AG Rheine, Urteil vom 12.11.2020 - 14 C 37/19
Fundstelle
openJur 2021, 4130
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.339,36 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 413,64 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2019 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 3.339,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte zu 1) als Halterin, den Beklagten zu 2) als Fahrer sowie gegen die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherin Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 16.07.2018 in Rheine in der U-Straße geltend.

Der Kläger hatte am Unfalltag seinen PKW in der U-Straße im Wendehammer geparkt. Der Beklagte zu 2) war in dieser Zeit mit dem Sattelzug der Beklagten zu 1) vorwärts in den Wendehammer hereingefahren und anschließend zurückgefahren, um rückwärts in die Garage des C-Marktes zu setzen. Danach begab er sich zum Pkw des Klägers und befestigte einen Zettel hinter den Scheibenwischer des mit dem Wortlaut: "Kein Anspruch bei Beschädigung des Fahrzeugs! Wendehammer! Abschleppkosten liegen bei etwa 300,00 €."

Der Kläger sah bei seiner Rückkehr den Beklagte zu 2) an seinem Fahrzeug und sprach ihn an, der lediglich antwortete, dass Abschleppen 300,00 Euro kosten würde. Danach begab er sich zu seinem LKW, um die Ladearbeiten zu verrichten. Als der Kläger zu Hause war, stellte er fest, dass das Seitenteil am Fahrzeug eingedrückt und ein Glas der Rückleuchte gerissen war. Der Kläger zeigte den Unfall 2 Tage später bei der Polizei an. Gegen den Beklagten zu 2) wurde ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubtes Entfernen vom Unfallort eingeleitet. Das Verfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, da der Beklagte zu 2) die ihm zur Last gelegte Tat bestritten hatte, keine unbeteiligten Tatzeugen und keine für eine Überführung geeigneten Beweismittel vorlagen.

Das Fahrzeug des Klägers nahm die Polizei erstmals am 29.08.2018 in Augenschein. Zu diesem Zeitpunkt konnten an dem Fahrzeug keine Beschädigungen bzw. Spuren mehr festgestellt werden. Erst nachdem am 05.09.2018 die Polizei den Kläger darüber benachrichtigte, dass der Fahrer des C-LKW ermittelt werden konnte, ließ der Kläger seinen Schaden am PKW durch den TÜV Nord kalkulieren. Der TÜV Nord ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 3.222,75 Euro netto.

Der Kläger behauptet, Eigentümer des beschädigten Pkw zu sein.

Der Beklagte zu 2) sei infolge Unachtsamkeit gegen seinen geparkten PKW gefahren. Zwar habe er den Unfall nicht beobachtet, dennoch komme nur der Beklagte zu 2) als Unfallverursacher in Betracht. Denn vor dem Abstellen seines Fahrzeugs sei dieses unbeschädigt gewesen. Unmittelbar nach der Rückkehr von der Unfallörtlichkeit habe er den Schaden festgestellt. Der Beklagte zu 2) sei während seiner Abwesenheit in die U-Straße gefahren, um Waren abzuliefern. Dabei müsse ihm sein abgestelltes Fahrzeug behindert und gestört haben, weshalb er einen Zettel an seine Windschutzscheibe angebracht habe. Es sei somit davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) beim Rangieren des Sattelzuges gegen sein Fahrzeug gestoßen sei.

Die Höhe der Kosten ergebe sich aus der Schadenkalkulation des TÜV Nord. Für die Erstellung des Kostenvoranschlags habe er 91,63 Euro zahlen müssen. Unter Hinzuziehung einer Nebenkostenpauschale belaufe sich der Gesamtschaden auf 3.339,36 Euro.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3.339,36 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2018 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 413,64 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten den Unfall dem Grund und der Höhe nach.

Richtig sei zwar, dass der Beklagte zu 2) durch den Wendehammer gefahren sei, dabei sei es aber nicht zu einer Berührung mit dem PKW des Klägers gekommen.

