LG Köln, Beschluss vom 06.10.2020 - 84 O 168/20
Fundstelle
openJur 2021, 3642
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 30.09.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I. Die Antragstellerin vertreibt über ihren Online-Shop unter der Domain www.C.de die Matratze C1.

Die C1-Matratze wurde im Jahre 2015 von der Stiftung Warentest getestet und ist als "beste je getestete Matratze" mit der Gesamtnote GUT 1,8 bewertet worden. Weitere Testveröffentlichungen in den Jahren 2016, 2017 und 2018 haben dieses Testergebnis bestätigt, im Test 10/2018 erreichte sie sogar die Note 1,7.

Die Antragsgegnerin betreibt das Portal www.D.de, ein redaktionelles Technik- und Verbraucherportal.

Die Antragstellerin stellte am 31.08.2020 fest, dass die Antragsgegnerin auf ihrer Webseite den als Anlage ASt 1 im Antrag wiedergegebenen Beitrag über Matratzen veröffentlichte. Die Antragstellerin hält diesen für wettbewerbswidrig. Es handele sich nicht um einen neutralen und objektiven redaktionellen Verbraucherberatungsartikel, sondern um redaktionelle Werbung zugunsten der genannten Matratzen. Das Affiliateverhältnis müsse die Antragsgegnerin deutlich offenlegen. Der Beitrag sei zudem mit § 5 UWG nicht vereinbar. Die Antragsgegnerin zeichne hinsichtlich der Tests der Stiftung Warentest ein jahresübergreifendes Bild, so dass der Eindruck entstehe, dass die genannten Matratzen in den letzten Jahren in ihrem jeweiligen Bereich die besten Matratzen gewesen seien. Bei den Kaltschaummatratzen stimme das aber nicht, da in den letzten Jahren mehrere Matratzen deutlich besser abgeschnitten hätten, als die M und die N. Während diese nur die Note 2,2 erhalten hätten (Anm. des Verf.: zutreffend müsste es wohl heißen Note 2,1) hätten allein drei Matratzen die Note 1,7 erhalten, u.a. die C1-Matratze (Test 10/2018), aber auch die Matratzen F und E (Test 10/2019). Auch bei den Latexmatratzen stimme das nicht, da die B-Matratze im Test 10/2018 nur eine von drei am besten getesteten Latexmatratzen gewesen sei.

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.09.2020 erfolglos abgemahnt.

Die Antragsgegnerin änderte daraufhin ihren Beitrag wie im Antrag in Anlage ASt 2 wiedergegeben.

Die Antragstellerin hält auch diesen Beitrag für wettbewerbswidrig. Insoweit gelte Entsprechendes. Mit Schreiben vom 25.09.2020 hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin erfolglos abgemahnt.

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Matratzen zu bewerben, wenn das geschieht wie in Anlagen AST 1 und AST 2:

Bilddateien wurden entfernt

II. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 30.09.2020 war zurückzuweisen, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht.

1) Die Kammer geht mit der Antragstellerin davon aus, dass es sich bei den Beiträgen der Antragsgegnerin nicht um redaktionelle Berichterstattung, sondern um redaktionelle Werbung der Antragsgegnerin zugunsten der in den Beiträgen genannten Matratzen handelt. Neben dem Hinweis "Für Links auf dieser Seite erhält D ggf. eine Provision vom Händler ..." spricht hierfür, dass die Beiträge Links zu den einzelnen Anbietern der Matratzen enthalten. Die Antragsgegnerin fördert hiermit den Wettbewerb dieser Anbieter.

2) Einen Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG vermag die Kammer nicht festzustellen.

Nach § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt und das Nichtkenntlichmachung geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Den kommerziellen Charakter der Beiträge macht die Antragsgegnerin hier ausreichend kenntlich. Entgegen der Bewertung der Antragstellerin ist der Hinweis auf die Affiliate-Tätigkeit nicht lediglich versteckt angebracht, sondern jeweils direkt über der Überschrift der Artikel platziert und durch die Abbildung eines orange hinterlegten Einkaufswagens so hervorgehoben, dass der Hinweis von einem situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher nicht übersehen werden kann. Zudem weisen die Verlinkungen auf die Internetseiten der einzelnen Anbieter der Matratzen auf den kommerziellen Charakter der Beiträge hin. Derartige Verlinkungen kennt der Verkehr von kommerziellen Werbeseiten, nicht aber von neutralen und objektiven redaktionellen Berichten über Waren und Dienstleistungen.

