VG Halle, Beschluss vom 04.01.2021 - 1 B 506/20
Fundstelle
openJur 2021, 4730
  • Rkr:
Gründe

Der am 28. Dezember 2020 wörtlich gestellte Antrag der Antragstellerin,

im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass es ihr erlaubt ist, ihre Verkaufsstelle in A-Stadt gemäß § 7 Abs. 3 der 9. Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt (Neunte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 9. SARS-CoV-2-EindV) vom 15. Dezember 2020 unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregelungen zu öffnen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin ist gemäß §§ 122, 88 VwGO anhand des erkennbaren Rechtsschutzziels und in ihrem wohlverstandenen Interesse in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines noch zu erhebenden Widerspruchs gegen das spätestens am 21. Dezember 2020 vom Antragsgegner ausgesprochene Öffnungsverbot für die in seinem Gebiet betriebenen Filialen der Antragstellerin umzudeuten. Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorrangig, wenn es um vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich eines sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes geht. Das ist hier der Fall. Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin am 21. Dezember 2020 in einer ausführlich begründeten E-Mail mit dem Betreff "Schließung der M-Filialen im Landkreis Saalekreis" mit, dass er unter Berücksichtigung der unter dem 21. Dezember 2020 vorgetragenen Rechtsposition bei seiner dargelegten Rechtsauffassung bleibe und die Märkte in Merseburg [2], A-Stadt [1] und Querfurt [1] weiter geschlossen zu halten seien. Abschließend wies der Antragsgegner darauf hin, dass die Öffnung eines Gewerbebetriebes entgegen § 7 Abs. 1 bis 3 der 9. SARS-CoV-2-EindV gemäß § 14 Abs. 1 Ziff. 17 der 9. SARS-CoV-2-EindV eine Ordnungswidrigkeit darstelle. Mit dieser E-Mail hat der Antragsgegner der Sache nach einen Verwaltungsakt gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 35 Satz 1 VwVfG erlassen, der mit Widerspruch (§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) angreifbar ist. Im Vorfeld der E-Mail hatte der Antragsgegner anhand der Sortimentslisten geprüft, ob die in seinem Gebiet betroffenen Filialen der Antragstellerin ausnahmsweise gemäß § 7 Abs. 3 der 9. SARS-CoV-2-EindV öffnen dürfen. Im Ergebnis der Prüfung hat er sodann - bei Zugrundelegung der Sichtweise eines objektiven Empfängers - gegenüber der Antragstellerin in Anwendung von § 7 der 9. SARS-CoV-2-EindV einzelfallbezogen ein (ordnungs-)behördliches Öffnungsverbot für die in seinem Gebiet betriebenen vier Filialen, einschließlich der hier streitigen Filiale in A-Stadt, ausgesprochen. Ob der Antragsgegner hiermit möglicherweise nur auf die Rechtslage hinweisen wollte, ist nicht entscheidend. Auf den Willen des Antragsgegners kommt es für die Annahme eines Verwaltungsaktes nicht an (vgl. VG Minden, Beschluss vom 2. April 2020 - 7 L 272/20 - juris, Rn. 10; VG Magdeburg, Beschluss vom 9. April 2020 - 1 B 149/20 - juris, Rn. 5; VG Halle, Beschluss vom 11. November 2020 - 1 B 428/20 HAL). Die Möglichkeit der Umdeutung eines gestellten Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO in einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist allgemein anerkannt (Kopp / Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 21 und § 123 Rn. 4; Schoch / Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 80 Rn. 458 und § 123 Rn. 104 ff. - beck-online; jeweils m. w. N.).

Der Antrag ist auch zulässig, ohne dass die Antragstellerin bereits Widerspruch erhoben hat (Kopp / Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 139). Eine solche Widerspruchseinlegung kann von der Antragstellerin noch nachgeholt werden, da die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist. Sie beträgt vorliegend mangels Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr. Der Widerspruch hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 28 Abs. 1 und 3, § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung.

Der so verstandene Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist unbegründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unter Abwägung aller Umstände zu prüfen, ob das Interesse des Antragstellers am einstweiligen Nichtvollzug, Suspendierungsinteresse, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig ist. Bei der - wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 28 Abs. 1 und 3, § 16 Abs. 8 IfSG - kraft Gesetzes entfallenden aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage ist einem Aussetzungsantrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO stattzugeben, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstlichen Zweifeln begegnet oder dessen Vollziehung eine nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen.

