SG Darmstadt, Urteil vom 25.05.2020 - S 8 KR 938/19
Fundstelle
openJur 2021, 4413
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Auf Grund der bisherigen gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Rechtswirkungen der Eintritt einer Genehmigungsfiktion ist auf Grund der Aufgabe dieser Rechtsprechung durch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 26.05.2020, Az.: B 1 KR 9/18 R, und vom 18.06.2020, Az.: B 3 KR 14/18 R, B 3 KR 6/19 R und B 3 KR 13/19 R, ist den Leistungsberechtigten dann Vertrauensschutz zu gewähren, sofern diese den Antrag vor dem 01.01.2018 gestellt haben, bei deren Leistungsantrag eine Genehmigungsfiktion nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eingetreten ist und sie sich in Vertrauen auf diese Rechtsprechung die Leistung selbst beschafft haben.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die durchgeführte Liposculpturen in Höhe von 15.969,37 € zu erstatten.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2016 verurteilt, den Bescheid vom 07.06.2016 aufzuheben.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von ambulant durchgeführten Liposculpturen an den Beinen und Armen.

Bei der Klägerin ist erstmals im August 2015 ein Lipödem an Armen und Beinen diagnostiziert worden. Sie beantragte erstmals mit Schreiben vom 19.12.2015 die Kostenübernahme für eine lymphologische Liposculptur. Dabei werde das mutierte Fettgewebe schonend entfernt. Das Gleichgewicht zwischen Lymphproduktion und Lymphabtransport werde wiederhergestellt. Dieser Antrag ging am 21.12.2015 bei der Beklagten ein; eine Bescheidung erfolgte nach Aktenlage nicht. Bereits diesem Antrag war eine ärztliche Bescheinigung von Dr. C. vom Venen- und Lymphzentrum Mainz beigefügt, wonach zur Behandlung zur Verhinderung der Chronizität bei der Klägerin eine lymphogische Liposculptur durchgeführt werden könne.

Ein erneuter Antrag ging mit Schreiben vom 22.04.2016 am 26.04.2016 bei der Beklagten ein. Die Eingriffe sollten bei der D. Klinik, einer Privatklinik, vorgenommen werden. Beiden Anträgen waren Arztberichte beigefügt; auf dessen Inhalt wird verwiesen. Bereits am 19.04.2016 stimmte die Klägerin dem geplanten Eingriff zu. Sie unterschrieb zu diesem Zeitpunkt eine Honorarvereinbarung, wonach der 9fache Steigerungssatz der jeweiligen GOÄ-Nummern vereinbart wurde. Sie unterschrieb zudem eine Honorarvereinbarung mit dem Anästhesisten, in der sie sich zur Zahlung eines Betrages von 850,-€ bzw. 650,-€ verpflichtete; auf den weiteren Inhalt dieser Honorarvereinbarungen wird Bezug genommen. Auch diesem Antrag lag u. a. die ärztliche Bescheinigung von Dr. C. bei.

Die Beklagte lehnte den letzten Antrag mit Bescheid vom 07.06.2016 ab. Bei der lymphologische Liposculptur würde es sich um eine sogenannte neue Behandlungsmethode handeln. Sie gehöre nicht zur vertragsärztlichen Versorgung und könne daher nicht über die Versichertenkarte abgerechnet werden. Mit Schreiben vom 08.06.2016 übersandte die Klägerin Fotos ihres Lipödems. Im Anschluss beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Begutachtung. Sie informierte die Klägerin darüber, die im Anschluss Unterlagen nachreichte. In seinem Gutachten vom 22.06.2016 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass eine Bewilligung nicht empfohlen werden könne. Die Beklagte lehnte daraufhin, den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 07.07.2016 erneut ab.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 17.07.2016 Widerspruch dagegen ein. Sie erhob Einwände gegen die Art und den Inhalt der Begutachtung durch den MDK. Der MDK führte im Anschluss eine persönliche Begutachtung der Klägerin durch. Mit weiterem Gutachten vom 22.08.2016 konnte eine Empfehlung zur Übernahme der Leistung nicht empfohlen werden. Die Liposculptur sei derzeit noch im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung. Die Vorgaben an Qualität, Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit seien nicht erfüllt. Die Beklagte teilte der Klägerin mit weiterem Schreiben vom 26.08.2016 das Ergebnis der Begutachtung mit. Die Klägerin hielt im Anschluss ihren Widerspruch aufrecht.

