VG Halle, Teilurteil vom 17.12.2020 - 4 A 81/19
Fundstelle
openJur 2021, 4450
  • Rkr:

1. Zweckverbände benötigen eine satzungsrechtliche Grundlage zur Erhebung einer Widerspruchsgebühr

2. Sieht die Satzung eine Gebührenstaffelung vor, ist dass nur dann mit § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA vereinbar, wenn der Rahmen von 10-500 Euro in vollem Umfang berücksichtigt wird oder wenn die Satzung eine Bestimmung enthält, die eine Abweichung im Einzelfall von der Staffelung bis zur Untergrenze von 10 Euro und zur Obergrenze von 500 Euro erlaubt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrte ursprünglich die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung des Beklagten aus dessen Kostenfestsetzungsbescheid vom 05. April 2019 (KFB190202) und erstrebt nunmehr die Aufhebung dieses Bescheids sowie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Kostenfestsetzungsbescheids des Beklagten vom 05. April 2019 (KFB190198) sowie des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 05. April 2019 (WGB/10288_1/19/Mei), auf den der Kostenfestsetzungsbescheid ergangen ist.

Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 15. Februar 2019 Schmutz- und Niederschlagswassergebühren für den Zeitraum vom 01. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018 in Höhe von 1.813,13 Euro fest. Auf diesen Betrag rechnete er für den Abrechnungszeitraum geleistete Zahlungen in Höhe von 609,02 Euro an und forderte die Klägerin zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.204,11 Euro auf. Dagegen erhob die Klägerin am 07. März 2019 per einfacher E-Mail Widerspruch mit der Begründung, es seien im Abrechnungszeitraum nicht lediglich 609,02 Euro, sondern 10 mal 70 Euro, d.h. 700 Euro, gezahlt worden, so dass das Zahlungsgebot auf einen Betrag in Höhe von 1.113,13 Euro zu ändern sei. Diesen Betrag werde sie anweisen. Mit Schreiben vom 12. März 2019 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass der eingelegte Widerspruch nicht die Schriftform erfülle, so dass er unzulässig sei. Die Klägerin werde um Mitteilung bis zum 22. März 2019 gebeten, ob sie an dem Widerspruch festhalte, da er ansonsten kostenpflichtig zurückgewiesen werden müsse. Am 12. März 2019 übersandte die Klägerin den (wörtlich identischen) Widerspruch per Fax. Mit Schreiben vom 22. März 2019 wies sie zudem unter Bezugnahme auf das Schreiben des Beklagten vom 12. März 2019 darauf hin, dass der per E-Mail erhobene Widerspruch am 12. März 2019 in Schriftform wiederholt worden sei, so dass davon ausgegangen werde, dass sich das Schreiben vom 12. März 2019 erledigt habe.

Unter dem 05. April 2019 erließ der Beklagte zwei Widerspruchsbescheide, mit denen er zum einen den per E-Mail eingelegten Widerspruch als unzulässig (WGB/10288_1/19/Mei) und zum anderen den schriftlich erhobenen Widerspruch als unbegründet (WGB/10288/19/Mei) zurückwies.

Für den Erlass der Widerspruchsbescheide setzte er gegenüber der Klägerin zudem mit Kostenfestsetzungsbescheiden vom 05. April 2019 (KFB190198 und KFB190202) jeweils Kosten in Höhe von 162,95 Euro fest (160 Euro Gebühren und 2,95 Euro Auslagen).

Gegen die Kostenfestsetzungsbescheide erhob die Klägerin mit Schreiben vom 23. April 2019 Widerspruch, worüber der Beklagte nicht entschied.

Mit Mahnung vom 25. April 2019 mahnte der Beklagte bei der Klägerin die Zahlung der mit den beiden Kostenfestsetzungsbescheiden festgesetzten Kosten an. Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 kündigte er der Klägerin die Vollstreckung der offenen Gebühr aus dem Bescheid vom 15. Februar 2019 (90,98 Euro) sowie der mit den Kostenfestsetzungsbescheiden vom "19.04.19" (gemeint ist der 05. April 2019) und von Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Auslagen an.

Am 30. April 2019 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2019 und gegen die beiden ergangenen Widerspruchsbescheide vom 05. April 2019 erhoben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 4 A 75/19 HAL geführt.

Am 20. Mai 2019 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 05. April 2019 (KFB190202) begehrte.

Am 27. August 2020 hat die Klägerin ihr Klagebegehren umgestellt und die Aufhebung der Kostenfestsetzungsbescheide des Beklagten vom 05. April 2019 begehrt.

Unter dem 21. September 2020 hat der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 05. April 2019 (WGB/10288_1/19/Mei), mit dem der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. Februar 2019 als unzulässig zurückgewiesen wurde, sowie den dazu ergangenen Kostenfestsetzungsbescheid vom 05. April 2019 (KFB190198) im Klageverfahren zum Aktenzeichen 4 A 75/19 HAL aufgehoben.

