FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.12.2016 - 9 K 9251/13
Fundstelle
openJur 2021, 1608
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Die Prozessbeteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf  Bewilligung von Kindergeld für ihre Tochter B... für die Zeit von Januar 2012 bis Juli 2013 hat.

Die Klägerin ist die Mutter des am 12. Juli 1988 geborenen Kindes B... . B... besuchte bis Juni 2008 die Gesamtschule in C... und machte dort ihr Abitur. Anschließend war sie zunächst als arbeitssuchend gemeldet.

Auf Antrag der Klägerin setzte die Familienkasse D... mit Bescheid vom 26. November 2008 Kindergeld betr. die Tochter B... für die Zeit ab Dezember 2008 fest.

Mit Wirkung zum 7. April 2009 wurde B... von der Bundeswehr als Anwärterin für die Laufbahn der Unteroffiziere des Truppendienstes mit dem Ausbildungsziel "Nachschubbuchführungsunteroffizierin" zugelassen. Zuvor war sie bereits mit Wirkung zum 1. April 2009 zur Soldatin auf Zeit (voraussichtliche Dauer: neun Jahre) ernannt worden. In der Zeit vom 6. Oktober 2009 bis zum 30. Juni 2011 absolvierte B... erfolgreich eine von der Bundeswehr organisierte Ausbildung zur Bürokauffrau.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2009 hob die Familienkasse D... die Festsetzung von Kindergeld betr. die Tochter B... unter Berufung auf § 70 Abs. 2 EStG für die Zeit ab April 2009 auf. Zur Begründung führte die Familienkasse aus, dass eine Ausbildung als Soldatin auf Zeit bei der Bundeswehr zur Unteroffizierin keine Ausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 EStG 2009 sei. Gegen den Bescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb und von der Familienkasse D... mit Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Mit Wirkung zum 11. Mai 2010 wurde die Obergefreite B... zur Unteroffizierin ernannt. Mit Wirkung zum 27. Juni 2011 wurde sie zur Stabsunteroffizierin befördert.

Nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau nahm B... vom 4. Juni bis zum 2. Juli 2013 an dem Verwendungslehrgang "Grundlagenmodul Materialbewirtschaftung", vom 16. September bis zum 9. Oktober 2014 an dem "Fachmodul Nachschubunteroffizierin" und vom 10. November bis zum 15. November 2014 an dem Abschlusslehrgang "Aufbaumodul Materialbewirtschaftung/Sachkunde Munition" teil. Ziel der Teilnahme an diesen Lehrgängen war die Vermittlung der Befähigung von B... zur Verwendung als "Materialdispositionsunteroffizierin". Zwischen den Lehrgängen versah D... ihren Dienst in einem Logistikbataillon.

Am 21. März 2013 beantragte die Klägerin bei der Familienkasse D... erneut die Festsetzung von Kindergeld betr. ihre Tochter B... . Zur Begründung machte sie geltend, dass ihre Tochter im Zeitraum 1. April 2009 bis 31. Dezember 2013 eine Berufsausbildung als Materialdispositionsunteroffizier bei der Bundeswehr absolviere.  Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. Mai 2013 für die Zeit ab Juli 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass B... inzwischen mit dem Ende der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung (ZAW) ihre Berufsausbildung abgeschlossen habe. Mit gesondertem Schreiben vom selben Tag forderte die Beklagte die Klägerin auf, für den Anspruchszeitraum Juni 2009 bis Juni 2011 bis zum 23. Mai 2013 weitere Unterlagen zum Nachweis ihrer Anspruchsberechtigung einzureichen.

Daraufhin legte die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2013 fristgerecht Einspruch ein. Sie führte hierzu aus, dass die Ausbildung ihrer Tochter B... voraussichtlich erst am Ende des laufenden Jahres 2013 beendet sein werde.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld betr. die Tochter B... für den Zeitraum Oktober 2009 bis Juni 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die für die Entscheidung über den Kindergeldanspruch notwendigen Unterlagen (insbesondere Nachweise über die Höhe des eigenen Einkommens des Kindes) bislang trotz entsprechender Aufforderung nicht vorgelegt worden seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2013 wies die Beklagte den Einspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für die Zeit ab Juli 2011 zurück. Bei Unteroffiziersanwärtern beginne die kindergeldrechtliche Berücksichtigung mit der Ernennung zum Unteroffiziersanwärter und ende mit der Ernennung des Kindes zum Unteroffizier. Für die Zeit danach sei eine Festsetzung von Kindergeld nur noch im Rahmen und für die Dauer der jeweiligen ZAW möglich. Im vorliegenden Fall habe B... die ZAW nach den vorgelegten Unterlagen im Zeitraum 6. Oktober 2009 bis 30. Juni 2011 absolviert. Folglich ende die kindergeldrechtliche Berücksichtigung mit Ablauf des Monates Juni 2011. Eine weitere Berufsausbildung für die Zeit danach liege nicht vor bzw. sei nicht nachgewiesen worden.

