ArbG Solingen, Urteil vom 13.05.2020 - 1 Ca 1048/19
Fundstelle
openJur 2021, 4500
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 6 Sa 523/20

Verhaltensbedingte Kündigung wegen Niederschlagung durch die Krankenkasse einzuziehender Zuzahlungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitserwägungen

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 09.09.2019 nicht aufgelöst wird.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.09.2019 aufgelöst werden wird.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der klägerischen Partei ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Bereichsleiterin weiter zu beschäftigen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

7. Der Streitwert beträgt 83.158,73 €.

8. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen

Gründe

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigung sowie ein Zwischenzeugnis und Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten.

Die am 07.11.1960 geborene Klägerin ist seit dem 01.07.1999 bei der Beklagten zuletzt als Bereichsleiterin des Bereiches Beitragsservice beschäftigt. Sie war zuständig für die Bereiche Beitragsservice, Versicherungsservice und Zahlungsverkehr. Hierarchisch war sie ihrer Vorgesetzten, der Ressortleiterin E. T., unterstellt, welche unmittelbar an den Vorstand berichtete. Organisatorisch und hierarchisch unterstellt waren der Klägerin die Abteilungsleiter. Die Klägerin verdiente zuletzt durchschnittlich monatlich 11.087,38 Euro brutto.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Betriebskrankenkasse mit rund 1.400 Mitarbeitern bundesweit.

Zwischen den Parteien ist der Umgang der klägerischen Partei mit sogenannten Zuzahlungen streitig. Neben den Beitragszahlungen erwirtschaften die Krankenkassen, so auch die Beklagte, Einnahmen durch sogenannte Zuzahlungen. Erhält ein Versicherter bestimmte Leistungen, wird er durch diese Zuzahlungen an den Kosten beteiligt, beispielsweise Zuzahlung für Medikamente. Grundsätzlich werden solche Zuzahlungen von den Leistungserbringern eingezogen, teilweise aber auch von den Krankenkassen direkt bzw. nach Abrechnung durch den Leistungserbringer ebenfalls durch die Krankenkasse. Zuständig bei der Beklagten für die Einziehung der Zuzahlungen ist der Bereich Zahlungsverkehr.

Für den Umgang mit den beizutreibenden Forderungen gab es bei der Beklagten zahlreiche Entscheidungsvorlagen bzw. Arbeitsanweisungen. Im Einzelnen:

a. Entscheidungsvorlage vom 02.07.2012 (nachfolgend: "EV 2012")

In dieser Entscheidungsvorlage wurde der Umgang mit Forderungen bis zu einer Wertgrenze von 110,00 Euro, bei denen keine oder nur eine geringe Realisierung zu erwarten war, geregelt. Danach sollten u.a. bei Forderungen bis zu einem Wert von 15,00 Euro keine Maßnahmen ergriffen werden, bei Wertgrenzen der Hauptforderung zwischen 15,01 Euro bis 109,99 Euro sollten eine oder mehrere Zahlungserinnerungen erfolgen, jedoch keine Mahnungen und keine Erstellung von Bescheiden. Die Entscheidungsgrundlage wurde von dem damaligen Vorstandsmitglied Frau M. unterzeichnet.

Für die Einzelheiten der Entscheidungsvorlage wird auf Bl. 123 ff. d.A. verwiesen.

b. Entscheidungsvorlage vom 23.04.2014 (nachfolgend: "EV 2014").

Diese Entscheidungsvorlage wurde von der damaligen Abteilungsleiterin Zahlungsverkehr Zeugin T. H. verfasst und von der damaligen Ressortleiterin Finanzen, Zeugin E. T., unterzeichnet. Darin heißt es u.a. wie folgt:

"Forderungen / Rückstände bis 4,99 Euro:

- Forderung kann, sofern keine Verrechnungsmöglichkeit vorliegt, einmal im Kalenderjahr auf Liste B befristet niedergeschlagen werden. Zur organisatorischen Erleichterung sollte hierbei auf eine Absetzungsverfügung verzichtet werden.

