Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.10.2020 - 11 K 22/20
Fundstelle
openJur 2021, 3430
  • Rkr:

1. Beabsichtigt der Betreiber einer Biogasanlage bei deren Errichtung, die anfallende Wärme unentgeltlich an Dritte abzugeben, führen die Wärmelieferungen nicht zu unentgeltlichen Wertabgaben, weil der Betreiber insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

2. Die Kürzung der abzugsfähigen Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG kann nach der Marktwertmethode unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preise für Strom und Wärme vorgenommen werden.

3. Eine Berichtigung der Vorsteuer nach § 15 a UStG hinsichtlich der ursprünglich zu Unrecht für die Errichtungsaufwendungen in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge scheidet aus.

Tatbestand

Streitig ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Wärmelieferungen der Klägerin an die D-Nahwärmenetz GbR (GbR I) und an die D-Nahwärmenetz II GbR, S (GbR II) aus einer Biogasanlage in den Streitjahren 2012 bis 2015.

Die Klägerin ist eine KG, die mit Gesellschaftsvertrag vom xx. November 2005 errichtet worden ist. Komplementärin ist die D-VerwaltungsGmbH ohne Kapitaleinlage. Kommanditisten sind P, G und H. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Strom aus eigener Erzeugung. In den Jahren 2005 und 2006 errichtete die Klägerin in D, einem Stadtteil von S, eine Biogasanlage zur Stromerzeugung, die im Jahr 2006 in Betrieb genommen wurde. Die der Klägerin in den Eingangsrechnungen für den Bau der Anlage in Rechnung gestellte Umsatzsteuer machte diese in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen ab September 2005 und später auch in ihren Umsatzsteuererklärungen als abzugsfähige Vorsteuer geltend. Der Beklagte legte die Erklärungen den Umsatzsteuerfestsetzungen zugrunde.

Die GbR I wurde mit Vertrag vom xx. März 2006 von 16. Gesellschaftern, alle Grundstückseigentümer aus der Umgebung, errichtet. Mit Wirkung vom xx. Oktober 2010 wurden weitere vier und mit Wirkung vom xx. März 2012 ein weiterer Gesellschafter aufgenommen. Zweck der Gesellschaft ist die Durchleitung von Wärmeenergie über ein aus eigenen Mitteln der Gesellschaft zu errichtendes und durch die Gesellschaft zu erhaltendes Leitungsnetz für den Bezug von Wärmeenergie auf den Grundstücken der Gesellschafter und die Abrechnung der jährlichen anzupassenden Arbeitspreise je Hausanschluss mit den Gesellschaftern. Zu diesem Zweck werde die Gesellschaft einen Vertrag über den Anschluss an das Nahwärmenetz und die Lieferung von Nachwärme mit der Klägerin schließen. Auf Grund dieses Vertrages werde die Wärmeenergie ausschließlich an die angeschlossenen Gesellschafter geleitet. Grundlage des Lieferanspruchs gegenüber der GbR sei der jetzige Wärmebedarf der Gesellschafter. Der genannte Arbeitspreis je Hausanschluss entspreche den für die Wärmeenergie an die Klägerin gezahlten Arbeitspreisen zuzüglich einer von der Gesellschafterversammlung festzulegenden Pauschale. Zur Geschäftsführung und Vertretung waren nach § 7 Nr. 1 des Vertrages vier namentlich benannte Gesellschafter gemeinschaftlich mit einem weiteren der übrigen Gesellschafter berechtigt.

Am xx. März 2006 schloss die Klägerin mit der GbR I einen Wärmelieferungsvertrag. Die GbR übernahm darin die Durchführung von Wärmeenergie über ein aus eigenen Mitteln des Abnehmers zu errichtendes und zu erhaltendes Leitungsnetz für den Bezug von Wärmeenergie auf den Grundstücken ihrer Gesellschafter. Die GbR verpflichtete sich, den Wärmebedarf der Grundstücke ihrer Gesellschafter durch den Bezug bei der Klägerin zu decken. Die Klägerin verpflichtete sich zur unentgeltlichen Lieferung der Wärme an die GbR. Nach § 2 des Vertrages hatte sie die vereinbarte Heizleistung von etwa 500 kW vorzuhalten; eine Änderung der Leistungsanforderung bedurfte einer besonderen Vereinbarung. Diese Verpflichtung entfiel nur bei höherer Gewalt oder wenn die Beseitigung der hindernden Umstände der Klägerin wirtschaftlich nicht zumutbar war. Der Vertrag trat mit Unterzeichnung in Kraft. Er hat eine Laufzeit bis zum xx. August 2026 mit einer Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung. Der Vertrag wurde von den vier namentlich bezeichneten Gesellschaftern ohne einen weiteren Gesellschafter für die GbR I unterschrieben.

Mit Gesellschaftsvertrag vom xx. Mai 2008 errichteten dreizehn Grundstückseigentümer aus der Umgebung die GbR II. Die einzelnen Bestimmungen entsprachen denen aus dem Gesellschaftsvertrag der GbR I. Die Gesellschaft begann am xx. Mai 2008 und wurde auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch für 18 Jahre errichtet. Zur Geschäftsführung und Vertretung waren nach § 7 Nr. 1 des Vertrages drei namentlich bezeichnete Gesellschafter gemeinschaftlich mit einem weiteren übrigen Gesellschafter berechtigt. Am xx. Oktober 2008 schloss die GbR II mit der Klägerin einen inhaltlich identischen Wärmelieferungsvertrag ab. Die Wärmelieferungen begannen am xx. November 2008.

§ 5 in beiden Verträgen enthielt eine sogenannte Billigkeitsklausel und hatte folgenden Wortlaut:

„Wenn die wirtschaftlichen, technischen oder rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die Bestimmungen dieses Vertrages vereinbart worden sind, eine grundlegende Änderung erfahren und in Folge dessen einem der Vertragspartner oder Beiden unter Berücksichtigung aller Umstande des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann, weil dies dem bei Vertragsschluss vorhandenen Vorstellungen über einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen nicht entsprechen würde, so ist dieser Vertrag unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben den geänderten Verhältnissen anzupassen.“

In der Zeit von Juni bis Oktober 2011 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die steuerlichen Verhältnisse in den Streitjahren betraf. Dabei traf der Außenprüfer u. a. folgende Feststellungen:

1. Die Klägerin hatte 2009 eine Erweiterung der Anlage vorgenommen, die erst 2010 abgeschlossen wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf Tz. 15.3. des Berichts des Beklagten vom xx. Oktober 2011 über die Außenprüfung zur StNr. xxx, AD-Nr. xxx hingewiesen. Die Herstellungskosten für die Erweiterungsmaßnahmen betrugen in 2009 550.000 € und in 2010 1.100.000 €, die hierauf entfallenden Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 102.000 € und 212.000 € hatte die Klägerin als abzugsfähige Vorsteuer berücksichtigt.

