OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.12.2020 - 13 U 326/19
Fundstelle
openJur 2021, 3033
  • Rkr:

Ein Schaden des Käufers eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs entfällt nicht dadurch, dass der Käufer das Fahrzeug zwischenzeitlich veräußert hat. Der erzielte Verkaufserlös ist vielmehr nach den Regeln der Vorteilsausgleichung von dem Schadensersatzanspruch des Käufers abzuziehen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.8.2019 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8.11.2019 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.394,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 19.408,00 €, der sich Tag für Tag linear auf 17.144,00 € ermäßigt, für die Zeit vom 28.8.2018 bis zum 23.9.2020 sowie aus einem Betrag von 9.394,00 € seit dem 24.9.2020 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger die durch die Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.8.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (erstinstanzliches Verfahren und Berufungsverfahren) hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 17.976,66 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt im Rahmen des sog. Abgasskandals von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Pkw Audi A3 Sportback, der mit einem von der Beklagten entwickelten und konstruierten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist.

Der Kläger erwarb den streitgegenständlichen Pkw am 2.11.2012 von der Autohaus X Vertriebs GmbH & Co. KG in Stadt1 mit einem Kilometerstand von 8.167 km zum Preis von 24.000,00 €.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 205 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit am 8.8.2019 verkündetem Urteil (Bl. 453 ff. d. A.), berichtigt durch Beschluss vom 8.1.2019 (Bl. 453a f. d.A.), hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 17.976,66 € nebst Delikts- und Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkw verurteilt. Ferner hat das Landgericht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und die Beklagte zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 455 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Das Urteil wurde der Beklagten am 5.9.2019 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 27.9.2019 (Bl. 491 f. d. A.), eingegangen bei Gericht am 2.10.2019, eingelegte und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Senat - mit Schriftsatz vom 5.12.2019 (Bl. 514 ff. d. A.), eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihren ursprünglichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Auf die Berufungsbegründung (Bl. 514 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Mit Vertrag vom 18.9.2020 verkaufte der Kläger den Pkw an die Autohaus Y GmbH zum Preis von 7.750,00 €. Die Übergabe erfolgte am 23.9.2020, zu diesem Zeitpunkt betrug der Kilometerstand des Pkw 91.538 km.

Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt die Beklagte nunmehr vor: Die im Berufungsverfahren erfolgte Weiterveräußerung des streitgegenständlichen Pkw lasse einen Schaden des Klägers nachträglich entfallen. Ein etwaiger Anspruch auf Naturalrestitution - hier in Form eines Anspruchs auf Rückabwicklung des Kaufvertrages - nach § 249 Abs. 1 BGB sei mit der Veräußerung des Pkw ersatzlos untergegangen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB oder § 253 BGB. Jedenfalls schulde der Kläger im Rahmen der vorzunehmenden Vorteilsanrechnung Wertersatz in Höhe des damals vereinbarten Kaufpreises, der die Klageforderung übersteige.

Die Beklagte beantragt,

das am 8.8.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Darmstadt, Az. 9 O 212/18 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass nunmehr Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Zahlung des Verkaufserlöses in Höhe von 7.750,00 € begehrt wird.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, über den vom erstinstanzlichen Gericht zugesprochenen Betrag hinausgehend dem Kläger die durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 187,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Mit der Anschlussberufung begehrt er den Ersatz weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht lediglich eine 1,3 Gebühr für angemessen gehalten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 646 ff. d. A.) sowie auf die Begründung der Anschlussberufung (Bl. 685 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch ganz überwiegend keinen Erfolg.

a) Soweit der Kläger wegen der nach Verkündung des angefochtenen Urteils erfolgten Veräußerung des streitgegenständlichen Pkw seinen Klageantrag im Berufungsverfahren dahingehend umgestellt hat, dass er nicht mehr Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw von der Beklagten begehrt, sondern sich nunmehr - sinngemäß - den Verkaufserlös aus der Veräußerung des Pkw auf seine Klageforderung anrechnen lassen will, handelt es sich um eine privilegierte Antragsänderung im Sinne des § 264 Nr. 3 ZPO, die in der Berufungsinstanz uneingeschränkt zulässig ist und nicht den Voraussetzungen des § 533 ZPO unterliegt (BGH, Urt. v. 19.3.2004, V ZR 104/03, juris Rn. 26). Hierfür war auch nicht die Einlegung einer entsprechenden Anschlussberufung erforderlich, denn das Begehren des erstinstanzlich erfolgreichen Klägers geht letztlich nicht über eine Abwehr der Berufung hinaus (BGH, Urt. v. 7.5.2015, VII ZR 145/12, juris Rn. 29).