In Anwendung dieses Maßstabs überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Öffnungsverbots das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Das Verbot, die Filiale in A-Stadt öffnen zu dürfen, erweist sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung voraussichtlich als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden. Geschäftsschließungen kommen grundsätzlich als "Schutzmaßnahme" i. S. v. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Betracht (vgl. VG Dresden, Beschluss vom 9. April 2020 - 6 L 258/20 - juris, Rn. 9).

Der Antragsgegner ist gemäß § 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz (ZustVO IfSG) vom 1. März 2017 (GVBl. LSA 2017, 37) und den §§ 4 Abs. 1, 19 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen-Anhalt (Gesundheitsdienstgesetz - GDG LSA) vom 21. November 1997 (GVBl. LSA 1997, 1023) in der zurzeit gültigen Fassung sachlich zuständig für Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung auf Menschen übertragbarer Krankheiten.

Der Antragsgegner kann seine Verfügung vorliegend auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i. V. m. § 7 Abs. 1 und 3 Satz 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV stützen. § 7 Abs. 1 der SARS-CoV-2-EindV untersagt die Öffnung von Ladengeschäften jeder Art. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 sind von der Schließungsverfügung nach Absatz 1 ausgenommen der Einzelhandel für Lebensmittel, die Wochenmärkte für Lebensmittel, Direktvermarkter von Lebensmitteln, der Vertrieb von Lebensmitteln im Reisegewerbe, der Online-Handel, die Abhol- und Lieferdienste, die Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, die Apotheken, die Sanitätshäuser, die Drogerien, die Optiker, die Hörgeräteakustiker, die Tankstellen, die Kfz-Werkstätten, Kfz-Teileverkaufsstellen, die Fahrradwerkstätten, die Fahrradläden, die Banken und Sparkassen, die Poststellen, die Reinigungen, die Waschsalons, der Zeitungs- und Zeitschriftenverkauf, die Buchläden, die Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, der Weihnachtsbaumverkauf und der Großhandel, wenn die betroffene Einrichtung die allgemeinen Hygieneregeln und Zugangsbegrenzungen nach § 1 Abs. 1 sicherstellt. Für den Fall, dass ein Ladengeschäft Mischsortimente anbietet, regelt § 7 Abs. 3 Satz 1 der 9. SARS-CoV-2-EindV, dass Sortimentsteile, deren Verkauf nicht nach Absatz 2 gestattet ist, verkauft werden dürfen, wenn der zugelassene Sortimentsteil überwiegt; die betreffenden Verkaufsstellen dürfen dann alle Sortimente vertreiben, die sie gewöhnlich auch verkaufen. Wenn bei einer Verkaufsstelle der nicht zugelassene Teil des Sortiments überwiegt, gilt die Schließungsanordnung nach Absatz 1 für die gesamte Verkaufsstelle (§ 7 Abs. 3 Satz 2 SARS-CoV-2-EindV). Der Verordnungsgeber führt in der Begründung zu § 7 Abs. 2 und 3 der 9. SARS-CoV-2-EindV aus:

"(2) Unter Abwägung der Sicherstellung der Versorgung einerseits und der bestehenden Infektionsrisiken andererseits werden Bereiche genannt, für die keine Schließung angeordnet ist. Dies betrifft [...]. Die in § 7 Abs. 2 genannten Ladengeschäfte erfüllen einen wichtigen Versorgungsauftrag und sind daher weiter zulässig. [...]

(3) Bei Ladengeschäften, die ein Mischsortiment führen, ist eine Öffnung zulässig, soweit das nach Absatz 2 zugelassene Sortiment überwiegt, mithin mehr als 50 Prozent ausmacht. Maßgeblich kommt es bei der Beurteilung des Schwerpunkts auf den Anteil des zulässigen Warensortiments an, den das Ladengeschäft anbietet. Bei der Betrachtung ist das üblicherweise vertriebene Sortiment heranzuziehen. Ein Modegeschäft, das nur einen kleinen Zeitschriftenstand hat, oder ein Elektronikmarkt, der auch Kaffee verkauft, dürfen damit nicht öffnen. Ein Drogeriemarkt, der neben Hygieneartikeln auch Haushalts- oder Spielwaren verkauft, dagegen schon. Ein 1-Euro-Shop, der nur in geringem Umfang Hygieneartikel, Drogeriebedarf oder Lebensmittel neben dem üblichen Sortiment anbietet, darf nicht öffnen. [...]"

