LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Beschluss vom 02.12.2020 - L 9 KR 122/18 WA
Fundstelle
openJur 2021, 3249
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. November 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus einer betrieblichen Altersversorgung für die Zeit ab dem 1. August 2013.

Die Klägerin ist im Februar 1953 geboren und bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Für sie bestand bei der Z D H Lebensversicherung Aktiengesellschaft eine Direktversicherung in Gestalt einer Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung als Gruppen- oder Sammelversicherung zwischen der "Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus dem Bereich der EDV und Kommunikationstechnologie e.V." und dem Versicherungsunternehmen (Versicherungsnummer: ). Versicherungsnehmer war der Arbeitgeber der Klägerin, die T B GmbH. Versicherte war die Klägerin. Firmeninhaber und Geschäftsführer des Arbeitgebers war bis zum 31. Dezember 2018 der Ehemann der Klägerin, die Klägerin arbeitete in der Buchhaltung der Firma. Erstmals abgerufen werden konnte das Vertragsguthaben zum 1. August 2013, der Vertrag endete spätestens zum 1. August 2018. Im September 1995 vereinbarten der Arbeitgeber und die Klägerin eine Umwandlung von Barlohn in Versicherungsbeiträge. Der Arbeitgeber behielt vom Nettolohn der Klägerin einen Anteil ein und führte ihn direkt an den Versicherer ab. Die Möglichkeit der Sozialabgabenfreiheit auf Direktversicherungsbeiträge wurde dabei nicht in Anspruch genommen. Am 29. Juli 2013 erhielt die Klägerin aus der Direktversicherung die Versicherungssumme in Höhe von 38.497,14 Euro ausgezahlt.