Der Kläger trage die volle Beweislast für seine Behauptung, der Beklagte zu 2) sei gegen sein Fahrzeug gefahren. Diese habe er mit dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht erbringen können, weil der Sachverständige den entsprechenden Nachweis technisch nicht habe führen können. Der Sachverständige habe es lediglich für sehr wahrscheinlich gehalten, dass die Beschädigungen am Fahrzeug des Klägers entstanden seien, als der Beklagte zu 2) den Wendehammer befahren habe. Dies genüge jedoch nicht für einen Vollbeweis. Zudem habe der Sachverständige am LKW lediglich am Unterfahrschutz eine Beschädigung festgestellt, welche nach Art und Lage den Schaden am klägerischen PKW hervorgerufen haben könnte. Allerdings handele es sich um eine derart oberflächliche, geringfügige Spur, so dass es schon begriffsmäßig fraglich erscheine, ob es sich überhaupt um eine Beschädigung handele. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem LKW um ein Arbeitsgerät handele, welches im täglichen Gebrauch stehe. Es sei daher ebenso wahrscheinlich, dass an dieser ausgesprochen exponierten Stelle eine solche Beschädigung beim täglichen Be- und Entladen entstanden sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass eine Vielzahl von LKWs den Wendehammer durchfahren würden, so dass es genauso gut möglich sei, dass ein anderer LKW den Schaden verursacht habe.

Im Übrigen sei es unwahrscheinlich, dass der Beklagte zu 2) einen Zettel an die Windschutzscheibe des klägerischen PKW angebracht hätte, um sich über die Parkweise des Klägers zu beschweren, wenn er den PKW tatsächlich beschädigt hätte, dies aber habe verschweigen wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat den Beklagten zu 2) persönlich angehört. Insoweit wird auf das Protokoll vom 18.07.2019 Bezug genommen. Das Gericht hat weiterhin Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Insoweit wird auf das Gutachten des Sachverständigen D vom 02.04.2020 (Bl. 123 ff. d. A.) verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG.

Der Kläger ist aktivlegitimiert, da er Eigentümer des Fahrzeugs ist. Die Eigentümerstellung ergibt sich aus der verbindlichen Bestellung des Klägers vom 04.04.2008. Im Übrigen wird das Eigentum im Hinblick auf den Besitz des Fahrzeugs vermutet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2) mit dem LKW der Beklagten zu 1), welches bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist, beim Rangieren im Wendehammer der U-Straße in Rheine gegen das Fahrzeug des Klägers gestoßen ist und dieses dabei beschädigt hat.

Auch wenn der Verkehrsunfall von niemandem beobachtet wurde und der Beklagte zu 2) eine Unfallverursachung bestritten hat, liegen hinreichende Indizien für eine Verursachung durch den Beklagten zu 2) vor, die in ihrer Gesamtheit zu dem Rückschluss führen, dass dieser beim Durchfahren des Wendehammers mit dem hinteren Teil des LKW gegen den hinteren Bereich des klägerischen PKW gestoßen sein muss.

Der Beklagte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass er linksherum in den Wendehammer gefahren sei, um sodann wieder auf die U-Straße zu fahren, um von dort aus in die Garage vom C-Markt zu gelangen. Das Fahrzeug des Klägers war aus Richtung Wendehammer rechts am Zaun abgestellt gewesen in Richtung U-Straße. Nach den Angaben des Sachverständigen war es daher möglich, dass der Beklagte zu 2) beim Durchfahren des Wendehammers mit der hinteren linken Ecke des LKW das Fahrzeug des Klägers im hinteren linken Bereich berührt hat. Zur Veranschaulichung wird auf das Bild Nr. 029, Blatt 21 des Gutachtens, Blatt 143 der Akte, verwiesen.

Zudem konnte der Sachverständige anhand einer Höhenvermessung feststellen, dass anhand die Höhen zwischen dem Unterfahrschutz hinten links des Sattelanhängers mit der Höhe der beschädigten Stelle am klägerischen PKW identisch ist. Da der Sattelanhänger mit Luftfederung ausgestattet ist, wirkte sich ein bestimmter der Beladungszustand des Sattelanhängers nicht auf die Höhenlage aus, da je nach Beladungszustand der Druck in den Luftfederbälgen so gesteuert wird, dass sich stets eine einheitliche Fahrhöhe ergibt.

