LG Kiel, Urteil vom 02.04.2020 - 13 O 220/19
Fundstelle
openJur 2021, 4872
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Beklagten als Herstellerin eines Kraftfahrzeugs das vom sogenannten Abgasskandal betroffen sein soll.

Der Kläger erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug Typ Porsche Macan S Diesel Euro 6 am 25.03.2014 zu einem Kaufpreis von 66.872,85 €. In dem Fahrzeug ist ein von der A-AG entwickelter und hergestellter Dieselmotor verbaut. Hintergrund ist, dass die Beklagte selbst zum Zeitpunkt der Herstellung dieses Fahrzeugs keine eigenen Dieselmotoren entwickelte. Am 02.11.2018 wurde ein Rückruf des Kraftfahrbundesamtes veröffentlicht. Betroffen waren Fahrzeuge vom Typ Porsche Macan Baujahr 2013 bis 2017. Der Rückruf diente der Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Kontrollsystems. Mit Schreiben vom 28.12.2018 teilte P-GmbH mit, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufgrund einer angeordneten Rückrufaktion ein Software-Update am Motorsteuergerät vorgenommen werden müsse und gab als Begründung an, dass es Unregelmäßigkeiten in der Motorsteuerungssoftware hinsichtlich der Funktionsweise des SCR-Katalysators gebe. Der Kläger lies das Software-Update durchführen.

Der Kläger behauptet, in dem Fahrzeug sei eine Motorsteuergeräte-Software verbaut, welche die Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstandlauf im Neuen Europäischen Fahrzyklus und realen Fahrbetrieb verschlechtere. Die Software erkenne, ob das Fahrzeug ein Testzyklus oder auf einer Straße betrieben werde. Bei Erkennung des Testzyklus ändere sie durch Auslösen einer Wärmestrategie die Abgasreinigung, um Emissionen in Übereinstimmung mit den geltenden Normen zu bringen. Das Fahrzeug verfüge damit nicht über die Voraussetzungen der Typengenehmigung und habe einen erheblich höheren Schadstoffausstoß als von der Beklagten angegeben. Bei Kenntnis dieser Software hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Das durchgeführte Software-Update könne diesen Fehler nicht in Gänze beheben. Die Vorstandsmitglieder der Beklagten hätten auch Kenntnis von der genauen Funktionsweise Software gehabt. Zumal es sich bei der Herstellerin um eine Schwestergesellschaft handele.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 66.872,85 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit 01.12.2014 bis zur Rechtshängigkeit der Klage nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Porsche Macan S Diesel Euro 6, Fahrzeug-ID-Nummer: ........., zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die A-AG sei mit der Entwicklung eines Dieselmotors beauftragt worden, welcher die Euro 6 Norm erfülle. Dies habe auch die Entwicklung des Motorsteuerungsgeräts, der Motorsteuerungssoftware und des Abgasnachbehandlungssystems umfasst. Überdies sei auch die sogenannte Vernetzung der Antriebseinheit mit dem Fahrzeug sei geschuldet gewesen. Dies umfasse die Einstellung des Motors sowie Bedatung und Abstimmung der Software auf das entsprechende Fahrzeug. Die Beklagte habe zwar eigene Tests durchgeführt, hierbei seien jedoch keine Auffälligkeiten zu Tage getreten. Es seien jedoch primär die Fahreigenschaften geprüft worden. Die Beklagte selbst habe im Übrigen keinen Zugriff auf die verschlüsselte Motorsteuerungssoftware gehabt. Ihr sei von der Herstellerin mehrfach, noch bis ins Jahr 2017 hinein, bestätigt worden, dass der Motor sämtlichen gesetzlichen Vorgaben entspreche. Darüber hinaus sei jedenfalls aufgrund des Software-Updates jeglicher Gesetzesverstoß beseitigt. Dies habe das Kraftfahrtbundesamt bestätigt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB nicht vor.

Dabei kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist bzw. der Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung in objektiver Hinsicht erfüllt ist. Es fehlt jedenfalls an der Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes. Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegen eine juristische Person setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt hat. Der erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urteil v. 28.06.2016, AZ. VI ZR 536/15). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der nach allgemeinen Grundsätzen für diese anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten Kenntnis von der von ihm behaupteten Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware gehabt haben. Zwar greifen zu seinen Gunsten die Grundsätze der sekundären Darlegungslast, da er selbst keine Kenntnisse hinsichtlich des Kenntnisstandes von einzelnen Vertretern der Beklagten haben kann, während die Beklagte nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hat und nähere Angaben ihr auch zumutbar waren. Die Beklagte ist dem jedoch hinreichend nachgekommen, indem sie vorgetragen hat, bei der A-AG die Entwicklung des Motors in Auftrag gegeben zu haben, wobei dieser die Euro-6-Normen erfüllen sollte. Darüber hinaus habe die A-AG auch die dazugehörige Software entwickelt. Die A-AG habe ihr gegenüber bis ins Jahr 2017 hinein behauptet, der Motor sei in jeder Hinsicht gesetzeskonform. Die 1. Note of Violation der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde sei am 18.09.2015 und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt ergangen. Eigene Prüfungen waren im Wesentlichen auf die Fahreigenschaften gerichtet.

Damit obliegt es dem Kläger, das Vorbringen der Beklagten zu widerlegen und den ihm obliegenden Beweis des vorsätzlichen Handelns zu führen. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen. Er hat insoweit lediglich die Absprachen zwischen der Beklagten und der A-AG mit Nichtwissen bestritten und vorgetragen, es sei davon auszugehen, dass ein Fahrzeughersteller, der den Motor eines anderen Herstellers wendet, sich Kenntnis von deren Funktion im Einzelnen verschaffe. Die Beklagte habe jedenfalls bei von ihr durchgeführten Tests die von ihm behauptete unzulässige Abschalteinrichtung bemerkt. Diese pauschalen Behauptungen sind jedoch nicht geeignet, den Schluss auf ein vorsätzliches Handeln zu tragen, da schon nicht klar wird, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise die Beklagte Kenntnis erlangt haben soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte keinen konkreten Anlass gehabt hat, an den Angaben der A-AG zu zweifeln. Es liegt keinesfalls auf der Hand, dass die Beklagte bzw. ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter über sämtliche Funktionen der Motorsteuerungssoftware im Detail unterrichtet war. Insbesondere, da im Jahre 2014 noch keine Anhaltspunkte für unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden waren.

Aus den gleichen Gründen scheidet auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB aus.

Mangels Ersatzanspruch besteht auch kein Zinsanspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.

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