2. Die GbR I erklärte gegenüber dem für die Veranlagung zuständigen Finanzamt N mit Schreiben vom xx. Februar 2007, sie sei ein Zusammenschluss von sechzehn Grundstückseigentümern. Ihr Ziel sei es, ihren Gesellschaftern eine günstige Wärmeversorgung zu ermöglichen. Das Rohrleistungssystem sei nur gegen Kostenbeteiligung der Gesellschafter von der GbR gebaut worden. Mit den Gesellschaftern finde nur ein Kostenausgleich, hauptsächlich wegen des Stroms zum Betrieb der Wasserpumpen statt. Einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalte die GbR nicht, die Umsatzsteuervoranmeldungen für 2006 deshalb berichtigt. Das Finanzamt N löschte die GbR aus ihrem steuerlichen Register.

3. Der Außenprüfer teilte der damaligen steuerlichen Beraterin mit, dass die Wärmelieferungen an die beiden GbRs unentgeltlich erfolgt seien. Es handele sich deshalb um unentgeltliche Wertabgaben i. S. d. § 3 Abs. 1b Nr. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG). Bemessungsgrundlage hierfür seien die Selbstkosten, die durch den betrieblichen Leistungsprozess bis zum Zeitpunkt der Wärmeabgabe entstanden seien.

Die Beraterin erwiderte hierzu mit Schreiben vom xx. August 2011, alle Vertragsparteien hätten nach § 5 des Wärmeliefervertrages nachträglich für die Streitjahre einen Preis von 1 € pro MW (= 0,1 Cent pro kWh) vereinbart. Die Klägerin habe hierüber auch am xx. August 2011 drei Rechnungen gegenüber der GbR I und eine gegenüber der GbR II erteilt, wobei von dem vereinbarten Entgelt ein Nachlass von 50 v. H. gewährt worden sei wegen der Errichtung und Vorhaltung des eigenen Wärmenetzes.

Der Außenprüfer vertrat weiterhin seine ursprüngliche Auffassung. Die Rahmenbedingungen hätten sich im Prüfungszeitraum nicht geändert, sodass eine Vertragsanpassung nicht habe erfolgen können. Zudem sei eine rückwirkende Änderung steuerrechtlich nicht beachtlich.

Wegen der Berechnung der steuerlichen Bemessungsgrundlage in den Streitjahren wird auf Tz. 39 und Anlage 4 des Berichts vom xx. Oktober 2011 über die Außenprüfung zur StNr. xxx, AD-Nr. xxx hingewiesen.

Im Rahmen einer weiteren Außenprüfung in der Zeit von Dezember 2017 bis November 2018 für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2015 wurde dieser Sachverhalt wiederum aufgegriffen. Dabei stellte der Außenprüfer fest, dass bis Ende 2015 keine Zahlungen auf die nachträglich abgerechneten Wärmelieferungen erfolgt seien, obwohl nach den Nachberechnungen ein Zahlungsziel bis zum xx. September 2011 gesetzt worden sei. Im Übrigen sei der nachträglich vereinbarte Preis von 0,05 Cent je KWh nicht angemessen. Der Außenprüfer ermittelte die anteiligen Selbstkosten nach der energetischen Aufteilungsmethode. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 26 und Anlage 8 des Berichts des Beklagten vom 29. November 2018 über die Außenprüfung zur StNr. xxx, AD-Nr. xxx verwiesen.

Der Beklagte folgte der Auffassung seines Außenprüfers und erließ am xx. Dezember 2018 entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.

Hiergegen erhob die Klägerin am xx. Januar 2019 Einspruch. Aufgrund der nachträglichen Anpassungsvereinbarung habe sie die Wärmelieferungen nicht unentgeltlich erbracht. Für die Streitjahre seien die Entgelte nachberechnet und ab 2010 auch zeitnah abgerechnet worden. Als Nachweis übermittelte die Klägerin ein nicht unterschriebenes Schreiben vom xx. August 2011. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung für die Wärmelieferung hätten sich nach einer Verfügung der Finanzverwaltung rückwirkend geändert. Die Klägerin mache somit Gebrauch von § 5 des Wärmeliefervertrages und berechne für die gelieferte Wärme eine Vergütung von 5 v. H. des KWK abzüglich 2 v. H. Bonus, da die GbR das Wärmenetz selbst errichtet habe.

Auf die Aufforderung des Beklagten, eine von beiden Seiten unterschriebene Änderungsvereinbarung und Zahlungsnachweise vorzulegen, reagierte die Klägerin nicht. Auch die erbetenen Nachweise zur Behauptung, die nunmehr vereinbarten Entgelte seien marktüblich, legte die Klägerin nicht vor. Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten zu 2. läge kein nur symbolischer Preis vor. Nach der Rechtsprechung des BFH sei ein Entgelt, das sich auf 8,5 v. H. der für die Leistung entstandenen Kosten belaufen habe, ohne Weiteres als nicht nur symbolisch anerkannt worden. Im Streitfall habe das vereinbarte Entgelt etwa 5 v. H. der Kosten abgedeckt. Sofern man demgegenüber von einer unentgeltlichen Wärmelieferung ausgehe, sei diese eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne, die nicht steuerbar sei, sondern nur zu einer Kürzung des Vorsteuerabzugs führen könne.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte im Einspruchsbescheid vom xx. Dezember 2019 aus, die behauptete Anpassung des Wärmeliefervertrages sei nicht nachgewiesen worden. Zudem habe die Klägerin nicht dargelegt, welche Grundlagen sich im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich geändert hätten. Auch die nach Aktenlage nicht erfolgten Zahlungen sprächen als Indiz gegen einen Vertragsschluss.

Das nunmehr vereinbarte Entgelt sei zwar grundsätzlich zu berücksichtigen. Allerdings habe die Klägerin ihre Kalkulation nicht offengelegt. Das nach ihrem Vortrag vereinbarte Entgelt weiche erheblich von den Beträgen ab, die in der Rechtsprechung als machtüblich angesehen würden (etwa 2 Cent pro kWh). Schon nach ihrer eigenen Berechnung decke der angeblich vereinbarte Betrag nur etwa 1 v. H. der entstandenen Kosten ab. Dass der geringe Preis auf die von den Abnehmern selbst getragenen Investitionskosten zurückzuführen sei, sei ebenfalls nicht belegt worden und auch nicht nach Aktenlage erkennbar. Der Klägerin sei das Leitungsnetz nicht zur Verfügung gestellt worden. Auch sei die Klägerin nach dem Wärmeliefervertrag zur Bereitstellung einer bestimmten Heizleistung verpflichtet gewesen.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend zu ihrem bisherigen Sachvortrag macht sie Folgendes geltend:

- Die Abrechnungen für die Zeit ab 2012 seien von der GbR zeitnah anerkannt und auch beglichen worden. Wegen der Unsicherheit, ob die Billigkeitsklausel auch zu einer rückwirkenden Inrechnungstellung von Entgelten berechtige, seien die Rechnungsbeträge 2006 bis 2010 erst im Jahr 2018 bezahlt und spätestens in dem Moment auch anerkannt worden. Das vereinbarte Entgelt sei zwar deutlich geringer als das marktübliche. Da es sich aber nicht nur um einen symbolischen Preis handele, sei es anzuerkennen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sei zu berücksichtigen, dass die Wärme gleichsam ein Abfallprodukt sei, das keine eigenen Kosten verursache. Zudem sei nur wegen der Wärmeabgabe der KWK-Bonus als Vorteil geflossen.

