AG Kreuzberg, Urteil vom 28.04.2020 - 4 C 118/19
Fundstelle
openJur 2021, 706
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, für die von ihnen innegehaltene Wohnung im Hause (...) einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 590,- € um 25,46 € auf 615,46 € ab dem 1. September 2019 zuzustimmen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die beiden Beklagten im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Wohnraummietverhältnisses auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlich geschuldete Nettokaltmiete in Anspruch.

Zwischen der Klägerin als Vermieterin und den Beklagten als Mietern besteht ein Mietverhältnis über die Wohnung (...). In § 3 des Mietvertrags ist zwischen den Parteien eine monatliche Nettokaltmiete zuzüglich eines Vorschusses für Betriebs-, Heiz- und Wasserkosten vereinbart. Zuletzt wurde die monatliche Nettokaltmiete im Rahmen einer Modernisierungsvereinbarung vom 18./19.12.2015 für die Zeit ab dem 01.03.2016 von seinerzeit 490,- € um 100,- € auf 590,- € monatlich erhöht.

Mit dem den Beklagten am 19.06.2019 zugestellten Schreiben vom 14.06.2019 (Anlage K 1, Bl. 5 d.A.), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, begehrte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zur Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 01.09.2019 von bislang 590,- € um 25,46 € auf 615,46 € monatlich. Die Beklagten reagierten auf das Zustimmungsverlangen der Klägerin binnen der ihnen außergerichtlich bis zum 31.08.2019 gesetzten Frist nicht. Auf die klägerseits am 12.11.2019 bei Gericht eingereichte und den Beklagten am 05.12.2019 zugestellte Klage verweigerten die Beklagten die Zustimmung schließlich.

Die Klägerin behauptet, dass die zum 01.09.2019 begehrte Nettokaltmiete mit 615,46 € ausweislich des Berliner Mietspiegels 2019 der ortsüblichen Vergleichsmiete entspreche.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, für die von ihnen innegehaltene Wohnung im Hause (...) einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 590,00 € um 25,46 € auf 615,46 € ab dem 01.09.2019 zuzustimmen.

Die Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten halten das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 14.06.2019 für formell unwirksam, weil ihm die klägerseits zugrunde gelegte ortsübliche Vergleichsmiete nicht beziffert zu entnehmen und auch das einschlägige Feld gemäß dem Berliner Mietspiegel 2019 nicht ausdrücklich benannt sei. Sie bestreiten die klägerseits zugrunde gelegte ortsübliche Vergleichsmiete der Höhe nach. Ferner bestreiten sie die klägerseits dem Mieterhöhungsverlangen zugrunde gelegte Mietfläche von 98,79 qm.

Das Gericht hat am 10.03.2020 mündlich zur Sache verhandelt. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß §§ 23 Nr. 2a) GVG, 29a Abs. 1 ZPO vor dem zuständigen Gericht unter Wahrung der speziellen Klagefrist nach § 558b Abs. 2 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 167 ZPO erhobene und auch im Übrigen zulässige Zustimmungsklage ist begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur begehrten Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete ab dem 01.09.2019 aus § 558 Abs. 1 BGB. Der Zustimmungsanspruch setzt voraus, dass der Vermieter ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen an den Mieter gerichtet hat (§ 558a BGB), die begehrte Mieterhöhung die ortsübliche Vergleichsmiete der Höhe nach nicht übersteigt (§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB), sowohl die zeitlichen Grenzen für eine Erhöhung (§ 558 Abs. 1 Sätze 1,2 BGB) als auch die Kappungsgrenze von maximal 15% der Nettokaltmiete (§ 558 Abs. 3 Satz 2 BGB in Verbindung mit der Berliner Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB vom 10.04.2018 - GVBl. Bln S. 370) beachtet werden und der Zeitpunkt der beabsichtigten Erhöhung nach dem Ende der dem Mieter nach § 558b Abs. 2 Satz 1 BGB zustehenden Bedenkensfrist liegt.

a) Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 14.06.2019 ist gemäß § 558a BGB formell wirksam. Es ist in Textform abgefasst und nimmt zur Begründung gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB auf den Berliner Mietspiegel 2019 Bezug. Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die offensichtliche Auslassung der betragsmäßigen Bezifferung der ortsüblichen Vergleichsmiete (unvollständiger Satz auf Seite 2 des Mieterhöhungsverlangens) nicht zur formellen Unwirksamkeit. Vielmehr ist es ausreichend, wenn das Erhöhungsverlangen Angaben über diejenigen Tatsachen enthält, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (BGH, Urteil vom 16.10.2019 - VIII ZR 340/18 - juris Tz. 14; Schmidt/Futterer-Börstinghaus, Mietrecht, 14.A., § 558a BGB Rn. 42f.). Im klägerischen Erhöhungsverlangen werden sämtliche Einordnungsmerkmale der Wohnung (Baualtersspanne, Ausstattung, Wohnfläche, Wohnlage, Spannenwerte bei einem Mittelwert von 6,23 €/qm) gemäß dem Berliner Mietspiegel 2019 benannt. Anhand der Mietspiegeltabelle ist die klägerseits vorgenommene Einordnung der Wohnung in das Feld J1 somit für jeden Laien problemlos nachvollziehbar und auch nachprüfbar. Darüber hinausgehende, präzisierende Angaben der Klägerin, insbesondere zum genauen Baujahr der Liegenschaft, sind nicht erforderlich. Die Angabe der Baualtersspanne, hier "Altbau bis 1918", genügt (Schmidt/Futterer, aaO). Die klägerseits am 01.09.2019 begehrte Nettokaltmiete von monatlich 615,46 € entspricht, bezogen auf die Wohnungsgröße von 98,79 qm, einem Quadratmeterpreis von 6,23 € und damit dem Median des einschlägigen Mitspiegelfeldes J1. Dies reicht gemäß § 558a Abs. 4 Satz 1 BGB für eine Begründung des Erhöhungsverlangens aus.

Soweit die Beklagten die klägerseits mit 98,79qm bezifferte und unstreitig in § 1 des Mietvertrags als solche ausgewiesene Wohnungsgröße in einfacher Weise bestreiten, ist dies unbeachtlich. Zwar mag in der Angabe der Wohnfläche in § 1 des Mietvertrags rechtlich keine Zusicherung der Wohnungsgröße durch den Vermieter zu sehen sein (Schmidt/Futterer-Eisenschmid, aaO, § 536 BGB Rn. 333), so dass die Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess nach allgemeinen Grundsätzen den Vermieter trifft. Trägt dieser, wie hier, jedoch eine bestimmte Wohnfläche vor, stellt dies substantiierten Sachvortrag dar, den der Mieter seinerseits substantiiert bestreiten muss. Dies ist ihm auch zumutbar, da die Wohnfläche in seinem Wahrnehmungsbereich liegt (Schmidt/Futterer-Börstinghaus, aaO, § 558 BGB Rn. 56). Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich das einfache Bestreiten der Wohnfläche durch die Beklagten als unerheblich im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO, weil sich die Beklagten damit auf pauschales Bestreiten beschränken (BGH NJW-RR 2017, 842 - beck-online).

b) Die begehrte Miete übersteigt die nach dem Berliner Mietspiegel 2019 ausgewiesene ortsübliche Vergleichsmiete nicht, § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dabei stuft das Gericht den Berliner Mietspiegel gemäß § 558d BGB als qualifiziert ein (so auch LG Berlin, Urteil vom 29.11.2019 - 66 S 69/19 - beckRS 2019, 29936 - beck-online). Entgegenstehender Sachvortrag der Parteien ist nicht ersichtlich. Selbst wenn der Mietspiegel lediglich als einfach anzusehen wäre, wäre er gemäß §§ 286, 287 S.2 ZPO als Schätzgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete geeignet (BGH, Urteil vom 13.02.2019 - VIII ZR 245/17 - juris Tz. 12ff.; LG Berlin, Urteil vom 13.08.2018 - 66 S 18/18 - juris Tz. 67).

c) Die zeitliche Grenze für die beabsichtigte Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 Satz 1 aE BGB ist eingehalten, nachdem die letzte Erhöhung am 01.03.2016 erfolgte und damit mehr als 15 Monate zurückliegt. Die Klägerin hat auch die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB beachtet. Der beabsichtigte Erhöhungsbetrag von 25,46 € liegt deutlich unter dem Betrag von 15% der bisherigen Nettokaltmiete.

d) Der beabsichtigte Zeitpunkt der Mieterhöhung zum 01.09.2019 entspricht den Vorgaben des § 558b Abs. 2 BGB. Das Mieterhöhungsverlangen ging den Beklagten am 19.06.2019 zu, so dass die Bedenkensfrist des § 558b Abs. 2 Satz 1 BGB mit Ablauf des 31.08.2019 endete. Ab dem 01.09.2019 hat die Klägerin demnach einen Anspruch auf Zustimmung zur eingeklagten Mieterhöhung.

2. Dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Mieterhöhung steht Art. 1 § 3 des Berliner Gesetzes zur zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) in der Fassung vom 11.02.2020 (GVBl. Bln S. 50) nicht entgegen.

a) Die vorgenannte Landesnorm verbietet von ihrem Wortlaut her zwar eine "Miete", die die am 18.06.2019 geschuldete Miete übersteigt. Diese Voraussetzung würde das Klageziel hier perspektivisch erfüllen, weil die Klage letztlich auf die gemäß § 894 ZPO eintretende Fiktion der Annahme eines Mieterhöhungsverlangens gerichtet ist, nach dem die am 18.06.2019 vereinbarte Nettokaltmiete von 590,- € auf 615,46 € angehoben wird.

b) Die Fragen, ob Art. 1 § 3 MietenWoG Bln als verfassungskonform anzusehen ist, und wie der Verbotsgegenstand ("die Miete") des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln auszulegen und zu verstehen ist, können jedoch in dem vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen. Auf sie kommt es bei der Entscheidung nicht an. Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nämlich nicht die (fortgeltende) Zahlungspflicht der Beklagten, sondern allein die Frage, ob die Beklagten am 01.09.2019 die Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen und somit die Annahme gemäß § 147 BGB eines Angebots der Klägerin gemäß § 145 BGB auf Abschluss eines Abänderungsvertrags zum Mietvertrag schuldeten. Dabei ist die Zustimmung als Willenserklärung, die nach § 894 BGB als abgegeben fingiert wird, ein zeitlich punktuelles Ereignis, das gemäß dem begründeten Klageantrag ab dem 01.09.2019 wirken soll. Zu diesem Zeitpunkt aber galt das Verbot des Art. 1 § 3 MietenWoG Bln noch nicht. Im Einzelnen:

(1) Nach dem Wortlaut des MietenWoG Bln gilt das in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln normierte Mieterhöhungsverbot grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des MietenWoG Bln.

Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln enthält selbst keine Regelung dazu, ab welchem Zeitpunkt das normierte Verbot eingreift. Insbesondere ist der in der Norm genannte Stichtag (18.06.2019) nicht mit deren Wirkungszeitpunkt gleichzusetzen. Er stellt lediglich eine tatbestandliche Anknüpfung dar, mittels derer der Landesgesetzgeber die Höchstgrenze der erlaubten Miete definiert. Mangels Regelung zum zeitlichen Beginn des normierten Verbots in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln ist somit der Tag des Inkrafttretens des Landesgesetzes einschlägig. Das ist gemäß Art. 4 Abs. 1 MietenWoG Bln der 23.02.2020.

Auch nach der gebotenen Auslegung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln ergibt sich nichts anderes. Diese ist ausgerichtet am Zweck der Norm und am Regelungswillen des Landesgesetzgebers vorzunehmen. Auslegungsgrundlagen sind dabei die Begründung zu Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln in ihrer Gestalt des ursprünglichen Gesetzentwurfs (AgH, Drs. 18/2347 vom 28.11.2019, S. 23-25) sowie die Begründung der vom Abgeordnetenhaus angenommenen Beschlussvorlage des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen (AgH Berlin, Drs. 18/2437 vom 22.01.2020 Begründung vom 21.01.2020 separat abrufbar unter https://www.parlament-berlin.de/ados/18/StadtWohn/vorgang/sw18-0244-v-%C3%84A-SPD-LINKE-GR%C3%9CNE.pdf, dort S. 6) als Dokumentation des Gesetzeszwecks und Manifestation des landesgesetzgeberischen Willens.

Die Auslegung ergibt vorliegend, dass der Landesgesetzgeber mit der Wahl des Stichtags am 18.06.2019 zwar erreichen wollte, dass sich für die Zeit danach bis zum Inkrafttreten des MietenWoG Bln befürchtete Mieterhöhungen nicht mehr auf die Bildung der nach Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln zu beachtenden Höchstgrenze der zulässigen Miete auswirken. Hätte er diese anhand des Mietniveaus am Tag des Inkrafttretens, dem 23.02.2020, gebildet, hätte dies gedroht. Vermieter hätten die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens nutzen und bis 22.02.2020 eine Mieterhöhung durchsetzen können, die dann das (somit gestiegene) Niveau der Miete am 23.02.2020 beeinflusst hätte. Mit der Wahl eines Stichtags in der Vergangenheit sollte dieses Risiko ausgeschlossen werden. Ein weitergehender Regelungswille ist der Norm des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere steht es nicht im Widerspruch mit dem Ziel des Landesgesetzgebers und dem Regelungszweck des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln, auch nach dem 18.06.2019 wirksam die Miete zu erhöhen, solange diese Mieterhöhung nur bis längstens 22.02.2020 fortgilt, dann aber ab dem 23.02.2020 aufgrund des Verbots der Norm (teil-)nichtig wird und die Miete wieder auf den Stand am 18.06.2019 absinkt. Dies aber ist mit dem Instrumentarium des BGB erreichbar, so dass es eines generellen Verbots der Mieterhöhung schon ab dem 18.06.2019 nicht mehr bedurfte. Im Einzelnen:

(a) Nach den vorgenannten Dokumenten zur Gesetzesbegründung hat die Einführung eines "Stichtags" den Zweck, zu verhindern, dass Vermieter nach Kenntniserlangung des Gesetzgebungsvorhabens zur Mietenbegrenzung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes die Gelegenheit nutzen und Mieterhöhungen vornehmen. Die "Ausnutzung der bisherigen Rechtslage" (nach dem BGB) noch "vor dem Inkrafttreten der Vorschrift" soll verhindert werden. Klargestellt wird aber auch, dass Art 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln

"nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu verlangen. Ein solches Verbot [gelte] (...) erst ab Inkrafttreten des Gesetzes" regele (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung vom 21.01.2020, S. 6).

Danach soll das Verbot einer Mieterhöhung erst ab dem 23.02.2020 gelten. Mieterhöhungen, die vor dem Inkrafttreten am 23.02.2020 wirksam werden, wären davon (zunächst) nicht erfasst.

(b) Gleichzeitig findet sich folgende - dazu auf den ersten Blick gegenläufige - Aussage der Begründung der Beschlussempfehlung vom 21.01.2020 (aaO, S. 6):

"Es bestand die Gefahr, dass Vermieter die lange Dauer der politischen Diskussion und des sich anschließende Gesetzgebungsverfahrens nutzen, um noch vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Mieterhöhung zu erwirken." (Hervorhebung durch das Gericht)

Diese Formulierung wäre abweichend vom Voranstehenden tendenziell so zu verstehen, dass der Landesgesetzgeber im Ergebnis doch bereits das "Erwirken", also das Wirksamwerden einer Mieterhöhung - unabhängig davon, ob diese durch Vereinbarung oder durch rückwirkende Fiktion nach § 894 ZPO zustande gekommen ist - schon nach dem 18.06.2019 und nicht erst ab Inkrafttreten des MietenWoG Bln durch ein Verbot unterbinden wollte. Würde es dabei verbleiben, würde die Auslegung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln nach seinem Zweck zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Norm jede Mieterhöhung ab dem 18.06.2019 verbietet, und dass derartige Mieterhöhungsvereinbarungen dann möglicherweise aufgrund von § 134 BGB schon bei Abschluss als nichtig anzusehen wären.

(c) Das sich aus der Gesetzesbegründung ergebende Spannungsfeld ist somit aufzulösen. Dabei sind die erheblichen Zweifel des Gerichts zu berücksichtigen, denen das unter lit. b) dargestellte Regelungsverständnis aus verfassungsrechtlicher Sicht unterliegt. Denn eine gesetzliche Regelung, die am 23.02.2020 in Kraft getreten ist, und eine zeitlich davor (bereits ab 18.06.2019) liegende, zivilrechtlich seinerzeit noch wirksam geschlossene Mieterhöhungsvereinbarung verbietet, entfaltet echte Rückwirkung. Gleiches gilt für den Fall einer Mieterhöhungsvereinbarung, die gemäß § 894 ZPO durch ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil zustande kommt, und zwar auch, wenn die Rechtskraft selbst erst nach dem 23.02.2020 eintritt (und rechtstechnisch erst dann der Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung gegeben wäre), solange der in der so geschlossenen Vereinbarung vorgesehene Wirkungszeitpunkt nur selbst vor dem 23.02.2020 liegt. Obwohl das Gericht in diesem Fall die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende Rechtslage beachten muss, liegt es in der Natur des Mietrechts als Dauerschuldverhältnis, dass für die Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens des Zustimmungsanspruchs nach § 558 Abs. 1 BGB, der allein streitgegenständlich ist, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem er fällig war und wirken sollte. Dies folgt bereits aus dem Antragsprinzip nach § 308 Abs. 1 ZPO, da der Wirkungszeitpunkt der Erhöhung im Antrag genannt wird und das Gericht somit auch über diesen - und eben nicht über denjenigen des Rechtskraftseintritts - zu entscheiden hat, aber auch daraus, dass dieser Zeitpunkt Inhalt des Urteilstenors wird und damit von der Rechtskraft erfasst ist. Die echte Rückwirkung eines Verbots aber ist auch im Bereich des Zivilrechts grundsätzlich unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92; 1 BvL 48/92 - juris Tz. 110) und kann nur unter sehr engen Voraussetzungen als zulässig angesehen werden, von denen im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist.