Die Klägerin führte während des Widerspruchsverfahrens bereits die beantragten Liposculpturen durch (16.08.2016: Beine Außenseite; 27.09.2016: Arme; 25.10.2016: Beine Innenseite).

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2016 zurück. Grundlage der Leistungen nach dem SGB V sei der Bundesmantelvertrag Ärzte, wonach Vertragsleistungen die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen seien. Alle Behandlungs- und Untersuchungsmethoden, die dort nicht aufgeführt seien, würden im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sogenannte "neue" Untersuchungs- und Behandlungsmethoden darstellen. Solche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben habe. Eine solche Empfehlung habe der Gemeinsame Bundesausschuss trotz laufenden Beratungsverfahren noch nicht abgegeben, sodass die Liposculptur keine anerkannte Behandlungsmethode darstelle. Sie verwies zudem auf die höchstrichterliche Rechtsprechung.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.01.2017 Klage dagegen erhoben. Die Klägerin legte im Klageverfahren die Rechnung für die ambulante Behandlung am 16.08.2016 und 17.08.2016 i. H. v. 4.540,89 €, für die Behandlung am 27.09.2016 und 28.09.2016 i. H. v. 4.540,89 € und für die Behandlung am 25.10.2016 und 26.10.2016 i. H. v. 4.540,89 € vor; dabei handelte es sich um Kosten für die durchgeführten Liposculpturen (Rechnungen vom 18.08.2016, 14.10.2016 und 11.11.2016). Die jeweils erforderliche Narkose wurde mit Rechnungen vom 01.09.2016, 13.10.2016 und 10.11.2016 mit Beträgen von 852,65 €, 649,07 € und 871,98 € in Rechnung gestellt. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 31.01.2018 ruhend gestellt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Klage bereits wegen des Eintritts einer Genehmigungsfiktion begründet sei, da der Ablehnungsbescheid nach Ende der Fünf-Wochen-Frist erlassen worden sei. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V sei damit eingetreten. Zudem stehe der Klägerin der Anspruch auch wegen Systemversagens zu. Bei der durchgeführten Liposculptur handele es sich um eine medizinisch notwendige Behandlung. Es stehe keine andere wirksame Behandlungsalternative zur Verfügung. Eine konservative Behandlung mittels komplexer Entstauungstherapie, Lymphdrainagen und Versorgung mit Kompressionsstrümpfe führe nicht zu einem dauerhaften Behandlungserfolg. Es läge damit ein regelwidriger Körperzustand von Krankheitswert vor. Die Liposculptur sei zwar bisher noch nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe jedoch am 22.05.2014 beschlossen, dass ein sektorenübergreifendes Bewertungsverfahren nach §§ 135, 137c SGB V durchgeführt wird, welches jedoch bisher nicht abgeschlossen sei. Nach drei Jahren laufe das Verfahren jedoch nur schleppend bzw. werde nur zögerlich betrieben. Der Gemeinsame Bundesausschuss komme damit seiner Pflicht, die Überprüfung der Liposculptur als mögliche Behandlungsmethode zu beenden und abschließend zu beurteilen, nicht hinreichend nach. Das Verfahren werde damit in die Länge gezogen und die notwendigen Behandlungsmaßnahmen seitens der Krankenkassen mit bekannter Begründung abgelehnt. Den Patienten könne nicht mehr zugemutet werden, auf die medizinisch dringend empfohlene Behandlung zu verzichten bzw. andere erfolglose Behandlungen durchzuführen. Insofern liege ein Systemmangel vor. Die Klägerin sieht sich durch die zwischenzeitlich ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in ihrer Ansicht bestätigt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die durchgeführten Liposculpturen i. H. v. 15.996,37 € zu erstatten.

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Die Liposculptur gehöre nicht zu den im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Leistungen. Deswegen komme auch der Eintritt einer Genehmigungsfiktion nicht in Betracht. Vielmehr handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Zudem sei kein Systemmangel festzustellen, aus dem ein Anspruch hergeleitet werden könne.

