VG Köln, Beschluss vom 25.11.2020 - 8 L 83/20
Fundstelle
openJur 2021, 4950
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 10 B 1974/20
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag,

die aufschiebende Wirkung der am 17. Dezember 2019 erhobenen Klage 8 K 7355/19 gegen die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 31. Oktober 2019 erteilte Baugenehmigung für das Grundstück Gemarkung I. anzuordnen,

ist im Hinblick auf die gem. § 212a des Baugesetzbuches (BauGB) entfallende aufschiebende Wirkung der Nachbarklage zwar zulässig, aber unbegründet.

Das Gericht ordnet nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung an, wenn das Interesse des Nachbarn, vorerst von der Ausführung des Bauvorhabens verschont zu bleiben, gegenüber dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung überwiegt. Diese Abwägung richtet sich in erster Linie nach den Erfolgsaussichten der Klage gegen die Baugenehmigung. Maßgeblich ist daher, ob sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ergeben. Des Weiteren muss die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung gerade auf der Verletzung von Vorschriften beruhen, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Denn ein Nachbar kann nur eine Verletzung von Vorschriften, die dem Schutz seiner eigenen Interessen dienen, mit Erfolg geltend machen, nicht aber jede mögliche Verletzung einer Baurechtsnorm, weil er durch die Baugenehmigung nur in diesem Fall gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in eigenen Rechten verletzt ist.

Die Interessenabwägung fällt danach zu Lasten der Antragsteller aus. Denn bei summarischer Prüfung bestehen im Hinblick auf solche Vorschriften, die dem Schutz der Interessen des Antragstellers dienen, keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Baugenehmigung.

Bei dieser Prüfung ist insbesondere festzustellen, dass eine Reihe der von den Antragstellern erhobenen Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung im vorliegenden Verfahren bereits deshalb keine Berücksichtigung finden können, weil insoweit jedenfalls keine Verletzung von ihre nachbarlichen Rechte schützenden Vorschriften vorliegt.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Anfang 2020 auf dem Grundstück der Beigeladenen gefällten Bäume. Abgesehen davon, dass insoweit ein Rechtsschutzinteresse am vorliegenden Antrag schon deshalb nicht mehr bestehen dürfte, weil die Beigeladene durch Fällung der Bäume nicht wieder rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen hat, erfolgte diese Fällung aufgrund der Fällungsgenehmigung vom 20.Februar 2018 und nicht aufgrund der angefochtenen Baugenehmigung. Damit konnten die Antragsteller allenfalls einen möglichen Verstoß gegen die nicht drittschützende Baumschutzsatzung der Antragsgegnerin, nicht aber eine Verletzung drittschützender baurechtlicher Vorschriften geltend machen.

Das gilt desweiteren im Hinblick auf den Vortrag, die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ergebe sich aus dem Hinweis zum Genehmigungsbescheid, "die Baugenehmigung erfolge auf der Grundlage des positiven Bauvorbescheides Nr. vom 08.05.2015 (berichtigt 14.12.2015) mit Bezug auf den Bebauungsplan 1 und 1a". Selbst wenn der genannte Vorbescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 14. Dezember 2015 ausschließlich die Änderung der Dachform vom Satteldach zum Staffelgeschoss zum Gegenstand gehabt haben sollte, Größe und Lage des Kubus dagegen Regelungsgegenstand des letztmalig bis zum 25. Oktober 2018 verlängerten Bauvorbescheides Nr. vom 23.Oktober 2013 gewesen sein sollte und die Antragsgegnerin dies bei Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung verkannt haben sollte, ergibt sich daraus noch nicht eine konkrete Verletzung nachbarlicher Rechte der Antragsteller. Unstreitig fanden die Bebauungspläne Nr. 1 und 1a bei Genehmigungserteilung nicht mehr Anwendung, so dass Maßstab der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens § 34 BauGB gewesen wäre, sollte die Antragsgegnerin zu Unrecht eine durch die Vorbescheide vermittelte Bindung an die genannten Bebauungspläne angenommen haben. Die Antragsteller haben aber nicht schlüssig vorgetragen, dass das Vorhaben in diesem Falle gegen ihre durch § 34 BauGB vermittelten nachbarlichen Rechte verstoßen würde. Soweit sie unter Nennung einer GFZ von 0,7 vortragen, das Vorhaben sei zu groß und überdimensioniert geplant worden, ist darauf hinzuweisen, dass ein Nachbar sich nur dann auf einen Verstoß gegen das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgrund des Maßes der baulichen Nutzung berufen kann, wenn er hierdurch zugleich in seinem Anspruch auf Einhaltung des Rücksichtnahmegebots verletzt ist,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 04.09.2018 - 10 B 993/18 -, juris, Rn. 5; VG Köln, Urteil vom 06.02.2020 - 8 K 2727/17 -, n.v., S. 9 und 10 des Umdrucks.