- Taucht eine weitere Forderung innerhalb eines Kalenderjahres auf, die dazu führt, dass das Kleinstsaldo überschritten wird, ist die hinzugekommene Forderung zu mahnen. Die bereits auf Liste B gebuchte Forderung wird nicht zurückgenommen.

Auszug aus der Anlage zur VV Nummer 2.7. zu § 59 BHO: "Von der Anforderung von Beträgen von weniger als 5,00 Euro soll abgesehen werden."

Forderungen / Rückstände von 5,00 Euro bis 119,99 Euro:

Sie werden nach der Anforderung durch den Fachbereich automatisch nach Fristablauf im Mahnlauf berücksichtigt.

- Die Forderung wird, sofern es sich nicht um Beiträge und Nebenforderung handelt, einmalig erinnert und danach in die Mahnbefreiung gesetzt.

- Kommen im Rahmen der Verjährungsfrist noch weitere Forderungen hinzu, wird die Mahnbefreiung zurückgenommen und mit dem neuen Betrag erinnert / gemahnt (Ticketlösung).

- Kommen keine weiteren Forderungen im Rahmen der Verjährungsfrist hinzu, kann die Forderung auf Liste B niedergeschlagen werden (eine Ticketlösung wird überprüft).

- Beitragsrückstände bei inaktiven Konten werden nach erfolgloser Mahnung in Liste B niedergeschlagen.

Anmerkung: Die Kosten weiterer Maßnahmen stehen in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Höhe der Forderung (< 120,00 Euro für 2014/4 v. H. der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV aus den einheitlichen Grundsätzen zur Erhebung von Beiträgen, Stundungen, Niederschlagung und Erlass sowie zum Vergleich von Beitragsansprüchen vom 17.02.2010).

Für die Einzelheiten der EV 2014 wird auf Bl. 189 ff. d.A. verwiesen.

c. Arbeitsanweisung ZVK-Zuzahlungsanforderung allgemein (nachfolgend: "Arbeitsanweisung ZVK"):

Nach der Arbeitsanweisung ZVK sollten - soweit die Forderungshöhe auf dem ZVK-Einzelkonto insgesamt kleiner als 110,00 Euro ist - die Zuzahlungsforderungen in die Liste B abgesetzt werden, wobei auf eine separate Arbeitsanweisung "ZVK Zuzahlungen Absetzungen in die Liste B" verwiesen wurde. Für die Einzelheiten der Arbeitsanweisung ZVK wird auf Bl. 120 ff. d.A. verwiesen.

d. Entwurf einer Entscheidungsvorlage vom 18.05.2016 (nachfolgend: "EV Entwurf 2016")

Die EV Entwurf 2016 wurde von den Zeugen H. und M. erstellt und sah vor, dass Forderungen bis 35,99 Euro nach Erinnerung abzusetzen seien, soweit keine weiteren Forderungen hinzutraten. Forderungen von 35,99 Euro bis 49,99 Euro verblieben ein halbes Jahr im ZVK. Soweit keine weiteren Forderungen hinzukamen, waren diese Forderungen einmalig zu mahnen und schließlich mit der Begründung abzusetzen, dass auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten sei, da die Kosten der Einziehung im Verhältnis zur Höhe der Forderung zu hoch seien. Forderungen von mehr als 49,99 Euro sollten hingegen nach dem Mahnlauf automatisch nach Fristablauf in die Vollstreckung gegeben werden. Die EV Entwurf 2016 wurde nie unterzeichnet.

Für die Einzelheiten der EV Entwurf 2016 wird auf Bl. 197 ff. d.A. verwiesen.

e. Entscheidungsvorlage vom 12.10.2018 (nachfolgend: "EV 2018") Darin heißt es wie folgt:

"Sachverhalt

Für die Jahre vor 2013 sowie für die Jahre 2013 bis 2015 wurden Zuzahlungsbeträge abgesetzt. Die Gründe für diese Absetzung sind unterschiedlich und basieren u.a. auf der Softwareumstellung von ISKV auf 21c im Jahr 2013. Hier wurde das ZVK als Novum eingeführt und die Folgewirkungen wurden in den Jahren bis 2015 sukzessive organisatorisch als auch monetär bearbeitet. Die Diversität der Fallgruppen, die identifiziert werden konnten, ist groß. Neben dem Aspekt, dass eine Vielzahl von Kleinstforderungen damit verbunden sind, sind verstorbene Mitglieder in diesen Fallgruppen enthalten und Verjährungen eingetreten. Es besteht neben dem hohen Verwaltungsaufwand zudem keine Garantie für einen erfolgreichen Einzug der Forderungen. Eine Bearbeitung dieser Forderungen wäre somit mit einem nicht vertretbaren Aufwand verbunden (Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ergab Einsatz von mindestens sechs BJ über den Zeitraum von 1,5 Jahren).