Sie ist der Ansicht, dass das Bestehen eines Sachleistungsanspruches zwingende Voraussetzungen für den Eintritt einer Genehmigungsfiktion sei. § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V könne angesichts der Gesetzeshistorie und in systematischer Auslegung auch des Satzes 7 nur in dem Sinne verstanden werden, dass lediglich "erforderliche" Leistungen, die dem Versicherten "zustehen", vom Regelungsgegenstand der Genehmigungsfiktion erfasst werden. § 13 Abs. 3a SGB V führe zu einer Beschleunigung des Verfahrens, nicht jedoch zu einer Leistungsbewilligung contra legem. Ein anderes Verständnis wäre mit der gesetzlichen Systematik nicht zu vereinbaren. Sie verweist auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 08.03.2016, wonach Leistungen, die sich offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung bewegen, nicht über die Genehmigungsfiktion beansprucht werden können. Es solle insbesondere ein Rechtsmissbrauch vermieden werden, der insbesondere anzunehmen sei, wenn "jedem Versicherten klar sein müsse", dass die begehrte Leistung nicht zum gesetzlichen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Eine Genehmigungsfiktion sei zudem ausgeschlossen, wenn die streitige Leistung von einem nicht zugelassenen Leistungserbringer bezogen werde. In einem solchen Fall liege die Leistung offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Beklagte bestreitet zudem eine wirksame Zahlungsverpflichtung seitens der Klägerin. Nach ihrer Ansicht komme nur ein Kostenerstattungsanspruch in Betracht, sofern eine den Regelungen der GOÄ entsprechende Rechnung erteilt wurde. Erst mit ordnungsgemäßer Rechnungslegung werde der Vergütungsanspruch des Arztes fällig. Vorher bestehe keine Zahlungsverpflichtung der Patientin. Die streitigen Rechnungen würden nicht einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung entsprechen. Die immer gleiche Begründung "Entfernung von Fettgewebe, erschwerte Präparation subdermaler Fibrosierung, Faktor gemäß abweichender Honorarvereinbarung" bzw. "Operation des Lymphödems, Faktor gemäß abweichender Honorarvereinbarung" vermöge keinen über den 2,3-fachen Steigerungsfaktor liegenden Gebührensatz rechtfertigen. Ohne schriftliche Vereinbarung mit der Patientin dürfe der Gebührensatz das 3,5-fache nicht überschreiten. Nach § 2 Abs. 2 GOÄ sei eine entsprechende Vereinbarung nur nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes in einem Schriftstück zu treffen. Dieses müsse neben der Nummer, der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet sei. Weitere Erklärungen dürfe die Vereinbarung nicht enthalten; diese müsse dem Zahlungspflichtigen ausgehändigt werden.

Im Falle der Klägerin fehle es an einer auf den Einzelfall bezogene, die jeweilige ärztliche Leistung betreffende Begründung für die Steigerungsfaktoren. Es würden zudem die Angaben fehlen, welche Extremität / Körperregion behandelt und mit den Ziffern vergütet werden sollen. Die getroffene Honorarvereinbarung sei zudem auf Grund des hohen Steigerungsfaktors sittenwidrig und damit nichtig. Zudem seien die Anästhesiekosten doppelt berechnet worden, da zusätzlich zu der Abrechnung des Anästhesisten jeweils die Gebühr 491 abgerechnet werde. Es werde zudem der gleiche Betrag liquidiert, unabhängig von den Lipödemstadien der behandelten Regionen. Darin liege eine verdeckte Pauschalabrechnung. Sie verwies zudem auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalens mit den Aktenzeichen L 11 KR 28/16 und L 11 KR 480/17.

Gründe

A. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist der seitens der Klägerin verfolgte Anspruch auf Kostenerstattung i. H. v. 15.996,37 € im Überprüfungsverfahren.

B. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage sowie kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft. Der Kostenerstattungsanspruch kann im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden (BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R - juris - Rn. 9). Dafür genügt es, dass ein bindender Verwaltungsakt vorliegt, der Leistungsträger aber gleichwohl nicht leistet (BSG, aaO). Eine Genehmigungsfiktion steht einem Leistungsbescheid gleich. Eine spätere Ablehnungsentscheidung sowie dagegen erhobene Rechtsbehelfe eröffnen ein eigenständiges Verfahren, sodass § 86 SGG keine Anwendung findet (BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R - juris - Rn. 10). Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) zu gewähren, verschafft dem Adressaten eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten. Die Vollstreckung erfolgt nach den Regelungen über vertretbare Handlungen (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1, § 198 Abs. 1 SGG, § 887 ZPO). Es genügt hierfür, dass das Behandlungsziel klar ist. Dass hinsichtlich der Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, beeinträchtigt den Charakter einer Leistung als vertretbare Handlung nicht. Diese allgemeinen Grundsätze gelten ebenso, wenn Patienten zur Konkretisierung der Behandlungsleistung auf die Beratung des behandelnden Arztes angewiesen sind (BSG, Urteil vom 26. September 2017, Az.: B 1 KR 8/17 R - juris - Rn. 17). Der Antrag auf Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung ist nach § 44 SGB X im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft.

C. Gegenstand des Rechtsstreits sind zwei in einer Klage im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) zusammen verfolgte zulässige Klagebegehren: Die allgemeine Leistungsklage auf Kostenerstattung und die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung (BSG, Urteil vom 11. September 2018, Az.: B 1 KR 1/18 R - juris - Rn. 8). Die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung liegen somit vor.

D. Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Kostenerstattungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu. Gleichzeitig ist aus dem gleichen Grund der Bescheid vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2016 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin kann sich zudem auf Vertrauensschutz berufen.

Nach § 13 Abs. 3a Sätze 1 - 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zu Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruches liegen vor (dazu unter I.). Aus dem gleichen Grund waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben (dazu unter II.). Trotz neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung kann sie die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen (dazu unter III.).

I. 1. § 13 Abs. 3a SGB V findet auf den vorliegenden Sachverhalt sowohl zeitlich als auch sachlich Anwendung. Zeitlich hat die Klägerin nach dem 26.02.2013 gestellt, sodass § 13 Abs. 3a SGB V auf den Antrag der Klägerin anwendbar ist. Die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

2. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin vom 22.04.2016, eingegangen am 26.04.2016, erst mit Bescheid vom 07.06.2016 beschieden und damit nicht innerhalb von drei Wochen beschieden. Sie hat auch der Klägerin nicht mitgeteilt, dass sie den MDK einschaltet, sodass diese Frist auch maßgebend war. Im Übrigen erfolgte die Entscheidung der Beklagten auch außerhalb der 5-Wochen-Frist. Gründe für eine Überschreitung der Fristen sind weder ersichtlich noch der Klägerin mitgeteilt worden.

3. Die Klägerin war im Verhältnis zur Krankenkasse auch berechtigt, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Zudem war der seitens der Klägerin gestellte Antrag auch hinreichend bestimmt.

4. Die Leistung war für die Klägerin auch geeignet und erforderlich. Dabei ist diese Voraussetzung nicht in der Hinsicht zu verstehen, dass die Leistung objektiv medizinisch notwendig und vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst ist. Vielmehr muss die Leistungsberechtigte die Leistung subjektiv für erforderlich halten (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R - juris - Rn. 26; BSG, Urteil vom 11.05.2017, Az.: B 3 KR 30/15 R - juris - Rn. 39). Dabei ist der Regelungszweck der Vorschrift zu beachten. Die Regelung soll es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Sie soll jedoch nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs des gesetzlichen Krankenversicherung überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R - juris - Rn. 26). Bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung darf ein Versicherter die beantragte Leistung für erforderlich halten (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017, Az.: B 3 KR 30/15 R - juris - Rn. 40). Der Arzt bringt dadurch zum Ausdruck, dass er den konkreten (körperlichen/geistigen/seelischen) Zustand Unregelmäßigkeit zumaß und angenommen hat, dass die Behandlung bzw. die Therapie eine geeignete und erforderliche Behandlung im System der gesetzlichen Krankenversicherung darstellte (BSG, aaO).

Vorliegend durfte die Klägerin auf Grund der ärztlichen Bescheinigungen von Dr. C. und Prof. Dr. E. davon ausgehen, dass die beantragte Leistung erforderlich ist. Es handelt sich zwar jeweils nicht um eine ärztliche Verordnung, sondern nur um eine ärztliche Bescheinigung. Diese sind aber von ihrem Inhalt jedenfalls in diesem Zusammenhang gleichbedeutend.

