OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2021 - 1 L 14/20
Fundstelle
openJur 2021, 4373
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. April 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert beträgt 240 Euro.

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegner gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung der gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG zuständigen Vorsitzenden Richterin am Verwaltungsgericht Berlin vom 22. April 2020 ist gemäß § 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 2020 - 6 AV 7.19 u.a. - juris Rn. 13 m.w.N.), aber nicht begründet.

I. 1. Das Verwaltungsgericht hat sich zusammengefasst auf folgende Angaben des Antragstellers gestützt: Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (im Folgenden: BMI) werde mit der - damals noch zuzustellenden - Verfügung vom 26. März 2020 gegenüber der Hizb Allah (auch Hisbollah) ein sofort vollziehbares Betätigungsverbot aussprechen, weil Zweck und Tätigkeit dieser ausländischen Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richteten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG; zum zweiten Verbotstatbestand vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - A 4.15 - juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Nach den Angaben in der Verbotsverfügung des BMI verstehe sich die Hizb Allah als untrennbares, soziales, politisches und militärisches Gesamtgefüge, an dessen Spitze ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah stehe. Außerhalb des Libanon unterhalte die Hizb Allah mit ihren Anhängern ein globales Netzwerk mit Schwerpunkten in Europa, Südamerika und Afrika, das sich auch auf Deutschland erstrecke. Dieses Netzwerk diene als Basis für die Generierung von personellen, materiellen und finanziellen Unterstützungsleistungen aus dem Ausland. Die Hizb Allah zeichne sich durch eine streng hierarchische Struktur und zentrale Steuerung aus. Ihre über den Libanon hinaus reichende Befehls- und Weisungsstruktur umfasse Grundsatzanweisungen bis hin zu konkreten Einzelanweisungen. Die Vernetzung und Einflussnahme der Hizb Allah erfolge insbesondere über ihre "Abteilung für Außenbeziehungen". Diese entsende regelmäßig Funktionäre und sog. Reisescheichs nach Europa und Deutschland. Die Anhänger der Hizb Allah träfen sich in örtlichen Moscheevereinen. Neben dem Auf- und Ausbau sowie der Pflege ihrer Strukturen nutze die Hizb Allah Deutschland nicht nur als Raum für Spendensammelaktivitäten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 A 4.15 - juris Rn. 31 ff. zum Spendensammelverein "Waisenkinderprojekt Libanon e.V."), sondern auch als Aktionsraum für Beschaffungsaktivitäten und Anschlagsplanungen.

In diesem Rahmen habe ein hoher Funktionär der Hizb Allah, (Scheihk) A..., den Zulassungsantrag mit Schriftsatz vom ...sgegner zu 1. in den Jahren 2018 und 2019 besucht. Dies lege den Verdacht auf dessen Eingliederung in die Hizb Allah nahe. Der (für sich genommen unstreitige) Umstand, dass der Antragsgegner zu 1. jährlich eine große Veranstaltung zum "sog. Tag der Befreiung" durchführe und das jährliche "Ashura-Fest" begehe, sei Ausdruck dafür, dass der Antragsgegner zu 1. den uneingeschränkten Führungsanspruch der Hizb Allah anerkenne; denn diese sehe die Beteiligung an solchen Aktivitäten und Feierlichkeiten als Unterstützungsbeitrag an, den sie von ihren Unterstützern regelmäßig einfordere. Der Antragsgegner zu 1. habe auch das jährlich von dem Generalsekretär der Hizb Allah herausgegebene "Ashura-Logo" und die "Ashura-Losung" verwendet. Die dem Antragsgegner zu 1. zuzuordnende Pfadfindergruppe "Al-Irschad Jugend", sei mit hellblauen Hemden und gelben Halstüchern vergleichbar gekleidet wie die von der Hizb Allah im Jahr 1985 gegründete Pfadfindergruppe "Imam al-Mahdi Scouts" im Libanon. Mit ihren Jugendorganisationen verfolge die Hizb Allah den Zweck, für Nachwuchs zu sorgen, der sich später entweder ihrem militärischen Flügel anschließe oder in ihren zivilen Stiftungen diene. All dies rechtfertige in der Zusammenschau den Schluss, dass der Antragsgegner zu 1. ideologisch mit der Hizb Allah übereinstimme, diese propagandistisch unterstütze und unter deren maßgeblichen Einfluss stehe.