Dass dies vorliegend aufgrund der Größe des Vorhabens gegenüber den Antragstellern der Fall ist, behaupten diese selber nicht und ist angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten, nach denen das Haus der Antragsteller mehr als 20 m vom Vorhabengebäude entfernt ist, auf einem mehr als 10 m höheren Gelände als dieses liegt und die Eigenhöhe des Vorhabengebäudes jedenfalls weniger als 13 m beträgt, so dass die Firsthöhe des Vorhabens gut 13 m unter der des Hauses der Antragsteller liegt, auch nicht erkennbar.

Ob das geplante Gebäude auf andere Nachbargrundstücke eine erdrückende Wirkung ausübt, wie die Antragsteller meinen, spielt für die Frage einer Verletzung ihrer eigenen Rechte ebenfalls keine Rolle. Gleiches gilt für das Fehlen eines Kinderspielplatzes auf dem Vorhabengelände.

Auch die von Antragstellerseite angeführten Mängel in den Bauvorlagen, wie etwa fehlende Einzeichnungen der seitlichen Abstandsflächen des straßenseitigen Balkons sowie von GRZ und GFZ sind als solche nicht geeignet, eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragsteller glaubhaft zu machen. Dass tatsächlich Abstandsflächenverstöße in Bezug auf das Grundstück der Antragsteller bestehen, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.

Der Umstand, dass in den Bauvorlagen Leitungs- und Revisionsschächte für zum Haus der Antragsteller führende Ver- und Entsorgungsleitungen nicht eingezeichnet sind, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Ihre Aufnahme in die Baugenehmigung war nicht erforderlich, da eine Angabe derartiger Ver- und Entsorgungsleitungen und Schächte, die nicht der Erschließung des Vorhabengrundstücks, sondern eines Nachbargrundstücks dienen, in den Bauzeichnungen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 Abs. 1 BauO NRW 2000 bzw. § 64 Abs. 1 BauO NRW 2018 gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. § 4 BauPrüfVO NRW nicht erfolgen muss. Unabhängig davon ist die Nichtaufnahme dieser Leitungen und Schächte in die Baugenehmigung nicht geeignet, die nachbarlichen Rechte der Antragsteller zu beeinträchtigen. Denn die Erschließung ihres Grundstücks durch Ver- und Entsorgungsleitungen ist jedenfalls durch Baulasteintragung vom 24. Oktober 2019 (Sicherung eines Geh-, Fahr- und Leitungsrechts) im Bereich der neben dem Vorhabengebäude geplanten Zufahrtsfläche - im Lageplan grün schraffiert - gesichert. Eine Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ergibt sich auch nicht aufgrund einer möglichen Bedeutung derartiger Leitungs- und Revisionsschächte für die Statik des geplanten Hauses. Auch die Statik eines Vorhabens ist nicht Gegenstand einer im vereinfachten Verfahren erteilten Baugenehmigung. Der Nachweis für die Standsicherheit ist gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW 2000 bzw. § 68 Abs. 1 Nr. 2 BauO NRW 2018 vielmehr erst bei Baubeginn bei der Bauaufsichtsbehörde einzureichen,

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.05.2016 - 7 B 1023/15 -, juris, Rn. 12; VG Köln, Beschluss vom 11.02.2015 - 2 L 332/15 -, juris, Rn. 8.