5. Die seitens der Klägerin beantragte Leistung lag auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs. Hintergrund dieser Voraussetzung ist, dass die gesetzliche Regelung der Berechtigten nicht zu Rechtsmissbrauch einladen soll, indem sie die Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung überwindet, die ihm deutlich vor Augen stehen oder jedem Versicherten klar sein müssen (BSG, Urteil vom 26.02.2019, Az.: B 1 KR 24/18 - Rn. 20). Dem Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3a SGB V steht es auch nicht dagegen, dass eine Sachleistung betroffen ist, die allgemein nicht zum Leistungskatalog der GKV gehört (BSG, Urteil vom 11.05.2017, Az.: B 3 KR 30/15 R - juris - Rn. 38). Diese liegt nicht außerhalb des Leistungskatalogs, wenn es sich um eine neue, bislang nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 SGB V empfohlene Methode handelt, sofern sie ärztlich befürwortet wird bzw. für geeignet und erforderlich gehalten wird. Die Patientin muss Einzelheiten zu den Voraussetzungen ambulanter und stationärer Leistungserbringung oder des § 2 Abs. 1a SGB V nicht wissen (BSG, Urteil vom 06. November 2018, Az.: B 1 KR 30/18 R - juris - Rn. 26). Auch nach dem gesetzlichen Willen nur Evidenzfälle beschränkt sein (BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, Az.: B 1 KR 20/18 R - juris - Rn. 23).

Die Klägerin durfte auf Grund der ärztlichen Bescheinigungen die Liposculpturen zur Behandlung des Lipödems für geeignet und erforderlich halten. Sie durfte zudem auch die Inanspruchnahme einer Privatklinik für erforderlich halten. Weitere Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch bestehen nicht (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R - juris - Rn. 22).

6. Die Klägerin hat sich nach Ablehnung des Leistungsantrags die Sachleistung selbst beschafft. Dazu war sie berechtigt, da sich der ursprüngliche Anspruch auf die Sachleistung nach Ablauf der Frist in einen Kostenerstattungsanspruch umwandelte. Die Klägerin hat insoweit am 19.04.2016 ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen und sich damit einer endgültigen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt. Die selbstbeschaffte Leistung entsprach auch der genehmigten Leistung. Zudem spricht die Tatsache, dass sich die Klägerin die Leistung außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung beschafft hat, nicht gegen einen Anspruch auf Kostenerstattung. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind insoweit nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vornherein außerhalb des Leistungssystems (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R - juris - Rn. 24).

7. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin einen Behandlungsvertrag abgeschlossen (dazu unter a)). Die entsprechenden Rechnungen waren auch fällig (dazu unter b)).

a) Ausweislich der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann ein Kostenerstattungsanspruch nur entstehen, sofern ein Behandlungsvertrag abgeschlossen wurde. Der hier abgeschlossene Behandlungsvertrag unterfiel dem Anwendungsbereich des § 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), da es sich um eine berufliche Leistung eines Arztes handelte. Ausweislich der Angaben der Klägerin handelte es sich um eine ambulante und nicht um eine stationäre Leistung. Zudem war die Leistung von dem Arzt gegenüber der Klägerin geschuldet.

b) Die Rechnungen waren auch fällig. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss die Rechnung des Arztes die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 - 4 GOÄ erfüllen bzw. fällig sein (BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R - juris - Rn. 29). Nach § 12 Abs. 2 GOÄ muss die Rechnung u. a. das Datum der Erbringung der Leistung, die Nummer der Gebühr und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung, einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz sowie bei Ersatz von Auslagen nach § 10 GOÄ den Betrag und die Art der Auslage enthalten. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ muss, sofern eine berechnete Gebühr nach Absatz 2 Nr. 2 das 2,3fache des Gebührensatzes überschreitet, dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich begründet werden. Sofern eine Leistung nach § 6 Abs. 2 GOÄ berechnet wird, ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis "entsprechend" sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen.

