ArbG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2016 - 6 Ca 4912/15
Fundstelle
openJur 2021, 4187
  • Rkr:

1. Wird der Weiterbeschäftigungsanspruch in einem gesonderten Verfahren erst nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage geltend gemacht, wirkt ein über die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens geschlossener Vergleich ohne besondere Vereinbarung nur für die Zukunft ab dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.

2. Steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung aufgelöst ist, scheiden Ansprüche auf Annahmeverzugslohn für Zeiträume aus, die der Vergleich über die Weiterbeschäftigung nicht erfasst und in denen keine Arbeitsleistung erbracht wurde.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten werden dem Kläger auferlegt.

3. Streitwert: 32.637,72 EUR

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Annahmeverzugslohnansprüchen.

Die Parteien waren in der Vergangenheit arbeitsvertraglich verbunden. Auf das Arbeitsverhältnis fand über arbeitsvertragliche Inbezugnahme der MTV DT TS Anwendung. Dieser enthält unter anderem die folgende Regelung:

"§ 31 Ausschlussfrist

(1) Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen bedarf es keiner erneuten schriftlichen Geltendmachung, sofern der nicht oder unzutreffend erfüllte Anspruch auf demselben Fehler beruht. Nach Ablauf der vorstehenden Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen.

Protokollnotiz zu § 31 Absatz 1:

Bis zum 30.06.2008 gilt eine abweichende Ausschlussfrist von zwölf Monaten.

(2) Im Falle des Ausscheidens des Arbeitnehmers müssen die Ansprüche beider Seiten spätestens drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden. Nach Ablauf der vorstehenden Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen.

(3) Wird ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, muss er spätestens drei Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn eine Kündigungsschutz- oder Feststellungs- bzw. Leistungsklage anhängig gemacht wird. In diesem Falle ist der Anspruch bis spätestens zwei Monate nach Zugang des rechtskräftigen Urteils geltend zu machen. Nach Ablauf der vorstehenden Fristen ist die Geltendmachung ausgeschlossen.

(4) Werden die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis trotz Geltendmachung durch Bestreiten in Schriftform nicht erfüllt oder nur teilweise erfüllt, ist innerhalb einer Frist von zwei Monaten Klage zu erheben. Wird keine Klage erhoben, verfallen die Ansprüche."

Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird auf Bl. 88 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte erklärte im Jahr 2009 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2009. Der Kläger obsiegte mit seiner hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage in der ersten, verlor indes in der zweiten Instanz. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Hinsichtlich der vom Kläger in den Monaten Juli-September 2009 verdienten Bezüge wird auf die Abrechnungen für diese Monate zu Bl. 8-10 d.A. Bezug genommen.

In der Zwischenzeit erhob der Kläger nach erfolgloser Geltendmachung der Weiterbeschäftigung bei der Beklagten Klage zum Arbeitsgericht Düsseldorf auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Kündigungsschutzklage. In jenem Verfahren einigten sich die Parteien unter dem 14.09.2012 darauf, dass die Beklagte den Kläger antragsgemäß weiter beschäftigen werde, im Gegenzug aber zur Freistellung berechtigt sein sollte. Hierdurch sollte kein neues Arbeitsverhältnis begründet werden. Wegen des genauen Inhalts des Vergleiches wird auf Bl. 6 d.A. (Rückseite) Bezug genommen.

Die Beklagte übte direkt ihr Recht auf Freistellung aus und vergütete den Kläger zunächst ab Dezember 2012. Nach dem 31.10.2009 war der Kläger nicht mehr tätig.

Unter dem 27.09.2012 macht der Kläger Annahmeverzugslohnansprüche für die Zeit von November 2011 bis September 2012 geltend, Wegen der Einzelheiten des Geltendmachungsschreibens wird auf Bl. 7 d.A. Bezug genommen.