2. Hiergegen bringt die Beschwerde im Wesentlichen Folgendes vor:

A...sei ein religiöser Gelehrter, dessen Rolle innerhalb der Hizb Allah dahinstehen könne, weil der Antragsgegner zu 1. ihn als Geistlichen eingesetzt habe. Es könne auch dahinstehen, ob die Hizb Allah die Beteiligung an den Feiern zum "Tag der Befreiung" als Regel für ihre Unterstützer ansehe; dies lasse jedenfalls nicht den Umkehrschluss zu, dass alle, die - wie der Antragsgegner zu 1. - diesen Nationalfeiertag feierten, der Hizb Allah angehörten oder ihr nahe stünden. Dies gelte auch für das "Ashura-Fest", das unter Moslems schiitischen Glaubens im Allgemeinen eine hohe Bedeutung habe. Selbst wenn die genannten Losungen und Logos, die auch die Hizb Allah gebrauche, verwendet worden seien, so könne dies, selbst wenn es zuträfe, dass mit der Hizb Allah nicht verbundene Schiiten deren Losungen und Logos nicht benutzten (was bezweifelt wird), nicht als Anhaltspunkt für eine Beherrschung durch die Hizb Allah interpretiert werden. Die nur vergleichbare, aber nicht identische Kleidung der "Al-Irschad Jugend" lasse den Schluss auf eine organisatorische Eingliederung des Antragsgegners zu 1. in die Hizb Allah ebenfalls nicht zu.

II. Diese Einwendungen greifen nicht durch. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Durchsuchung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG haben in dem für die Beurteilung des Beschwerdegerichts maßgeblichen Erlasszeitpunkt des angegriffenen Beschlusses (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 2020 - 6 AV 7.19 u.a. - juris Rn. 33) vorgelegen und sind auch nicht nachträglich weggefallen (vgl. dazu VGH Mannheim, Beschluss vom 2. April 2019 - 1 S 982/18 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. September 2018 - 2 BvR 708/18 - NJW 2018, 3571, juris Rn. 25).

1. Nach allgemeiner Ansicht setzt eine vereinsrechtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung einen auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützten Anfangsverdacht voraus; Vermutungen ohne Tatsachengrundlage reichen hingegen nicht aus. Ein solcher durch Tatsachen begründeter Anlass entspricht qualitativ dem Anfangsverdacht als Anlass für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO). Für die angeordneten Ermittlungsmaßnahmen genügen sachlich zureichende Gründe (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2018 - 2 BvR 708/18 - juris Rn. 27 und vom 5. Mai 2011 - 2 BvR 1011/10 - juris Rn. 19; BGH, Beschluss vom 12. August 2015 - StB 8/15 - juris Rn. 4; Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2018 - OVG 1 S 13.18 - juris Rn. 11; OVG Koblenz, Beschluss vom 9. August 2018 - 7 E 10306/18 - juris Rn. 17, jeweils m.w.N.). Die behördlichen Ermittlungsmaßnahmen dürfen ergriffen werden, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass sie neue tatsächliche Erkenntnisse erbringen oder bisherige Erkenntnisse erhärten, aber auch in Frage stellen können. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts, der durch die vorgelegen Indizien auch nicht gestützt würde, wie die Beschwerde insoweit noch zutreffend meint, bedarf es hingegen nicht. Auf die bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände ist im vorliegenden Verfahren nicht abzustellen, da diese im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht bekannt isten. Liegt bereits eine behördliche Verbotsfeststellung vor, wie hier das Betätigungsverbot für die Hizb Allah, so gelten diese Grundsätze fort. Behördliche Ermittlungsmaßnahmen dürfen auch nach Erlass der Vereinsverbotsverfügung ergriffen werden, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG gegeben sind, d.h. wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass sie neue tatsächliche Erkenntnisse erbringen oder bisherige Erkenntnisse erhärten, aber auch in Frage stellen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2001 - 6 B 3.01 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 33, 1. Leitsatz). Ob diese behördliche Verfügung und die ihr zugrundeliegende Verbotsfeststellung zu Recht ergangen sind, bedarf in diesem Verfahrensstadium keiner abschließenden Beurteilung. Das anordnende Gericht ist allerdings mit Rücksicht auf die von einer Ermittlungsmaßnahme betroffenen Grundrechte verpflichtet, die für die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung angeführten Gründe in summarischer Form auf ihre Schlüssigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen (vgl. zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 2020 - 6 AV 7.19 u.a. - juris Rn. 29 ff. m.w.N.).