Fazit

Das Thema "Rückstandsbearbeitung für den Zeitraum vor dem 01.01.2016" wird als abgeschlossen bewertet. Die Entscheidungsvorlage vom 23.04.2014 "Umgang mit offenen Salden im ZVK" bleibt weiterhin wirksam. Eine Kontextbetrachtung erfolgt nur noch im Rahmen der Insolvenzbearbeitung, da hier eine solche Betrachtung als Teilaspekt bewertet wird und in die Insolvenzforderung einfließen muss. Für die Jahre vor 2013 sowie für die Jahre 2013 bis 2015 werden die noch offenen Zuzahlungsforderungen (bzw. noch nicht gezahlten Zuzahlungen) nicht mehr geprüft und gefordert; die möglicherweise noch nicht eingespielten oder manuell zu erfassenden Zuzahlungsforderungen werden nicht mehr nacherfasst bzw. -gefordert."

Hintergrund der EV 2014 war, dass im Jahr 2013 bei der Beklagten eine Umstellung der Software (21c) erfolgte. Diese führte zu einer massiven Arbeitsbelastung und führte zu der EV 2014, da eine andere Handhabung der praktischen Umsetzung aus der Sicht der damaligen Abteilungs- und Ressortleiterin nicht möglich erschien. Der Umstieg führte dazu, dass erstmals versichertenbezogene Konten eingerichtet wurden. Hierzu waren Bereinigungsarbeiten zur Datenmigration notwendig, die im Bereich Beiträge in den Jahren 2012 und 2013 nicht ausreichend erfolgten. Das Projektteam Zahlungsverkehr meldete im Februar 2014 einen akuten Personalmangel an. Es gab ein stetig steigendes Rückstandsvolumen bei den Selbstzahler-Beiträgen und den Zuzahlungsforderungen. Man verpflichtete auswärtige Dienstleister mit der Klärung und Bearbeitung der Beitragskonten. Für die Zuzahlungskonten erfolgte eine auswärtige Beauftragung nicht. Die Fusion mit der D. im Jahr 2015 verschärfte noch einmal die Situation, da die Daten der beiden Kassen inkompatibel waren. Bei der D. gab es zudem Altlasten im Bereich ZVK, die zunächst aufgearbeitet werden mussten.

Bereits Im Rahmen des Projekts zur Umstellung auf die Software 21c wurde die benannte EV 2012 gefertigt und von D. M. unterzeichnet (vgl. Bl. 123 ff; 577 ff. d.A.).

Im Jahre 2016 kam es zu Revisionsprüfungen des Bereichs Zahlungsverkehr, deren Ergebnisse in zwei Revisionsberichten festgehalten wurden. Im Einzelnen:

a. Revisionsbericht 2016 / Nr. 1611 vom 09.02.2017. In dem Revisionsbericht heißt es u.a. wie folgt:

"2. Revisionsziel

Ziel der Prüfung ist es, festzustellen, ob die Prozesse, insbesondere die Prozesse Stornierung von Zahlungsaufträgen und Rückläufer von Zahlungen, zur Abwicklung des Aufgabengebietes Zahlungsverkehr optimal eingestellt sind und ordnungsgemäß nach den rechtlichen Vorschriften und den betriebsinternen Vorgaben durchgeführt werden. Dabei werden auch die Schnittstellen zu anderen Abteilungen betrachtet. Ferner werden sämtliche Prozesse unter dem Aspekt der Kassensicherheit geprüft. [...]

2.3 Prüfungsunterlagen

- [...]

