LG Hamburg, Urteil vom 08.11.2018 - 312 O 95/15
Fundstelle
openJur 2021, 4987
  • Rkr:
Tenor

1. Den Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Tee unter der Bezeichnung „M. P.“ anzubieten, zu bewerben, feilzuhalten, zu verkaufen und/oder in den Verkehr zu bringen;

2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Art und Umfang der unter Ziffer 1. beschriebenen Handlungen, der Beklagten zu 1 ab dem 22.5.2005 und der Beklagten zu 2 ab dem 15.02.2006, und zwar insbesondere unter Angabe der gewerblichen Abnehmer einschließlich vollständiger Anschrift, der Einkaufs- oder Gestehungspreise, der Verkaufspreise, der gelieferten Mengen, und zwar gegliedert nach Kalendermonaten;

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser durch die unter Ziffer 1. näher beschriebenen Handlungen durch die Beklagte zu 1 ab dem 22.5.2005 und durch die Beklagte zu 2 ab dem 15.02.2006 entstanden sind und zukünftig möglicherweise noch entstehen, wobei diese Verpflichtung ab dem 15.2.2006 beide Beklagte als Gesamtschuldnerinnen trifft. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen zu tragen.

5. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 200.000,00, hinsichtlich Ziffer 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.000,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen Verletzung der Marke „M. P.“.

Die Klägerin ist Inhaberin der Marke DE... „M. P.“ mit einer Priorität vom 1.10.1894, welche Schutz für Tee beansprucht und auf welche die Klage in erster Linie gestützt wird (Anlage K 1, nachfolgend: Klagemarke). Darüber hinaus ist sie u.a. Inhaberin einer gleichlautenden Marke DE... (Anlage K 3), auf welche die Klage hilfsweise gestützt wird.

Die Beklagten gehören zur M. F.-Gruppe, einer Herstellerin von Teemischungen mit Sitz in P., deren Gründung auf das Jahr 1854 zurückgeht. Das Sortiment besteht aus etwa 600 verschiedenen Teeprodukten der gehobenen Preiskategorie.

Die Beklagte zu 2 vertreibt Tee in Deutschland unter der Bezeichnung „M. P.“. Dauer und Umfang des Vertriebes sowie die Rolle der Beklagten zu 1 sind zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin versandte am 5.8.2014 das in Anlage K 6 ersichtliche Abmahnschreiben an „M. F.“ wegen des Vertriebs von Tee mit der Bezeichnung „M. P.“ in Deutschland, wobei deren Bevollmächtigte mit Schreiben vom 19.9.2014 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ablehnten (Anlage K 8).

Die Klägerin ist der Meinung, dass ihr gegen die Beklagten markenrechtliche Unterlassungsansprüche sowie Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung zustünden.

Sie, die Klägerin, habe mit ihren M. P. Tees in den Jahren 2010 bis 2014 jährliche Umsätze zwischen EUR 1.261.342,00 und EUR 2.524.461,00 erwirtschaftet.

Die Klägerin meint ferner, die Beklagte zu 1 hafte als Mittäterin für die Markenverletzung, da sie als Inverkehrbringer auf den Teepackungen angegeben sei (Anlage K 7). Darüber hinaus hafte die Beklagte zu 1 aufgrund ihrer lenkenden Rolle als Holdinggesellschaft und aufgrund der Identität der Geschäftsführung für die von der Beklagten zu 2 begangenen Markenverletzungen nach § 14 Abs. 7 MarkenG.

Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, dass die Beklagten sich nicht auf Verwirkung berufen könnten. Es liege keine länger andauernde Benutzung durch die Beklagten vor. Die Benutzung sei auch nicht redlich gewesen. Auch eine Duldung der Klägerin liege nicht vor, da sie erst im Jahr 2014 Kenntnis von dem M. P. Tee der Beklagten erlangt habe. Angesichts der von den Beklagten behaupteten geringen Verkaufszahlen könne auch nicht von einem wertvollen Besitzstand ausgegangen werden.

Die Klägerin hat die Klage zunächst gegen „M. F.“,... R. d. B.- T.,... P. gerichtet, wobei mit Beschluss vom 10.7.2015 das Passivrubrum auf die jetzige Bezeichnung und Adresse der Beklagten zu 1 geändert wurde.

Mit Schriftsatz vom 9.2.2016 hat die Klägerin die Klage auf die Beklagte zu 2 erweitert und beantragt nunmehr,

1. und 2. wie erkannt.