b) In der Sache steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger, vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB auf Rückzahlung des für den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgewandten Kaufpreises in Höhe von 24.000,00 € abzüglich eines Vorteilsausgleichs wegen der gezogenen Nutzungen in Höhe von 6.856,00 € und wegen des erzielten Verkaufserlöses in Höhe von 7.750,00 € zu. Damit ergibt sich für den Kläger noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von 9.394,00 €.

aa) Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt, indem sie den mit der streitgegenständlichen manipulierten Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Dieselmotor vom Typ EA 189 produziert und anschließend in den Verkehr gebracht hat. Die Steuerungssoftware der Motoren EA 189 war so programmiert, dass die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm nur im Prüfbetrieb eingehalten wurden. Der Vertrieb von Fahrzeugen mit dieser Umschaltlogik unter bewusstem Verschweigen der gesetzwidrigen Softwareprogrammierung stellte eine konkludente Täuschung sämtlicher potenzieller Käufer dar. Die Beklagte machte sich im Rahmen der von ihr bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typgenehmigungen durch arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundeamtes zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt zunutze. Die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software wurde von den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt, was der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen ist. Ein Schädigungsvorsatz der auf Seiten der Beklagten handelnden Personen, die Kenntnis von der sittenwidrigen strategischen Unternehmensentscheidung hatten, ist ebenfalls zu bejahen (vgl. BGH, Urt. v. 25.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 31.3.2020, 13 U 134/19, juris Rn. 40).

bb) Dem Kläger ist aufgrund der konkludenten Täuschung auch ein adäquat kausaler Schaden durch den Abschluss eines ungewollten Kaufvertrages entstanden (BGH, Urt. v. 25.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn.47). Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es insofern auf Gesichtspunkte der vollwertigen technischen Nutzbarkeit und einer möglichen Weiterveräußerung ohne Wertverlust trotz der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht an, da es für die Annahme eines Schadens ausreicht, wenn sich der geschlossene Vertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für einen vernünftigen Käufer normativ als nachteilig erweist. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet. Der Kläger kann gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte. Er kann mithin von der Beklagten die (Rück-)zahlung des Kaufpreises verlangen (BGH, Urt. v. 25.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn. 44 ff.; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 31.3.2020, 13 U 134/19, juris Rn. 41).

cc) Allerdings muss der Kläger sich im Wege des Vorteilsausgleiches eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, da andernfalls eine vom Schadensersatzrecht nicht gedeckte Überkompensation eintreten würde (BGH, Urt. v. 25.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn. 64 ff.). Die Berechnung des anzurechnenden und vom Kaufpreis letztlich abzuziehenden Nutzungsvorteils erfolgt nach der gebräuchlichen Formel der zeitanteilig linearen Wertminderung, die auf den tatsächlichen Gebrauch im Vergleich zur voraussichtlichen Gesamtlaufleistung (hier: 300.000 Kilometer) des Fahrzeugs abstellt. Danach ist bei der Rückabwicklung die vom Käufer für jeden gefahrenen Kilometer zu zahlende Nutzungsentschädigung in der Weise zu ermitteln, dass der vereinbarte Bruttokaufpreis durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs (im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer) dividiert wird und der sich hieraus ergebende Quotient mit den von der Klägerseite tatsächlich während der Nutzungszeit gefahrenen Kilometern multipliziert wird (OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 31.3.2020, 13 U 134/19, juris Rn. 57). Da der streitgegenständliche Pkw mit einem Kilometerstand von 8.167 km erworben wurde und zum Zeitpunkt der Veräußerung durch den Kläger einen unstreitigen Kilometerstand von 91.538 km aufwies, ist vom Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.856,00 € abzuziehen.

