BVerfG, Beschluss vom 19.01.2021 - 1 BvR 2671/20
Fundstelle
openJur 2021, 3644
  • Rkr:
Rubrum

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

des D... e.V., vertreten durch den Vorstand,

- Bevollmächtigte:

... -

gegen

a) 

den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs

vom 22. Oktober 2020 - 7 B 1913/20 -,

b) 

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden

vom 13. Juli 2020 - 6 L 753/20.WI -

und 

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

die Richter Paulus,

Christ

und die Richterin Härtel

am 19. Januar 2021 einstimmig beschlossen:

Tenor

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Juli 2020 - 6 L 753/20.WI - und der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2020 - 7 B 1913/20 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Wiesbaden zurückverwiesen.

2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

3. Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde hat die Aussetzung des in Kooperation mit dem Beschwerdeführer an einigen Schulen des Landes Hessen erteilten bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterrichts und dessen Ersetzung durch einen staatlichen Islamunterricht zum Gegenstand.

1. Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein, der als Landesverband für muslimische Gemeinden in Hessen fungiert und dessen Zweck unter anderem in der Pflege und Vermittlung des islamischen Glaubens besteht.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 entsprach das Hessische Kultusministerium dem Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung als Gesprächs- und Kooperationspartner für einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in Hessen, der als ordentliches Lehrfach zum Schuljahr 2013/2014 eingeführt und seitdem in Kooperation mit dem Beschwerdeführer erteilt wurde.

Mit Pressemitteilung vom 28. April 2020 erklärte das Hessische Kultusministerium, dass die Vollziehung des Bescheides vom 17. Dezember 2012 zum Ende des laufenden Schuljahres 2019/2020 ausgesetzt werde. Es bestünden Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Beschwerdeführers als Kooperationspartner für den bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterricht. Dies betreffe insbesondere seine hinreichende Unabhängigkeit von der Religionsbehörde des türkischen Staates. Bereits seit dem Schuljahr 2019/2020 laufe ein Schulversuch eines rein staatlichen bekenntnisfreien Islamunterrichts ohne Kooperation mit einer Religionsgemeinschaft. Er solle ab dem Schuljahr 2020/2021 auf die Standorte überführt werden, an denen der Beschwerdeführer bisher bekenntnisgebundenen Religionsunterricht angeboten habe.

2. Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Land Hessen als Antragsgegner mit dem Inhalt,

„den Antragsgegner bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, wie bisher an insgesamt 51 Grundschulen sowie 12 weiterführenden Schulen in den Jahrgangsstufen 5 und 6 in Kooperation mit dem Antragsteller nach Maßgabe des Anerkennungsbescheides vom 17. Dezember 2012 islamischen Religionsunterricht zu erteilen“ (Antrag zu 1)

und

„es dem Antragsgegner zu untersagen, anstelle des in Kooperation mit dem Antragsteller bis zum Schuljahr 2019/2020 erteilten bekenntnisorientierten Islamunterrichtes staatlichen Islamunterricht zu erteilen, insbesondere durch Lehrkräfte erteilen zu lassen, denen eine vorläufige oder reguläre Lehrbefugnis (Idschaza) durch den Antragsteller erteilt wurde“ (Antrag zu 2).

Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts, was er mit der im Antrag zu 1) bezeichneten „Hauptsache“ meine, führte der Beschwerdeführer aus, damit sei das Hauptsacheverfahren gemeint, das sich gegen einen Verwaltungsakt richten könnte, sobald ein solcher erlassen werde. Faktisches Verwaltungshandeln, wie der vom Kultusminister beschriebene „Realakt“, sei regelmäßig Gegenstand einer Leistungs- oder Feststellungsklage. Mit dem Antrag solle eine vorläufige und keine endgültige Regelung erreicht werden. Hierauf beziehe sich der Hinweis auf eine möglicherweise notwendige Entscheidung in der Hauptsache, die derzeit noch nicht anhängig sei.

3. a) Das Verwaltungsgericht lehnte die Anträge als unzulässig ab.

Der Antrag zu 1) sei auf eine Verpflichtung des Antragsgegners „bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache“ gerichtet, ohne dass eine solche Hauptsache anhängig gemacht worden sei. Es sei Aufgabe des Antragstellers, den Streitgegenstand zu bestimmen. Mache er seinen Antrag von der Existenz eines Hauptsacheverfahrens abhängig, ohne eine solche anhängig zu machen oder in Aussicht zu stellen, könne über den Antrag nicht entschieden werden.