- Entscheidungsvorlage ZVK vom 23.04.2014

2.4 Auswertungszeitraum

Es wurden Daten aus dem Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2016 ausgewertet.

3. Zusammenfassung der wichtigsten Feststellungen

Die Überprüfung der Rücküberweisungen und Stornierungen ergab bei 100 Stichproben keine gravierenden Beanstandungen. Merkmale für dolose Handlungen waren nicht ersichtlich.

[...]

Im Einzelnen bedarf es aus Sicht der Innenrevision folgende Prozesse zu überprüfen und zu modifizieren:

- einheitliche Regelung zur Absetzung von Kleinstbeträgen in allen Aufgabengebieten

- Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine effektivere Form der Absetzung von Kleinstbeträgen

[...]

- Einheitliches Regelwerk für Mahnaussetzungen

- [...]

7.7 Kleinstbeträge

Für die grundsätzliche Vorgehensweise mit "offenen Beträgen im ZVK" ist mit dem 23.04.2014 eine Entscheidungsvorlage erlassen worden. Diese wurde von der Ressortleitung genehmigt und die Umsetzung erfolgte ab dem damaligen Zeitpunkt. Eine Überführung dieser Entscheidungsvorlage in eine Arbeitsanweisung erfolgte nicht. Zu einem späteren Zeitpunkt (07.01.2016) wurde eine Arbeitsanweisung "Arbeitgeber - Kleinstbeträge Niederschlagung" erstellt. In diesen beiden Schriftstücken wird eine unterschiedliche Vorgehensweise bei der Handhabung von Kleinstbeträgen beschrieben. Laut Aussage der Abteilungsleitung Zahlungsverkehr wurden jedoch in der Praxis stets die aktuellen Werte aus der Bundeshaushaltsordnung bei der Absetzung zugrunde gelegt, obwohl in der Entscheidungsvorlage vom 23.04.2014 andere Werte hinterlegt sind. [...]

Empfehlung 9.:

Die Innenrevision empfiehlt, die Regelungen im Aufgabengebiet "Zahlungsverkehrskonten und Arbeitgeberkonten" unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften (u.a. BHO) zu vereinheitlichen und gemeinsam in einer Arbeitsanweisung zu dokumentieren.

Für die Einzelheiten des Revisionsberichts 2016 / Nr. 1611 wird auf Bl. 202 ff. d.A. verwiesen.

b. Revisionsbericht 2016 / Nr. 1608 vom 07.04.2017. Darin heißt es u.a. wie folgt:

"1. Einleitung / Revisionsauftrag

Die gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungen der Versicherten gehören zu den Einnahmen einer gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 76 SGB IV. Dementsprechend sind sie rechtzeitig und vollständig zu erheben. Diese Einnahmen fließen nicht in den Gesundheitsfond, werden daher also nicht solidarisiert, sondern kommen der q. C. vollständig zugute. Im Rahmen der Revisionsprüfung wird die rechtzeitige und vollständige Erhebung ebenso untersucht, wie das Mahnverfahren bei Säumnis.

[...]

2. Revisionsziel

Ziel der Prüfung ist es festzustellen, ob die Prozesse, insbesondere die Prozesse der vollständigen Erhebungen sowie der Forderungen von Zuzahlungen optimal eingestellt sind und ordnungsgemäß nach den rechtlichen Vorschriften und den betriebsinternen Vorgaben durchgeführt werden. [...]

2.4 Auswertungszeitraum

Es wurden Daten aus dem Zeitraum 01.01.2014 bis 05.04.2017 ausgewertet.

[...]

3. Zusammenfassung der wichtigsten Feststellungen

[...] Bei dem prozessunterstützenden Element der Arbeitsanweisung ergaben sich die nachfolgenden Punkte. Diese sind teilweise in Abstimmung mit der Abteilung Qualitätsmanagement umzusetzen.

- Seit der Umstellung von ISKV auf ISKV.21c im Mail 2013 gab es bis zur Jahresmitte 2016 keine Arbeitsanweisungen, sondern es wurde individuell in ISKV.21c gearbeitet. Die derzeit vorliegenden Arbeitsanweisungen werden aufgrund der zum 01.01.2017 eingeführten Prozessumstellungen alle überarbeitet.

