OLG Köln, Beschluss vom 31.03.2020 - 10 UF 16/20
Fundstelle
openJur 2021, 3065
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 222 F 240/18
Tenor

1.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

2.

Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A aus B bewilligt.

3.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 03.12.2019 - 222 F 240/18 - wird zurückgewiesen.

4.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

5.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 € festgesetzt(§ 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG).

Gründe

I.

Die Beteiligten haben am 03.11.1972 geheiratet; der Antragsteller ist am xx.xx.1950 geboren, die Antragsgegnerin am xx.xx.1949. Aus der Ehe sind zwei - mittlerweile volljährige - Kinder hervorgegangen; beide Beteiligte sind verrentet. Während der Ehezeit führten sie u.a. eine Imbissstube, wobei der Betrieb zunächst über die Antragsgegnerin gemeldet war; nach Abmeldung des Gewerbes 2016 führte die heutige Lebensgefährtin des Antragstellers den Betrieb weiter. Die Beteiligten haben im vorliegenden Verbundverfahren u.a. darüber gestritten, ob nachehelicher Unterhalt geschuldet sei.

Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Ehe der Beteiligten geschieden, den Antrag auf Ehegattenunterhalt mangels Leistungsfähigkeit zurückgewiesen und zum Versorgungsausgleich entschieden; hierbei hat es ausländische Anrechte der Beteiligten bei der C dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten und ein Anrecht des Antragstellers in Höhe von 8,3443 Entgeltpunkten sowie ein Anrecht der Antragsgegnerin in Höhe von 1,5046 Entgeltpunkten übertragen. Zur Begründung für diese Entscheidung hat es ausgeführt, der Versorgungsausgleich kenne keine Selbstbehaltsgrenzen; allenfalls das Entstehen eines erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewichtes könne den Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Rahmen der Billigkeit rechtfertigen, vorliegend indes hätten es beide Beteiligte versäumt, hinreichend für ihr Alter vorzusorgen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit welcher dieser sich gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Lasten wehrt. Er ist der Ansicht, der Versorgungsausgleich sei i.S.d. § 27 VersAusglG unbillig, da er bislang mit einer Rente von ca. 700,00 € und Nebeneinkünften von 150,00 € seinen Lebensunterhalt selbst habe bestreiten können, wohingegen die Antragsgegnerin aufgrund eines Rentenbezugs von nur 200,00 € noch Sozialleistungen erhalte. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs werde dazu führen, dass die Antragsgegnerin in geringerem Maße Sozialleistungen erhalten werde, also wirtschaftlich gleich stehe wie ohne Ausgleich, wohingegen er auf Sozialleistungen angewiesen sein werde.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 03.12.2019 - 222 F 240/18 - aufzuheben, soweit der Versorgungsausgleich zu Lasten des Antragstellers durchgeführt wurde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg, weshalb auch Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden konnte, § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO; die Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin folgt bereits aus § 76 FamFG, § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO. Das Amtsgericht hat zu Recht den Versorgungsausgleich durchgeführt; Gründe, den Versorgungsausgleich nach§ 27 VersAusglG auszuschließen, liegen auch unter Berücksichtigung der wechselseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vor.

Nach § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, wenn er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit ist zu bejahen, wenn eine umfassende Abwägung der maßgebenden Umstände es rechtfertigt, vom Halbteilungsgrundsatz abzuweichen. Die Vorschrift erlaubt also eine Korrektur, wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zu untragbar ungerechten und nicht erträglichen Ergebnissen führen würde. Dadurch können Grundrechtsverletzungen in den Fällen vermieden werden, in denen ein Ausgleich sämtlicher oder einzelner Anrechte der Parteien im Einzelfall mit der bisherigen oder fortwirkenden Lebensgemeinschaft der Eheleute nicht zu rechtfertigen ist (BT-Drs. 16/10144, S. 67 unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 21.03.1979 - IV ZB 142/78, FamRZ 1979, 477; BVerfG, Urt. v. 28.02.1980 - 1 BvL 17/77, FamRZ 1980, 326; BVerfG, Beschl. v. 20.05.2003 - 1 BvR 237/97, FamRZ 2003, 1173).