Der Antrag zu 2) sei unzulässig, weil der Beschwerdeführer sich nicht auf eine schutzwürdige Rechtsposition berufen könne. Der Bescheid vom 17. Dezember 2012 vermittele dem Beschwerdeführer keinen Anspruch darauf, dass Schulunterricht, der (auch) den Islam zum Gegenstand habe, ausschließlich in Kooperation mit ihm erfolgen dürfe. Vielmehr sei das Land ohne weiteres befugt, islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit anderen islamischen Religionsgemeinschaften oder nicht bekenntnisorientierten Islamunterricht einzurichten und anzubieten. Soweit der Beschwerdeführer erreichen wolle, dass der nicht bekenntnisgebundene Islamunterricht jedenfalls nicht durch Lehrkräfte erteilt werde, denen er selbst eine Lehrbefugnis erteilt habe, fehle ihm die Antragsbefugnis, weil nicht ersichtlich sei, wie die Heranziehung dieser Lehrkräfte zu anderen Unterrichtsfächern den Beschwerdeführer in seinen eigenen Rechten sollte verletzen können.

b) Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof unter anderem aus folgenden Gründen zurück.

Der Antrag zu 1) sei nach § 123 Abs. 5 VwGO unstatthaft, weil das Begehren des Beschwerdeführers in der Hauptsache nach seinem eigenen Dafürhalten gegen einen Verwaltungsakt gerichtet sei und deshalb über eine Anfechtungsklage erfolgen müsse. In einem solchen Fall sei nur Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegenüber dem Verwaltungsgericht ausgeführt habe, faktisches Verwaltungshandeln wie der vom Kultusminister beschriebene „Realakt“ sei regelmäßig Gegenstand einer Leistungs- oder Feststellungsklage. Denn diese Ausführungen seien als allgemeiner Hinweis formuliert und der Beschwerdeführer bringe nicht im Ansatz zum Ausdruck, dass er sich mit der im Antrag zu 1) genannten „Hauptsache“ auf eine Klage gegen einen Realakt beziehe. Darüber hinaus sei der Antrag zu 1) im Ergebnis auch wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil vorbeugender einstweiliger Rechtsschutz bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren gegen einen zukünftigen, derzeit noch nicht absehbaren Verwaltungsakt begehrt werde.

Nicht zu beanstanden sei auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Beschwerdeführer könne sich hinsichtlich des Antrags zu 2) nicht auf eigene schutzwürdige Rechtspositionen berufen. Das gelte jedenfalls insoweit, als der bisherige in Kooperation mit dem Beschwerdeführer erteilte bekenntnisgebundene islamische Religionsunterricht durch einen nicht bekenntnisorientierten staatlichen Islamunterricht ersetzt worden sei. Der Beschwerdeführer habe auch nicht hinreichend dargelegt, dass dies nicht zutreffe, sondern tatsächlich ein bekenntnisorientierter staatlicher Religionsunterricht angeboten werde. Zwar habe der Beschwerdeführer vorgetragen und mit entsprechenden Elterninformationsschreiben belegt, dieselben Lehrer, denen er die Lehrbefugnis verliehen habe, erteilten unter Verwendung der gleichen Unterrichtsmaterialien einen inhaltlich dem bisherigen islamischen Religionsunterricht entsprechenden Unterricht. Es fehle jedoch an der Darlegung, dass die auf der Internetseite des Landes veröffentlichten Kerncurricula für das Schulfach Islamunterricht, aus denen sich der maßgebliche Inhalt dieses Unterrichtsfaches ergebe, Glaubenssätze und deren Vermittlung zum Inhalt hätten.

II.

1. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 3 GG verletzt. Er beantragt, dem Land Hessen im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde aufzugeben, den bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterricht an 51 Grundschulen und 12 weiterführenden Schulen sowie die Ausbildung von Lehrkräften für den bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit ihm fortzusetzen.

Der Antrag zu 1) sei von den Gerichten auf der Grundlage einer willkürlichen Auslegung seines Rechtsschutzbegehrens als Anfechtungsbegehren als unzulässig abgelehnt und ihm dadurch effektiver einstweiliger Rechtsschutz versagt worden. Offenkundig richte sich dieser Antrag nicht gegen einen hypothetischen Verwaltungsakt, dessen Erlass zudem ungewiss sei, sondern gegen die durch die Pressemitteilung des Kultusministeriums bekanntgegebene faktische Aussetzung des in Kooperation mit ihm eingerichteten und angebotenen islamischen Religionsunterrichts, gegen die eine Anfechtungsklage nicht statthaft sei.