Vorliegend enthalten die Rechnungen vom 18.08.2019, 29.09.2016 und vom 27.10.2016 das Datum der Operation und damit das Datum der Leistungserbringung. Die Gebührenpositionen werden entsprechend den Nummern des Gebührenverzeichnisses bezeichnet. Es wird zudem die einzeln berechnete Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung ggf. genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz bezeichnet. Weitere Fälligkeitsmerkmale nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 - 5 GOÄ werden nicht bezeichnet bzw. mussten nicht bezeichnet werden, da entweder die entsprechenden Auslagen bzw. Entschädigungen nicht angefallen waren bzw. die Krankenbehandlung ambulant durchgeführt wurde. Der behandelnde Arzt hat mit dem Verweis auf die abgeschlossene Honorarvereinbarung auch eine verständliche und nachvollziehbare schriftliche Begründung der Überschreitung des 2,3-fachen des Gebührensatzes gegeben. Eine Begründung mit dem Abschluss einer Honorarvereinbarung ist insoweit zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 02. September 2014, Az.: B 1 KR 11/13 R - juris - Rn. 30).

Soweit die Klägerin zusätzlich zu den Kosten der Operationen Erstattung von Arzneimitteln und Laborkosten begehrt, sind diese ebenfalls erstattungsfähig, soweit sie aus medizinischen Gründen durch die Liposculpturen erforderlich wurden (BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, Az.: B 1 KR 33/17 R - juris - Rn. 45).

Vor diesem Hintergrund ist das Gericht vor dem Hintergrund vor den ausstehenden Ausführungen nicht zu der Überzeugung gekommen, dass ein Pauschalhonorar vereinbart worden ist. Es liegt auch entgegen der Ansicht der Beklagten keine verdeckte Pauschalabrechnung vor.

c) Die Fälligkeit der Rechnung wird auch nicht dadurch berührt, dass die Rechnung mit dem materiellen Gebührenrecht nicht übereinstimmt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2006, Az.: III ZR 117/06). Gleiches muss insoweit auch für die seitens der Beklagten gerügte Verstöße gegen §§ 134, 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gelten. Eine materiell-rechtliche Prüfung der Behandlungsverträge nebst Honorarvereinbarung findet nach Auffassung des Gerichts nicht statt.

8. Damit besteht der geltende gemachte Leistungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte.

II. Aus den unter I. 1. - 7. dargelegten Gründen sind die entgegenstehende Bescheide aufzuheben. Der Aufhebungsanspruch ergibt sich dabei insoweit aus § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), da der ursprüngliche Bescheid vom 07.06.2016 mangels Erhebung eines Widerspruchs seitens der Klägerin bestandskräftig geworden ist.

III. Die zwischenzeitlich erfolgte Aufgabe der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 26.05.2020, Az.: B 1 KR 9/18 R, und vom 18.06.2020, Az.: B 3 KR 14/18 R, B 3 KR 6/19 R und B 3 KR 13/19 R, welche den Ausführungen unter I. zugrunde lag, führt zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage, da sich die Klägerin insoweit auf Vertrauensschutz berufen kann (dazu unter 1. + 2.).

1. Auch die rechtsprechende Gewalt ist als ein Träger hoheitlicher Gewalt dem Rechtsstaatsprinzip [Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG)] verpflichtet. Sofern der Richter offene Rechtsbegriffe in einem Gesetz auslegt oder bildet er das Recht fort, stehen die sich daraus ergebenden Einschränkungen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG nur mit der Verfassung im Einklang, wenn sie den Grundentscheidungen des Grundgesetzes, vornehmlich dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, entsprechen. Wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips verkörpern die Grundsätze der Rechtssicherheit und die Idee der materiellen Gerechtigkeit (BFH, Beschluss vom 17. Dezember 2007, Az.: GrS 2/04 - juris - Rn. 98). Dabei gehört es zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung im Rahmen der Gesetze von ihr als rechtsgrundsätzlich aufgestellte Rechtssätze zu überprüfen und sie, wenn erforderlich, weiter zu entwickeln. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass ein früher als richtig angesehenes Normverständnis aufgegeben und abweichend entschieden wird. Der Umstand, dass ein im Wege richterlicher Rechtsfindung gewonnener Rechtssatz über einen langen Zeitraum Beachtung fand, mag in die Entscheidung einfließen, ob es gerechtfertigt ist, einen abweichenden Rechtssatz aufzustellen. Dies verleiht indes dem bisherigen Rechtssatz keine höhere Wertigkeit oder eine verfassungsrechtlich erhebliche Bestandsgarantie. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, an denen Rechtsprechungsänderungen zu messen sind, unterscheiden sich, abgesehen von dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, nicht von denjenigen, die gegenüber dem erstmaligen Aufstellen eines Rechtssatzes durch ein Gericht angezeigt sind. Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt damit keine vergleichbare Rechtsbindung. Es verstößt somit nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG, eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben. Insofern beruht allein die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung alleine auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Insofern bedarf es deswegen nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen, damit ein Gericht ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von seiner früheren Rechtsprechung abweichen kann. Es darf daher kein Prozessbeteiligter darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (eingehend dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05. November 2015 - 1 BvR 1667/15 - juris - Rn. 12).

