FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 16.06.2014 - 3 K 3014/14
Fundstelle
openJur 2021, 1963
  • Rkr:

Ein bei Datev geführtes elektronisches Postausgangsbuch ist zum Nachweis der Absendung nur geeignet, wenn die laufende Nummer des Postausgangssatzes zum Absendedatum passt .

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtzeitigkeit eines Einspruchs und in diesem Zusammenhang um die Beweiskraft des bei Datev geführten elektronischen Postausgangsbuchs der Klägervertreterin.

1. Das beklagte Finanzamt (FA) erließ am 09.02.2011 einen Grundbesitzwertfeststellungsbescheid.

Am 21.03.2011 ging per Fax ein Schreiben der Klägervertreterin beim FA ein, mit dem diese zugleich eine Kopie eines Schreibens datierend vom 11.02.2011 übersandte, mit dem wiederum Einspruch eingelegt wurde. Vor dem 21.03.2011 befindet sich in der Akte des FA kein entsprechender Eingang. Im Schreiben vom 21.03.2011 wird ausgeführt, es werde eine Kopie des Einspruchschreibens vom 11.02.2011 übersandt, weil ein Folgebescheid ergangen sei, bevor der Einspruch bearbeitet worden sei.

Mit Schreiben vom 24.03.2011 wies das FA darauf hin, dass die Einspruchsfrist am 14.03.2011 (einem Montag) abgelaufen, der am 21.03.2011 eingegangen Einspruch daher verspätet sei. Es wies auf die Möglichkeit hin, Wiedereinsetzung zu beantragen. Mit Schreiben datierend vom 11.02.2011, per Fax beim FA eingegangen am 20.04.2011, führte die Klägervertreterin aus, der Einspruch sei bereits am 11.02.2011 an das FA abgesandt worden. Der Einspruch müsse entweder auf dem Postwege oder im Amt verloren gegangen sein. Dies dürfe nicht zulasten des Klägers gehen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 31.05.2011 verwarf das FA den Einspruch als unzulässig. Die bloße Behauptung, der Einspruch sei verlorengegangen, sei nicht ausreichend für eine Wiedereinsetzung. Es hätte vorgetragen werden müssen, wer, wann und wie der Einspruch zur Post gegeben wurde, und dies hätte glaubhaft gemacht werden müssen.

Die Einspruchsentscheidung wurde der Klägervertreterin am 07.06.2011 zugestellt.

2. Am 07.07.2011 erhob der Kläger die hiesige Klage.

Mit Beschluss des Senats vom 10.04.2012 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Auf Antrag des Klägers vom 21.05.2012 wurde mit Beschluss vom 23.05.2012 das Ruhen des Verfahrens angeordnet bis zum Abschluss des beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahrens X R 2/12. Nachdem am 01.02.2014 dem Gericht das Urteil des BFH vom 20.11.2013, veröffentlicht am 08.01.2014, bekannt geworden war, wurde das Verfahren mit Verfügung vom 04.02.2014 wiederaufgenommen.

3. Das Gericht forderte den Kläger mit Verfügung vom 04.02.2014 auf, das Postausgangsbuch der Klägervertreterin vorzulegen. In der Folge wurde mit Schriftsatz vom 17.02.2014 zunächst ein Ausdruck (vermutlich Screenshot) eines elektronischen Postausgangsbuchs für die Zeit vom 01.02.2011 bis 28.02.2011 (FG-A Bl. 60-65) vorgelegt, in dem ein Schreiben an das beklagte FA mit dem Versanddatum 11.02.2011 sowie dem Namen des Klägers als Mandanten und der Bezeichnung "Einspruch" als Dokumentart aufgeführt ist, verbunden mit der Angabe, es handle sich um ein bei Datev geführtes elektronisches Postausgangsbuch.

Eine vom Gericht bei Datev am 19.03.2014 eingeholte Auskunft ergab, dass reguläre Ausdrucke von Datev-Postausgangsbüchern eine "laufende Nummer" für jeden Postausgang enthalten, diese Nummer ist programmtechnisch geschützt und unveränderlich.