Ausweislich eines Absendevermerks auf dem Entwurf der Einspruchsentscheidung wurde die vorgenannte Einspruchsentscheidung am 11. Juli 2013 "abgesandt".

Am 21. August 2013 telefonierte die Klägerin mit dem Service-Center der Beklagten und erkundigte sich nach dem Bearbeitungsstand hinsichtlich ihres Kindergeldantrags. Die Klägerin bezog sich dabei auf ihr Schreiben vom 7. Juli 2013, in dem sie ihre Rechtsauffassung hinsichtlich des Bestehens des Leistungsanspruchs für die Zeit ab Januar 2013 erläuterte habe.

Auf den Telefonanruf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 23. August 2013 wie folgt:

"Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG)

Ihr Telefonat vom 21.08.2013 mit dem Service-Center

Sehr geehrte Frau A...,

ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie eine Einspruchsentscheidung am 11.07.2013 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung erhalten haben. Daraus geht hervor, dass Sie ab Juli 2011 keinen Anspruch mehr auf Kindergeld für Ihr Kind B... haben. Das schließt den Zeitraum bis einschließlich Mai 2013 (Datum des Ablehnungsbescheides) mit ein. Ein gesonderter Bescheid für das Jahr 2012 ergeht demzufolge nicht mehr. Aus der Rechtsbehelfsbelehrung geht ebenfalls hervor, dass gegen diese Entscheidung nur noch der Klageweg innerhalb von einem Monat offen bleibt.

Beigefügt  erhalten Sie nochmals einen Mehrabdruck dieser Einspruchsentscheidung aus Ihrer Kindergeldakte. ......"

Am 4. September 2013 ging beim FG Berlin-Brandenburg die Klageschrift der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 2. September 2013 betr. die vorgenannte Einspruchsentscheidung ein. Darin macht die Klägerin u. a. geltend, dass ihr die Einspruchsentscheidung erst am 27. August 2013 zugegangen sei.

Die Beklagte gehe in ihrer Einspruchsentscheidung zu Unrecht davon aus, dass die Berufsausbildung der Tochter B... bereits am 30. Juni 2011 abgeschlossen gewesen sei.  B... habe zunächst ab 1. April 2009 einen dreimonatigen Grundwehrdienst absolviert. Daran habe sich ab dem 6. Oktober 2009 die ZAW angeschlossen. Nach dem Ende der ZAW zum 30. Juni 2011 seien bezüglich der vereinbarten Ausbildung von B... zur Fachunteroffizierin drei weitere dienstpostenspezifische Ausbildungsmodule vorgesehen gewesen. Erst nach bestandenem letztem Ausbildungsabschnitt "Aufbaumodul Materialbewirtschaftung/Sachkunde Munition" sei die Ausbildung der Tochter zur Materialdispositionsunteroffizierin/Nachschubunteroffizierin am 15. November 2014 abgeschlossen gewesen.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Bundeswehr die Teilnahme an den drei Ausbildungsmodulen mit anschließenden obligatorischen Prüfungen hinsichtlich der dort erlangten Kenntnisse verbunden habe. Bei einem etwaigen Nichtbestehen dieser Prüfungen im Wiederholungsfall habe die konkrete Gefahr bestanden, dass B... aus dem Dienst als Zeitsoldatin vorzeitig hätte entlassen werden können. Deshalb könne der Besuch der drei Lehrgänge nicht als bloße Fortbildungsmaßnahme eingestuft werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,                unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 3. Mai 2013 in Gestalt                der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2013 Kindergeld für die Tochter                B... für den Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2013 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,                 die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei. Die am 4. September 2013 erhobene Klage sei zulässig, weil die Klägerin geltend mache, die Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2013 erst am 27. August 2013 erhalten zu haben.

Die Klage sei unbegründet. Diesbezüglich sei auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung zu verweisen.

Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung ein Band Kindergeldakten der Beklagten betr. das Kind B... (KG-Nr.: 0..FK... - E - 0...8-.../13) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere hat die Klägerin bei Klageerhebung die einmonatige Frist für die Klageeinreichung eingehalten (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn die Richtigkeit ihrer Behauptung, ihr sei die maßgebliche Einspruchsentscheidung mit Datum "11. Juli 2013" erst per Übersendungsschreiben des Beklagten vom 23. August 2013 zugegangen, ist vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden. Den Beklagten trifft aber die  volle Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines eventuellen früheren Zugangs der vorgenannten  Einspruchsentscheidung  bei der Klägerin.  Die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO hinsichtlich der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2013  ("am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post") ist nicht anwendbar, weil die Klägerin den Zugang der Original-Einspruchsentscheidung zu irgendeinem Zeitpunkt bestritten hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 29. April 2009 X R 35/08, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2009, 1777; Ratschow, in: Klein, AO, 13. Aufl., § 122 Rz. 60, jeweils m. w. N.).

B.

Die Klage ist aber unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Die Klägerin hat hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums Januar 2012 bis Juli 2013 keinen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld.

Gemäß § 62 Abs.1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2012 besteht Anspruch auf Kindergeld u. a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG 2012 nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i. S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG 2012).

Im vorliegenden Fall besteht kein Anspruch auf Kindergeld, weil

-

a) sich B... im streitgegenständlichen Zeitraum nicht (mehr) in einer Ausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befunden hat (für die Zeit der ZAW besteht hingegen nach dem ab 1. Januar 2012 geltenden Recht [= Wegfall der Anrechnung des eigenen Einkommens des Kindes] ein Anspruch auf Kindergeld, vgl. dazu allgemein: BFH-Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 19/02, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2007, 247; Bundeszentralamt für Steuern, Änderung der Dienstanweisung zum Kindergeld, Nr. 45, BStBl. I 2015, 584 ff., 591).

-

b) B... außerdem im vorgenannten Zeitraum nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung einer kindergeldschädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

Zu a.) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, ist unter Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (vgl. zu allem Vorstehenden: BFH-Urteil vom 16. September 2015 III R 6/15, BStBl II 2016, 281 m.w.N.).

Dementsprechend hat der BFH z. B. das Referendariat im Anschluss an die erste juristische Staatsprüfung sowie die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier des Truppendienstes als Ausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2012 angesehen (vgl. BFH, a.a.O.).

Voraussetzung für eine solche innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses stattfindende Ausbildung ist nach zutreffender Ansicht des BFH, a.a.O., der sich der erkennende Senat anschließt, dass die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d. h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d. h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht. Als Kriterien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände für einen in Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen können, kommen u. a. in Betracht:

-   das Vorhandensein eines Ausbildungsplanes,

-   die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern,

-   die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und

-   ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt

Der Ausbildungscharakter steht auch stets dann im Vordergrund, wenn die Voraussetzungen eines Ausbildungsdienstverhältnisses vorliegen (vgl. dazu BFH, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall war im streitgegenständlichen Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2013 kein Ausbildungsdienstverhältnis gegeben. Der BFH hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil zu einem weitgehend vergleichbaren Sachverhalt explizit judiziert, dass dem Besuch von der Bundeswehr als Arbeitgeber organisierter sog. "Verwendungslehrgänge" durch einen Soldaten auf Zeit im Anschluss an die ZAW zwecks späterem Einsatz als "Materialdispositionsunteroffizier" kein Ausbildungsdienstverhältnis zugrunde liegt.

Ein Ausbildungsdienstverhältnis setzt nach zutreffender Ansicht des BFH, der der erkennende Senat folgt, nicht nur ein Dienstverhältnis besonderer Art voraus, welches durch den Ausbildungszweck geprägt ist. Hinzukommen muss, dass die Ausbildungsmaßnahme selbst Gegenstand und Ziel des Dienstverhältnisses ist. Die vom Dienstverpflichteten geschuldete Leistung, für die der Dienstherr bezahlt, muss in der Teilnahme an der Berufsausbildungsmaßnahme bestehen. In Abgrenzung hierzu reicht ein normales Dienst- oder Arbeitsverhältnis, das schwerpunktmäßig durch die Erbringung einer Arbeitsleistung nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt charakterisiert wird, nicht aus. Selbst wenn das Dienstverhältnis neben der Arbeitsleistung auch berufliche Fortbildungen und Qualifizierungen des Arbeitnehmers zum Gegenstand hat, diese aber nicht das Ziel und den wesentlichen Inhalt des Vertrags ausmachen, wird das Dienstverhältnis nicht zu einem Ausbildungsdienstverhältnis (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 2016 V R 32/15, BFH/NV 2016, 1554 m w. N.; im Ergebnis ebenso FG Münster, Urteil vom 24. Juli 2015 4 K 3069/14 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2015, 1722, Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 20/15 betr. Fortbildung bei der Bundeswehr zur Nachschubunteroffizierin nach ZAW zur Bürokauffrau).