- Richtig sei allerdings, dass die Verhandlungen sich zwischen den Vertragsparteien schwierig gestaltet hätten und die Zahlungen erst nach 2015 erfolgt seien.

Zum Abschluss der Änderungsvereinbarung sei es gekommen, weil die Vertragsparteien ursprünglich gedacht hätten, es bedürfe keines Entgelts vonseiten der GbRs, weil die Klägerin den KWK-Bonus erhalte. Dies habe sich dann als unrichtig herausgestellt. Im Herbst 2011 hätten dann mehrere Gespräche zwischen der Geschäftsleitung der Klägerin und den geschäftsführenden Gesellschaftern beider GbRs stattgefunden. Noch vor Ende des Jahres 2011 sei dann die schon beschriebene Einigung für die Jahre ab 2012 erzielt worden. Auf eine schriftliche Fixierung habe man verzichtet, weil man in dörflicher Umgebung miteinander bekannt gewesen sei. Förmliche Beschlüsse auf Gesellschafterversammlungen der beiden GbRs habe man nicht für erforderlich gehalten. Zum Nachweise dieses Sachverhalts würden jeweils zwei der in den Gesellschaftsverträgen namentlich benannten geschäftsführenden Gesellschafter als Zeugen benannt.

- Gehe man demgegenüber mit dem Beklagten von unentgeltlichen Wärmelieferungen aus, müsse man die vom BFH entwickelte und von der Finanzverwaltung übernommene Dogmatik von den drei möglichen Tätigkeitsbereichen eines Unternehmers beachten. Unentgeltliche Wertabgaben gehörten grundsätzlich zum Bereich der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmers; dieser Tätigkeitsbereich führe regelmäßig nicht zu einer Umsatzbesteuerung, sondern zur Versagung des Vorsteuerabzugs. Nur beim Bezug von Gegenständen, die auch für private Zwecke oder für Zwecke des Personals verwendet werden sollten, habe der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht. Ein derartiger Sonderfall liege aber im Streitfall nicht vor. In analoger Anwendung des § 15 abs. 4 UStG müsse somit der Vorsteuerabzug zwischen der unternehmerischen und der nichtunternehmerischen Tätigkeit aufgeteilt werden. In Abschn. 2.5 Abs. 12 UStAE habe die Finanzverwaltung denn auch klargestellt, dass bei einer Photovoltaikanlage, die teilweise für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit verwendet werde, eine Zuordnung der Anlage zum Unternehmensvermögen nicht möglich sei und der Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen sei. Die anderslautende Entscheidung des BFH (Urteil vom 32. Mai 2017 XI R 2/14, BStBl. II 2017, 1024) beruhe dagegen auf einem offensichtlichen Fehler, als das Gericht dort diese Grundsätze übersehen habe.

- Das Klagebegehren berücksichtige vorsorglich die Kürzung der bislang geltend gemachten Vorsteuerbeträge um die anteilige zu berichtigende Vorsteuer. Dabei sei zunächst der Anteil, der sich direkt der Stromproduktion zuordnen lasse, im Schätzwege mit 10 v. H. angesetzt und ausgeklammert worden. Da Strom- und Wärmemengen bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht vergleichbar seien, müsse im Übrigen eine Aufteilung nach der Marktwertmethode erfolgen. Aus Vereinfachungsgründen habe die Klägerin hierbei die Verhältnisse des Jahres 2015 zugrunde gelegt. Bei Strom sei ein Marktwert von 0,20 €/kWh anzusetzen, bei Wärme einer von 0,02 €/kWh. Dies ergebe einen Anteil der Wärmeproduktion von 10,1 v. H. Da nur ein Teil der Wärme unentgeltlich geliefert worden sei (nur 3,9 Mio. kWh von insgesamt 11,1 Mio. kWh), seien nur 35 v. H. der auf die Wärmeproduktion anfallenden Aufwendungen zu berücksichtigen. Bezogen auf den Anteil der Wärmeproduktion an der Gesamtproduktion von 10,1 v. H. ergebe sich deshalb ein Kürzungsbetrag an allen mit Vorsteuer behafteten nicht direkt zuordnungsfähigen Eingangsrechnungen von 3,5 v. H.

- Die Klägerin habe sich 2005 und 2006 bei der Geltendmachung der Vorsteuer auch nicht auf die Nichtbeanstandungsregelung in Abschn. VI des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 2012 (BStBl. I 2012, 60) berufen. Sie sei vielmehr seinerzeit von einer ausschließlich unternehmerischen Nutzung der Biogasanlage ausgegangen. Die Abgabe der Wärme an die Gesellschafter der GbRs sei wegen des KWK-Bonus für sie als wirtschaftlich vorteilhaft erachtet worden. Für die Streitjahre habe sie im Übrigen ihr Klagebegehren so beziffert, dass eine mögliche Vorsteuerkürzung bereits berücksichtigt worden sei. Solange ein Steuerfall noch offen sei, könne dem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden, er habe sich bei Abgabe der Erklärung auf die bisher geltende Verwaltungsauffassung berufen.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2012 unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom xx.1.2020 und unter Änderung der geänderten Steuerfestsetzung für 2012 vom xx.12.2018 auf 174.000 € festzusetzen, die Umsatzsteuer 2013 unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom xx.1.2020 und unter Änderung der geänderten Steuerfestsetzung für 2013 vom xx.12.2018 auf 153.000 € festzusetzen, die Umsatzsteuer 2014 unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom xx.1.2020 und unter Änderung der geänderten Steuerfestsetzung für 2014 vom xx.12.2018 auf eine negative Steuerschuld von ./. 196.000 € festzusetzen, die Umsatzsteuer 2015 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom xx.1.2020 und unter Änderung der geänderten Steuerfestsetzung für 2015 auf eine negative Steuerschuld von ./. 140.000 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest. Ergänzend trägt er Folgendes vor:

- Eine Abänderungsvereinbarung sei auch im Klageverfahren nicht nachgewiesen worden. Nach § 7 des Wärmeliefervertrages habe eine solche schriftlich formuliert werden müssen. Es habe auch keine grundlegende Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Vergleich zu den Verhältnissen bei Vertragsabschluss gegeben. Auch sei nicht erklärlich, warum die GbR einer derartigen für sie nachteiligen Änderung habe zustimmen sollen. Rückwirkende Vereinbarungen seien im Übrigen auch steuerlich nicht anzuerkennen.