Auch sein mit dem Antrag zu 2) verfolgtes Rechtsschutzbegehren hätten die Gerichte in willkürlicher Weise missverstanden. Daher erschwere die auf diese Auslegung des Rechtsschutzbegehrens gestützte Ablehnung des Antrags als unzulässig den Zugang zu vorläufigem Rechtsschutz in sachlich nicht mehr vertretbarer Weise.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, er begehre die vorläufige Untersagung der Durchführung jeglichen islamischen Religionsunterrichts ohne seine Beteiligung, widerspreche schon dem eindeutigen Wortlaut seines Antrags. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Verwaltungsgerichtshof den – bis heute unverbindlichen – Entwürfen von Lehrplänen für das Schulfach Islamunterricht rechtliche Relevanz auch für den hier in Rede stehenden, anstelle des bisherigen islamischen Religionsunterrichts angebotenen Islamunterricht beigemessen habe. Denn unstreitig erfolge dieser Islamunterricht unter Übernahme der Lehrmaterialien und durch Lehrkräfte, denen er die Lehrbefugnis erteilt habe. Es sei völlig lebensfremd anzunehmen, dass die damit offensichtlich gewollte Kontinuität durch den Erlass von Lehrplänen durchbrochen werden könne.

Die angegriffenen Beschlüsse seien zudem nicht mit Art. 7 Abs. 3 GG vereinbar. Die Gerichte hätten verkannt, dass die einseitige Aussetzung der Kooperation durch das Land ihn als Religionsgemeinschaft in seinem Anspruch auf Einrichtung und Durchführung eines bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach verletze. Diese Verletzung werde noch dadurch vertieft, dass unter Verwendung der Lehrmaterialien und durch den Einsatz der Lehrkräfte, die nach seinen Vorgaben ausgebildet worden seien und denen er die Lehrbefugnis erteilt habe, nunmehr unter alleiniger staatlicher Verantwortung Islamunterricht angeboten werde.

2. Das Hessische Ministerium der Justiz und das Hessische Kultusministerium hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG zulässig und begründet (1.). Ihre Annahme ist zur Durchsetzung dieses Grundrechts angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt und die Verfassungsbeschwerde ist insoweit offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Art. 7 Abs. 3 GG ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig (2.).

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig. Mit der Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG macht der Beschwerdeführer eine das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes selbst betreffende grundrechtliche Beschwer geltend. Er ist daher nicht darauf verwiesen, vorab auch den Rechtsweg in der verwaltungsgerichtlichen Hauptsache zu erschöpfen (vgl. BVerfGE 77, 381 <400 f.>; 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>; stRspr). Die Verfassungsbeschwerde zeigt die geltend gemachte Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zudem in einer den Darlegungs- und Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise auf.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet.

aa) Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedermann effektiven Rechtsschutz bei möglichen Verletzungen seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen (vgl. BVerfGE 113, 273 <310>; 129, 1 <20>; stRspr). Der Anspruch aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert nicht nur formal die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gebietet auch die Effektivität des damit verbundenen Rechtsschutzes, das heißt einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Der Zugang zu Gericht darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <274 f.>; 77, 275 <284>). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet daher den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 134, 106 <114>). Legt ein Gericht den Verfahrensgegenstand in einer Weise aus, die das vom Antragsteller erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel ganz oder in wesentlichen Teilen außer Betracht lässt, so liegt darin eine Rechtswegverkürzung, die den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Februar 1997 - 2 BvR 2989/95 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, Rn. 13; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. März 2002 - 2 BvR 261/01 -, Rn. 15; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. September 2020 - 1 BvR 2146/20 -, Rn. 5 ff.).

bb) Danach verstoßen die angegriffenen Entscheidungen gegen Art. 19 Abs. 4 GG.

(1) Die Gerichte haben den Antrag zu 1) auf der Grundlage einer nicht mehr nachvollziehbaren Auslegung des Rechtsschutzbegehrens als unzulässig angesehen und dem vorläufigen Rechtsschutz so jede Effektivität genommen.