Nicht in ihren Nachbarrechten beeinträchtigt sind die Antragsteller im Hinblick auf die geplante Anzahl von 8 Tiefgaragenplätzen, die nach ihrer Auffassung nicht ausreichen. Auf einen bloßen objektiven Verstoß gegen die Verpflichtung, ausreichend Stellplätze zur Verfügung zu stellen, können die Antragsteller sich nicht berufen, weil die Bestimmungen über die Stellplatzpflicht keinen drittschützenden Charakter haben, sondern allein verhindern sollen, dass der öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus durch das Abstellen von Fahrzeugen belastet und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.10.2019 - 2 B 1395/18 -, juris, Rn. 12 m.w.N.; Beschluss vom 10.07.1998 - 11 A 7238/95 -, juris, Rn. 8 m.w.N.

Dass sie durch den behaupteten Stellplatzmangel in eigenen nachbarlichen Rechten betroffen wären, haben sie nicht substantiiert vorgetragen. Zwar kann sich der Mangel an Stellplätzen eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und Parksuchverkehr betroffenen Wohngrundstücken im Einzelfall im bauplanungsrechtlichen Sinne als rücksichtslos erweisen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.07.1998, aaO, Rn. 28; Beschluss vom 01.10.2019, aaO, Rn. 17 m.w.N.

Die Antragsteller tragen jedoch selber vor, sie gingen nach wie vor davon aus, dass sie im Falle des Fortbestandes der erteilten Baugenehmigung und des Baus des Mehrfamilienhauses drei Stellplätze anmieten dürften und auch anmieten werden. In diesem Fall stünden den Antragstellern genügend Parkplätze in der Tiefgarage zur Verfügung, so dass sie auf eine anderweitige Parkplatzsuche nicht angewiesen sind. Eine zusätzliche Beeinträchtigung ihres Grundstücks allein durch parkenden Verkehr und Parksuchverkehr erscheint bereits aufgrund der rückversetzten und erhöhten Lage ihres Grundstücks ausgeschlossen.

Auch der Umstand, dass der nördliche Balkon des 1. Obergeschosses des Vorhabens in die Baulastfläche hineinragt, die von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen zur Sicherung eines Geh-, Fahr- und Leitungsrechts der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Antragsteller (Flurstück ) eingeräumt wurde, beeinträchtigt die nachbarlichen Rechte der Antragsteller nicht. Ungeachtet der Frage, ob sich die Antragsteller hierauf berufen könnten,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.03.2011 - 2 A 157/10 -, juris, Rn. 11 m.w.N.,

verstößt der Balkon nicht gegen die eingeräumte Baulast. Inhalt der Baulast ist nach der unter dem 17. Juli 2019 formulierten Verpflichtungserklärung ein Nutzungsrecht nach § 4 Abs. 1 BauO NRW (a.F.) in Form eines Geh-, Fahr - und Leitungsrechts, wobei die Zufahrtsbreite auf der belasteten Fläche mindestens 3 m beträgt und von Aufbauten und Anlagen freizuhalten ist, welche die Nutzung einschränken. Der Balkon schränkt diese Nutzung ersichtlich nicht ein, denn er ragt lediglich ca. 40 cm in die Baulastfläche hinein und seine Unterkante hält an der höchsten Stelle der - ansteigenden - Baulastfläche noch einen Höhenabstand von 3,80 m ein. Der Balkon verstößt auch nicht in nachbarschützender Weise gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften über zu schaffende Zufahrtsmöglichkeiten für die Feuerwehr. Zum einen hat die Vorschrift des § 5 BauO NRW, auf die sich die Antragsteller berufen, keine nachbarschützende Wirkung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.01.2015 - 2 B 1386/14 -, juris, Rn. 15.

Zum anderen sind gemäß § 5 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauO NRW 2000 Zu- und Durchfahrten für die Feuerwehr lediglich mit einer lichten Höhe von mindestens 3,50 m zu schaffen. Nach oben offen müssen lediglich befahrbare Flächen nach § 5 Abs. 5 BauO NRW 2000 sein (vgl. § 5 Abs. 6 Satz 3 BauO NRW 2000), um die es hier nicht geht.