- Die Klägerin habe bereits 2005 und damit lange vor der neuen Rechtsprechung des BFH die Zuordnungsentscheidung für die gesamte Biogasanlage getroffen. Nach damaliger Auffassung sei diese Zuordnung zulässig gewesen. Da die zeitnah beim Leistungsbezug zulässig Zuordnungsentscheidung zu einer Versteuerung der unentgeltlichen Wertabgaben führe, müsse dies auch nach der neueren Rechtsprechung gelten.

- Für die Klägerin seien die Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 am xx. März 2012 erlassen worden, die auf den Feststellungen der Außenprüfung beruht hätten. Der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten für die Anlage sei entsprechend dem Antrag der Klägerin vollständig gewährt worden. Die entsprechenden Bescheide seien nach dem Ergehen des BMF-Schreibens erlassen worden. Sie habe deshalb die Nichtbeanstandungsregelung in Anspruch nehmen müssen, weil zu diesem Zeitpunkt die Wärmeabgaben unentgeltlich erfolgt seien. Der Beklagte habe nach Ende der Außenprüfung auf die teilweise Rückgängigmachung des gewährten Vorsteuerabzugs verzichtet, weil die ursprüngliche Geltendmachung des Vorsteuerabzugs eine Inanspruchnahme der Billigkeitsregelung darstelle. Im Übrigen habe die Klägerin für die Zeiträume ab 2007 die Berichtigung der Vorsteuern nach § 15 a UStG auch nicht beantragt.

- Der Beklagte beantrage im Übrigen, das Ruhen des Klageverfahrens bis zu einer Entscheidung des BFH über das Revisionsverfahren XI R 17/20 anzuordnen.

Gründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2015 vom xx. Dezember 2018 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom xx. Januar 2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als die Klägerin mit der unentgeltlichen Zuwendung der Wärme an die beiden GbRs keine steuerbaren unentgeltlichen Wertabgaben i. S. d. § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG erbracht hat. Die von der Klägerin behaupteten Vereinbarungen im Jahr 2011 mit den beiden GbRs über ein Entgelt von 0,05 Cent/kWh ab 2007 sind umsatzsteuerrechtlich nicht anzuerkennen und ändern die steuerrechtliche Bewertung der Wärmeabgaben als unentgeltliche Zuwendungen aber nicht (2.). Eine Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung in Abschn. VI des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 2012 (BStBl. I 2012, 60) im Streitfall ist nicht zulässig (3.). Die bislang in den Streitjahren berücksichtigten Vorsteuerbeträge sind in analoger Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG anteilig zu kürzen, wobei allerdings unter Anwendung der Marktwertmethode die Klage auch insoweit keinen Erfolg haben kann, als das Gericht den Marktwert für die gelieferte Wärme auf 0,04 €/kWh nach § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) schätzt (3.). Eine Berichtigung der in den Jahren 2005 und 2006 wegen der Errichtung der Biogasanlage berücksichtigten Vorsteuerbeträge und der für die Erweiterungsmaßnahmen in den Jahren 2009 und 2010 nach § 15 a Abs. 1 UStG scheidet aus (5.). Nur soweit die Klägerin von Wärmelieferungen gegen Entgelt ausgeht und hinsichtlich des Ansatzes eines Marktwerts von 4 Cent statt 2 Cent pro kWh ist die Klage unbegründet.

1. Mit der Abgabe der Wärme an die beiden GbRs in den Streitjahren 2012 bis 2015 hat die Klägerin keine steuerbaren Lieferungen gegen Entgelt erbracht, weil das nach dem Vortrag der Klägerin mündlich vereinbarte Entgelt von 0,05 Cent/kWh nur einen symbolischen Preis darstellt. Die von der Klägerin steuerrechtlich erbrachten unentgeltlichen Zuwendungen an die GbRs sind aber nach § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG nicht steuerbar, weil die bei der Herstellung der Wärme angefallenen Aufwendungen nicht zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1 b Satz 2 UStG).

Eine Lieferung gegen Entgelt setzt eine innere Verknüpfung zwischen Lieferung und der Gegenleistung im Rahmen eines Leistungsaustauschs voraus. Der leistende muss aufgrund seiner Leistung die Gegenleistung erhalten. Dabei genügt es für die Annahme eines Leistungsaustauschs bereits, dass die Gegenleistung in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Leistung gebracht werden kann. Das Motiv der Leistung ist unerheblich; die Gegenleistung muss auch nicht unbedingt vertraglich vereinbart worden sein. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang behauptet, sie habe mit den beiden GbRs mündliche Vereinbarungen zur Änderung der Wärmelieferungsverträge geschlossen und ein Entgelt von 0,05 Cent/kWh vereinbart. Dieses vereinbarte Entgelt sei dann auch in Rechnung gestellt und von den GbRs beglichen worden.

Nach der Rechtsprechung des EuGHs kann aber ein vereinbartes Entgelt für Leistungen dann umsatzsteuerrechtlich unerheblich sein, wenn eine Asymmetrie zwischen den bei der Leistungserbringung entstehenden Betriebskosten und den erhaltenen Gegenleistungen besteht und aus den weiteren Umständen des Einzelfalls geschlossen werden kann, dass der Leistungserbringer insoweit keine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. Art. 9 Abs. 1 2. Unterabs. MwStSystRL erbringt (EuGH, Urteile vom 12. Mai 2016 C-520/14, UR 2016, 492 = Juris Rdnr. 33; vom 29. Oktober 2009 C-246/08, UR 2010, 224 = Juris Rdnr. 50 f). Der BFH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und deutet eine niedrigen Deckungsgrad der vereinbarten Gegenleistung für die anfallenden Betriebskosten als Indiz für den fehlenden unmittelbaren Zusammenhang für einen Leistungsaustausch (BFH, Urteile vom 15. November 2007 V R 15/06, BStBl. II 2009, 423, 425; vom 15. Dezember 2016 V R 44/15, BFH/NV 2017, 302 = Juris Rdnr.11; vom 28. Juni 2017 XI R 12/15, BFH/NV 2017, 1400 = Juris Rdnr. 53).

Ob die maßgebliche Schwelle für die Annahme eines Leistungsaustausches bei einem Deckungsgrad von 5 v. H. liegt oder höher, kann im Streitfall offenbleiben. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang ermittelt, dass das von der Klägerin behauptete Entgelt von 0,05 Cent/kWh unter Berücksichtigung der energetischen Aufteilungsmethode nicht einmal 1 v. H. der auf die Wärmeproduktion entfallenden Betriebskosten abdeckt. Dem Argument der Klägerin, die Wärme falle gleichsam als Abfallprodukt zwangsläufig an, entsprechende Betriebskosten seien somit diesen Wärmeabgaben nicht gegenüberzustellen, folgt das Gericht nicht. Vielmehr stellt die Abgabe von Wärme im Geschäftsverkehr eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, für die entsprechende Preise verlangt und auch bezahlt werden. Die Gesamtumstände des Streitfalls müssen deshalb untersucht werden.