Mit Verfügung vom 09.04.2014 wurde der Kläger aufgefordert, einen regulären Ausdruck des Datev-Postausgangsbuchs mit laufenden Nummern vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 16.04.2014 wurde ein Ausdruck des Datev-Postausgangsbuchs der Klägervertreterin für die Zeit vom 05.02.2011 bis 11.02.2011 vorgelegt (FG-A Bl. 97-103). Dort befindet sich das fragliche Einspruchsschreiben an das beklagte FA wieder unter dem 11.02.2011, und zwar mit laufender Nummer 17299. Ein Postausgang am 05.02.2011 hat die lfd. Nr. 12516, die Postausgänge vom 07.02.2011 haben Nummern zwischen 12517 und 12529, die vom 08.02.2011 zwischen 12530 und 12534, die vom 09.02.2011 zwischen 12535 und 12539, die vom 10.02.2011 zwischen 12540 und 12556, die vom 11.02.2011 im Übrigen zwischen 12557 und 12574, mit Ausnahme eines Schreibens an den hiesigen Kläger ab ebenfalls am 11.02.2011, das die Nummer 13661 trägt. Die Klägervertreterin erläuterte, die laufende Nummer des Einspruchsschreibens sei deutlich später als die Nummern für die übrigen Schreiben dieses Tages vergeben worden. Dies sei wohl nur durch einen Anwendungsfehler bei der Verarbeitung des Datensatzes erklärbar. Nach der Erfassung der Daten für den Postausgang müsse dieser Datensatz noch verarbeitet werden. Es werde in der Regel danach nicht explizit geprüft, ob eine zutreffende Verarbeitung stattgefunden habe. Hierbei müsse ein Bedienungs- oder Programmfehler unterlaufen und dieser Datensatz unverarbeitet im System verblieben sein, ohne dass es bemerkt worden sei. Bei einer späteren Verarbeitung von Datensätzen sei der hier fragliche dann offensichtlich mitverarbeitet worden.

Auf Auskunftsersuchen des Gerichts vom 29.04.2014 teilte die Datev mit Schreiben vom 13.05.2014 mit, es handle sich bei dem Ausdruck um einen Teil des Berichts "Postausgang nach Datum", der mit dem Programm "Post, Fristen und Bescheide" der Datev erstellt worden sei. In diesem Programm erhalte jeder Postausgangssatz im Rahmen der Festschreibung eine eindeutige und nicht veränderbare fortlaufende Postausgangsnummer. Es hänge von der Organisation der Kanzlei ab, wann der Postausgangssatz festgeschrieben werde, beispielsweise im Rahmen der Erfassung, zum Zeitpunkt des Versandes oder möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt. Im vorliegenden Fall sei der betreffende Postausgangssatz offenbar zu einem späteren Zeitpunkt festgeschrieben worden als die anderen Postausgangssätze vom 11.02.2011. Daher habe der Datensatz eine höhere Postausgangsnummer. Anhand des vorliegenden Ausdrucks könne keine Aussage darüber getroffen werden, wann dieser Postausgangssatz erfasst worden sei. Ein umgekehrter Rückschluss über eine Rückdatierung könne ebenfalls nicht getroffen werden.

Die Klägervertreterin hat von einer weiteren Stellungnahme abgesehen.

4. Der Kläger beantragt (FG-A Bl. 58),die Einspruchsentscheidung vom 31.05.2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt (FG-A Bl. 17),die Klage abzuweisen.

Das FA ist der Auffassung, auch durch das auszugsweise vorgelegte Postausgangsbuch sei die Absendung des Einspruchs nicht glaubhaft gemacht.

5. Die Einheitswert- und Grundsteuerakte sowie der Hefter des Einspruchsverfahrens lagen vor.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I. Die Einspruchsentscheidung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen (§ 358 Satz 2 Abgabenordnung - AO -), denn der Einspruch war verspätet (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO).