2. Vorliegend ist vor der Änderung der Rechtsprechung zur Genehmigungsfiktion durch die oben konkret bezeichneten Entscheidungen des Bundessozialgerichts von einer gefestigten Rechtsprechung auszugehen. Das Bundessozialgericht hat seit dem Jahre 2016 eine umfassende Konzeption der Genehmigungsfiktion entwickelt und auch noch zuletzt bestätigt. Beispielhaft wird dazu auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R und B 1 KR 26/16 R, vom 26.09.2017, Az.: B 1 KR 8/17 R, vom 15. März 2018, Az.: B 3 KR 18/17 R, vom 24. April 2018, Az.: B 1 KR 10/17 R, vom 11. September 2018, Az.: B 1 KR 1/18 R, vom 26. Februar 2019, Az.: B 1 KR 33/17 R und B 1 KR 20/18 R, und vom 27. August 2019, Az.: B 1 KR 1/19 R verwiesen. Insofern geht das Gericht davon aus, dass es sich um eine gefestigte Rechtsprechung gehandelt hat.

Vor diesem Hintergrund einer gefestigten Rechtsprechung kann das erkennende Gericht nicht erkennen, dass es sich um eine unbedenkliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt. Mangels bisherigen Veröffentlichung der Entscheidungsgründe der bereits erwähnten Urteile des Bundessozialgerichts kann das Gericht zwar noch nicht beurteilen, ob diese, insbesondere vor dem Hintergrund des Wortlauts des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V und der unbestrittenen Auffassung, dass es sich bei vorläufigen Leistungsentscheidungen in anderen Bereichen des Sozialrechts, beispielsweise § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 41a Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und § 44a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), bei denen es sich unstreitig um Verwaltungsakte handelt, hinreichend begründet ist. Das Gericht möchte diesbezüglich auch ohne Kenntnis der Entscheidungsgründe keine Spekulationen anstellen, behält sich aber vor, dies eigenständig zu beurteilen.

Jedenfalls hält sich diese Änderung der Rechtsprechung - wie durch die zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts aufgezeigt - nicht im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung. Damit wurde durch diese gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der jedenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendung im Rahmen von Billigkeitserwägungen Rechnung getragen werden muss.

Das Bundessozialgericht hat seine Entscheidungen ausweislich der veröffentlichen Terminsberichte insbesondere auch maßgeblich auf die Neueinführung von § 18 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zum 01.01.2018 abgestellt. Insofern ist das Gericht der Auffassung, dass wenigstens Vertrauensschutz für diejenigen Leistungsberechtigten zu gewähren ist, die ihren Antrag vor dem 01.01.2018 gestellt haben, bei deren Leistungsantrag eine Genehmigungsfiktion nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eingetreten ist und die Leistungsberechtigten sich diese Leistung in Vertrauen auf diese Rechtsprechung vor dem 01.01.2018 selbst beschafft haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin insoweit, da sie ihren Antrag vor dem 01.01.2018 gestellt, eine Genehmigungsfiktion - wie die Ausführungen unter I. zeigen - eingetreten ist und sie sich in Vertrauen auf die höchstrichterliche Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, die Leistung vor dem 01.01.2018 beschafft hat. Vor diesem Hintergrund ergibt sich der Anspruch der Klägerin trotz geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung nach der bisherigen Auslegung von § 13 Abs. 3a Sätze 6, 7 SGB V i. V. m. dem Grundsatz des Vertrauensschutzes.

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang der jeweiligen Verfahren Rechnung. Die Berufung ist nach §§ 143, 144 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands von 750,-€ deutlich überschritten wird.

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