- Laut der vorliegenden Arbeitsanweisung "ZVK-Zuzahlungsanforderung Allgemein" werden alle Forderungen kleiner 110,00 Euro in die Liste B abgesetzt. Dieser Wert entspricht nicht den Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung und findet auch seit der Prozessumstellung zum 01.01.2017 keine Anwendung mehr. Bislang gesetzlich nicht begründete Absetzungen werden erneut aufgegriffen und buchhalterisch aktiviert, sofern dies aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll erscheint.

[...] Die q. C. hat jährlich über 110.000 Zuzahlungsfälle mit einer jährlichen Steigerung von ungefähr zwei bis drei Prozent. Die Realisierungsquote liegt jährlich bei rund 90% mit einem Realisierungsbetrag zwischen 7,2 und 7,7. Millionen Euro. Bei den nicht realisierten Beträgen von knapp 10% handelt es sich um Beträge, die sich im Mahn- und Vollstreckungsverfahren befinden.

[...]

4.3 Realisierungsquote

Für die Bemessung des Bearbeitungserfolges beim Einzug der Zuzahlungsbeträge ist die Realisierungsquote maßgebend. Aus der nachfolgenden Tabelle sind die Realisierungsquoten für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.03.2017 zu entnehmen.

Zeitraum

Umsatz

Realisierungsbetrag

Realisierungsquote

01.01.2014-31.12.2014

7.963.310 €

7.217.532,74 €

90,7. %

01.01.2015-31.12.2015

9..187.010 €

7.686.066,57 €

93,9 %

01.01.2016-31.12.2016

9..435.750 €

7.528.370,75 €

89,5 %

01.01.2017-31.03.2017

1.811.670 €

504.557,21 €

27,9 %

[...]

7..1 Vollzähligkeit von Zuzahlungen

[...]

Empfehlung 1:

Die Innenrevision empfiehlt, seitens der zuständigen Leistungsgebiete in temporären Abständen zu überprüfen, ob die derzeitigen Prozesse dafür Sorge tragen, dass sämtliche entstehenden Zahlungsforderungen vollzählig ermittelt werden.

[...]

7.1 Arbeitsanweisungen

Derzeit gibt es im Bereich Zuzahlungen vier verschiedene Arbeitsanweisungen:

- ZVK - Zuzahlungsanforderung Allgemein (Ausgabe 1 vom 23.08.2016)

- ZVK - Manuelle Zuzahlungsabrechnung (Ausgabe 1 vom 15.06.2016)

- ZVK - Ratenzahler Zuzahlung (Ausgabe 1 vom 17.06.2016)

- ZVK - Zuzahlungskalkulationsbatch (Ausgabe 1 vom 15.06.2016)

Beanstandungen hierzu gab es wie folgt:

Aktualität

Laut Rücksprache mit Teamleitungen "Zahlungsverkehr Zuzahlung" gab es vor den oben angeführten Ausgaben der Arbeitsanweisungen keine Arbeitsanweisungen. Es wurde vor der Erstellung der oben genannten Arbeitsanweisungen individuell gearbeitet. Der Umstieg von ISKV aktuell / ISKV neu auf ISKV 21c erfolgte zum 07.05.2013. [...]

Arbeitsanweisung "ZVK-Zuzahlungsforderung Allgemein"

Laut dieser Arbeitsanweisung werden alle Forderungen kleiner 110,00 Euro in die Liste B abgesetzt. Auszug:

Forderungshöhe auf dem ZVK-Einzelkonto (aus Beitrags- und Leistungsforderungen) insgesamt kleiner 110,00 Euro, werden die Zuzahlungsforderungen in die Liste B abgesetzt (siehe separate Arbeitsanweisung "ZVK Zuzahlungen und Absetzung in die Liste B").