B... hat im streitgegenständlichen Zeitraum das volle Gehalt einer Unteroffizierin bezogen, weil im Vordergrund ihres Dienstverhältnisses zur Bundeswehr nicht die Weiterbildung zur Materialdispositionsunteroffizierin, sondern der "normale" Dienst als Soldatin auf Zeit gestanden hat. Dies wird schon daran deutlich, dass der Besuch aller drei streitgegenständlichen Lehrgänge zusammengefasst nur einen Zeitraum von insgesamt rund zwei Monaten in Anspruch genommen hat, währenddessen die Gesamtdienstzeit nach Abschluss der ZAW bis zum Abschluss des dritten Lehrganges (15. November 2014) mehr als 28 Monate umfasst hat. Die Zeiträume, in denen sie Lehrgänge besucht hat, machen also weniger als zehn Prozent der relevanten Gesamtdienstzeit aus.

Aus demselben Grund befand sich B... im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in einer "Berufsausbildung" i. S. von § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG 2012 nach den oben wiedergegebenen allgemeinen Kriterien der BFH-Rechtsprechung (Ausbildung stand nicht im Vordergrund der Beschäftigung bei der Bundeswehr, vgl. dazu allgemein Görke, BFH/PR 2016, 38 m. w. N.).

Es ist im Streitfall auch keine sog. "mehraktige Ausbildung" i. S. der BFH-Rechtsprechung gegeben. Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind Teil einer einheitlichen Erstausbildung, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das - von den Eltern und vom Kind - bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (vgl. dazu allgemein BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl II 2015, 152 und vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163, jeweils m. w. N.). Im vorliegenden Fall hatte B... zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Bundeswehr das Ziel, sich zur "Nachschubbuchführungsunteroffizierin" zu qualifizieren. Dies Ziel hat sie mit dem erfolgreichen Abschluss der ZAW zur Bürokauffrau erreicht. Bei der Ausbildung zur Bürokauffrau handelt es sich um einen anerkannten Lehrberuf mit einer (staatlich anerkannten) Abschlussprüfung. Damit war ihre "Erstausbildung" nach zutreffender Ansicht des Niedersächsischen FG in einem vergleichbaren Fall, der sich der erkennende Senat anschließt, abgeschlossen. Auf der Grundlage dieser Ausbildung wurde sie zeitlich noch weit vor Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums am 27. Juni 2011 zur Stabsunteroffizierin befördert. Der spätere Besuch der sog. "Verwendungslehrgänge" ist nicht mehr Teil der mit Eintritt in die Bundeswehr begonnenen Ausbildung einer Soldatin auf Zeit zur Unteroffizierin gewesen (Niedersächs. FG, rkr. Urteil vom 10. September 2015 14 K 78/14, EFG 2015, 2181 m. Anm. Berghoff [vom BFH im anschließenden Revisionsverfahren vollinhaltlich bestätigt, vgl. BFH/NV 2016, 1554]). Insbesondere fehlt es auch an der zeitlichen Nähe der in 2013 und 2014 besuchten Module zu der bis 2011 abgeschlossenen Ausbildung.

An dieser Einschätzung ändert auch der Umstand nichts, dass B... unter Umständen Schwierigkeiten mit ihrem Dienstherrn bekommen hätte, wenn sie die Prüfungen im Anschluss an die drei Verwendungslehrgänge im Wiederholungsfall nicht bestanden hätte. Denn auch bei einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis kann unter Umständen die nicht erfolgreiche Teilnahme an vom Arbeitgeber organisierten Fortbildungsmaßnahmen Konsequenzen für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen, ohne dass allein diese Tatsache dazu führt, dass man das Arbeitsverhältnis kindergeldrechtlich umqualifizieren und als Ausbildungsdienstverhältnis ansehen muss.

Zu b.) Schließlich hat B... in jenem Zeitraum außerdem nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung (= Ausbildung zur Bürokauffrau) eine kindergeldschädliche Erwerbstätigkeit i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ausgeübt (vgl. allgemein dazu: BFH-Urteile in BStBl II 2016, 281 sowie in BFH/NV 2016, 1554; FG Münster, a.a.O., jeweils m. w. N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision gegen dieses Urteil wurde vom erkennenden Senat nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist. Insbesondere können anders als vom FG Münster a.a.O. angenommen die Voraussetzungen des Begriffs Ausbildungsdienstverhältnis durch die angegebenen BFH-Urteile aus 2015 und 2016 als geklärt angesehen werden.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte