden - Rechtsverzichtes bestehen keine konkreten Anhaltspunkte. Als treuwidrig könnte das Verhalten des Klägers allenfalls anzusehen sein, wenn für einen ruhig und besonnen Denkenden bereits jetzt feststünde, dass mit dem Softwareupdate keinerlei nachteilige Folgen für das Fahrzeug verbunden sind. Letzteres ist jedoch gerade nicht der Fall, wie die öffentliche Diskussion, insbesondere auch zur Frage der Notwendigkeit einer Hardwarenachrüstung, zeigt. Ein Fahrzeug, das ursprünglich die sog. Mogelsoftware aufgewiesen das dann lediglich ein Softwareupdate erhalten hat, bleibt nach der Verkehrsanschauung bemakelt. Auf eine Auseinandersetzung darüber, ob das Misstrauen gegen das Softwareupdate berechtigt ist oder nicht, braucht sich der arglistig Getäuschte nicht einzulassen.

2.

Die Beklagte hat dem Kläger nach § 826 BGB in Verb. mit §§ 249 ff BGB demnach einen Betrag in Höhe des Kaufpreises abzüglich des vom Kläger gezogenen Nutzungsvorteils zu zahlen, Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Eine Nutzungsentschädigung für die gezogenen Gebrauchsvorteile ist in Abzug zu bringen. Wie allgemein anerkannt, ist dies auch in Fällen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung oder des Betruges der Fall, etwa in Fällen, in denen betrügerisch ein Anlagenmodell vertrieben worden ist. Weshalb in Fällen der vorliegenden Art gleichwohl eine Anrechnung nicht stattfinden soll, ist unerfindlich.

Die Nutzungsvorteile sind nach der allgemein anerkannten Formel zu berechnen: Bruttokaufpreis, geteilt durch die voraussichtliche

(Rest-)Gesamtlaufleistung bei Kauf mal die vom Käufer gefahrenen Kilometer (s. Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2017, § 346 Rz 10).

Die Kammer geht nach § 287 ZPO von einer voraussichtlich zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 km aus.

Demnach ist wie folgt zu rechnen:

30.790 geteilt durch 273.050 mal 118192 = 13.327,71 €

Dieser Betrag ist von dem Kaufpreis in Höhe von 30.790,- € in Abzug zu bringen, so dass ein Schadensersatzanspruch zur Zeit der mündlichen Verhandlung in Höhe von 17.462,29 € verbleibt.

Bei der Nutzungsentschädigung handelt es sich nicht um eine Zugum-Zug zu erbringende Leistung, sondern um eine Vorteilsausgleichung, die gegen den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch zu saldieren ist. Vorliegend geht es nur um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, so dass gewährleistungsrechtliche Besonderheiten außen vor bleiben.

3.

Annahmeverzug im Sinne des § 293 BGB ist im Hinblick auf das Schreiben der Klägervertreter vom 22.11.2018 eingetreten. Wie die Abwicklung stattzufinden hat, brauchte der Kläger nicht im Einzelnen darzulegen, da sich dies aus der Natur der Sache ergibt und er auch um eine Absprache mit der Beklagten gebeten hat.

4.

a)

Verzugszinsen aus einem Betrag in Höhe der zuerkannten Hauptforderung sind ab dem 07.12.2018 aus Verzug geschuldet.

b)

Ein weitergehender Zinsanspruch besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 849 BGB - Entziehung oder Beschädigung einer Sache - liegen nicht vor.

Dem steht nicht entgegen, dass § 849 BGB keine Wegnahme voraussetzt, sondern auch eine durch den Schädiger veranlasste freiwillige Hingabe von Geld durch den Geschädigten als Entziehung einer Sache im Sinne dieser Vorschrift in Betracht kommt (BGH NJW 2008, 1084). Allerdings stellt ein Schaden in Form einer nur vorübergehenden Verhinderung der Nutzung der nicht endgültig entzogenen Sache keinen nach § 849 BGB auszugleichenden Schaden dar; durch § 849 BGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein endgültig verbleibender Verlust an Nutzbarkeit ausgeglichen werden (BGH, Urteil vom 15. März 1962 - III ZR 17/61, MDR 1962, 464 = LM Nr. 2 zu § 849 BGB = BeckRS 1962, 31183446). An einem solchen fehlt es vorliegend. Der Kläger hat seinen gezahlten Kaufpreis nicht endgültig verloren. Die Beklagte hat ihm diesen nach dem oben Gesagten zu erstatten. Der Kläger konnte das von ihm zum Kauf des Wagens verwendete Geld lediglich zwischenzeitlich nicht anderweitig nutzen. Nach Erstattung des Kaufpreises kann er wieder hierüber verfügen.

5.

Die vom Kläger geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sind ebenfalls als ersatzfähiger Schaden gemäß § 249 BGB anzusehen, wie beantragt der nicht anrechenbare 0,65-Teil der Geschäftsgebühr, und zwar nach einem Gegenstandswert von 19.170,- €, da in dieser Höhe zum Zeitpunkt der Mandatierung eine Schadensersatzforderung unter Beachtung der damals noch geringeren Nutzungsentschädigung bestand. Dies ergibt den Bruttobetrag von 573,94 €.

Insoweit sind mangels vorhergehender Mahnung Zinsen erst ab Rechtshängigkeit, d.h. ab dem 05.04.2019 zu zahlen.

6.

Der Antrag zu 2.) ist unzulässig im Hinblick auf den Vorrang der Leistungsklage. Dass konkrete weitere, derzeit nicht bezifferbare Schäden auf den Kläger zukommen könnten, ist nicht nachvollziehbar dargetan. Der weitere Unterhalt des Fahrzeugs pp. ist, da der Kläger auch die Nutzungen zieht, ohnehin nicht zu erstatten.

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 1 ZPO. Insoweit ist von einem Unterliegen des Klägers bzgl. der Hauptforderung in Höhe von 13.327,71 €, da er die abzuziehende Nutzungsentschädigung nicht beziffert hat; die Nutzungsentschädigung in das Ermessen des Gerichtes zu stellen, sehen bei unerlaubter Handlung weder das BGB noch die ZPO vor.

2.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 32.790,- € (Streitwert des Antrags zu 2.): 2.000,- €)

Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs hat neben der Leistungsklage keinen eigenen Streitwert, vgl. die Nachw. bei Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl. § 3 Rz 16 "Annahmeverzug" und "Feststellungsklagen".