(Begründung zur 9. SARS-CoV-2-EindV, S. 29, abrufbar unter: https://coronavirus.sachsen-anhalt.de/amtliche-informationen/)

Weder dem Wortlaut der Verordnung noch der Begründung können hinreichende Anhaltspunkte dafür entnommen werden, nach welchen konkreten Kriterien zu beurteilen ist, ob bei Mischsortimenten der zugelassene Teil des Sortiments mehr als 50 % des Gesamtsortimentes ausmacht. Hierfür sind verschiedene Bemessungskriterien denkbar. So kann z. B. auf die Verkaufs- oder Regalfläche, das Produktvolumen oder den mit den Produkten jeweils erzielten Umsatz oder eine Kombination verschiedener Bemessungskriterien abgestellt werden (VG Magdeburg, Beschluss vom 9. April 2020 - 1 B 149/20 - juris, Rn. 11). Aus diesem Grund hat das Gericht den Vortrag der Antragstellerin in einer Gesamtschau gewürdigt (vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom 27. April 2020 - 3 K 1422/20 - juris, Rn. 42) und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Filiale der Antragstellerin in A-Stadt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV geschlossen zu halten ist. Denn die insoweit darlegungspflichtige Antragstellerin hat nicht schlüssig dargetan, dass der nach § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV zugelassene Sortimentsteil, insbesondere Drogerieartikel, Lebensmittel und Tierbedarf, den unzulässigen Sortimentsteil überwiegt. Die als Anlage 1 vorgelegte Warenbestandsliste vom 24. Dezember 2020 ist zum Nachweis dessen nicht geeignet. Zwar sollen danach Drogeriewaren einen Anteil von 40,14 %, Lebensmittel (inkl. Getränke und Genussmittel) einen Anteil von 9,4 % und Tierbedarf einen Anteil von 3,31 % am gesamten Verkaufssortiment ausmachen. Diese drei, dem Wortlaut von § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV nach zugelassenen Sortimentsteile hätten somit einen Anteil von 52,85 % am Gesamtsortiment der Filiale in A-Stadt. Die übrigen Waren (47,15 %) sollen auf die zusammengefasste Kategorie "Dekoration, Heimwerker-Bedarf, Textilartikel, Party- / Papeterie-Artikel, Spielwaren, Schreibwaren" entfallen. Die beschließende Kammer hat allerdings Zweifel an der Richtigkeit dieser Berechnung, weil nach summarischer Prüfung die Zuordnung verschiedener Produkte zu den genannten Kategorien im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fehlerhaft erfolgt sein dürfte, jedenfalls aber in wesentlichen Punkten widersprüchlich ist. So geht die Antragstellerin nach der Gesamtübersicht auf Seite 1 der Warenbestandsliste einerseits selbst davon aus, dass Schreibwaren und Papeterie-Artikel zu der übergeordneten Produktkategorie "Dekoration, Heimwerker-Bedarf, Textilartikel, Party- / Papeterie-Artikel, Spielwaren, Schreibwaren" gehören, erfasst in der Einzelauflistung der Artikel aber andererseits als Drogeriewaren (z. B. Notizbücher / -blöcke S. 6 f.; Hefte S. 8; Lineale / Zirkel / Geom. S. 9 f.; Bürokleinteile S. 10; Radierer, Bleistifte, Schulbedarf divers, Schreib- & Schulsets S. 14; Korrekturmittel und Kugelschreiber S. 15; Spitzer S. 16 usw.). Zudem werden Artikel derselben Produktgruppe teilweise unter "Drogeriewaren" und "Dekoration, Heimwerker-Bedarf, Textilartikel, Party- / Papeterie-Artikel, Spielwaren, Schreibwaren" gleichzeitig gelistet, z. B. werden Teelichter (S. 4, 7, 11 f., 26, 39) und Servietten (S. 11, 26, 28). "Geschenkbeutel", "Küchenhelfer", "Malbedarf" (u. a. Mischpalette, Pinsel und Farbkästen) und "Einweggeschirr" als Drogeriewaren (S. 2; 5 f.; 28; 32 f.) erfasst; "Geschenkpapier", "Küchentextilien" wie Topflappen, Ofenhandschuhe und Geschirrtücher, "Mikrowellengeschirr" und "Künstlerbedarf" wie Acrylfarbe, Malkarton und Temperafarben wiederum als "Dekoration, Heimwerker-Bedarf..." (S. 27, 35 f., 38 f.). Diese beispielhafte Aufzählung macht deutlich, dass die Zuordnung der Einzelartikel nicht hinreichend transparent erfolgt ist, um das Überwiegen des zugelassenen Sortimentsteils nachzuweisen. Da bei Zugrundelegung der Berechnung der Antragstellerin der zugelassene Sortimentsteil den nicht zugelassenen nur sehr knapp, ausgehend von einem erforderlichen Mindestanteil von 50,01 % nämlich lediglich um 2,84 %, überwiegt, kommt es vorliegend entscheidend darauf an, dass die Zuordnung auch im Detail nachvollziehbar und fehlerfrei sein muss. Das ist hier, wie soeben aufgezeigt, aber nicht der Fall.