Die Beklagte erhob Beiträge zur Krankenversicherung ab dem 1. August 2013 in Höhe von monatlich 49,73 Euro sowie Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 6,58 Euro pro Monat (zwei Bescheide vom 30. November 2013). Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die Beitragserhebung und führte zur Begründung aus, sie habe über 18 Jahre hinweg monatlich 127,82 Euro an Versicherungsbeiträgen für die Lebensversicherung aus ihrem Nettoverdienst entrichtet, der Arbeitgeber habe keine Zuschüsse gezahlt. Der Abruf der Versicherungsleistung sei mit Erreichen des 60. Lebensjahres erfolgt.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2014). Die Klägerin hat am 14. August 2014 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben. Die Beklagte habe u.a. die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) fehlerhaft interpretiert. Danach wäre eine Arbeitgeberzusage erforderlich gewesen, um die Versicherungsleistung einer Beitragspflicht zu unterwerfen. Kapitalzahlungen seien bei Abschluss der Versicherung noch keine Versorgungsbezüge gewesen. Erst mit der Gesetzesänderung vom 14. November 2003 habe der Gesetzgeber eine Beitragspflicht nur für die Umwandlung von laufenden Zahlungen in eine Einmalzahlung angeordnet, hingegen nicht für eine bereits bei Vertragsschluss vereinbarte einmalige Kapitalleistung.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. November 2015 die Klage abgewiesen. Die Auszahlung aus der Lebensversicherung der Klägerin unterliege als Versorgungsbezug gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch (SGB V) der Beitragspflicht, für die Pflegeversicherung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 (Sozialgesetzbuch/Elftes Buch - SGB XI). Danach sei bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) u.a. auch Renten der betrieblichen Altersversorgung. Trete an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder sei eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt worden, gelte 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Diese Voraussetzungen lägen im Fall der Klägerin vor. Der Widerspruchsbescheid, auf den das Sozialgericht verweise, nehme zutreffend ausdrücklich Bezug auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG), u.a. vom 25. April 2007 (B 12 KR 25/05 R) sowie des BVerfG vom 6. September 2008 (1 BvR 739/08) und vom 28. September 2010 (1 BvR 1660/08). Diese Rechtsprechung spiegele die verfassungskonforme Auslegung des § 229 SGB V in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung wider. Ergänzend weise die Kammer darauf hin, dass das BVerfG die Neuregelung nur insoweit für verfassungsgemäß gehalten habe, als nach einem Wechsel des Beschäftigten in die Stellung des Versicherungsnehmers die dann gezahlten Beiträge nicht der Beitragspflicht unterworfen werden dürften. Das sei im Fall der Klägerin aber nicht geschehen. Die Auffassung der Klägerin, wonach § 229 SGB V nur die Umwandlung der laufenden Zahlungen in eine Einmalzahlung vor Eintritt des Versicherungsfalles erfasse, hingegen nicht eine bereits bei Vertragsschluss vereinbarte Einmalzahlung, finde in der Gesetzesbegründung des Bundestages keine Grundlage (BT-Drs. 15/1525 S. 139 zu § 229 SGB V). § 229 Abs. 1 SGB V eröffne für die Beitragspflicht für Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen auch kein Ermessen für die Krankenkasse. Das BVerfG beziehe sich in seinen Aussagen vielmehr auf ein gesetzgeberisches Ermessen hinsichtlich der von ihm vorgenommenen Änderung (zum 1. Januar 2004). Auch das Argument der Klägerin, sie erlebe eine dreifache Verbeitragung, weil der Arbeitgeber bereits Arbeitgeberanteile abgeführt habe, verhelfe der Klage nicht zum Erfolg. Es gehe allein um die Rechtsposition der Klägerin, nicht ihres Arbeitgebers.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 18. Januar 2016 zugestellte Urteil am 11. Februar 2016 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Verbeitragung hätte nicht erfolgen dürfen, da die Zahlungen in die Direktversicherung bereits seitens des Arbeitgebers der Sozialversicherungspflicht unterworfen gewesen seien. Das Sozialgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die durch den Arbeitgeber geleisteten Sozialversicherungsbeiträge der Verjährung unterlägen und er die Beitragsbescheide nicht anfechten könne. Außerdem handele es sich bei Arbeitnehmerin und Arbeitgeber im Fall der Klägerin um eine eheliche Gemeinschaft. Im Hinblick auf das Ehegattensplitting müsse die Beitragszahlung eines Ehegatten dem anderen Ehegatten zugerechnet werden, da letztlich ein Gesamteinkommen den ehelichen Verhältnissen zugrunde zu legen sei. Außerdem liege im Vergleich zu den Neuregelungen des ab 1.1.2018 geltenden Betriebsrentenstärkungsesetzes eine gleichheitswidrige Privilegierung vor. Danach entfalle für solche Leistungen aus einem sog. "Riestervertrag" die Beitragspflicht. Dies sei, auch wenn es sich um staatlich geförderte Verträge handele, keineswegs gerechtfertigt. Auch liege ein Gleichheitsverstoß im Verhältnis zu Versicherungen vor, die privat über Versorgungswerke abgeschlossen worden seien. Für diese komme es nach der Rechtsprechung des BSG nicht zu einer Verbeitragung (B 12 KR 2/16 R). Auf das Gutachten Bieback zur Beitragspflicht von Leistungen der Direktversicherung in der GKV vom 30. August 2018 nehme sie Bezug. Zudem habe sich die Klägerin weiter beim gleichen Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis befunden, im Jahr 2018 noch in Vollzeit, ab 2019 dann noch in Teilzeit, bis sie die Voraussetzungen für eine Regelaltersrente im Alter von 65 Jahren und 8 Monaten erreicht habe. Ihre Lebensversicherung habe daher Überbrückungscharakter i.S. der Rechtsprechung des BSG und diene nicht der Altersversorgung. Sie habe wegen fehlender Vorversicherungszeiten gerade keinen Anspruch darauf gehabt, mit Vollendung des 63. Lebensjahres bereits eine Altersrente ausgezahlt zu erhalten, sondern erst im Oktober 2018. Darauf sei der Auszahlungstermin für die Lebensversicherung auch angelegt gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 13. November 2015 verkündeten Urteils des Sozialgerichts Cottbus die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 30. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung gewesen sind.

II.

A. Der Senat durfte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil die Beteiligten vorher gehört wurden (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

B. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Sie hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Bescheide, mit welchen die Beklagte die Kapitalleistung aus der im Juli 2013 ausgezahlten Direktversicherung ab August 2013 der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterworfen hat. Die Verbeitragung erfolgte ab August 2013 zu Recht.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sein Urteil, mit dem es die Klage abgewiesen hat, sorgfältig und überzeugend begründet. Zu ergänzen bleibt in Anbetracht der Ausführungen im Berufungsverfahren:

1. Die Kapitalleistung aus der Versicherung der Z D H Lebensversicherung AG "Vario Dynamik Police" mit Überschussbeteiligung (Versicherungsnummer: ) unterlag als Versorgungsbezug der Beitragspflicht gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) in der ab dem 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2017 unverändert geltenden Fassung vom 14. November 2003 (BGBl I, S. 2190 - GKV-Modernisierungsgesetz).