Bei der Prüfung der Gesamtumstände sind zunächst die Umstände, unter denen der Betreffende die fragliche Leistung erbringt, und die Umstände, unter denen eine derartige Dienstleistung gewöhnlich erbracht wird, zu vergleichen. Weitere Gesichtspunkte sind z. B. die Anzahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen, die generiert werden. Im Streitfall steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Abgabe von Wärme am allgemeinen Markt generell angeboten und nachgefragt wird. Die zwischen den Beteiligten ursprünglich vereinbarten Konditionen sahen aber eine unentgeltliche Überlassung der produzierten Wärme vor, damit die Klägerin den KWK-Bonus als Subvention erhalten konnte. Eine derartige Vereinbarung ist im Geschäftsleben nicht üblich, zumal der Wärme ein Marktwert beizulegen ist. Die behauptete spätere Änderung der ursprünglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und den GbRs fußte nicht auf einer marktüblichen Überlegung dergestalt, dass sich der Marktwert für das Gut geändert hätte. Vielmehr wirkten Klägerin und GbRs einvernehmlich zusammen, um steuerrechtlich nachteilige Folgen, die durch die Außenprüfung bei der Klägerin zu Tage getreten waren, zugunsten der Klägerin zu vermeiden. Es ist allerdings unüblich, dass ein Abnehmer mit einer gesicherten rechtlichen Position auf diese freiwillig zu seinen Lasten verzichtet. Im Geschäftsleben dürfte es auch nicht vorkommen, dass Lieferverträge, die nur durch schriftliche Vereinbarung geändert werden können, entgegen der Schriftform mündlich abgeschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den beiden konkreten Wärmelieferungsverträgen um solche zur Regelung einer langfristigen Rechtsbeziehung handelte und deshalb schon zur Beweissicherung eine schriftliche Vereinbarung geboten erscheint. Dass – wie die Klägerin vorträgt – man sich im Dorf kennt und deshalb auf das Schriftformerfordernis verzichtet habe, erklärt dieses ungewöhnliche Verhalten nicht, zumal die ursprünglichen Wärmelieferungsverträge mit ausführlichen Regelungen schließlich auch schriftlich fixiert worden sind. Zur Überzeugung des Senats erklärt der Zwang für die Klägerin, zu einer nachträglichen Vereinbarung eines Entgelts für die Wärmeabgabe zu gelangen, auch den extrem niedrigen vereinbarten Preis, damit die GbRs wegen der geringen finanziellen Belastungen dann auch in den Vertragsschluss einwilligten. Für erheblich hält das Gericht auch, dass für die Altjahre 2007 bis 2011 die nachträglich vereinbarten Entgelte nach dem Vortrag der Klägerin erst viele Jahre später bezahlt worden sind. Aus den Gesamtumständen ergibt sich daher, dass das vereinbarte Entgelt von 0,05 Cent/kWh kein Leistungsentgelt für die erhaltene Wärme darstellt. Die Wärmeabgaben erfolgten daher unentgeltlich.

Mit der kostenlosen Abgabe der Wärme an die beiden GbRs in den Streitjahren hat die Klägerin zwar unentgeltliche Zuwendungen i. S. d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 3. Alt. UStG erbracht. Diese Zuwendungen sind allerdings nicht steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, weil die bei der Herstellung angefallenen Aufwendungen nicht zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1 b Satz 2 UStG). Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei der Frage eines Vorsteuerabzugs die Verwendungsabsicht des Unternehmers entscheidend. Besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang der bezogenen Eingangsleistung zu einzelnen Ausgangsumsätzen seiner Tätigkeit im wirtschaftlichen Verkehr, so ist die auf die Eingangsleistung entfallende Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG als Vorsteuer abzugsfähig. Bei einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem Ausgangsumsatz, der mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegt, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Abgabe i. S. d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nrn. 1 bis 3 UStG zu verwenden, handelt er im Moment des Leistungsbezugs nicht als Unternehmer für sein Unternehmen, sondern als Privatperson. Die dem Unternehmer in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ist nicht als Vorsteuer abzugsfähig, auf den anderen Seite ist die Abgabe aber auch nicht steuerbar. Bezieht der Unternehmer eine Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, so ist der Vorsteuerabzug nur insoweit zulässig, als die Aufwendungen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind, also insoweit nicht, als eine Abgabe i. S. d. § 3 Abs. 1b Satz 1 UStG erfolgen soll. Wenn allerdings es sich bei der geplanten nichtwirtschaftlichen Tätigkeit um eine Entnahme nach § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 1 oder 2 UStG handelt, darf der Unternehmer die bezogene Eingangsleistung hierfür insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, die Vorsteuer aus der Eingangsleistung insgesamt als Vorsteuer geltend machen, muss dann aber die Abgabe nach § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nrn. 1 oder 2 UStG der Umsatzsteuer unterwerfen. Wenn die beabsichtigte nichtwirtschaftliche Tätigkeit neben der geplanten wirtschaftlichen Tätigkeit § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 oder 2 UStG unterfällt, kann der Unternehmer die Eingangsleistung insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, muss dann aber die unentgeltliche Abgabe versteuern (BFH, Urteile vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BStBl. II 2012, 61, 65; vom 3. März 2011 V R 23/10, BStBl. II 2012, 74, 75 f.). Die Finanzverwaltung hat die von der Rechtsprechung herausgearbeitete Unterscheidung zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit, der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im weiteren Sinn (§ 3 Abs. 1 b Satz 1 Nrn. 1 und 2 UStG) und solchen im engeren Sinne § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG) übernommen (vgl. nur Abschn. 2.3 Abs. 1a und Abschn. 2.5 Abs. 12 f. UStAE; letzterer zum Betrieb einer Photovoltaikanlage).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen bei den Wärmeabgaben an die beiden GbRs in den Streitjahren keine unentgeltlichen Wertabgaben i. S. d. § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG vor, weil die Klägerin bereits bei Errichtung der ersten Biogasanlage beabsichtigt hatte, die überschüssige Wärme an die Gesellschafter der GbRs ohne Entgelt abzugeben. Zu einem Abzug der bei den bezogenen Eingangsleistungen angefallenen Umsatzsteuer war sie für den Anteil, der auf die Wärmeabgaben entfiel, objektiv nicht berechtigt. Dass sie für die Aufwendungen zur Herstellung der Biogasanlage tatsächlich die Vorsteuer in den Jahren 2005 und 2006 geltend gemacht hat und diese Beträge bei den Umsatzsteuerfestsetzungen rechtswidrig berücksichtigt worden sind, ändert an der fehlenden Berechtigung zum Vorsteuerabzug nichts.

Diesem Ergebnis steht das Urteil des EuGHs vom 16. September 2020 C-528/19, DStR 2020, 2067 nicht entgegen.

Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 b UStG ist im Lichte des Art. 16 MwStSystRL auszulegen. Danach werden einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke. Um den Unternehmer in diesen Fällen mit einem privaten Endverbraucher gleichzustellen und einen unversteuerten Endverbrauch zu verhindern, sieht die MwStSystRL diese gesetzliche Fiktion vor (EuGH, Urteil vom 16. September 2020, a. a. O. = Juris Rdnr. 59 bis 61). Wenn die entsprechende Lieferung als unentgeltliche Zuwendung an einen Dritten eingeordnet werden kann, steht der Umstand, dass auch sie letztlich für die unternehmerischen Bedürfnisse des Leistenden erbracht wird, einer Versteuerung als unentgeltliche Wertabgabe grundsätzlich nicht entgegen (Urteil vom 16. September 2020, a. a. O. = Juris Rdnr. 64). In dem Verfahren des EuGHs kam dieser zu dem Ergebnis, die von der dortigen Klägerin veranlassten Straßenausbauarbeiten und die dadurch an die Gemeinde erfolgte unentgeltliche Werklieferung seien nicht geeignet, um zu einem unversteuerten Endverbrauch oder einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu führen (Urteil vom 16. September 2020, a. a. O. = Juris Rdnr. 66). Selbst wenn man berücksichtige, dass die Straße dem Allgemeingebrauch offen gestanden habe, habe sie faktisch und rechtlich den Betrieb des dortigen Unternehmers erst ermöglicht. Die Ausbauarbeiten seien für die Konkretisierung des Projekts zum Betrieb des Unternehmens unerlässlich gewesen (Urteil vom 16. September 2020, a. a. O. = Juris Rdnr. 67).

Die in dem Urteil des EuGHs entwickelten Grundsätze sind auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Dort war der Ausbau der Straße selbst als Werklieferung bzw. unentgeltliche Wertabgabe zu beurteilen. Der EuGH ging davon aus, dass wegen des unmittelbaren und direkten Zusammenhangs dieser Baumaßnahme mit dem Unternehmen ein Vorsteuerabzug zu gewähren und zudem eine unentgeltliche Wertabgabe abzulehnen ist. In dem Streitfall muss aber zwischen der Errichtung und Herstellung der Biogasanlage auf der einen Seite und der unentgeltlichen Abgabe der Wärme auf der anderen Seite unterschieden werden. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Errichtung bzw. Erweiterung der Biogasanlage einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unternehmen der Klägerin aufweist, mithin ein Vorsteuerabzug in vollem Umfang grundsätzlich gerechtfertigt wäre, ließe dieses Ergebnis keine Schussfolgerungen über die Einordnung der Wärmelieferungen an die Abnehmer aus. Diese sind nicht unumgänglich, die Wärme könnte ohne Weiteres „auch in die Luft“ abgegeben werden. Es besteht damit erst einmal die Gefahr einer unversteuerten Abgabe von Wärme, mithin war § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG zu prüfen.

Wegen dieses Ergebnisses muss der Senat dem im gerichtlichen Verfahren angekündigten Beweisantrag zur Einvernahme von zwei Gesellschaftern der GbRs über den mündlichen Abschluss von Änderungsverträgen im Jahr 2011 nicht nachgehen und kann stattdessen den entsprechenden Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellen.

2. Eine Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung in Abschn. VI des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 2012 (BStBl. I 2012, 60) auf den Streitfall kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin von dieser nicht Gebrauch gemacht hat. Die Klägerin hat die bezogenen Eingangsleistungen zur Errichtung der Biogasanlage in den Jahren 2005 und 2006 spätestens mit Abgabe der Umsatzsteuererklärungen für die beiden Jahre vorgenommen. Die Vorsteuerbeträge in den Streitjahren wurden ebenfalls spätestens mit Abgabe der Umsatzsteuererklärungen geltend gemacht, also für 2009 am 7. Dezember 2010. Das BMF-Schreiben mit seiner Nichtbeanstandungsregelung war die Klägerin 2010 noch gar nicht bekannt, weil es erst am 2. Januar 2012 erging.

Auch der Umstand, dass nach der Außenprüfung Umsatzsteuerbescheide am xx. März 2012 ergingen, bei denen die ursprünglich geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht korrigiert worden sind, kann nicht als Entscheidung der Klägerin für eine Inanspruchnahme der Nichtbeanstandungsregelung gedeutet werden. Die fehlende Korrektur der berücksichtigten Vorsteuerbeträge stellt einen Rechtsanwendungsfehler des Beklagten dar, auf den die Klägerin diesen nicht hatte hinweisen müssen. Eine nach damaliger Rechtsprechung noch mögliche Berichtigung der Vorsteuer nach § 15 a Abs. 1 UStG ist im Übrigen nicht antragsgebunden, sondern muss von Amts wegen erfolgen.

Die bislang in den Streitjahren berücksichtigten Vorsteuerbeträge sind in analoger Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG anteilig zu kürzen, wobei allerdings unter Anwendung der Marktwertmethode die Klage insoweit keinen Erfolg haben kann, als das Gericht den Marktwert für die gelieferte Wärme auf 0,04 €/kWh nach § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) schätzt.

Die Klägerin hat in den Streitjahren die bezogenen Eingangsleistungen sowohl für die steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferungen von Wärme als auch für die nicht steuerbaren Abgaben von Wärme verwendet. Für die erforderliche Aufteilung der Umsatzsteuer auf die Eingangsleistungen, die sowohl der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin als auch ihrer nichtwirtschaftlichen Betätigung im engeren Sinne dienen, in abzugsfähige und nicht abzugsfähige Vorsteuer ist mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung § 15 Abs. 4 UStG entsprechend anzuwenden (BFH, Urteil vom 3. März 2011 V R 23/10, BStBl. II 2012, 74, 77 Tz. 31). Mangels eines anderen sachgerechteren Aufteilungsschlüssels für die von der Klägerin in den Streitjahren bezogenen Leistungen zur Unterhaltung der Biogasanlage und andere laufende Aufwendungen ist – wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist – eine gesamtumsatzbezogene Aufteilung durchzuführen (vgl. dazu BFH, Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15, BFHE 255, 354 = Juris Rdnr. 22).

Die Bemessung des auf nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze entfallenden Anteils kann entgegen der Auffassung des Beklagten nicht anhand eines Vergleichs der jeweils produzierten Leistung in kWh vorgenommen werden.