Das Gericht teilt außerdem die Auffassung des Antragsgegners, dass ein erheblicher Anteil der Produkte zu Unrecht als Drogeriewaren gelistet wird. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass der Begriff der Drogerie in § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV auslegungsbedürftig ist, keine klaren Konturen aufweist und Drogerien heutzutage dem Grunde nach ebenfalls Mischsortimente anbieten. Das Gericht erachtet es als sachgerecht, der Begriffsbestimmung das Leitbild des Verbandes Deutscher Drogisten e. V., der branchen- und wirtschaftspolitischen Interessenvertretung der Fachgeschäfte für Drogerie-, Parfümerie-, Foto- und Reformwaren, zugrunde zu legen. Danach ist eine Drogerie ein verbrauchernahes, kundenorientiertes, individuelles, inhabergeführtes Fachgeschäft mit mindestens zwei Spezialsortimenten aus den Bereichen Kosmetik / Duft und Körperpflege, Foto, Gesundheit, technische Produkte und weiteren Ergänzungssortimenten je nach Standort, und besonderen Dienstleistungen wie herausragende Sortimentskenntnisse, spezielle Verbraucherberatung und sortimentsbegleitende Dienstleistungen (abrufbar unter: https://drogistenverband.de/ueber-uns/leitbild/). Hiernach zeichnet sich das Warensortiment einer Drogerie nach modernem Begriffsverständnis durch eine Schwerpunktbildung bei der Warenauswahl aus, der nach allgemeiner Lebenserfahrung im Bereich Körperpflege, Hygiene und Gesundheit liegt und elementar für die Grundversorgung der Bevölkerung ist. Ergänzungssortimente sind eingeschränkte Sortimente wie Leuchtmittel, Batterien, Klebstoffe, Schreibwaren und Schuhpflege, welche das Sortiment eines Händlers abrunden sollen, um dem Kunden ein bequemes "one-stop-shopping" zu ermöglichen und den Wechsel des Ladengeschäfts zu verhindern (vgl. die Definition des Efficient Consumer Response-Konzepts unter: https://www.ecr.digital/book/demand-side-prozesse/cm-prozess-stufe-2-warengruppen-rolle/). Das von der Antragstellerin dagegen vertretene extensive Verständnis des Begriffs der Drogerie verkennt die untergeordnete Funktion des Ergänzungssortiments. In ihrer Warenbestandsliste vom 24. Dezember 2020 zählt sie pauschal alle Büroartikel, Klebstoffe /-bänder, Zier- / Dekokerzen, Küchenhelfer zu den Drogerieartikeln, was weder dem Zweck Willen des Verordnungsgebers noch dem Zweck der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV gerecht wird. In der oben zitierten Begründung legt der Verordnungsgeber ausdrücklich dar, dass jedenfalls Haushalts- und Spielwaren nicht unter das typische Sortiment einer Drogerie zurechnen sind. Auch Schreibwarengeschäfte werden in § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV gerade nicht privilegiert. Die Ausnahme vom Öffnungsverbot in § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV rechtfertigt sich für die darin privilegierten Ladengeschäfte aus der Erwägung, dass sie im Schwerpunkt Produkte anbieten, die für die Versorgung der Bevölkerung unerlässlich und nicht lediglich nützlich sind. Dieser Zweck würde in unzulässiger Weise umgangen, wenn typische Ergänzungssortimente durch Addition zu einem zugelassenen Sortimentsteil erhoben würden.

Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Schwerpunkt des Sortiments in der Verkaufsstelle in A-Stadt auf einem oder mehreren der nach § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV erlaubten Teilsortimente liegt. Das Firmenkonzept der Antragstellerin beruht laut ihrem Internetauftritt weniger auf einer Spezialisierung auf bestimmte Sortimente oder Sortimentsteile als vielmehr darauf, eine möglichst große Produktvielfalt anzubieten. Die Antragstellerin präsentiert sich als "Discounter für Drogerie und Haushalt" und führt zu ihrem Firmenkonzept unter anderem aus:

"[...] Im Charakter eines Nahversorgers präsentiert Mäc-Geiz ein breites Sortiment von Waren des täglichen Bedarfs.