2. Nach diesen Maßgaben ist der angegriffene Beschluss zu Recht ergangen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt weder die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses (Hauptantrag) noch die Feststellung dessen Rechtswidrigkeit (Hilfsantrag). Hierzu im Einzelnen:

a. Hinsichtlich des für sofort vollziehbar erklärten Betätigungsverbots des Bundesministeriums des BMI vom 26. März 2020 zu Lasten der Vereinigung Hizb Allah, dessen Rechtmäßigkeit die Antragsgegner ausdrücklich nicht in Frage stellen, kann gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts (Beschluss, S. 4 f.) verwiesen werden.

b. Entgegen der Ansicht der Beschwerde stellt sich der angegriffene Beschluss nicht als rechtswidrig dar, weil zum Zeitpunkt seines Erlasses ein konkreter, auf bestimmte Tatsachen gestützter Verdacht gefehlt habe, dass es sich bei dem Antragsgegner zu 1. um eine vom Betätigungsverbot des BMI erfasste Teilorganisation der Hizb Allah im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG handelte.

aa. Dass die Beherrschung des Antragsgegners zu 1. durch die Hizb Allah weder bewiesen noch ein dringender Verdacht gegeben sei, trifft zu, führt im vorliegenden Verfahren, in dem ein bloßer Anfangsverdacht ausreicht (s.o.), aber nicht weiter. Vielmehr reicht es aus, dass die für eine Teilorganisation sprechende Beherrschung des Antragsgegners zu 1. durch die Hizb Allah in sachlich zureichender Weise auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt werden kann, die für eine Verflechtung bei der Willensbildung und eine Weisungsunterworfenheit sprechen. Hiervon ist das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen.

bb. Das Verwaltungsgericht hat die Angaben in der Verfügung des BMI vom 26. März 2020, wonach die Hizb Allah streng hierarchisch strukturiert sei und nach einheitlichen zentralen Vorgaben, u.a. ihres Generalsekretärs Nasrallah, arbeite, ebenso beanstandungsfrei zugrunde gelegt wie die geheimdienstlichen Erkenntnisse, wonach die Hizb Allah ihre Tätigkeit auch auf Deutschland erstrecke und mit ihren hiesigen Anhängern ein Netzwerk unterhalte, das insbesondere über die "Abteilung für Außenbeziehungen" gesteuert werde, die regelmäßig sog. Reisescheichs nach Deutschland entsende. Dies stellt die Beschwerde auch nicht grundsätzlich in Frage (zur Eingliederung eines [anderen] Teilvereins in die Hizb Allah vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 A 4.15 - juris Rn. 42 ff.).

Diese bereits in der Antragsschrift enthaltenen Angaben werden durch das vorgelegte Behördenzeugnis des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 19. November 2020 untermauert, wonach A...H... mehrfach nach Deutschland gereist sei und verschiedene als Hizb Allah-nah eingestufte Vereine besucht habe. Hierbei sei er - zumindest gegenüber den Vereinsfunktionären dieser Vereine - als Angehöriger der "Abteilung für Außenbeziehung" der Hizb Allah und als deren Verantwortlicher für die deutschen Vereine aufgetreten. Der Umstand, dass die mit den Angaben in der Antragsschrift übereinstimmenden Erklärungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz erst im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereicht worden sind, belegt nicht, dass diese Erkenntnisse erst nach oder aufgrund der Durchsuchung gewonnen wurden (siehe dazu auch nachfolgende Ausführungen).

Vor diesem Hintergrund durfte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass A... den Zulassungsantrag mit Schriftsatz vom ...sgegner zu 1. in den Jahren 2018 und 2019 (insoweit unstreitig) besucht und den Einfluss der Hizb Allah geltend gemacht habe. Es erscheint lebensfremd und nicht glaubhaft, dass der Antragsgegner zu 1. die Stellung des A...H... innerhalb der Hizb Allah sowie dessen Auftreten als Angehöriger der "Abteilung für Außenbeziehung" nicht gekannt habe. Dagegen spricht schon die Angabe des Antragsgegners zu 1., dass er ständig wechselnde Gelehrte beschäftige, "unter denen auch viele sind, die Hizb Allah fern stehen"; denn dies zeigt im Umkehrschluss, dass ihm die jeweiligen Näheverhältnisse der eingeladenen Gelehrten zur Hizb Allah durchaus bekannt isten.