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser durch die unter Ziffer 1. näher beschriebenen Handlungen durch die Beklagte zu 1 ab dem 22.05.2005 und durch die Beklagte zu 2 ab dem 15.02.2006 entstanden sind und zukünftig möglicherweise noch entstehen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten wenden ein, dass Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 mangels Verletzungshandlung ausschieden. Die Angabe auf den Teepackungen beziehe sich nicht auf die Beklagte zu 1, sondern sei lediglich ein Hinweis auf die Marke M. F. und auf das erste M. F. Warenhaus. Eine Zurechnung der behaupteten Markenverletzung der Beklagten zu 2 nach § 14 Abs. 7 MarkenG könne nicht erfolgen. Denn Haupttätigkeit der Beklagten zu 1 sei das Management und die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften als Holding. Für den Produktvertrieb und die damit zusammenhängenden Aufgaben sei die Beklagte zu 1 nicht verantwortlich. Die „lenkende Rolle“ gegenüber ihren verschiedenen Tochtergesellschaften beschränke sich selbstverständlich auf die strategischen Entscheidungen für die internationale Entwicklung der Unternehmensgruppe. Die Verantwortungsbereiche der Beklagten zu 1 und zu 2 seien demnach grundverschieden, so dass auch die Entscheidung „M. Dekor II“ des BGH nicht einschlägig sei.

Die Beklagten erheben ferner die Einrede der Nichtbenutzung der Klagemarke.

Darüber hinaus wenden die Beklagten ein, dass die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB verwirkt seien. Sie behaupten, die Beklagte zu 2 habe ihren eigenen M. P. Tee seit 1996 in Deutschland vertrieben. Seit Ende der 90er Jahre habe die M. F. Gruppe mit den streitgegenständlichen Teeprodukten in Deutschland einen Gesamtumsatz von rund EUR 300.000,00 erwirtschaftet. Der M. P. Tee der Beklagten genieße besonders im Luxussegment ein hohes Ansehen und werde in Lifestyle Magazinen wie „Elle“ und „Vogue“ als besonders hochwertig angepriesen. Auch in Internetforen werde der Tee erwähnt. Daraus resultierten ein besonders guter Ruf und eine gewisse Bekanntheit. Aufgrund der rund 20-jährigen Präsenz des M. P. Tees in Deutschland habe die M. F. Gruppe einen wertvollen Besitzstand an der Kennzeichnung erworben. Der Besitzstand ergebe sich auch aus der Gestaltung der Teedose. Die Kammer habe im Verfahren 312 O 34/15 festgestellt, dass die Teedose über einen hohen Bekanntheitsgrad verfüge. In Deutschland würden 26 % der M. P. Teeprodukte der Beklagten in derartigen Teedosen verkauft.

Dieser Besitzstand sei auch im Hinblick auf einen Vertrauenstatbestand geschaffen worden, welcher sich bei den Beklagten infolge der jahrelangen Untätigkeit der Klägerin gebildet habe. Es sei unglaubwürdig, dass die Klägerin erst im Jahre 2014 Kenntnis von der streitgegenständlichen Verwendung der Marke M. P. durch die Beklagten erlangt habe. Aufgrund der Größe und Präsenz der Beklagten auf dem deutschen und europäischen Teemarkt könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin die Zeichennutzung entgangen sei. Auch sei der klägerische M. P. Tee den Beklagten bis zur Abmahnung im Jahr 2014 nicht bekannt gewesen.

Außerdem erheben die Beklagen die Einrede der Verjährung bezüglich der geltend gemachten Annexansprüche.

Die Kammer hat am 23.1.2018 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin M..

Die Klage ist der „M. F.“ am 22.5.2015 zugestellt worden; die Zustellung der Klageerweiterung an die Beklagte zu 2 erfolgte am 15.2.2016.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 23.2.2016 und 23.1.2018 Bezug genommen.

Das Gericht hat im Einverständnis mit den Parteien mit Beschluss vom 12.9.2018 das schriftliche Verfahren angeordnet. Beide Parteien hatten noch Gelegenheit, bis zum 24.10.2018 Schriftsätze einzureichen.

Gründe

Die Klage hat zum weit überwiegenden Teil Erfolg.

I.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gegen die Beklagte zu 2 zu.

1.

Die Klägerin kann von der Beklagten zu 2 Unterlassung der Verwendung der Klagemarke „M. P.“ nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG verlangen.

a)

Die Beklagte zu 2 hat durch den Verkauf von Tee mit der Bezeichnung „M. P.“ ein mit der Klagemarke identisches Zeichen für identische Waren verwendet, so dass die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG gegeben sind.

b)

Die von den Beklagten erhobene Einrede der Nichtbenutzung hat keinen Erfolg.

Maßgeblich ist hier gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 MarkenG, ob die Klägerin die Klagemarke für Tee innerhalb der fünf Jahre vor Zustellung der Klage an die Beklagte zu 2 am 15.2.2016 im Sinne des § 26 MarkenG benutzt hat. Dabei muss die Benutzung nicht ständig während der maßgeblichen fünf Jahre erfolgen, sondern lediglich - in Wechselwirkung mit dem Umfang der Benutzung - die Annahme einer wirtschaftlich sinnvollen und nicht nur aus Gründen des Rechtserhalts erfolgten Verwendung der Marke rechtfertigen (BGH GRUR 2008, 616 Rn. 23 - AKZENTA).