(a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Antrag mache die begehrte vorläufige Verpflichtung zur Fortsetzung des islamischen Religionsunterrichts davon abhängig, dass ein Hauptsacheverfahren anhängig sei. Da dies nicht der Fall sei, könne über den Antrag nicht entschieden werden. Diese Auslegung des Antrags liegt fern. Sie ist schon deshalb nicht einleuchtend, weil der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO „schon vor Klageerhebung“ gestellt werden kann. Weshalb dann der Antrag zwar schon vor Klageerhebung gestellt, die Entscheidung hierüber aber von der aufschiebenden Bedingung der Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens sollte abhängig gemacht worden sein, erschließt sich nicht. Es kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts erklärt hatte, mit dem Hinweis im Antrag zu 1) auf eine Entscheidung in der Hauptsache habe deutlich gemacht werden sollen, dass eine vorläufige und keine endgültige Regelung begehrt werde. Dies deckt sich auch offensichtlich mit dem Wortlaut des Antrags, wonach die gerichtliche Verpflichtung des Landes zur Fortführung des islamischen Religionsunterrichts „bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache“ andauern soll. Unter diesen Umständen ist es nicht mehr vertretbar anzunehmen, dem Beschwerdeführer sei es darum gegangen, dass nicht vor Erhebung einer Klage über eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners entschieden werde.

(b) Der Verwaltungsgerichtshof gelangt ebenfalls zum Ergebnis, der Antrag zu 1) sei unzulässig. Er stützt diese Annahme auf die Erwägung, der Beschwerdeführer wolle sich in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage gegen einen noch ausstehenden belastenden Verwaltungsakt wenden. Daher sei der Antrag auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Fortsetzung des islamischen Religionsunterrichts nach § 123 Abs. 5 VwGO unstatthaft. Statthaft sei stattdessen ein Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen belastenden Verwaltungsakt nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zudem begehre der Beschwerdeführer vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz, weil ein belastender Verwaltungsakt noch nicht ergangen und dies auch nicht absehbar sei. Somit sei der Antrag zu 1) auch wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Auch diese Auslegung des Rechtsschutzbegehrens ist sachlich nicht mehr vertretbar. Der Antrag zu 1) ist nach seinem klaren Wortlaut auf eine – sofortige – vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Fortführung des islamischen Religionsunterrichts gerichtet. Weshalb es dem Beschwerdeführer stattdessen um vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt gehen sollte, dessen Erlass noch nicht einmal absehbar ist, ist schlicht nicht nachvollziehbar, zumal der Beschwerdeführer bis dahin die faktische Aussetzung des in Kooperation mit ihm erteilten islamischen Religionsunterrichts hinnehmen müsste. Es liegt angesichts des Antragsinhalts fern, ein derart ungünstiges und dazu noch zur Unzulässigkeit führendes Rechtsschutzziel allein aus dem Hinweis in der Stellungnahme herzuleiten, ein Hauptsacheverfahren könnte sich auch gegen einen Verwaltungsakt richten, sobald ein solcher erlassen werde, zumal der Beschwerdeführer in derselben Stellungnahme darauf verweist, dass faktisches Verwaltungshandeln wie der vom Kultusminister beschriebene „Realakt“ regelmäßig Gegenstand einer Leistungs- oder Feststellungsklage sei.

(2) Auch die Versagung des mit dem Antrag zu 2) ersuchten vorläufigen Rechtsschutzes wegen fehlender Antragsbefugnis ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar.

(a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Antrag zu 2) sei mangels „Rechtsschutzbedürfnisses“ unzulässig. Der Beschwerdeführer habe mit diesem Antrag geltend machen wollen, dass Schulunterricht, der (auch) den Islam zum Gegenstand habe, ausschließlich in Kooperation mit ihm erfolgen dürfe. Das treffe nicht zu. Das Land habe selbstverständlich die Möglichkeit, islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit anderen Religionsgemeinschaften einzurichten und anzubieten. Auch könne das Land einen nicht bekenntnisorientierten Islamunterricht anbieten oder in der Form eines Schulversuchs erproben. Es sei auch nicht ersichtlich, wie die Heranziehung von Lehrkräften, denen der Beschwerdeführer die Lehrbefugnis für bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht erteilt habe, zu anderen Unterrichtsfächern diesen in seinen eigenen Rechten sollte verletzen können.