Eine Aufteilung nach der produzierten Leistung in kWh ist nach dem Urteil des BFH vom 16. November 2016 V R 1/15, a. a. O = Juris Rdnr. 24 f. nicht sachgerecht, weil die durch den Betrieb der Biogasanlage bzw. des angeschlossenen BHKW erzeugten Produkte (Strom und Wärme) nicht miteinander vergleichbar sind. Ebenso wie der objektbezogene Flächenschlüssel bei stark unterschiedlicher Ausstattung der einzelnen Gebäudeteile ("Produkte") ausscheidet, kommt die Leistung eines Blockheizkraftwerks oder einer Biogasanlage in kWh als wirtschaftliche Zurechnung dann nicht in Betracht, wenn sich die erstellten Produkte erheblich voneinander unterscheiden. Dafür spricht bereits, dass Hauptaufgabe derartiger Anlagen die Produktion von Strom ist, während es sich bei der zwangsläufig entstehenden Wärme lediglich um das Nebenprodukt handelt. Die beiden Erzeugnisse unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit und Verwertbarkeit. Elektrische Energie (Strom) ist multifunktional nutzbar, lässt sich gut in andere Energieformen umwandeln und kann in großen Mengen über weite Strecken transportiert werden. Die Nutzung von Wärme ist dagegen stark eingeschränkt, zumal eine Umwandlung in Strom in den Streitjahren nur unter technischen Schwierigkeiten und zu einem geringen Prozentsatz möglich war. Diese Unterschiede führen dazu, dass die Produkte "Strom" und "Wärme" trotz der gleichen Bemessung als "kWh" auf verschiedenen Märkten und zu stark voneinander abweichenden Preisen angeboten werden. Der – auf Abschn. 2.5 Abs. 20 Satz 1 i. V. m. Abs. 12 Satz 3 UStAE beruhenden – gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung ist insoweit nicht zu folgen (BFH, Urteile vom 16. November 2016 V R 1/15, a. a. O. = Juris Rdnr. 26; vom 20. September 2018 IV R 6/16, BStBl. II 2019, 160 = Juris Rdnr. 60; ebenso die Vorinstanz FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2014, 9 K 3180/11, Juris Rdnr. 49; ferner Nds. FG, Urteil vom 19. September 2019 11 K 195/17, EFG 2020, 227 = Juris Rdnr. 47; FG Münster, Urteil vom 1. Oktober 2019 15 K 1050/16 U, EFG 2019, 1930 = Juris Rdnr. 66).

Entsprechend der zitierten Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte hält der erkennende Senat ebenfalls eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der in den Streitjahren produzierten Wärme- und Strommengen für sachgerecht. Das entspricht der in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG geforderten wirtschaftlichen Zurechnung der jeweiligen Vorsteuerbeträge. Hierbei handelt es sich nicht um eine Aufteilung unter Anwendung eines Umsatzschlüssels, sondern eines Schlüssels anhand der tatsächlichen Nutzung des Gegenstands Biogasanlage, wobei die produzierte Strom- und Wärmeleistung anhand ihres konkreten wirtschaftlichen Werts berücksichtigt wird.

Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom xx. April 2020 einen Marktpreis für Strom von 20 Cent/kWh für das Jahr 2015 angegeben und diesen auch für die Streitjahre angewendet. Der Beklagte hat insoweit keine Einwände erhoben, auch der Senat hält diesen geschätzten Marktwert für zutreffend.

Entgegen der Ansicht der Klägerin schätzt das Gericht den Marktpreis für die unentgeltlich abgegebene Wärme auf 0,04 €/kWh. Sofern – wie im Streitfall – für einen Teil der erzeugten Energie kein tatsächliches Entgelt gezahlt wurde, kann dieser anhand der Marktpreise für die in den Streitjahren erzeugte Fernwärme bewertet werden (BFH, Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15, DStR 2017, 153, Rdnr. 27 unter Hinweis auf BFH, Urteil vom 19. Juli 2011 XI R 29/09, BStBl II 2012, 430). In seiner Entscheidung vom 16. November 2016 hat der BFH in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es – da insoweit eine Schätzung vorzunehmen ist – unschädlich ist, wenn bei der Bemessung des Marktpreises unberücksichtigt bleibt, dass die Wärme mangels Fernwärmeleitung nicht in das Fernwärmenetz eingespeist werden konnte.

In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin überzeugend geschildert, dass es in der ländlich strukturierten Umgebung von S keinen aktuellen Anbieter von Fernwärme gibt. Ein chemischer Betrieb beabsichtige lediglich, künftig Fernwärme anzubieten.

Unter diesen Umständen hält der Senat es nach § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. FGO i. V. m. § 162 Abs. 1 AO für geboten, den Marktpreis für Wärmeabgaben zu schätzen, wobei er auf Erkenntnisse aus anderen Gerichtsverfahren zurückgreift. Dieses Vorgehen ist mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden, Einwände hiergegen wurden nicht erhoben. Die vorgeschlagene tatsächliche Verständigung scheiterte nur deshalb, weil der Vertreter des Beklagten sich an die Verwaltungsanweisung zur Aufteilung nach der energetischen Methode gebunden sah.

Einen Rückgriff auf die jährlichen Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, aus der sich für die Streitjahre Marktpreise von etwa 6 Cent/kWh ableiten ließen, hält der Senat als Schätzungsgrundlage für nur bedingt geeignet, weil es sich bei diesen Marktpreisen um Durchschnittswerte bezogen auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland handelt.

Der von der Klägerin mit Rückwirkung mit den beiden GbRs vereinbarte Preis von 0,05 Cent/kWh stellt zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls keinen zutreffenden Marktpreis dar. Die nachträgliche Entgeltbestimmung erfolgte selbst nach dem Vortrag der Klägerin nur deshalb, um die steuerliche Einordnung der Wärmelieferungen als unentgeltliche Zuwendungen zu verhindern. Dabei hatten die beiden Abnehmerinnen insoweit eine starke Verhandlungsposition, als sie nach den Wärmelieferungsverträgen für eine lange Vertragsdauer einen Anspruch auf unentgeltliche Wärmeabgaben hatten. Schon auf Grund dieser Besonderheiten ist der dann nach den Angaben der Klägerin vereinbarte Preis nicht als marktgerecht einzustufen.

Eine Orientierung an den Werten aus der Wärmepreisumfrage des Fachverbands Biogas e. V. aus dem Jahr 2016, wonach für den Bereich der Holztrocknung ein Mittelwert von unter 1 Cent/kWh gezahlt werde, ist ebenfalls als Schätzungsgrundlage nur bedingt geeignet. Aus dieser Studie geht nämlich nicht hervor, ob möglicherweise auch Lieferungen an nahestehende Personen erfasst worden sind, was im Vergleich zu Preisen unter fremden Dritten zu niedrigeren durchschnittlichen Abgabepreisen geführt haben kann. Zudem hat der Fachverband Biogas nur einen bundeseinheitlichen Durchschnittspreis mit seiner Umfrage erhoben.

Das Gericht orientiert sich deshalb zum einen an den Auskünften, die die Stadtwerke M, die Firma H aus B und der Energieeffizienzverband Fernwärmepreise im Klageverfahren 11 K 191/17 für die Jahre 2009 bis 2013 für den örtlichen Bereich in B erteilt haben. Die Stadtwerke M teilten Wärmepreise zwischen 0,059 und 0,061 €/kWh mit, die Firma H aus B zwischen 0,043 und 0,056 €/kWh. Nach dem Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK betrugen die durchschnittlichen Fernwärmepreise für die Jahre 2009 bis 2013 0,06705 und 0,07632 €/kWh. Der Energieeffizienzverband teilte im Übrigen mit, dass eine Umfrage unter 15 teilnehmenden Wärmelieferanten im Jahr 2013 zu einem Durchschnittspreis von 0,07632 €/kWh geführt habe. Der Senat gelangte im Urteil vom 14. November 2018 zu dem Ergebnis, dass die für den dortigen Kläger aus der eigenen Biogasanlage bezogene Wärme ein Marktpreis von 0,04 €/kWh angemessen sei.