Mit sowohl zum Aktenzeichen 4 A 75/19 HAL als auch zum (vorliegenden) Aktenzeichen 4 A 81/19 HAL ergangenem Schreiben vom 07. Oktober 2020 hat die Klägerin daraufhin ihr Begehren insoweit dahingehend gefasst, dass sie die Rechtswidrigkeit des vorgenannten Widerspruchsbescheids und des vorgenannten Kostenfestsetzungsbescheids festgestellt wissen möchte.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihr auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 05. April 2019 (WGB/10288_1/19/Mei) und des Kostenfestsetzungsbescheids des Beklagten vom 05. April 2019 (KFB190198) gerichtetes Begehren zurückgenommen.

Sie beantragt,

den Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 05. April 2019 (KFB190202) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er hinsichtlich der Berechtigung der Erhebung der Widerspruchsgebühr und der Wirksamkeit der zugrundeliegenden satzungsrechtlichen Regelungen auf seine Ausführungen im zwischen den Beteiligten geführten Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zum Aktenzeichen 4 M 2/20.

Gründe

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen hat die Klage im Wesentlichen Erfolg.

Sie ist begründet, soweit der Beklagte mit dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 05. April 2019 (KFB190202) eine Gebühr in Höhe von 160 Euro festgesetzt hat (dazu 1.) und unbegründet, soweit damit Auslagen in Höhe von 2,95 Euro erhoben werden (dazu 2.).

1. Die Festsetzung der Widerspruchsgebühr in Höhe von 160 Euro im Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 05. April 2019 (KFB190202) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Es fehlt an der insoweit erforderlichen (wirksamen) satzungsrechtlichen Grundlage.

Für die Festsetzung von Verwaltungsgebühren im Sinne des § 4 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KAG LSA), wozu auch die Gebühren für den Erlass eines Widerspruchsbescheids gehören (vgl. § 4 Abs. 3a KAG LSA), ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA eine satzungsrechtliche Grundlage erforderlich, weil es sich hierbei um kommunale Abgaben handelt. Eine unmittelbare Anwendung der Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 2 des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (VwKostG LSA) scheidet aus. § 4 Abs. 4 Satz 1 KAG LSA erklärt nämlich für alle Arten von Verwaltungsgebühren die Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in der jeweils geltenden Fassung "im Übrigen" und "sinngemäß" und nur, soweit Regelungen dieses Gesetzes nicht ausdrücklich entgegenstehen, für anwendbar. Die Regelungen des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt finden daher lediglich neben denen des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt Anwendung, somit auch neben § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA.

Als satzungsrechtliche Grundlage kommt hier ausschließlich die Satzung des Beklagten über die Erhebung von Kosten für Verwaltungs- und andere Tätigkeiten (Verwaltungskostensatzung) vom 25. Oktober 2007, zuletzt geändert durch die 3. Änderungssatzung vom 18. April 2013 (im Folgenden: VKS), in Betracht. Diese Satzung ist jedoch unwirksam, soweit es die Regelung einer Widerspruchsgebühr für den Fall eines erfolglosen Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt, für den keine Gebühr anzusetzen war, betrifft.

Nach § 4 Buchstabe b Abs. 1 VKS wird, wenn und soweit ein Rechtsbehelf gegen einen nicht gebührenpflichtigen Verwaltungsakt erfolglos bleibt, eine Gebühr für die Entscheidung über den Rechtsbehelf nach dem Kostentarif 12 dieser Satzung fällig. Ziffer 12 des Kostentarifs zur VKS sieht eine Staffelung der Gebühren nach dem Bescheidwert vor, und zwar bei einem Wert

bis 200 Euro eine Gebühr von 15 Euro,

bis 400 Euro eine Gebühr von 40 Euro,

bis 1.000 Euro eine Gebühr von 80 Euro,

bis 5.000 Euro eine Gebühr von 160 Euro,

über 5.000 Euro eine Gebühr von 300 Euro.

Diese Regelung ist nichtig, da sie nicht mit § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA, der gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 KAG LSA sinngemäß gilt, vereinbar ist.

Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA beträgt die Gebühr für die Entscheidung über den Widerspruch 10 bis 500 Euro, wenn für die angefochtene Entscheidung keine Gebühr anzusetzen war. Die Vorschrift enthält eine verbindliche Regelung des in der Verwaltungskostensatzung anzusetzenden Gebührenrahmens (Urteil der Kammer vom 18. Februar 2011 - 4 A 5/11 - Juris Rn. 15), den die abgabenerhebende Körperschaft im jeweiligen Einzelfall nach sachgerechten Ermessenskriterien auszufüllen hat. Solche Kriterien sind in jedem Falle die in § 10 Abs. 1 VwKostG LSA vorgesehenen Bemessungskriterien. Diese Regelung sieht in den Fällen, in denen eine Gebührenordnung einen Rahmen bestimmt, vor, dass die Behörde bei der Festsetzung der Gebühr das Maß des Verwaltungsaufwands, den Wert des Gegenstands der Amtshandlung, den Nutzen oder die Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner zu berücksichtigen hat.

Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt dem Satzungsgeber erlaubt, bereits in der Verwaltungsgebührensatzung den ihm durch § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA eingeräumten Ermessensspielraum auszufüllen und ein in sich geschlossenes Regelungssystem zu schaffen, in dem die Höhe der Widerspruchsgebühr mit der Höhe der Gegenstandswerte korrespondiert (OVG LSA, Beschluss vom 07. April 2006 - 4 L 39/06 - Juris).

Das gilt nach Auffassung der Kammer jedoch nur dann, wenn die in der Satzung geregelte Staffelung den landesgesetzlich vorgegebenen Rahmen in vollem Umfang berücksichtigt und nicht nur Gebühren in einer Höhe vorsieht, die lediglich einen Ausschnitt aus dem Rahmen abdecken. Ist dagegen wie hier eine Mindestgebühr von 15 Euro und eine Höchstgebühr von 300 Euro vorgesehen, steht dies mit §§ 4 Abs. 4 Satz 1 KAG LSA, 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA nur dann in Einklang, wenn die Satzung eine Bestimmung enthält, die es erlaubt, je nach den Umständen des Einzelfalls abweichend von dieser Staffelung eine geringere oder eine höhere Gebühr (jeweils bis zur Unter- bzw. Obergrenze des Gebührenrahmens von 10 bis 500 Euro) festzusetzen (etwa wenn der Gegenstandswert, die Bedeutung der Sache und der Verwaltungsaufwand besonders gering sind, beispielsweise bei einem wiederholten Streit um einen Betrag von 5 Euro in einem bereits entschiedenen gleichgelagerten Fall). Andernfalls begrenzte der Satzungsgeber die gesetzliche Rahmenregelung auf einen Teil und würde letztlich die Satzung eine Gebührenbemessung anhand eines im Landesgesetz nicht vorgesehenen anderen Rahmens (im vorliegenden Fall von 15 Euro bis 300 Euro anstatt von 10 Euro bis 500 Euro) bestimmen. Dass nach § 13 Abs. 2 Satz 1 VwKostG LSA im Falle gebührenpflichtiger Verwaltungsakte die Gebühr für die Entscheidung über den Widerspruch das Eineinhalbfache der Gebühr, die für die angefochtene Entscheidung anzusetzen war, mindestens jedoch 10 Euro beträgt, soweit der Widerspruch erfolglos geblieben ist, ändert am dargestellten Ergebnis nichts, da der Landesgesetzgeber insofern eine andere Regelung, nämlich eine "feste" Gebühr und keinen anhand sachgerechter Kriterien im Einzelfall auszufüllenden Gebührenrahmen, vorgesehen hat.

Im Übrigen stand hier lediglich ein Betrag von 90,98 Euro im Streit, denn die Klägerin hatte Widerspruch gegen den Gebührenbescheid des Beklagten vom 15. Februar 2019 nur erhoben, soweit darin nicht 700 Euro, sondern nur 609,02 Euro als bereits erbrachte Leistung angerechnet worden sind. Sie hat insofern allein begehrt, den Bescheid "auf 1.113,13 Euro abzuändern" und diesen Betrag beglichen. Damit wäre nach Ziffer 12 des Kostentarifs zur VKS lediglich eine Widerspruchsgebühr von 15 Euro entstanden, so dass der angegriffene Kostenfestsetzungsbescheid auch aus diesem Grund rechtswidrig ist, soweit eine Gebühr von mehr als 15 Euro festgesetzt wurde.

2. Die Festsetzung der zu erstattenden Auslagen für Postgebühren für die Zustellung des Widerspruchsbescheids in Höhe von 2,95 Euro ist hingegen rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Sie findet ihre rechtliche Grundlage in § 6 Abs. 1 VKS. Danach hat der Kostenschuldner Auslagen zu erstatten, die bei der Vorbereitung oder Vornahme einer Amtshandlung und sonstigen Verwaltungstätigkeiten notwendig werden, die nicht bereits mit der Gebühr abgegolten sind (Satz 1). Als Auslagen werden nach § 6 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 VKS insbesondere Postgebühren für Zustellungen in Höhe der Zustellkosten der Deutschen Post verlangt.

Da der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 05. April 2019, mit dem der Widerspruch der Klägerin gegen den Gebührenbescheid vom 15. Februar 2019 als unbegründet zurückgewiesen hatte, nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO zustellen musste, hat er einen Anspruch auf Erstattung der dafür entstandenen Auslagen in der geltend gemachten Höhe.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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