Mit dieser Bestimmung werden auch Direktversicherungen, die über den Arbeitgeber abgeschlossen wurden, erfasst, die von Beginn an eine Einmalzahlung als Kapitalleistung zusagen. Eine Beschränkung, wie sie die Klägerin vertritt, nämlich auf allein solche Versicherungsverträge, die nach Abschluss, aber vor dem Eintritt des Versorgungsfalles auf eine einmalige Kapitalleistung umgestellt wurden, ist weder vom Wortlaut der Vorschrift getragen noch vom Gesetzgeber gewollt. Die Regelung erfasst vielmehr ab 2004 fällig werdende Leistungen aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung. Das gilt auch dann, wenn der Vertrag bereits vor 2004 abgeschlossen wurde und von Beginn an eine Einmalleistung vereinbart war (Klaus Peters in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 229 SGB V [Stand: 06.10.2020], Rn. 104; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07. April 2008 - 1 BvR 1924/07 -, Rn. 28 und 32, juris).

2. Die Leistung aus der Direktversicherung der Klägerin ist auch "zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung" i.S. von § 229 Abs. 1 Satz 1 (vor Nr. 1) SGB V erzielt worden und hat nicht lediglich Überbrückungsfunktion. Dies gilt trotz des Umstandes, dass die Klägerin nach Erhalt der Versicherungsleistung noch weiter in dem angestammten Beschäftigungsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber bis zum Erreichen der Voraussetzungen für eine abschlagsfreie Regelaltersrente (65 Jahre und 8 Monate) gearbeitet hat.

Leistungen bezwecken dann die Versorgung des Arbeitnehmers im Alter i.S. des § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn sie der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen sollen. Der Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben und dadurch objektivieren (BSG Urteil vom 26. Februar 2019 - B 12 KR 13/18 R, Rn. 1, juris). Eine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich vereinbarte Zweckbestimmung ist hingegen nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 - B 12 KR 1/19 R -, Rn. 20, juris). Datiert das Laufzeitende des Vertrags auf der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Regelaltersgrenze, ist der Versorgungszweck schon deshalb erfüllt, weil Versicherte zu diesem Zeitpunkt das erforderliche Alter für den Bezug einer Altersrente erreichen. Ist das Vertragsende bereits für einen früheren Zeitpunkt vereinbart, so dient auch eine auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bezogene Direktversicherung nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, noch der Altersversorgung. Dass Versicherte dann tatsächlich erst später Rentner oder Rentnerin werden, ist dagegen unerheblich. Geboten ist insoweit eine objektive und typisierende Betrachtung. Es kommt für den Versorgungszweck einer Versicherungsleistung nicht darauf an, ob im Einzelfall die konkreten Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters zum Laufzeitende des jeweiligen Vertrages (Auszahlungsdatum) erfüllt sind. Entscheidend ist vielmehr, ob der Zweck der betrieblichen Altersversorgung bei typisierender Betrachtung mit dem Versorgungszweck einer Altersrente nach dem SGB VI vergleichbar ist. Dies ist auch bei einem Bezug ab dem 60. Lebensjahr der Fall, weil jedenfalls die Möglichkeit der (vorzeitigen) Inanspruchnahme einer Altersrente nach geltendem Recht grundsätzlich ab dem 60. Lebensjahr in Betracht kommt. Auch ein flexibles Abrufrecht ab dem 60. Lebensjahr steht dem obigen Versorgungszweck nicht entgegen (BSG Urteil vom 12. November 2008 - B 12 KR 6/08 R; Urteil vom 12. Mai 2020 - B 12 KR 22/18 R - Rn. 23; Urteil vom 8. Juli 2020 - B 12 KR 1/19 R -, Rn. 21, juris). Eine in Anspruch genommene Altersteilzeit führt zu keiner anderen Betrachtung. Deren Inanspruchnahme vor Erreichen der Regelaltersgrenze ermöglicht ein fließendes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Ein dadurch bedingter Verzicht auf einen Teil des Arbeitsentgelts wird typischerweise mit der Auszahlung einer Lebensversicherung kompensiert, die den Lebensstandard im Alter sichert (BSG, aaO). Versorgungsbezüge sind im Einzelfall aber abzugrenzen von Zuwendungen in Gestalt einer bloßen Überbrückungsleistung. Eine solche liegt vor, wenn die Zusage des Arbeitgebers nach ihrem objektiven Inhalt den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis oder in den Ruhestand erleichtern soll (BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 - B 12 KR 1/19 R -, Rn. 23, juris). Zur Abgrenzung hat sich die Rechtsprechung des BSG an derjenigen des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) orientiert. Maßgebend sind danach der objektive Inhalt der Leistung (nicht subjektive Zwecksetzungen) und der vereinbarte Leistungsbeginn. Für Übergangsbezüge, die für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, liegt eine Überbrückungsfunktion vor, wenn sie ihren Leistungsbeginn auf ein Lebensalter abstellen, das nach der Verkehrsanschauung üblicherweise nicht schon als Beginn des Ruhestandes gelten kann (grundsätzlich 50 - 55 Jahre) und wenn die Zuwendung bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand befristet ist (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 4/14 Rn. 21 und B 12 KR 18/14 R Rn. 9). Liegt keine Befristung im obigen Sinne vor, so gelten die Leistungen ab Renteneintritt, spätestens ab Erreichen der Regelaltersgrenze als Versorgungsbezüge i.S. des § 229 SGB V (BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 - 12/15 R Rn. 15 f., juris).