Dieser Betrag entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben nach BHO. Gemäß Anlage zum BMF-Rundschreiben vom 10. Februar 2016 II A 3 - H 1012-7./15/10001:

"Bei einem Rückstand oder Gesamtrückstand von weniger als 36,00 Euro soll von der Vollstreckung oder dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides abgesehen werden. Werden mehrere Ansprüche auf einem Personenkonto nachgewiesen, gilt die Kleinbetragsgrenze von weniger als 36,00 Euro für den Gesamtrückstand. Ein bei Abschluss des Kontos nicht entrichteter Kleinbetrag von weniger als 36,00 Euro ist als niedergeschlagen zu behandeln." Nach Aussage der Teamleitung "Zahlungsverkehr Zuzahlung" ist im Tagesgeschäft bereits seit Jahresbeginn eine Änderung nach den Werten der Bundeshaushaltsordnung erfolgt.

Empfehlung 11:

Die Innenrevision empfiehlt, dass die Aufnahme der Werte gemäß der Bundeshaushaltsordnung in die Arbeitsanweisung übernommen wird.

Für die Einzelheiten des Revisionsbericht 2016 / Nr. 1608 wird auf Bl. 224 ff. d.A. verwiesen.

Der Vorstand Herr L. unterzeichnete die jeweiligen Revisionsberichte und verfügte an die Fachbereiche, alle seitens der Innenrevision festgelegten Maßnahmen umzusetzen. Der Revisionsbericht ebenso wie die Verfügung des Vorstandes wurden auch der Klägerin zugeleitet.

Auf den Revisionsbericht 1608 verfasste der Zeuge M. (Abteilungsleiter Zahlungsverkehr) auf Anweisung der Klägerin eine Stellungnahme und übermittelte diese an die Klägerin mit Mail vom 18.12.2017. Zu der Empfehlung der Innenrevision, dass überprüft werden solle, ob die derzeitigen Prozesse dafür Sorge trügen, dass sämtliche Zuzahlungsforderungen vollzählig ermittelt würden, schlug er folgende Stellungnahme vor:

"In den Jahren ab 2013 wurden Beträge in erheblicher Höhe abgesetzt. Ein großer Teil der Absetzungen erfolgte dabei insbesondere für die Jahre 2013 und 2014, möglicherweise auch ohne Bescheid und Rechtsgrundlage.

Insbesondere die in 2013 abgesetzten Beträge konnten nicht mehr vollständig geprüft bzw. gefordert werden. Insbesondere die in 2013 abgesetzten Beträge können zwar mit erheblichem Aufwand - vielleicht nicht vollständig - geprüft werden, sind aber wegen Verjährungseintritt nicht mehr einforderbar. Ein Schadenseintritt kann nicht mehr beseitigt werden. Eine Entscheidung zum Umgang mit diesen Fällen steht noch aus. Die Klärung von Fragen zum Zahlungsverkehr für die Zeit von 2013 bis 2016 haben Frau T. und Frau S. im Februar 2017 übernommen."

Für die weiteren Einzelheiten der Stellungnahme wird auf Blatt 268 ff. der Akte verwiesen. Letztlich wurde auf die Empfehlung der Revision wie folgt Stellung genommen:

"Die Prozessüberprüfung ist im Laufe des Jahres 2017 erfolgt und stellt sicher, dass sämtliche Zuzahlungsforderungen für die Zukunft ermittelt werden. Durch die monatliche Überprüfung der Forderungsdarstellung im Datentube "ZVK -Nur Zuzahlungen-" ist sofort erkennbar, sofern es in einer Forderungsart Abweichungen geben sollte."

Auf Empfehlung Nummer 11 des Revisionsberichtes heißt es in der Stellungnahme:

"Die Werte werden übernommen."

In einem Kurzbericht der damaligen Abteilungsleiterin H. (Anlage B37, Blatt 768 ff. der Akte) vom 21.01.2016 heißt es im Rahmen einer Präsentation auf Folie 12 unter der Überschrift "ZVK Zuzahlungen 2013":

"Im Dezember 2015 wurden die Versicherten der Verwaltungsstellen erinnert, die bisher noch keine Erinnerung erhalten haben (4.890 Schreiben). Rund 25 v.H. haben daraufhin ihre Zuzahlung entrichtet, 900 Versicherte werden im Januar 2016 gemahnt und bei rund 2.800 Versicherten wurden die Zuzahlungen

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