AG Zeitz, Beschluss vom 29.12.2020 - 5 M 195/06
Fundstelle
openJur 2021, 3512
  • Rkr:

Eine auf ein Pfändungsschutzkonto gezahlte Jahressonderzahlung des Arbeitsgebers zum Jahresende, die sowohl von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als auch im Allgemeinen als Weihnachtsgeld angesehen wird, ist dem Schuldner auf Antrag zusätzlich zu seinem monatlichen Freibetrag bis zur Höhe von max. 500,00 € pfandfrei zu stellen (§§ 850k Abs. 4 S. 2, 850a Nr. 4 ZPO). Dabei ist es unerheblich, dass die Jahressonderzahlung weder in der Verdienstbescheinigung noch im Tarifvertrag als "Weihnachtsgeld" bezeichnet wird.

Tenor

1. In der Zwangsvollstreckungssache aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Zeitz vom 04.02.2006 (Geschäftsnummer: 5 M 195/06) wird der dem Schuldner nach § 850k Abs. 1 und 2 ZPO zu gewährende monatliche Freibetrag gemäß §§ 850k Abs. 4, 850a Nr. 4 ZPO für den Monat November 2020 einmaligum 500,00 € erhöht.

2. Es wird angeordnet, dass der Schuldner über den unter Punkt 1) festgestellten Erhöhungsbetrag des pfändungsfreien Betrages für den Monat November 2020 bis zum Ende des Kalendermonats der Rechtskraft dieser Entscheidung verfügen darf. Soweit der Schuldner bis dahin nicht über ihn verfügt hat, wird angeordnet, dass dieser Betrag entsprechend § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO in dem darauffolgenden Kalendermonat nicht von der Pfändung erfasst ist und dem Schuldner zusätzlich zur freien Verfügung steht.

3. Die mit Beschluss vom 01.12.2020 angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird aufgehoben.

4. Der Beschluss wird mit seiner Rechtskraft wirksam.

Gründe

Am 01.12.2020 beantragte der Schuldner die Freigabe der ihm am 25.11.2020 von seinem Arbeitgeber mit dem Lohn für November 2020 auf sein Pfändungsschutzkonto überwiesenen jährlichen Sonderzuwendung und begründete den Antrag damit, dass es sich um das teilweise unpfändbare Weihnachtsgeld gemäß § 850a Nr. 4 ZPO handelt. Zum Nachweis legte er die Verdienstbescheinigung für den Monat November 2020 vor, aus der ersichtlich ist, dass im Abrechnungsmonat November 2020 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 2.688,30 € (brutto) an den Schuldner gezahlt wurde.

Die Gläubigerin wurde angehört. Sie hat der Freigabe mit der Begründung widersprochen, dass es sich bei der Jahressonderzahlung nicht um Weihnachtsgeld gemäß § 850a Nr. 4 ZPO handelt.

Daraufhin legte der Schuldner eine Bestätigung seines Arbeitgebers vor, dass die im November 2020 an den Schuldner gezahlte "jährliche Zuwendung" dem "im Volksmund bekannten Weihnachtsgeld" entspricht.

Der Gläubiger erhielt erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme. Eine weitere Stellungnahme ist nicht eingegangen.

Gem. §§ 850k Abs. 4 S. 2, 850a Nr. 4 ZPO sind Weihnachtsvergütungen des Arbeitgebers bis zu einem Betrag i.H.v. maximal 500 € unpfändbar. Dabei ist es unschädlich, dass diese Sonderzahlung nicht als Weihnachtsvergütung bezeichnet ist. Da § 850a Nr. 4 ZPO ausdrücklich von einer Weihnachtsvergütung spricht, unterfallen nicht nur Gratifikationen, sondern auch Zuwendungen mit Vergütungscharakter, wie zum Beispiel Jahresprämien oder ein 13. Monatsgehalt dem Pfändungsschutz, sofern sie aus Anlass des Weihnachtsfestes gezahlt werden (BAG, Urteil vom 14. März 2012 -10 AZR 778/10 -, juris). Die "jährliche Zuwendung" nach Tarifvertrag für Arbeitnehmer der DB Services GmbH im Bereich der Verkehrsdienste (TV VD) wird zwar nicht ausdrücklich aus Anlass des Weihnachtsfestes gezahlt. Jedoch handelt es sich bei dieser Sonderzahlung zum Jahresende nach dem allgemeinen Verständnis um "Weihnachtsgeld" (siehe z.B. https://www.verdi.de/++co++4f25db42-47c3-11e3-a488-52540059119e). Die Sonderzahlung zum Jahresende ist historisch gewachsen, wird sowohl von Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite als Weihnachtsgeld betrachtet, auch wenn sie nicht mehr als "Weihnachtsgeld" bezeichnet wird. Zudem wird die Jahressonderzahlung rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest gezahlt. Denn diese Jahressonderzahlung wird nicht etwa zum Jahresende (also Ende Dezember/Anfang Januar) als "Leistungsprämie" gezahlt. Vielmehr erfolgt die Zahlung schon mit dem Novembergehalt, sodass die Auszahlung dem Arbeitnehmer rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest zur Verfügung steht. Eine Zahlung innerhalb einer Zeitspanne, in der üblicherweise Weihnachtsvergütungen getätigt werden, kann Indizwirkung für das Vorliegen einer Weihnachtsvergütung haben, insbesondere, wenn die Bezeichnung der Gratifikation den Zweck nicht deutlich macht (BAG, Urteil vom 18. Mai 2016 - 10 AZR 233/15 -, juris). Es würde dem allgemeinen Rechtsempfinden widersprechen, diese Jahressonderzahlung nicht als Weihnachtsvergütung i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO zu betrachten. Denn auch im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Jahressonderzahlung als Weihnachtsgeld bezeichnet (z.B. Erläuterungen der Gewerkschaft zu den neuen Entgelttabellen der DB AG im Internet https://www.evg-online.org/fileadmin/Tarif/Entgelttabellen_DBAG/FGr_1.pdf ). Auch aus dem Schreiben des Arbeitgebers des Schuldners geht hervor, dass die "jährliche Sonderzuwendung" im Allgemeinen als Weihnachtsgeld betrachtet wird.

Folglich war die "jährliche Zuwendung", die dem Schuldner auf tarifvertraglicher Grundlage von seinem Arbeitgeber als Weihnachtsvergütung i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO gezahlt wurde, gemäß § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 850a Nr. 4 ZPO bis zum Betrage von 500,00 € pfandfrei zu stellen.

Um sicherzustellen, dass dem Schuldner dieser pfändungsfreie Betrag der Jahressonderzahlung tatsächlich zugutekommt, war anzuordnen, dass der Schuldner über den zusätzlich pfandfrei gestellten Betrag in Höhe von 500,00 € bis Ende des Kalendermonats der Rechtskraft der Entscheidung verfügen darf und eine Übertragung des nicht verbrauchten Teils in den darauffolgenden Monat entsprechend § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - VII ZB 27/17 -, Rn. 28, juris).

Die Wirksamkeit der Entscheidung war von der Rechtskraft abhängig zu machen, um den Beteiligten ausreichend Möglichkeit zur Prüfung und Rechtsmitteleinlegung zu geben.

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