Im Fall der Klägerin liegt schon deshalb keine Überbrückungsfunktion der Leistungen aus der Direktversicherung vor, weil diese nicht für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vereinbart wurden. Darüber hinaus lag der erstmals mögliche Leistungsbeginn im August 2013 und erstreckte sich bis 2018. Der erstmals mögliche Bezugszeitpunkt lag somit nach Vollendung des 60. Lebensjahres und letztmals im Jahr des Erreichens der Regelaltersgrenze der Klägerin. Er liegt nicht in einem Alter, zu dem Versicherte typischerweise noch nicht aus dem Berufsleben ausscheiden. Auch eine Befristung auf die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ist nicht ersichtlich.

3. Das Ergebnis verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gleichbehandlung der Kapitalleistung mit Leistungen aus einem sog. "Riestervertrag" oder im Verhältnis zu Versicherungen, die privat über Versorgungswerke abgeschlossen worden sind. Zwar liegt im Verhältnis zu den betrieblichen Riesterrenten seit 1. Januar 2018 eine gesetzliche Ungleichbehandlung vor. Riesterrenten sind nach einer Ergänzung in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 (zweiter Halbsatz) SGB V seither explizit von der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung ausgenommen. Die Ungleichbehandlung erfolgte aber unter Nutzung des sozial- und beitragsrechtlichen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers und zur Verfolgung eines legitimen Zwecks. Es soll damit die Attraktivität der Riesterrente für Geringverdiener gesteigert und ihnen die Möglichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge eröffnet werden (näher: Klaus Peters in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 229 SGB V [Stand: 06.10.2020], Rn. 56 m.w.N.). Auf diese spezielle Ausgestaltung können sich Bezieher und Bezieherinnen anderer Versorgungsleistungen nicht aus Gleichheitsgründen berufen. Dies würde die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit negieren (entgegen Bieback in seinem Gutachten vom 30. September 2018).

Die Versorgungsleistungen der berufsständischen Versorgungswerke sind ebenfalls nicht vergleichbar mit der Direktversicherung, aus welcher die Klägerin ihre Kapitalleistung erhalten hat. Leistungen aus den genannten Versorgungswerken werden gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V nach eigenen Kriterien erfasst. Voraussetzung ist, dass der Kreis der möglichen Mitglieder des Versorgungswerks z.B. gemäß seiner Satzung auf die Angehörigen eines oder mehrerer Berufe beschränkt ist. Ist der Kreis der möglichen Mitglieder dagegen nicht hinreichend beschränkt, liegt bereits keine berufsständische Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung i.S. des Gesetzes vor (Klaus Peters in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 229 SGB V [Stand: 06.10.2020], Rn. 42). Die Rechtsprechung des BSG hat wegen dieses Tatbestandsmerkmals bestimmte Einrichtungen, die zwar Angehörigen bestimmter Berufe, aber nicht nur diesen offenstehen, nicht als Versorgungseinrichtungen anerkannt. Eine Ungleichbehandlung zu den separat geregelten Direktversicherungen entsteht daraus nicht.

Soweit die Klägerin schließlich darauf verweist, es liege in ihrem Fall eine doppelte oder sogar dreifache Verbeitragung vor, weil sie die Beiträge zur Direktversicherung aus ihrem Nettolohn entrichtet hat, ist das nicht verfassungswidrig. Es existiert kein Grundsatz, dass die von Versicherten selbst finanzierten Versorgungsbezüge, die aus Einnahmen gespeist werden, die ihrerseits bereits der Beitragspflicht unterlagen, überhaupt nicht oder nicht mit dem vollen Beitragssatz der Beitragspflicht unterworfen werden dürfen (BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 - B 12 KR 1/19 R -, Rn. 25, juris m.w.N auch zur Rechtsprechung des BVerfG). Zu berücksichtigen ist, dass Versicherte wie die Klägerin für ihre Beiträge laufend Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen können. Ein dem Steuerrecht vergleichbares Verbot der wiederholten Verbeitragung von Mitteln findet in der Sozialversicherung auch mit Blick darauf keine Anwendung. Wegen des eigenständigen Charakters des Beitragsrechts muss auch nicht mit Blick auf das im Steuerrecht geltende Ehegattensplitting die Beitragszahlung eines Ehegatten (z.B. des Arbeitgebers) bei dem anderen Ehegatten (der Versicherten) im Rahmen der Beitragserhebung berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

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