dd) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein Schaden des Klägers auch nicht etwa wegen der Weiterveräußerung des streitgegenständlichen Pkw entfallen (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2020, 12 U 449/19, juris Rn. 33; OLG Köln, Urt. v. 26.3.2020, 7 U 167/19, juris Rn. 33; OLG Oldenburg, 21.2.2020, 6 U 268/19, juris Rn. 61; zur Anrechnung des Veräußerungserlöses von Aktien im Rahmen eines Anspruchs nach § 826 BGB: BGH, Urt. v. 9.5.2005, II ZR 287/02, juris Rn.13; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 21.2.2006, 5 U 78/04, juris Rn. 39; AA Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 22.11.2019, 17 U 70/19, juris Rn. 28 ff.; OLG Celle, Urt. v. 19.2.2020, 7 U 424/18, BeckRS 2020, 6243 Rn. 9 f.). Insbesondere vermag der Senat sich nicht der Ansicht anzuschließen, wonach in Fällen wie dem vorliegenden die Veräußerung des ungewollten Fahrzeugs durch den Käufer grundsätzlich dazu geeignet ist, für diesen tatsächlich die Wiederherstellung des vor dem Erwerb bestehenden Zustands zu bewirken (so aber Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 22.11.2019, 17 U 70/19, juris Rn. 28). Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil der Käufer auf diese Weise grundsätzlich mit dem Preisrisiko der ungewollten Sache belastet würde, was dem in § 249 Satz 1 BGB normierten Grundsatz der Naturalrestitution zuwiderläuft. Hiernach ist der Geschädigte so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte. In diesem Fall hätte er mangels Erwerbs des ungewollten Pkw auch dessen Preisrisiko nicht getragen. Deswegen geht auch die Ansicht der Beklagten fehl, mit der Weiterveräußerung habe der Kläger sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht wiederhergestellt. Der im November 2012 durch Täuschung der Beklagten sittenwidrig herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss wird nicht durch die Weiterveräußerung - ebensowenig wie durch das nachträgliche Aufspielen des Software-Updates (BGH, Urt. v. 25.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn. 58) - rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss.

Das Argument der Beklagten, der Bundesgerichtshof nehme in ständiger Rechtsprechung an, dass ein Anspruch auf Naturalrestitution grundsätzlich untergehe, wenn der Geschädigte eine beschädigte, nicht reparierte Sache vor der mündlichen Verhandlung veräußere, weil dann eine Herstellung des geschuldeten Zustands nicht mehr möglich sei, überzeugt ebenfalls nicht. Im Streitfall geht es nicht darum, eine beschädigte Sache wiederherzustellen, sondern - wie die Beklagte in anderem Zusammenhang zutreffend hervorhebt - das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Klägers (s. BGH, Urt. v. 5.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn.47). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieses - durch Rückzahlung des für den ungewollten Pkw geleisteten Kaufpreises - nach wie vor wiederhergestellt werden kann. Der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe ihr durch die Weiterveräußerung des Pkw bewusst die Möglichkeit genommen, die vorgeworfene Rechtsgutsbeeinträchtigung zu beheben, verfängt damit ebenfalls nicht.

Freilich heißt dies nicht, dass die Weiterveräußerung des Pkw bei der Schadensbemessung nicht zu berücksichtigen wäre. Vielmehr ist der Anspruch des Klägers stets von vorneherein mit der Einschränkung begründet, dass die Vorteile, die mit dem schädigenden Ereignis in einem adäquaten Zusammenhang stehen, an die Beklagte herausgegeben werden müssen (z.B. BGH, Urt. v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, juris Rn. 40). Solange - wie im Fall des nicht veräußerten Pkw - Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (BGH, Urt. v. 23.6.2015, XI ZR 536/14, juris Rn. 22). Besteht der Vorteil - wie im Fall des Verkaufserlöses - in einem Geldbetrag, ist eine Anrechnung auf den Ersatzanspruch vorzunehmen (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. A. 2020, Vorb v § 249 Rn. 70). Maßgeblich ist dabei der zum Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Vermögen des Geschädigten vorhandene Vorteil (BGH, Urt. v. 5.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn. 57).