Die Antragsteller haben schließlich auch nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verwirklichung des genehmigten Bauprojekts aufgrund eines Architektenfehlers zu einer Unbewohnbarkeit ihres Hauses führen würde. Die Antragsteller tragen hierzu im Wesentlichen vor, die genehmigte Tieferlegung des geplanten Mehrfamilienhauses um 0,72 m auf 70,52 NHN (Normalhöhennull) führe zu einer Unbenutzbarkeit des bestehenden Eingangstraktes zu dem zu ihrem Haus führenden Schrägaufzug sowie der bestehenden Außentreppe zu ihrem Haus. Ein Umbau durch Tieferlegung dieser Anlagen sei nicht möglich, da dies zu einem Hangsturz in dem steil ansteigenden Gelände führen werde. Träfen diese Angaben zu, könnten die Antragsteller sich möglicherweise darauf berufen, da eine dauerhafte Unterbindung der Erreichbarkeit ihres Hauses aufgrund Verwirklichung einer Baugenehmigung sie jedenfalls in ihren nachbarlichen Rechten beeinträchtigen würde. Das Herbeiführen der Gefahr eines Hangsturzes könnte zudem einen Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2000 bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018 darstellen, wonach durch Baumaßnahmen die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden dürfen. Auch § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW (2000 und 2018) könnte in den Blick zu nehmen sein. Betroffene Nachbarn können sich gegenüber der Baugenehmigungsbehörde grundsätzlich auf diese Vorschriften berufen, denn sie dienen auch ihrem Interesse an dem Erhalt von Sachwerten und der Vermeidung von Personenschäden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.01.2005 - 10 B 2827/04 -, juris, Rn. 4 m.w.N.; Urteil vom 09.06.2011 - 7 A 1494/09 -, juris, Rn. 54 ff m.w.N.

Allerdings ist auch insoweit zu beachten, dass nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein maßgeblich ist, ob der hier angegriffene Verwaltungsakt Rechte der Antragsteller verletzt. Fragen der Bauausführung sind dagegen nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.06.2011, aaO, Rn. 52.

Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:

Der (bloße) Inhalt der angefochtenen Baugenehmigung führt nicht aus den von den Antragstellern genannten Gründen zu einer Verletzung ihrer nachbarlichen Rechte. Nach dem mit der angefochtenen Verfügung genehmigten Grundriss des Erdgeschosses des projektierten Mehrfamilienhauses ist geplant, auch das Bodenniveau innerhalb des Hauseingangstraktes der Antragsteller von 71,24 m NHN auf das im Vorraum der Aufzugsanlage bestehende Niveau von 70,70 m NHN abzusenken und im Zuge dieser Maßnahme die bisher in den Vorraum herabführenden drei Treppenstufen zu beseitigen bzw. abzubrechen. Bei Realisierung dieser - von der Beigeladenenseite im vorliegenden Verfahren bestätigten - Planung müsste lediglich noch ein Höhenunterschied von 18 cm zum nunmehr geplanten Bodenniveau des Erdgeschosses des Vorhabens von 70,52 NHN überbrückt werden, was durch eine Treppenstufe oder einen leichten Anstieg des Fußbodens im verbleibenden Hauseingangstrakt ohne weiteres umsetzbar wäre. Die zum Haus der Antragsteller führende Außentreppe soll nach der genehmigten Planung der Beigeladenen in ihrem unteren Bereich abgerissen und bis auf das Niveau von 70,52 m NHN hinunter neu errichtet werden. Die Planung als solche würde somit ersichtlich nicht zu einer Unbewohnbarkeit des Hauses der Antragsteller wegen Nichterreichbarkeit führen. Ob diese Planung mit bestehenden privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen Antragstellern und der Beigeladenen - etwa bestehenden Grunddienstbarkeiten oder kaufvertraglichen Regelungen - übereinstimmt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung ohne Relevanz, denn eine Baugenehmigung wird unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt, vgl. § 75 Abs. 3 BauO NRW 2000.

Auf die Gefahr eines durch die geplante Absenkung des Hauseingangstraktes verursachten Hangsturzes und eine sich hieraus evtl. ergebende Gefährdung der Standsicherheit und Tragfähigkeit ihres eigenen Grundstücks i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2000 bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018 oder der in § 3 Abs. 1 BauO NRW geschützten Rechte können sich die Antragsteller nicht berufen. Die im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung trifft insoweit nämlich keine Regelung. Gemäß § 68 Abs. 1 S. 4 BauO NRW 2000 bzw. § 64 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 prüft die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten/einfachen Baugenehmigungsverfahren nur die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den in den Nr. 1 - 4 bzw. 1 - 5 aufgeführten Vorschriften. Die §§ 3 und 15 BauO NRW 2000 bzw. §§ 3 und 12 BauO NRW 2018 zählen nicht hierzu. Bestätigt wird dies u.a. durch die bereits erwähnte Regelung, dass ein Standsicherheitsnachweis nicht zu den bautechnischen Nachweisen gehört, die für die Erteilung der Baugenehmigung benötigt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.06.2011, aaO, Rn. 58.