3) Die angegriffene Werbung stellt auch keine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG dar.

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält. Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Sie ist irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2015 - I ZR 136/13, GRUR 2015, 906 - TIP der Woche, mwN).

Die Frage, ob eine Angabe irreführend ist, richtet sich nach dem Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises (BGH, Urteil vom 02.10.2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250 - Marktführerschaft; Urteil vom 07.07.2005 - I ZR 253/02, GRUR 2005, 877 - Werbung mit Testergebnis). Dabei muss sich die Irreführungsgefahr nicht bei der Gesamtheit des Verkehrs realisieren. Ausreichende, aber zugleich notwendige Voraussetzung ist vielmehr der Eintritt der Gefahr der Irreführung bei einem erheblichen Teil des von der Werbeaussage angesprochenen Verkehrskreises. Das ist im Wege einer Prognoseentscheidung anhand der normativ zu bewertenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport, mwN). Eine Aussage kann objektiv richtig sein, aber subjektiv eine falsche Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise hervorrufen (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 5 Rn. 1.57).

Adressaten der streitgegenständlichen Werbung sind die Verbraucher im Allgemeinen. Zu diesen Verkehrskreisen gehört auch der zur Entscheidung berufene Kammervorsitzende, so dass dieser die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann (vgl. BGH, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport).

Die Kammer teilt nicht die Bewertung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zeichne in den Beiträgen hinsichtlich der Tests der Stiftung Warentest ein jahresübergreifendes Bild, so dass der Eindruck entstehe, dass die genannten Matratzen in den letzten Jahren in ihrem jeweiligen Bereich die besten Matratzen gewesen seien. Vielmehr teilt die Antragsgegnerin in den Beiträgen im Einzelnen unter Angabe der Testzeitpunkte mit, welche Matratzen-Tests der Stiftung Warentest Gegenstand der Beiträge sind. Aus dem Gesamtzusammenhang wird deutlich, dass die Antragsgegnerin jeweils über die zeitlich letzten Tests der verschiedenen Matratzenarten, nämlich Kaltschaummatratzen, Federkernmatratzen und Latexmatratzen berichtet. Die Antragsgegnerin spricht insoweit von "aktuellen Matratzen-Test" und "aktuell am besten benoteten Matratzen". Die einzelnen Jahreszahlen der Tests sind darüber hinaus auch in der Übersicht sowie im weiteren Verlauf der Seite bei den einzeln mit Vor- und Nachteilen besprochenen Matratzen wiedergegeben. Die Antragsgegnerin zeichnet daher nicht ein jahresübergreifendes Bild, sondern gibt (lediglich) die jeweils zeitlich letzten Tests in den verschiedenen Matratzen-Kategorien wieder. Deshalb liegen die C1-Matratze (Test 10/2018) sowie die Matratzen F und E (Test 10/2019) außerhalb des Betrachtungszeitraumes der Beiträge der Antragsgegnerin. Deren Testergebnisse aus früheren Tests müssen nicht wiedergegeben werden.

Auch bei den Latexmatratzen gibt die Antragsgegnerin das Testergebnis nicht unzutreffend wieder. Der Vortrag der Antragstellerin, die B-Matratze sei im Test 10/2018 nur eine von drei am besten getesteten Latexmatratzen gewesen, ist schlicht unzutreffend. Wie sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Test 10/2018 (Anlage Ast 3) ergibt, hat die B Matratze die Note 2,2 erhalten, während die anderen drei getesteten Latexmatratzen die Noten 2,3 bzw. 2,4 erhalten. Dies ergibt sich auch aus der Anlage Ast 13 (dort S. 5), die eine Übersichtstabelle der Testergebnisse der Stiftung Warentest beinhaltet.

4) Die rechtliche Bewertung der Kammer gilt entsprechend auch hinsichtlich des Beitrags der Antragsgegnerin Anlage ASt 2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Streitwert: 100.000,00 €