Der Antragsteller hat seine Angaben in der Antragsschrift, wonach es sich bei A... um einen hohen Funktionär der Hizb Allah handele, im Beschwerdeverfahren u.a. damit weiter begründet und belegt, dass der Genannte diese Funktion im Einflussgebiet der Hizb Allah in der Elfenbeinküste wahrgenommen habe (vgl. Anlage 1 zur Erwiderung vom 27. August 2020). Von daher liegt der Anfangsverdacht nahe, dass dieser auch den Zulassungsantrag mit Schriftsatz vom ...sgegner zu 1. in seiner Funktion als sog. Reisescheich aufgesucht und den Einfluss der Hizb Allah geltend gemacht habe; denn die für sich genommen nicht bestrittenen Besuche des Anis Hijazi passen ins Bild der auf diese Weise organisierten Befehls- und Weisungsstrukturen der Hizb Allah. Eines Nachweises, dass A...azi im Auftrag der Hizb Allah in Europa aufgetreten ist, bedarf es im vorliegenden Verfahren (noch) nicht.

Dass sich die Tätigkeit als religiöser Gelehrter und die Funktion als sog. Reisescheich nicht ausschließen, sondern aus Verschleierungsgründen sogar ergänzen können, liegt auf Hand. Deshalb lässt das Schreiben des "General Director of The Supreme Shiite Islamic Council" vom 20. Dezember 2018 an den schwedischen Botschafter im Libanon, in dem ein Visum für "sheick A..." beantragt wird, das ihm "to practice the religious rituals of Shiite Islamic community in Sweden" ermöglichen sollte, den Verdacht, dieser sei ein sog. Reisescheich der Hizb Allah, nicht entfallen. Einerseits besagt das Schreiben nichts über die Besuche bei dem Antragsgegner zu 1., zum anderen hat der Antragsteller nachvollziehbar ausgeführt, das Vertreter der Hizb Allah ebenfalls Mitglieder des "Supreme Shiite Islamic Council" sind.

bb. Auch die vom Antragsteller vorgetragenen Indizien im Zusammenhang mit den jährlichen Veranstaltungen des Antragsgegners zu 1. zum "sog. Tag der Befreiung" (Jahrestag des Rückzugs Israels aus dem Südlibanon am 25. Mai 2000) und den jährlichen Feiern zum "Ashura-Fest" vermögen den Anfangsverdacht, dass der Antragsgegner zu 1. den Führungsanspruch der Hizb Allah anerkennt, in der Gesamtschau zu stützen. Danach seien bei den vom Antragsgegner zu 1. veranstalteten Feiern am 5. Mai 2019, 13. Mai 2018 und 24. Mai 2017 zum "Tag des Sieges und der Befreiung", u.a. auch durch den Zulassungsantrag mit Schriftsatz vom ...sgegner zu 2., Grußworte an die Hizb Allah und deren Generalsekretär Nasrallah gerichtet, deren Stärke (der Hizb Allah) beim Sieg über Israel betont, ihre gegenwärtige Rolle für die Sicherheit des Libanon herausgestellt und wiederholt gefordert, die Hizb Allah möge helfen und stark genug sein, um weitere Gebiete im Südlibanon sowie Palästina mit der Hauptstadt Jerusalem von den Israelis zu befreien. Am 5. Mai 2019 sei zur Eröffnung der Feier auch die Hymne der Hizb Allah abgespielt worden. Daraus werde die ideologische Übereinstimmung des Antragsgegners zu 1. mit der Hizb Allah sowie deutlich, dass bei diesen Feierlichkeiten der Charakter des nationalen Feiertags hinter dem einer Siegesfeier für die Hizb Allah zurückgetreten sei (vgl. Anlage 2 zur Erwiderung des Antragstellers im Schriftsatz vom 27. August 2020).

Soweit die Beschwerde bestreitet, dass der damalige libanesische Botschafter und nunmehr Ministerpräsident des Libanon (ein Sunnit) die Hizb Allah und Herrn Nasrallah begrüßt sowie die Stärke der Hizb Allah für den Sieg über Israel betont habe, was in den vorgelegten Redemanuskripten des Botschafters aus den Jahren 2018 und 2019 belegt werde, vermag auch dies den Anfangsverdacht nicht zu entkräften, dass es sich bei dem Antragsgegner zu 1. um eine Teilorganisation der Hizb Allah handelt. Dass sich der Antragsteller hierbei nicht auf allgemein zugängliche, sondern auf nachrichtendienstliche Quellen gestützt hat, steht deren Berücksichtigung nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2018 - OVG 1 S 13.18 - juris Rn. 19 m.w.N.). Zur Darlegung der Verdachtsgründe kann auf sog. Behördenzeugnisse zurückgegriffen werden, sofern ihre eingeschränkte Aussagekraft als sekundäre Beweismittel berücksichtigt wird. Bei dem Umfang ihrer Beweiskraft ist zu berücksichtigen, ob sie lediglich - wie hier - zum Beleg eines Anfangsverdachts (§ 160 Abs. 1 StPO) oder zur Begründung einer höheren Verdachtsstufe herangezogen werden (BGH, Beschluss vom 12. August 2015 - StB 8/15 - juris Rn. 4). Dass das Behördenzeugnis vom 27. August 2020 zum Erlasszeitpunkt des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses noch nicht vorgelegt worden ist, steht einer Berücksichtigung der darin enthaltenen Erkenntnisse, die aus den Jahren 2013 bis 2018 und damit aus einem lange vor Erlass des angegriffenen Beschluss liegenden Zeitraum stammen, im Beschwerdeverfahren nicht entgegen; denn hiermit wird lediglich das bereits dem Verwaltungsgericht unterbreitete Antragsvorbringen spezifiziert und bekräftigt, wonach zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vorlagen. Dass die Hymne der Hizb Allah nicht gesungen worden sei, lässt sich mit den seitens der Antragsgegner in Bezug genommenen Videoaufzeichnungen (Facebook) nicht widerlegen, da diese die Eröffnung der Feier nicht zeigen.