Hinsichtlich der nicht geprüften Vorschriften ist der Bauherr durch die Baugenehmigung somit regelmäßig nicht in seinen Rechten betroffen. Wird ein Vorhaben unter Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften verwirklicht, ist er gehalten, einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten geltend zu machen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.06.2011, aaO, Rn. 60.

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen kommt allenfalls in Betracht, wenn bei Ausnutzung der Baugenehmigung offensichtlich gegen nicht prüfpflichtige nachbarschützende Vorschriften verstoßen würde und die Bauaufsichtsbehörde die Baurechtsverletzung sofort mit einer Stillegungsverfügung, einem Nutzungsverbot oder einer Beseitigungsverfügung repressiv unterbinden müsste. In derartigen Fällen, insbesondere bei Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter, kann die Bauaufsicht auch im Interesse des Nachbarn gehalten sein, bereits die Erteilung der Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen eine nicht in § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW 2000 aufgeführte Vorschrift abzulehnen,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.06.2011, aaO, Rn. 62.

Ein solch offensichtlicher Verstoß gegen die ggfls. Drittschutz vermittelnden Vorschriften der §§ 3 und 15 BauO NRW 2000 bzw. §§ 3 und 12 BauO NRW 2018 ist hier nicht ersichtlich. Die Antragsteller haben einen solchen auch nicht im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht. Die von ihnen vorgelegten bzw. zitierten Unterlagen aus dem Jahre 1983 stellen keinen schlüssigen Beleg für ihre Behauptung dar, eine Verwirklichung des Projekts werde unvermeidbar zu einem Hangsturz führen, der ihr Haus unbewohnbar machen würde. Der beigefügte Zeitungsartikel betraf den Nachbarhügel und nicht den Hügel, auf dem die Antragsteller ihr Haus haben, und beinhaltete zudem den ausdrücklichen Hinweis, dass die angesprochenen Erdbewegungen keine Bedrohung der Bausubstanz des dortigen Hauses bedeuteten. Sich an die Empfehlung des von ihnen zitierten Baugrunduntersuchungsgutachtens von 1983, die Gründungssohlen der talseitigen Stützmauern bis auf 2,50 m unter OK Gelände niederzubringen, zu halten, haben die Antragsteller selber nicht für erforderlich gehalten, tragen sie doch vor, die Stützwände gegen den steil ansteigenden Hang ohne eigenen Fuß auf den Hauseingangs- bzw. Garagenboden aufbetoniert zu haben. Soweit sie betonen, gerade deshalb müssten die seitlichen Wände des Hauszugangstraktes zur Stützung der hinteren, den Hang stabilisierenden Wände erhalten bleiben, ist darauf hinzuweisen, dass diese Seitenwände nach den genehmigten Plänen der Beigeladenen erhalten werden sollen. Darüber hinaus hat die Beigeladene auch ausdrücklich vorgetragen, die hintere Stützwand bleibe erhalten und werde ausgesteift, um die Standsicherheit zu erhöhen. Zudem werde ein - statisch berechneter und entsprechend dimensionierter - Verbau erstellt, um Flur und Aufzug zu schützen, und es seien zwei Baugrundgutachten angefertigt worden, die bei der Ausführungsplanung Berücksichtigung fänden. Die Antragsteller sind diesen Darlegungen nicht substantiiert entgegengetreten, das Gericht hat keinen Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Aus diesem Grund kann zum gegenwärtigen maßgeblichen Zeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass eine Realisierung der angefochtenen Baugenehmigung offensichtlich und unvermeidbar zu dem von den Antragstellern befürchteten Hangsturz und damit zu einer Verletzung ihrer baurechtlich geschützten Nachbarrechte führen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Antragstellern nicht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keinen Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.

Der Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Ziffer 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i. V. m. Ziffer 7 des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW (veröffentlicht in BauR 2019, 610). Der sich hiernach ergebende Betrag von 10.000,00 Euro war angesichts des vorläufigen Charakters einer Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

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