Hierbei bleibt es aber dabei, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Regelfall und ein - wenn auch nur teilweiser - Ausschluss des Ausgleichs die krasse Ausnahme ist. Das wird durch den Wortlaut des § 27 VersAusglG ("ausnahmsweise") besonders betont. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass fast jeder Versorgungsausgleich für den Ausgleichspflichtigen eine wirtschaftliche Härte darstellt; das alleine reicht für einen Ausschluss unter Billigkeitsgesichtspunkten aber gerade nicht aus (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann-Breuers, jurisPK-BGB, 9. Aufl. (2020), § 27 VersAusglG, Rn. 3).

Das Amtsgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass eine grobe Unbilligkeit zwar im Einzelfall in Betracht kommen kann, wenn nicht nur der Ausgleichsberechtigte über Einkünfte oder Vermögen verfügt, wodurch seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, sondern außerdem der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH, Beschl. v. 25.05.2005 - XII ZB 135/02, FamRZ 2005, 1238 (1239)); so liegt der Fall aber hier nicht. Im Gegenteil treffen beide Beteiligte gleichermaßen die Folgen unzureichender Altersvorsorge während der Ehe. Die Beteiligten haben während der Ehe sowohl die Selbständigkeit als auch die resultierenden Einschränkungen in der Altersvorsorge mitgetragen und können bereits deshalb keine Unbilligkeit einwenden (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 11.04.2011 - 13 UF 205/11, FamRZ 2011, 1870; OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.12.2013 - 10 UF 181/13, NZFam 2014, 220; OLG Hamm, Beschl. v. 14.10.2014 - 2 UF 91/14, FamRZ 2015, 580).

Das reine Vorbringen des Antragstellers, er sei wirtschaftlich auf die ungekürzteAltersversorgung angewiesen, reicht insoweit zur Annahme einer groben Unbilligkeit selbst dann regelmäßig nicht aus, wenn - wie er vorbringt - nach Durchführung des Versorgungsausgleichs (auch bei ihm) Leistungen der Sozialhilfe erforderlich würden (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.07.2014 - 10 UF 207/13, FamRZ 2015, 930). Dass der Antragsteller aufgrund der Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Einkommensverringerung hinnehmen muss, ist die Folge der Durchführung, führt aber für sich genommen noch nicht zur Unbilligkeit, gerade auch, weil sich die Antragsgegnerin bereits im Sozialhilfebezug befindet.

Im Gegenteil erscheint gerade deshalb, nach ca. 44-jähriger Ehe mit der Erziehung zweier Kinder die Durchführung des Versorgungsausgleichs - wie vom Gesetz vorgesehen - auch vorliegend als geboten (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.06.2013 - 27 UF 64/13, unveröffentlicht).

Mag es für den Antragsteller "unbillig" erscheinen, aufgrund der Durchführung des Versorgungsausgleichs die eigene Altersversorgung nicht mehr gewährleisten zu können, so wäre es aus Sicht der Antragsgegnerin doch ebenso unbillig, dem Antragsteller "auf ihre Kosten" eine ungekürzte Altersversorgung mit dem Argument zu belassen, die von ihr erworbenen Anrechte seien ohnehin ungenügend. Letztlich zwingt - was der Antragsteller verkennt - umgekehrt eben dieser Umstand zur Halbteilung. Daher stellt die bei ungekürzter Durchführung des Versorgungsausgleichs resultierende Unterschreitung des (unterhaltsrechtlichen) Selbstbehalts des Ausgleichspflichtigen auch keinen Härtegrund dar, wenn - wie vorliegend - der Berechtigte ebenfalls in engen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 03.08.2011 - 10 UF 127/11, FamRZ 2012, 308; Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. (2020), § 27 VersAusglG, Rn. 82).

Zwar kann zuletzt die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs auch dann grob unbillig sein, wenn der ausgleichspflichtige Ehepartner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, den Verlust eines Teils seiner Altersversorgung zu kompensieren (vgl. BGH, Beschl. v. 13.01.1999 - XII ZB 148/95, FamRZ 1999, 499); jedoch gilt auch hier wieder, dass die - schon aufgrund des Alters der Beteiligten - fehlende Möglichkeit, weitere Altersversorgung aufzubauen, beide Beteiligte gleichermaßen trifft und solcherart bereits die in Ehezeiten gelebte Situation es gebietet, hieraus resultierende Nachteile in der Altersvorsorge gleichermaßen auf beide Beteiligte zu verteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150 Abs. 4, 84 FamFG.

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