Mit Urteil vom 18.02.2015 zum Aktenzeichen 7 Sa 1024/14 wies das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung zum 31.10.2009 schließlich ab, die Revision wurde nicht mehr zugelassen. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 94-106 d.A. Bezug genommen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde am 23.07.2015 vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen. Zwischenzeitlich hat der Kläger Verfassungsbeschwerde erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate November 2011 bis einschließlich November 2012. Die Beklagte müsse ihm dies jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines faktischen Arbeitsverhältnisses zahlen. Die Beklagte habe als Annahmeverzugslohn jedenfalls den niedrigsten Monatslohn der letzten drei Monate vor dem 31.10.2009 zu zahlen, nämlich 3.094,89 € brutto.

Der Kläger beantragte zuletzt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.637,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.094,89 E’UR seit dem 17.11.2011, seit dem 17.12.2011, seit dem 17.01.2012, seit dem 17.02.2012, seit dem 17.03.2012, seit dem 17.04.2012, seit dem 17.05.2012, seit dem 17.06.2012, seit dem 17.07.2012, seit dem 17.08.2012, seit dem 17.09.2012, seit dem 17.10.2012 und seit dem 17.11.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger könne mangels Arbeitsverhältnisses im streitgegenständlichen Zeitraum kein Entgelt verlangen. Ein Arbeitsverhältnis ergebe sich insofern auch nicht aus dem geschlossenen Vergleich. Jedenfalls seien die Ansprüche bis einschließlich März 2012 nach § 31 MTV verfallen.

Die Klage ist am 27.11.2012 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangen und der Beklagten am 04.12.2012 zugestellt worden. Der Kläger hat die Klage "bezüglich der Monate September, Oktober und November 2012 in Höhe des Gesamtbruttobetrages von 7.595,85 € brutto" mit Schriftsatz vom 06.12.2012, auf den zu Bl. 16 d.A. Bezug genommen wird, zurückgenommen, nachdem die Beklagte für diese Zeit einen Betrag in dieser Höhe geleistet hatte. Mit Beschluss vom 13.12.2012 setzte das Arbeitsgericht Düsseldorf den hiesigen Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage aus. Wegen des weiteren Vorbringens und wegen der Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, sowie die Terminsprotokolle ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage war nicht begründet.

A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Zeit von November 2011 bis zum 14.09.2011. In dieser Zeit bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis.

I. Das vormals zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung der Beklagten zum 31.10.2009. Das steht zwischen den Parteien mit Rechtskraftwirkung nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.02.2015 fest. Ein Rechtsstreit findet sein Ende dadurch, dass durch Unanfechtbarkeit der ihn abschließenden Entscheidung der Bestand des richterlichen Spruchs gesichert wird und diese dann formelle (äußere) Rechtskraft (vgl. § 705) erlangt (Musielak ZPO/Musielak ZPO § 322 Rn. 1, beckonline). Durch die nunmehrige Unanfechtbarkeit der benannten Entscheidung liegt zunächst formelle Rechtskraft vor, so dass nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 322 ZPO zwischen den Parteien feststeht, dass die Kündigung zum 31.10.2009 wirksam ist.

II. Etwas anderes folgt nicht aus dem im Weiterbeschäftigungsverfahren geschlossenen Vergleich. Soweit man in diesem die Vereinbarung eines Prozessarbeitsverhältnisses sehen wollte, nämlich dergestalt, dass der Leistungsaustausch ungeachtet der seinerzeit noch bestehenden Unsicherheit bezüglich des Ausgangs der Kündigungsschutzklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung fortgesetzt werden sollte, bezieht sich dieses nur auf die ab dem Vergleichsschluss gesehene Zukunft. Die Beklagte hat sich - ex nunc - verpflichtet, den Kläger weiter zu beschäftigen. Über die Zeit vor dem Vergleich haben die Parteien in keiner Weise eine Regelung getroffen. Eine solche wäre auch nicht Inhalt eines Weiterbeschäftigungsurteils gewesen, wenn es zu gleicher Zeit auf den Antrag des Klägers hin ergangen wäre. Zwar hätte der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsantrag bereits mit der Kündigungsschutzklage stellen können mit der Folge, dass diese Zeit gegebenenfalls auch zu vergüten gewesen wäre. Es steht dabei zu erwarten, da erstinstanzlich auch die Kündigungsschutzklage erfolgreich war, dass er auch mit diesem obsiegt hätte. Er hat den Antrag jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so dass nach rechtskräftigem Unterliegen mit der Kündigungsschutzklage eben gerade kein Anspruch für die Zwischenzeit besteht.

III. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus einem sogenannten "faktischen Arbeitsverhältnis".

1. Die Nichtigkeit eines Vertrages führt dazu, dass zumindest für den Zeitraum seiner Durchführung entsprechend den Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Grundlage (sog. faktisches Arbeitsverhältnis) dieser wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln ist (BAG, Urteil vom 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 -, BAGE 135, 187-196, Rn. 24). Ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis kann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer Arbeit ohne wirksame Vertragsgrundlage geleistet hat (BAG, Urteil vom 18. März 2009 - 5 AZR 355/08 -, BAGE 130, 34-42, Rn. 30). Von dem nicht vertraglich geregelten sondern lediglich in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis können sich beide Teile jederzeit durch einseitige Erklärung lösen (BAG, Urteil vom 07. Oktober 2015 - 7 AZR 40/14 -, Rn. 26, juris; BAG, Urteil vom 14. August 2002 - 7 AZR 372/01 - zu B II 2 a der Gründe mwN).

2. Ein Anspruch kommt im Sinne des Vorgenannten nicht in Betracht, nachdem die Parteien das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Kündigungsfrist während des Vertrags gerade nicht vollzogen haben. Ein Leistungsaustausch fand vor dem 14.09.2012 gerade nicht statt. Dabei bedarf hier keiner Entscheidung, ob die einseitige Leistungsgewährung durch die Beklagte nach dem Vergleich für das in Vollzug setzen des Arbeitsverhältnisses überhaupt ausreichen würde, wenn der Kläger seine Arbeitsleistung gerade nicht erbringt.

IV. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die Ansprüche daneben jedenfalls teilweise nach § 31 Abs. 1 MTV verfallen sind, oder ob im Lichte der Regelung in § 31 Abs. 3 MTV nicht vielmehr die Geltendmachung jedenfalls mit der Klage im hiesigen Verfahren ausreichend gewesen wäre.

B. Der Kläger kann auch für die Zeit ab dem 14.09.2012 bis zum November 2012 keine Ansprüche mehr geltend machen.

I. Für diesen Zeitraum ergibt sich ein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge dem Grunde nach aus dem geschlossenen Vergleich in Verbindung mit der unstreitigen Freistellungserklärung. Die Parteien haben indes nicht geregelt, welche genaue Vergütung in der Zeit der Freistellung gezahlt werden sollte, sondern lediglich auf die Fortzahlung der Bezüge abgestellt.

Die Abrechnungen für 2009, auf die der Kläger Bezug genommen hat, weisen ein konstantes Monatsentgelt lediglich in Höhe von 2.562,03 € brutto, sowie konstante weitere Bezüge (AusglZulage U. 133,04 € brutto, Funktionszul. pauschal 65,41 € brutto, Abschlag Variable) neben variablen weiteren Bezügen aus. Es hätte dem Kläger oblegen, im Einzelnen vorzutragen, welche Vergütungsbestanteile aus welchem Rechtsgrund für die Zeit ab dem 14.09.2012 zu zahlen gewesen sein sollen. Dies hat er indes nicht getan. Zu Grunde gelegt werden kann aus Sicht der Kammer daher lediglich das Monatsentgelt in Höhe von 2.562,03 € brutto, das erkennbar von der Vereinbarung der Parteien im Vergleich umfasst ist. Insoweit ergeben sich Ansprüche des Klägers für die Zeit ab 14.09.2012 bis November 2012 in Höhe von 6405,08 € brutto.

II. Die Beklagte hat indes 7.595,85 € brutto und damit bereits mehr als den vorgenannten Betrag erfüllt, so dass die Ansprüche des Klägers insgesamt erfüllt sind.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Der Streitwert war nach §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO im Urteil festzusetzen. Gründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG für die Zulassung der Berufung, die nach § 64 Abs. 2 Buchst. b. ArbGG kraft Gesetzes zulässig ist, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

gez. Q.

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