Preis-Leistung

Alle, die gern am Preis, aber nicht an der Qualität sparen, finden hier ein reichhaltiges Angebot rund um Haushalt & Reinigung, Drogeriebedarf,Tiernahrung und Tierzubehör, Kosmetik und Hygieneartikel, Food und Getränke, Schreibwaren für Schule und Büro, Kleintextilien, Bedarf für Kleingärtner und Hobby-Heimwerker. [...]"

(https://www.mac-geiz.de/unternehmen/firmenportrait/)

Diese Aufzählung zeigt, dass Lebensmittel, Drogerieartikel und Tierbedarfsgegenstände nicht den Schwerpunkt des Gesamtsortiments bilden, sondern lediglich drei von zahlreichen weiteren angebotenen Produktkategorien darstellen. Das vielfältige Sortiment der Antragstellerin spiegelt sich auch in der als Anlage 2 vorgelegten graphischen Darstellung über die Bestückung der in der Verkaufsstelle in A-Stadt vorhandenen Warenregale wider. Selbst wenn das Kriterium der für die einzelnen Produktkategorien verwendeten Regalanzahl wegen der unterschiedlichen (Verpackungs-)Größen nur bedingt aussagekräftig ist, hat es zumindest Indizcharakter. Von den insgesamt 156 zur Verfügung stehenden Regalen entfallen lediglich 48 auf erkennbar erlaubte Sortimentsteile: 10 auf Körperpflege, 13 auf Lebensmittel, 11 auf Reinigung, 4 auf Hygiene, 7 auf Tiernahrung und 3 auf "Sauber & Rein". Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin zum zugelassenen Sortiment pauschal weitere 18 Regale für Haushalt und 3 für Schuhe hinzugerechnet würden - wobei beide Kategorien unter Berücksichtigung der Warenbestandsliste vom 24. Dezember 2020 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl von Artikeln enthalten, die nach der oben verwendeten Definition nicht dem zugelassenen Sortiment unterfallen - ergäbe dies insgesamt 69 Regale, mithin immer noch weniger als die Hälfte der Regale. Die übrigen Regale werden laut der Verkaufsstellenübersicht für Produkte der Kategorien Schreibwaren (19), Saison (7), Textil (13), Heimwerken (10), Impuls (1), Party (6), Spielwaren (4), Deko (6), Karten (2), Geschenktüten / -bänder (2), Geschenkpapier / Schl. (1), Sticker (1), Unterhaltung (2), DS-Produkte (2), "letzte Chance" (3) und "Aktion / Sonderposten" (8) genutzt.

Die Antragstellerin ist ein Non-Food-Discounter, so auch der Eintrag bei Wikipedia zu M.. Der Lebensmittelanteil am Gesamtsortiment in Höhe von 9,4 % beschränkt sich ausweislich der Warenbestandsliste vom 24. Dezember 2020, soweit nach summarischer Prüfung ersichtlich, auf Genussmittel und Instantprodukte, die - bis auf vereinzelte Ausnahmen - nicht zur Deckung des Grundbedarfs notwendig sind, z. B. Knabbergebäck / Nüsse (S. 9), Schokolade (S. 10), Riegel (S. 12 f.), Kekse / Gebäck (S. 15), Gewürze (S. 21), Gelee / Flocken / Schaum (S. 21), weihnachtliche Süßwaren (S. 26), Kaugummi / Bonbons (S. 27), Pralinen (S. 27), Fruchtgummi / Lakritze (S. 32), Tabakwaren (S. 36). Das Getränkeangebot besteht weit überwiegend aus Spirituosen, weinhaltigen Getränken, Softgetränken (S. 12 und 17) und Getränkepulvern (S. 34). Auch die vorgelegten Lichtbilder, die ausschließlich Regale mit nach § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV erlaubten Produkte zeigen, rechtfertigen kein anderes Ergebnis, weil sie über das Verhältnis von zugelassenem und nicht zugelassenem Sortiment in der Verkaufsstelle A-Stadt nichts aussagen.