Im Rahmen der Gegenüberstellung hat der Sachverständige außerdem festgestellt, dass die scharfkantige Beschädigung an der Abdeckkappe des Unterfahrschutzes am LKW exakt in einer Höhe mit der vorstehenden Unterkante der leicht schräg verlaufenden Seitenwand liegt, so dass er es für sehr wahrscheinlich hält, dass die Beschädigung an der Abdeckkappe des Unterfahrschutzes durch den Anstoß am klägerischen PKW verursacht worden ist. Wenn der Unterfahrschutz beim Ausscheren den abgestellten PKW im hinteren linken Bereich anstößt, ist nach den Angaben des Sachverständigen eine Verformung der Seitenwand und ein Ausreißen der seitlichen Führung des Stoßfängers typischerweise zu erwarten. Weil sich durch die Eindrückung der Seitenwand auch die Rückleuchtenaufnahme verformt, gerät das Gehäuse der Rückleuchte unter Spannung und kann brechen. Genau dieses Schadenbild ist am klägerischen Pkw eingetreten.

Zwar müsste es nach den Angaben des Sachverständigen bei einem derartigen Kontakt zwischen dem Sattelanhänger und dem klägerischen VW Golf auch zu einer Beschädigung der D-Säule des PKW gekommen sein. Dies konnte er allerdings nicht mehr feststellen, da die Seitenwand zwischenzeitlich instandgesetzt und lackiert worden war.

Im Ergebnis hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass er aufgrund der Gegenüberstellung der beiden Fahrzeuge es aus Sachverständigersicht für sehr wahrscheinlich hält, dass die Beschädigungen am Fahrzeug des Klägers durch den Sattelanhänger der Beklagten zu 1) entstanden sind.

Die Beantwortung der Beweisfrage mit einer nur hohen Wahrscheinlichkeit anstatt einer absoluten Sicherheit beruht auf dem Umstand, dass der Sachverständige nicht ausschließen konnte, dass die Beschädigung am PKW des Klägers auch durch einen anderen LKW entstanden sein könnte, weil die Merkmale nicht so eindeutig waren, dass nur der LKW der Beklagten zu 1) für diese Beschädigung in Betracht kam. Dennoch ist das Gericht davon überzeugt, dass der Schaden durch den Beklagten zu 2) verursacht wurde. Denn insoweit war auch zu berücksichtigen, dass der Kläger die Beschädigung an seinem Fahrzeug am Unfalltag festgestellt hatte, nachdem er nach dem Vorfall zu Hause angekommen war. Der Kläger hat weiter angegeben, dass sein Fahrzeug zuvor keine Schäden aufgewiesen habe. Ein weiteres Indiz ist das Verhalten des Beklagten zu 2), der einen Zettel an da Auto des Klägers angebracht hatte, um sich über sein Parken im Wendehammer zu beschweren. Dies belegt nach Auffassung des Gerichts eindrücklich, dass das Fahrzeug des Klägers für den Beklagten zu 2) beim Durchfahren des Wendehammers ein Hindernis darstellte. Aufgrund der Feststellungen über den Unfallort, die Unfallzeit, die Beschädigungen an beiden Fahrzeugen, die zudem in Höhe und Ausmaß übereinstimmen, hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts den Beweis erbracht, dass der Beklagte zu 2) den Verkehrsunfall verursacht hat. Das Gericht hält es für äußerst unwahrscheinlich, dass das Fahrzeug des Klägers an diesem Tag auf andere Art und Weise beschädigt wurde, zumal hierfür überhaupt keine Anhaltspunkte vorliegen.

Die Reparaturkosten in Höhe von 3.222,75 Euro ergeben sich aus der Reparaturkostenkalkulation des TÜV Nord vom 17.09.2018. Der Sachverständige hat Erforderlichkeit der Reparaturosten zur sach- und fachgerechten Beseitigung zudem bestätigt. Hinzu kommen die nachgewiesenen Kosten für die Erstellung des Kostenvoranschlags in Höhe von 91,63 Euro und die Nebenkostenpauschale von 25,00 Euro.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug, der Anspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus dem Schadenereignis i.V.m. § 249 BGB. Der Zinsanspruch hieraus beruht auf § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

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