Im Klageverfahren 11 K 195/17 zog das Gericht Auskünfte bei den Stadtwerken P und den Stadtwerken W heran. Dabei lagen die mitgeteilten Marktpreise zwischen 0,0399 und 0,054 €/KWh. Das Gericht ging deshalb für das dortige Streitjahr 2008 von einem Marktpreis von 0,04 €/kWh aus, wobei es berücksichtigte, dass die dortige Klägerin gegenüber ihren Abnehmern keine Versorgungsgarantie abgegeben und die Abnehmer die Kosten für die Installation eines Leitungsnetzes tragen mussten (Urteil vom 19. September 2019 11 K 195/17, EFG 2020, 227 = Juris Rdnr. 57).

Der Senat geht davon aus, dass bei der von ihm mangels örtlicher Fernwärmelieferanten am Betriebssitz der Klägerin und in unmittelbarer Nähe hierzu ein Rückgriff auf die Auskünfte in den früheren Klageverfahren für eine Schätzung sachgerecht ist. Trotz der räumlichen Entfernung des Sitzes der Klägerin und ihrer Abnehmer zu den Sitzen der Auskunftsgeber in B, W und P ergeben sich auf Grund der vergleichbaren ländlichen Strukturen hinreichende Ähnlichkeiten in den Verhältnissen, die eine Übertragung im Rahmen einer Schätzung möglich machen. Dazu kommt, dass sich nach den verschiedenen Auskunftslagen ein relativ einheitliches Preisniveau von etwa 0,04 €/kWh ergibt. Wenn man dabei berücksichtigt, dass die Wärmeabnehmer zwar das Leitungsnetz auf eigene Kosten errichten und unterhalten mussten, auf der anderen Seite sich die Klägerin zumindest nach den ursprünglich abgeschlossenen Wärmelieferungsverträgen sich für eine Bezugsdauer von zwanzig Jahren zu unentgeltlichen Wärmelieferungen mit einer Vorhaltung von jeweils 500 kW verpflichtete, ist auch für den hier zu entscheidenden Sachverhalt ein Marktpreis von 0,04 €/kWh als sachgerecht anzusetzen.

Der Senat berücksichtigt bei der Berechnung der Vorsteuerbeträge, die in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den nicht steuerbaren Wärmeabgaben stehen und deshalb nicht abzugsfähig sind, die Berechnung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom xx. April 2020 und ändert diese wie Folgt ab:

Kürzung der Vorsteuerbeträge um den Anteil, der ausschließlich auf die Stromproduktion und die Stromlieferungen entfällt

wie bisher 10 v. H.

Produzierte Strommenge

wie bisher 9,9 Mio. kWh

Produzierte Wärmemenge

wie bisher 11,1 Mio. kWh

Anzusetzende Strommenge unter Berücksichtigung ihres Marktpreises von 0,20 €/kWh

wie bisher 1,98 Mio. €

Anzusetzende Wärmemenge unter Berücksichtigung ihres Marktpreises von 0,04 €/kWh

0,444 Mio. €

Prozentualer Anteil der Wärmeproduktion hinsichtlich der bezogenen Eingangsleistungen

0,444 Mio. € : (1,98 Mio. € + 0,444 Mio. €) = 18,32 v. H.

Reduzierung dieses Prozentsatzes auf den unentgeltlich gelieferten Anteil von 35 v. H. – wie bisher -

6,412 v. H.

 Hieraus ergeben sich für die Streitjahre 2012 bis 2015 folgende Kürzungsbeträge:

        

2012   

2013   

2014   

2015   

Vorsteuer bisher

xxx € 

xxx € 

xxx € 

xxx € 

Davon 90 v. H.

xxx € 

xxx € 

xxx € 

xxx € 

Davon 6,412 v. H.

xxx € 

xxx € 

xxx € 

xxx € 

3. Eine Berichtigung der in den Jahren 2005 und 2006 wegen der Errichtung der Biogasanlage berücksichtigten Vorsteuerbeträge und deren für die Erweiterungsmaßnahmen in den Jahren 2009 und 2010 nach § 15 a Abs. 1 UStG scheidet aus.

Nach § 15 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG ist eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei diesem Wirtschaftsgut die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse innerhalb des bei Grundstücken maßgeblichen Berichtigungszeitraums von zehn Jahren ändern. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse auch dann vor, wenn sich diese nicht in tatsächlicher Hinsicht geändert haben, sondern wenn sich bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendungsumsätze, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderlich ist (BFH, Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 11/12, BStBl. II 2015, 973 = Juris Rdnr. 30 m. w. N.; ständige Rechtsprechung).

Mit Urteil vom 11. April 2018 C-532/16, UR 2018, 526 hat der EuGH allerdings entschieden, dass eine derartige Interpretation der nationalen Berichtigungsvorschrift mit Art. 187 bis 189 MwStSystRL nicht vereinbar wäre, weil von diesen Vorschriften die Konstellation, dass von Anfang an kein Abzugsrecht hinsichtlich der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer bei bezogenen Eingangsleistungen bestand, nicht umfasst wird. In derartigen Fällen können Berichtigungen nur auf nationalen Regelungen, die ihre europarechtliche Grundlage in Art. 184 MwStSystRL finden. Im deutschen Umsatzsteuerrecht gibt es keine Regelung, die eine nachträgliche Korrektur eines zu Unrecht gewährten Vorsteuerabzugs mit Wirkung im Moment der Entdeckung des Rechtsirrtums ermöglicht.

Die Umsatzsteuer für die Streitjahre ist somit wie Folgt zu ändern:

        

2012   

2013   

2014   

2015   

Umsatzsteuer laut Bescheiden

xxx € 

xxx € 

xxx € 

xxx € 

./. bislang versteuerte Wertabgaben

xxx € 

xxx € 

xxx € 

xxx € 

+ anteilige Vorsteuerkürzung

xxx € 

xxx € 

xxx € 

xxx € 

Steuer nach Klage

xxx € 

xxx € 

xxx € 

xxx € 

Der Antrag des Beklagten, das Klageverfahren im Hinblick auf eine Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren XI R 17/20 ruhend zu stellen, ist abzulehnen. Das Ruhen eines Klageverfahrens im Hinblick auf ein Revisionsverfahren beim BFH erfordert nach § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 251 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) übereinstimmende Anträge beider Beteiligten; die Zustimmung kann auch nicht bei rechtsmissbräuchlicher Verweigerung durch das Gericht ersetzt werden (Herbert, in: Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 74 Rdnr. 57). Eine Zustimmung der Klägerin liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, um dem BFH Gelegenheit zu geben, zu den Folgerungen aus dem Urteil des EuGHs vom 16. September 2020 C-528/19 Stellung nehmen zu können.