Dass der zu diesem Zeitpunkt allein im Vermögen des Klägers noch vorhandene Verkaufserlös adäquat kausal auf die Täuschung der Beklagten zurückzuführen ist, kann dabei nicht bezweifelt werden. Denn ohne diese hätte der Kläger den streitgegenständlichen Pkw nicht erworben und hätte ihn folglich auch nicht weiterveräußern können. Der Kausalzusammenhang wird auch nicht etwa dadurch unterbrochen, dass der Weiterverkauf auf einem eigenen Willensentschluss des Klägers beruht. Gerade angesichts des erheblichen Zeitraums, der seit dem Erwerb des Pkw verstrichen ist, stellt die Weiterveräußerung keine ungewöhnliche Reaktion des Klägers dar (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1994, II ZR 126/93, juris Rn. 17). Auch eine im Rahmen der Vorteilsausgleichung stets vorzunehmende wertende Betrachtung, ob die Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht und weder den Geschädigten unzumutbar belastet noch den Schädiger unbillig begünstigt (vgl. BGH, Urt. v. 22.9.1983, III ZR 171/82, juris Rn. 13), spricht vorliegend für einen Abzug des Verkaufserlöses vom Schadensersatzanspruch des Klägers. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Erzielung des Verkaufserlöses auf eine überobligatorische Anstrengung des Klägers zurückzuführen ist, was einer Anrechnung entgegenstehen könnte (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. A. 2020, Vorb zu § 249 Rn. 70). Insofern ist nicht zuletzt auch zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst eine Anrechnung des Verkaufserlöses auf seinen Schadensersatzanspruch befürwortet. Dass der Kläger bei der Weiterveräußerung einen zu geringen Erlös erzielt hat, was im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen wäre (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2020, 12 U 449/19, juris Rn. 37), hat die - insoweit darlegungs- und beweispflichtige - Beklagte schon nicht behauptet. Damit ist im Ergebnis im Wege der Vorteilsausgleichung eine Anrechnung des Erlöses aus dem Verkauf des Pkw in Höhe von 7.750,00 € vorzunehmen.

c) Hinsichtlich des klägerischen Zinsanspruchs ist die Berufung der Beklagten zum Teil erfolgreich. Dem Kläger stehen zwar Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.8.2019 gemäß §§ 291, 288 BGB zu, allerdings nur aus den aus dem Tenor ersichtlichen Beträgen. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit wies der Pkw unstreitig einen Kilometerstand von 64.800 km auf. Mangels gegenteiligen Vortrags ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Fahrleistung im Zeitraum zwischen der Rechtshängigkeit und der Veräußerung des Fahrzeugs von insgesamt 26.738 km annähernd gleichmäßig erbracht hat. Der nach § 291 BGB zu verzinsende Betrag lag folglich bei Eintritt der Rechtshängigkeit höher als der schließlich zuzusprechende Betrag und hat sich dann sukzessive auf den schließlich zuzuerkennenden Betrag ermäßigt (BGH, Urteil v. 30.7.2020, VI ZR 397/19, juris Rn. 38). Dementsprechend ist der Zinsberechnung zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ein Erstattungsbetrag von 19.408,00 € zugrunde zu legen, der sich bis zur Übergabe des Fahrzeugs an die Käuferin am 23.9.2020 sukzessive auf 17.144,00 € ermäßigt hat (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 27.8.2020, 6 U 2186/19, juris Rn. 43). Weitere Nutzungen des Klägers nach diesem Zeitpunkt sind nicht angefallen. Der Zahlungsanspruch hat sich außerdem durch den erzielten Verkaufserlös verringert, wobei mangels anderweitiger Angaben des Klägers zum Zeitpunkt der Vereinnahmung des Verkaufserlöses davon auszugehen ist, dass diese ebenfalls am 23.9.2020 erfolgt ist. Ab dem 24.9.2020 stehen dem Kläger mithin nur noch Prozesszinsen aus dem Betrag von 9.394,00 € zu.