Diese Deutung des Rechtsschutzbegehrens liegt angesichts des Wortlauts des Antrags zu 2) fern. Danach geht es dem Beschwerdeführer offensichtlich allein um die Ersetzung des bisherigen, in Kooperation mit ihm eingerichteten und angebotenen islamischen Religionsunterrichts durch einen in staatlicher Regie durchgeführten Islamunterricht. Der Wortlaut des Antrags lässt zudem klar erkennen, dass der staatliche Islamunterricht vor allem wegen einer Kontinuität zum bisherigen islamischen Religionsunterricht vorläufig untersagt werden soll, die der Beschwerdeführer insbesondere darin erblickt, dass der Islamunterricht durch Lehrkräfte erteilt wird, denen er selbst eine Lehrbefugnis verliehen hat. Der Beschwerdeführer will sich damit ersichtlich nicht außerhalb seines eigenen Rechtskreises im Namen dieser Lehrkräfte gegen deren Heranziehung zum Islamunterricht wenden, wie das Verwaltungsgericht meint, sondern offenkundig insbesondere verhindern, dass bei den muslimischen Eltern und Schülern der Eindruck entstehen kann, es bestehe in bekenntnismäßiger Hinsicht kein Unterschied zwischen dem staatlichen Islamunterricht und dem zuvor in Kooperation mit ihm erteilten islamischen Religionsunterricht.

(b) Auch der Verwaltungsgerichtshof nimmt an, dass sich der Beschwerdeführer hinsichtlich des Antrags zu 2) von vornherein nicht auf eine schutzwürdige Position berufen könne. Er stellt darauf ab, dass der Beschwerdeführer durch die Erteilung eines bekenntnisfreien staatlichen Islamunterrichts nicht in eigenen Rechten verletzt sein könne. Der Beschwerdeführer habe auch nicht hinreichend dargetan, dass der nunmehr anstelle des bisherigen, in Kooperation mit ihm durchgeführten islamischen Religionsunterrichts angebotene staatliche Islamunterricht tatsächlich ebenfalls als bekenntnisgebundener Religionsunterricht ausgestaltet sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat damit die Darlegungsanforderungen in einer mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbaren Weise überspannt. Er geht selbst davon aus, dass die Sorge des Beschwerdeführers, der bisherige islamische Religionsunterricht werde durch einen staatlichen Religionsunterricht ersetzt, angesichts der Elterninformationsschreiben „durchaus nachvollziehbar“ sei. Denn dort werde darauf hingewiesen, dass sich der Islamunterricht von dem islamischen Religionsunterricht nicht unterscheide und daher auch die gleichen Lehrmaterialien verwendet würden. Der Verwaltungsgerichtshof unterstellt auch, dass die Sach- und Personalausstattung des bisherigen islamischen Religionsunterrichts weiter benutzt wird. Wenn das Gericht gleichwohl bereits die Antragsbefugnis wegen fehlender Auseinandersetzung mit den in das Internet gestellten Kerncurricula zum staatlichen Islamunterricht verneint, überspannt es die Darlegungsanforderungen erheblich, zumal es hier offenkundig um die spezifische Situation an den Schulen geht, an denen bis zum Schuljahr 2020/2021 islamischer Religionsunterricht stattgefunden hat, und nicht um den bereits seit dem Schuljahr 2019/2020 an anderen Schulstandorten im Schulversuch praktizierten, unstreitig bekenntnisfreien staatlichen Islamunterricht. Außerdem gerät auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht ansatzweise in den Blick, dass es dem Beschwerdeführer schon nach dem Wortlaut des Antrags zu 2) vor allem um eine auch nach außen klar erkennbare Trennung des staatlichen Islamunterrichts von dem zuvor in Übereinstimmung mit seinem Glaubensbekenntnis erteilten islamischen Religionsunterricht geht.

2. Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Art. 7 Abs. 3 GG ist der Beschwerdeführer nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auf die Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs in der Hauptsache zu verweisen. Dort bietet sich nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 79, 275 <278 f.>; 104, 65 <71>). Eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das verwaltungsgerichtliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem bisher noch keine Sachprüfung stattgefunden hat, nunmehr wieder eröffnet ist; zudem dürfte die Frage einer Verletzung des Art. 7 Abs. 3 GG nur nach weiteren Klärungen etwa mit Blick auf die rechtliche Bedeutung des Kooperationsbescheides und dessen Aussetzung oder der konkreten Ausgestaltung des anstelle des bisherigen islamischen Religionsunterrichts angebotenen staatlichen Islamunterrichts zu beantworten sein (vgl. BVerfGE 79, 275 <279>; 80, 40 <45>; 104, 65 <71>).

IV.

Es ist festzustellen, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Juli 2020 - 6 L 753/20.WI - und der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2020 - 7 B 1913/20 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzen; die Beschlüsse sind aufzuheben und die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit stützt sich auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswertes im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <368 ff.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.