1. Soweit der Einspruch erst als Anlage zum Schreiben vom 21.03.2011 beim FA eingegangen ist, war die einmonatige Einspruchsfrist bereits abgelaufen (Bescheid von Mittwoch 09.02.2011, Fristende Montag 14.03.2011).

2.a) Ein Zugang zeitnah zur behaupteten Absendung am 11.02.2011 ist nicht nachgewiesen.

Der Kläger hat selbst in den Raum gestellt, dass die Einspruchsschrift auf dem Postweg oder im FA abhanden gekommen sein könnte. Der Kläger hat keinerlei Beweis vorgelegt, dass die Einspruchsschrift beim FA abhandengekommen ist. Ein Abhandenkommen auf dem Postweg bedeutet, dass die Einspruchsschrift nicht rechtzeitig beim FA eingegangen ist.

b) Die Feststellungslast (materielle Beweislast) für den fristgerechten Eingang der Einspruchsschrift beim Finanzamt trägt aber der Kläger (BFH, Urteil vom 28.10.1987 I R 12/84 BStBl II 1988, 111, Juris Rn. 16; BFH, Urteil vom 08.12.1976 I R 240/74, BStBl II 1977, 321, Juris Rn. 42).

3. Zwar wäre ggf. gemäß § 110 Abgabenordnung (AO) Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Einspruch rechtzeitig abgesandt, jedoch auf dem Postweg verloren gegangen wäre. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung - hier also die Absendung - hat der Kläger als Einspruchsführer aber glaubhaft zu machen (§ 110 Abs. 2 Satz 2 AO).

Dies ist dem Kläger jedoch nicht gelungen.

a) Das vorgelegte elektronische Postausgangsbuch der Datev ist hierfür nicht geeignet. Wie sich aus der Auskunft der Datev - deren Inhalt der Kläger nicht bestritten hat - ergibt, kann bei jedem einzelnen Postausgangssatz das Ausgangsdatum nachträglich geändert werden. Unveränderlich ist lediglich die laufende Nummer, die damit das eigentliche Merkmal ist, um den Zeitpunkt der Absendung verlässlich zu ermitteln (vgl. bereits FG  Brandenburg, Urteil vom 01.04.1998 1 K 1724/96 E, EFG 1998, 980, Juris Rn. 15). Das Datev-Postausgangsbuch ist daher nur dann ein geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung der Absendung, wenn die laufende Nummer zum Absendedatum passt, also in einer Reihe steht mit den laufenden Nummern der am selben Tag bzw. am Vor- und Folgetag abgesendeten Schriftstücke. Dies ist hier gerade nicht der Fall.

b) Warum dies nicht der Fall ist, also ob der Postausgangssatz später erfasst und rückdatiert wurde oder ob er am betreffenden Tag erfasst und lediglich aus Versehen später festgeschrieben wurde, kann anhand des Datev-Postausgangsbuchs nicht festgestellt werden. Der Vortrag des Klägers, es handle sich um einen Anwendungsfehler (Bedienungs- oder Programmfehler), ist daher nicht glaubhaft gemacht. Für diesen Teil des Vortrags fehlt es an einem Mittel der Glaubhaftmachung.

c) Auch sonst sind andere Mittel der Glaubhaftmachung des Absendedatums der Einspruchsschrift nicht vorgebracht worden.

4. Schließlich begann die Einspruchsfrist auch nicht deswegen nicht, weil die Rechtsbehelfsbelehrung keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form enthalten hatte und deswegen unwirksam gewesen wäre. Ein solcher Hinweis ist nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 20.11.2013 X R 2/12, BFH/NV 2014, 198, Juris Rn. 15).

II.1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

2. Gründe für die Zulassung der Revision, § 115 Abs. 2 FGO, sind nicht ersichtlich.

3. Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter aufgrund Übertragung gemäß § 6 FGO und mittels Gerichtsbescheid nach § 90a Abs. 1 FGO.

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