d) Erfolgreich ist die Berufung, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Landgericht dem Kläger Deliktszinsen zugesprochen hat. Ein Anspruch gemäß § 849 BGB auf Verzinsung des Kaufpreises ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der damit einhergehenden Zahlung des Kaufpreises steht dem Kläger nicht zu. Nach § 849 BGB ist der Schadensbetrag zu verzinsen, wenn wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist. Diese Norm, bei der es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Geschädigte für die Zeit der Vorenthaltung bzw. Instandsetzung gehindert war, die Sache zu nutzen. So liegt der Fall hier nicht. Der Kläger hat durch den Erwerb des Fahrzeugs in Bezug auf den gezahlten Kaufpreis keine Nutzungsbeeinträchtigung hinnehmen müssen. Er hat vielmehr für den aufgewandten Kaufpreis ein Fahrzeug erhalten, das er durchgehend uneingeschränkt genutzt hat, so dass es an einem nach § 849 BGB verzinslichen Wertersatzanspruch fehlt (BGH, Urt. v. 30.7.2020, VI ZR 397/19; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 31.3.2020, 13 U 134/19, juris Rn. 61 ff. m.w.N.).

e) Die Berufung ist auch erfolgreich, soweit sie die Feststellung des Annahmeverzugs im angefochtenen Urteil rügt. Eine Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten kommt schon wegen der Veräußerung des Pkw durch den Kläger nicht (mehr) in Betracht.

f) Schließlich sind dem Kläger lediglich außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 € zuzusprechen. Die mit dem Ziel einer Erhöhung dieses Betrags erhobene - zulässige - Anschlussberufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Bei der Berechnung der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten ist auf den Gegenstandswert des verfolgten Anspruchs zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten abzustellen. Hierbei ist - entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht - von dem zurückverlangten Kaufpreis der Nutzungsvorteil in Abzug zu bringen. Der Senat schätzt anhand der bekannten unstreitigen Nutzungsdaten, dass der Kläger bis zum Anwaltsschreiben vom 13.2.2018 rund 52.000 Kilometer mit dem Pkw zurückgelegt hat, so dass der Gebührenberechnung ein Gegenstandswert von 19.724,00 € zugrunde zu legen ist. Zutreffend hat das Landgericht allerdings bei der Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten eine 1,3 Gebühr zugrunde gelegt. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Nach Nr. 2300 VV RVG beträgt die Geschäftsgebühr nach § 13 RVG das 0,5- bis 2,5-fache einer vollen Gebühr. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann hiernach allerdings nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, was vorliegend nicht anzunehmen ist. Dem Senat ist aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Vielzahl von Klägern gegen die Beklagte im sog. Abgasskandal vertreten, in denen im Übrigen nahezu wortgleiche Ausführungen zur Haftung der Beklagten gemacht werden. Die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers beschränkte sich damit im Streitfall im Wesentlichen auf das Einfügen der Vertragsdaten in das Schreiben vom 13.2.2018, was nicht als umfangreiche oder schwierige vorprozessuale Anwaltstätigkeit bewertet werden kann (vgl. OLG Köln, Urt. v. 26.5.2020, 4 U 188/19, juris Rn. 177; s. auch BGH, Urt. v. 25.5.2020, VI ZR 252/19, juris Rn.87). Damit steht dem Kläger im Ergebnis ein Betrag von 1.171,67 € an außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

4. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da bei den Abgasskandal-Fällen die Frage der Anrechnung des Verkaufserlöses im Rahmen des § 826 BGB bei Weiterveräußerung des Pkw von verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt wird (für eine Anrechnung wie vorstehend: OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2020, 12 U 449/19, juris Rn. 33; OLG Köln, Urt. v. 26.3.2020, 7 U 167/19, juris Rn. 33; OLG Oldenburg, 21.2.2020, 6 U 268/19, juris Rn. 61; für ein Entfallen des Schadensersatzanspruchs: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 22.11.2019, 17 U 70/19, juris Rn. 28 ff.; OLG Celle, Urt. v. 19.2.2020, 7 U 424/18, BeckRS 2020, 6243 Rn. 9 f.).

5. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 47 GKG, 3 ZPO.