Aufgrund der Beweisaufnahme ist die Kammer gemäß § 286 ZPO davon überzeugt, dass eine solche Benutzung erfolgt ist. Die Zeugin M. hat glaubhaft geschildert, dass in den Jahren 2010 bis 2014 Tee der Marke „M. P.“ in den aus der Anlage K 4 ersichtlichen Verpackungen an den Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland verkauft wurde. Darüber hinaus hat sie nachvollziehbar erklärt, dass größere Packungen an Gastronomie und Großhandel mit den aus Bl. 180 d.A. ersichtlichen Etiketten verkauft wurden, welche die Kennzeichnung „M. P.“ aufweisen. Auch hat sie erläutert, dass sich aus der Anlage K 9 Verkaufs- und Umsatzzahlen ergeben, wobei sich der Anlage entnehmen lässt, dass die Verkäufe an den Lebensmitteleinzelhandel in den Jahren 2010 bis 2014 zwischen rund 3 Mio. und 6,7 Mio. Packungen betrugen.

c)

Eine Verwirkung gemäß §§ 21 Abs. 4 MarkenG, 242 BGB ist ebenfalls nicht eingetreten.

Rechtsfolge der allgemeinen Verwirkung auf der Grundlage des § 242 BGB ist im Markenrecht allein, dass ein Markeninhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte konkrete, bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen vermag (BGH GRUR 2012, 928 Rn. 23 - Honda-Grauimport). Bei wiederholten gleichartigen Verletzungshandlungen lässt jede Verletzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen. Auch längere Untätigkeit des Markeninhabers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, der Markeninhaber werde auch künftig ein derartiges Verhalten dulden und auch in der Zukunft nicht gegen solche - jeweils neue - Rechtsverletzungen vorgehen (BGH GRUR 2013, 1161 Rn. 21 - Hard Rock Cafe).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte zu 2 fortlaufend Tee mit der streitgegenständlichen Kennzeichnung vertreibt. Infolgedessen kann die Klägerin ihren aus diesen Verletzungshandlungen herrührenden Unterlassungsanspruch nicht verwirkt haben.

2.

Auch die geltend gemachten Annexansprüche sind gegenüber der Beklagten zu 2 gegeben.

a)

Der Auskunftsanspruch folgt aus §§ 19 Abs. 1 MarkenG, 242 BGB.

b)

Der Schadensersatzfeststellungsanspruch folgt aus § 14 Abs. 6 MarkenG. Die Beklagte zu 2 handelte schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO ist anzunehmen, wenn – wie hier – mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden ist, der Kläger aber ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage ist, den Umfang des Schadens abzuschätzen.

c)

Die gegen die Annexansprüche erhobene Verjährungseinrede greift nicht. Eine Verjährung innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 20 S. 1 MarkenG, 195 BGB scheitert daran, dass weder eine Kenntnis der Klägerin von den Verletzungshandlungen noch eine grob fahrlässige Unkenntnis vor 2013 festzustellen ist. Eine Marktbeobachtungspflicht existiert nicht. Somit gilt die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren ab Entstehung gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Dies wurde durch die geänderte Antragsfassung, die auf den Zeitraum von 10 Jahren vor Klagezustellung abstellt, berücksichtigt.

II.

Auch gegen die Beklagte zu 1 bestehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht, wobei auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.

Die Beklagte zu 1 haftet insoweit als Mittäterin, weil sie auf den Teepackungen als Inverkehrbringer angegeben ist. Die Klägerin hat dies mit der Anlage K 7 belegt. Dort ist angegeben:

„M. F. ®... R. D. B.- T.L. M., P. F.“.

Unstreitig hat nur die Beklagte zu 1 unter dieser Anschrift ihren Sitz, nicht jedoch die Beklagte zu 2. Gegenüber dem Verkehr tritt damit allein die Beklagte zu 1 als Inverkehrbringer auf. Daran vermag auch das „®“ hinter „M. F.“ nichts zu ändern, da aufgrund der Adresse ein konkretes Unternehmen und nicht bloß eine Marke bezeichnet ist. Die Beklagte zu 1 hat auch nicht vorgetragen, dass diese Kennzeichnung ohne ihr Wissen und Wollen erfolgt sei. Dies erscheint auch ausgeschlossen angesichts des Umstands, dass die Beklagte zu 1 die Muttergesellschaft der Beklagten zu 2 und seit 2016 auch deren Vorstand (Président) ist (Anlage B 50). Somit ist eine eigene täterschaftliche Haftung der Beklagten zu 1 zu bejahen, so dass es auf die Zurechnung nach § 14 Abs. 7 MarkenG nicht ankommt. Eine gesamtschuldnerische Haftung liegt wegen § 425 Abs. 2 BGB jedoch erst ab dem 15.2.2006 vor, so dass die weitergehende Klage abzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.1, S. 2 ZPO.

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