Soweit die Antragstellerin darin, dass der Verordnungsgeber in § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV den Begriff der Drogerie verwendet, ohne dass dieser gesetzlich definiert ist, einen Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt sieht, folgt das Gericht diesem Einwand nicht. Einer (nochmaligen) Beteiligung des Gesetzgebers bedurfte es für die in § 7 Abs. 1 der 9. SARS-CoV-2-EindV geregelte Schließungsanordnung und deren Ausnahmetatbestände nicht. Der Gesetzgeber hat mit §§ 28a Abs. 1 Nr. 14, 32 IfSG hierfür eine Verordnungsermächtigung geschaffen, die den Umfang und die Grenzen eines Eingriffs in die Freiheitsrechte eines von einer Schließung Betroffenen (noch) ausreichend erkennen lassen. Durchgreifende evidente Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage macht die Antragstellerin nicht geltend.

Die Frage, ob nach dem Inkrafttreten der 9. SARS-CoV-2-EindV Anpassungen eines Mischsortiments vorgenommen werden dürfen mit der möglicherweise, ggf. unter näher zu bezeichnenden Einschränkungen eintretenden Folge, dass die Prüfung, ob der zugelassene Sortimentsteil überwiegt, nur noch anhand des aktuell angebotenen Sortiments vorzunehmen wäre, ist nicht entscheidungserheblich und kann daher offenbleiben. Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, ihr Sortimentsangebot weiter beschränkt zu haben und seit dem 14. Dezember 2020 ausschließlich Drogerieartikel, Nahrungsmittel, Getränke und Tierbedarf anzubieten. Die vorgelegte - nach obigen Ausführungen in mehrfacher Hinsicht ohnehin nicht plausible - Sortimentsliste der insoweit darlegungspflichtigen Antragstellerin mit Stand vom 24. Dezember 2020 ist nicht geeignet, um im Rahmen der hier nur möglichen summarischen Prüfung beurteilen zu können, ob das derzeit eingeschränkte Sortimentsangebot für sich den Vorgaben des § 7 Abs. 3 Satz 1 der 9. SARS-CoV-2-EindV genügt. Denn die Liste gibt gerade nicht das (behauptete) aktuelle Angebot wieder. Sie enthält eine Vielzahl von Artikeln der Produktkategorien Dekoration, Heimwerker-Bedarf, Textilartikel, Party- und Papeterie-Artikel und Spielwaren, die die Antragstellerin ihren Angaben nach nicht anzubieten beabsichtigt. Die vom Gericht mit Verfügung vom 29. Dezember 2020 eingeräumte Gelegenheit, eine Liste mit ausschließlich den Artikeln vorzulegen, die in der Filiale in A-Stadt tatsächlich angeboten werden sollen, hat die Antragstellerin nicht genutzt.

Im Ergebnis der aufgrund der geringen Entscheidungszeit beschränkten summarischen Prüfung ist das beschließende Gericht unter Auswertung der im Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnisse nicht zu der Überzeugung gelangt, dass in der Verkaufsstelle in A-Stadt der nach § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV zugelassene Sortiment überwiegt.

Nach alledem vermag das Gericht auch keine Anhaltspunkte für eine Ungleichbehandlung mit Verkaufsstellen der B, R GmbH und D GmbH zu erkennen. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn entweder zwei wesentlich gleiche Sachverhalte durch denselben Hoheitsträger ohne sachlichen Grund ungleich oder zwei wesentlich ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund gleichbehandelt werden. Selbst wenn die drei benannten Konkurrenten nicht als nach § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV privilegierte Drogerien aufzufassen wären, sondern ebenfalls als Ladengeschäfte mit Mischsortimenten, bei denen der zulässige Sortimentsanteil den nicht zugelassenen überwiegt, liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nicht vor, weil die Antragstellerin - wie zuvor gezeigt - schon nicht der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 1 der 9. SARS-CoV-2-EindV unterfällt. Soweit sie geltend machen wollte, dass auch die drei Unternehmen ebenfalls die Voraussetzungen dieser Regelung nicht erfüllen, aber trotzdem öffnen dürften, schützt Art. 3 Abs. 1 GG vor einer solchen Ungleichbehandlung im Unrecht nicht.

Abschließend weist das Gericht klarstellend darauf hin, dass es bei dem hier gefundenen Ergebnis auch dann verbliebe, wenn man der Ansicht der Antragstellerin folgend einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO für statthaft hielte. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) darlegt und glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Hier würde es jedoch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlen, weil die Antragstellerin aus den oben genannten Gründen das Überwiegen des nach § 7 Abs. 2 der 9. SARS-CoV-2-EindV zugelassenen Sortimentsteils nicht schlüssig dargelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in sinngemäßer Anwendung. Dieser Betrag ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig zu halbieren.