Der Antragsteller hatte bereits mit der Antragsschrift (vgl. dortige Anlagen 3, 4 und 5) auch Belege dafür vorgelegt, dass der Antragsgegner zu 1. die von der Hizb Allah ausgegebenen "Ashura-Losungen" und -Logos in sozialen Netzwerken gezeigt und die Vereinsräumlichkeiten damit dekoriert habe. Ferner hatte der Antragsteller gegenüber dem Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass Anhänger des schiitischen Glaubens, die nicht der Hizb Allah verbunden seien, weder die Losung noch das Logo, die jedes Jahr persönlich von Hassan Nasrallah herausgegeben würden, nutzten, was die Antragsgegner lediglich bezweifeln.

Diese tatsächlichen Anhaltspunkte werden nicht dadurch entkräftet, dass das "Ashura-Fest" zu den höchsten schiitischen Feiertagen zähle und insbesondere von Moslems schiitischer Glaubensrichtung weltweit gefeiert werde. Den von der Beschwerde gezogenen "Umkehrschluss", dass alle, die diesen Nationalfeiertag feierten, der Hizb Allah angehörten oder ihr nahe stünden, hat weder der Antragsteller noch das Verwaltungsgericht gezogen. Immerhin hält auch die Beschwerde eine Nähe des Antragsgegners zu 1. oder einzelne seiner Mitglieder zur Hizb Allah für möglich, und meint lediglich, daraus ließe sich für die Annahme einer Integration des Antragsgegners zu 1. in die Hizb Allah im Sinne einer organisatorischen Eingliederung und Weisungsunterworfenheit nichts ableiten. Dies überzeugt im Rahmen der hier nur möglichen Prüfungstiefe nicht. Die weitere Aufklärung muss insoweit einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

cc. Das Vorbringen der Antragsgegner entkräftet auch den Verdacht nicht, dass es sich bei der Pfadfindergruppe des Antragsgegners zu 1. um eine Jugendorganisation handelt, die den "Imam al-Mahdi Scouts" der Hizb Allah entspricht. Hierfür spricht die auffällige äußere Ähnlichkeit in der Kleidung im Zusammenhang mit der aus den vorstehenden Indizien abgeleiteten ideologischen Übereinstimmung mit der Hizb Allah. Daraus hat das Verwaltungsgericht in der Gesamtschau nachvollziehbar gefolgert, dass der Antragsteller zu 1. Jugendarbeit im Sinne der Hizb Allah leiste.

c. Dass vereinsrechtliche Ermittlungsmaßnahmen gegen Vereinsmitglieder regelmäßig zur Klärung der aufzuklärenden Fragen beitragen können, wenn es sich - wie hier - um führende Mitglieder des Vereins handelt, entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 2020 - 6 AV 7.19 u.a. - juris, 4. Leitsatz). Insoweit besteht regelmäßig eine tragfähige Auffindungseristtung, dass diese Personen im Besitz von Gegenständen sind, die Aufschluss über Zielrichtung und Tätigkeit des Vereins geben und die für das Verbotsverfahren von Bedeutung sein können (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2018 - OVG 1 S 13.18 - juris Rn. 5 mit umfangr. Nachw.). Diese Eristtung haben die Antragsteller nicht widerlegt; sie ist auch sonst nicht entfallen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Als Streitwert des vorliegenden Beschwerdeverfahrens fällt die Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) i.H.v. 60 Euro an, die in Anlehnung an Nr. 1.1.3 und 1.5. des Streitwertkatalogs für die vier Antragsteller auf den ausgeworfenen Wert (4 x 60 = 240 Euro) zu addieren ist.

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