Ein zeitlich rückwirkendes Verbot bereits wirksam zustande gekommener oder über § 894 ZPO als (rückwirkend) zustande gekommen anzusehender Mieterhöhungsvereinbarungen beschränkt den Mietzinsanspruch und damit eine vermögenswerte Rechtsposition des Vermieters, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet (BVerfG, aaO, juris Tz. 95). Dies stellt einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG dar. Ein solcher ist zwar wegen der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht per se unzulässig. Vielmehr wird der Inhalt des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums vom Gesetzgeber bestimmt. Jede gesetzliche Beschränkung muss aber dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügen. Dies setzt voraus, dass die Beschränkung erforderlich ist, um den verfolgten sozialen Zweck zu erreichen. Hieran würde es vorliegend fehlen. Denn es ist gerade nicht erforderlich, absichtlich zur Umgehung des Verbotsgesetzes des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln durchgesetzte Mieterhöhungen noch vor dem 23.02.2020 zu verbieten. Es genügt, diese für die Zeit bis zum 22.02.2020 unangetastet bestehen zu lassen und erst mit Wirkung vom 23.02.2020 zu verbieten.

Mit diesem Verständnis der Norm kann der Zweck des zeitlichen Rückgriffs auf den 18.06.2019 in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln erreicht werden. Das Mieterhöhungssystem des BGB erlaubt dies. Denn nach den Regelungen des BGB können wirksame Vereinbarungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zu einem späteren Zeitpunkt gemäß § 134 BGB nichtig werden, wenn sich die maßgebliche Rechtslage ändert. Hierzu gilt:

Sobald die Vertragsparteien eine zivilrechtliche Vereinbarung über die Mieterhöhung nach dem BGB geschlossen haben, gilt diese mit Wirkung ab dem vereinbarten Zeitpunkt, der auch in der Vergangenheit liegen kann. Es handelt sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis. Die Vereinbarung kann dennoch zu einem späteren Zeitpunkt bei einer Gesetzesänderung "ex nunc" nichtig werden. Der Bundesgerichtshof hat dies beispielsweise für Fälle anerkannt, in denen eine zum Vereinbarungszeitpunkt zulässige Pachtzinsvereinbarung durch ein später in Kraft tretendes Höchstpreisgesetz nicht mehr erlaubt war (BGH, Urteil vom 23.06.1989 - V ZR 289/87 - juris 11ff.). Es ist also - vorbehaltlich weiterer verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte der Rückwirkung - auch nach der Rechtstechnik des § 134 BGB möglich, eine bestimmte Miethöhe ab Inkrafttreten eines Verbotsgesetzes zu sanktionieren, die durch einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt (hier: 18.06.2019) definiert wird. Die aus dem Verbotsgesetz folgende Nichtigkeit tritt dann jedoch erst "ex nunc" ein, also mit dem Inkrafttreten des Verbotsgesetzes. Bis dahin bleibt die ursprünglich zulässige Erhöhungsabrede wirksam.

Nicht zulässig ist es indes, einen zuvor noch wirksam entstandenen Zustimmungsanspruch, der durch ein - insoweit regelmäßig auf den Wirkungszeitpunkt rückwirkendes - Urteil bestätigt werden würde, über das Verbotsgesetz und § 134 BGB praktisch untergehen oder zumindest leerlaufen zu lassen. Ein Rückwirken des Verbots kommt auch bei Dauerschuldverhältnissen nicht in Betracht (BeckOGK-Vossler, Stand: 01.03.2020, § 134 BGB Rn. 72; MüKo-Armbrüster, BGB, 8.A., § 134 Rn. 20 - beck-online).

(d) Für die Auslegung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln stehen somit auf der Grundlage der Gesetzesbegründung zwei Alternativen (vgl. oben (a) und (b)) zur Auswahl, von denen sich allerdings eine (lit. (b)) nach Auffassung des Gerichts als verfassungswidrig mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG erweisen würde. Da es der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet, die allgemeine Geltung einer gesetzlichen Vorschrift in Frage zu stellen, wenn diese durch Interpretation in den Grenzen des Grundgesetzes aufrechterhalten werden kann und dabei ihren Sinn nicht verliert (BVerfG NJW 2007, 2977 - beck-online), ist vorliegend von der verfassungsgemäßen Auslegungsvariante auszugehen.

Nach alledem ist Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln somit entsprechend seines Zwecks und dem Willen des Landesgesetzgebers einerseits, aber auch verfassungskonform andererseits dahingehend auszulegen, dass Mieterhöhungen selbst erst ab Inkrafttreten des MietenWoG Bln am 23.02.2020 verboten sein sollen und nicht bereits ab dem 18.06.2019.

c) Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung zum 01.09.2019, also einem vor Inkrafttreten des MietenWoG Bln liegenden, aus der Natur der Zustimmung als punktuellem Ereignis auch nur punktuell zu betrachtendem Zeitpunkt zunächst behält. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Inkrafttreten des MietenWoG Bln steht ihr auf dieser Grundlage auch ein - allerdings nicht verfahrensgegenständlicher - Zahlungsanspruch in Höhe der dann vereinbarten höheren Miete zu. Denn die Mieterhöhungsabrede ist zum 01.09.2019 wirksam zustande gekommen und das Verbot des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft.

Für den vorliegenden Rechtsstreit, dessen Streitgegenstand ausschließlich das Zustimmungsverlangen der Klägerin auf Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB ist, ist somit unerheblich, welche Folgen das in Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 BGB normierte Verbot ab dem 23.02.2020 zeitigt. Das Gericht weist diesbezüglich jedoch auf folgende Rechtsaufassung hin: Die Erhöhungsabrede dürfte nach dem 23.02.2020 nicht fortwirken, sondern nach § 134 BGB ex nunc nichtig werden mit der Folge, dass die Höhe des vereinbarten Mietzinses wieder auf das am 18.06.2019 geltende Niveau zurückfällt. Diesbezüglich sprächen dann gewichtige Argumente, die klägerseits bereits vorgetragen wurden, für die Annahme der Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsfolge aufgrund der im Lichte der Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG fehlenden Kompetenz des Landesgesetzgebers. Da diese Frage im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung erlangt, hatte das Gericht von der Frage einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG mangels Entscheidungserheblichkeit abzusehen.

d) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass der vorliegende Rechtsstreit auf der Basis des Sach- und Rechtsstands im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist. Denn der Zeitpunkt, nach dem das Bestehen oder Nichtbestehen des Zustimmungsanspruchs nach § 558 Abs. 1 BGB zu beurteilen ist, liegt dennoch in jeder Hinsicht vor dem 23.02.2020. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auf den Zeitpunkt des Zugangs des Erhöhungsverlangens, hier also den 19.06.2019, oder auf den Tag, der auf den Tag des Ablaufs der Bedenkensfrist, hier also auf den 01.09.2019 abzustellen ist. Die Option jedenfalls, das Verbot zeitlich an die Fiktion des Abschlusses der Mieterhöhungsvereinbarung nach § 894 ZPO anzuknüpfen (so wohl LG Berlin, Vorlagebeschluss vom 12.03.2020 - 67 S 274/19 - juris Tz. 19) erscheint aus den bereits unter c) genannten Gründen nicht sachgerecht. Zwar entspricht dies dem Wortlaut des § 134 BGB, der ja ein (zustande gekommenes) Rechtsgeschäft voraussetzt, das unter das Verbot fällt. Um allerdings den Zweck des § 134 BGB zu erfüllen, der es dem Verbotsgesetz selbst überlassen will, den Umfang des Verbots zu definieren, erscheint es vorzugswürdig, auch den Zeitpunkt, an den das Verbotsgesetz anknüpft, diesem selbst zu entnehmen und es mangels klarer Regelung danach auszulegen. Zweck des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln ist es, wie aufgezeigt, den Erfolg der Mieterhöhung für die Zeit ab dem 23.02.2020 zu unterbinden. Aufgrund des Konstrukts der §§ 558 Abs. 1, 558b Abs. 1 BGB tritt dieser aber nicht erst bei Abschluss der Mieterhöhungsvereinbarung ein, sondern gerade im Fall einer gerichtlichen Klärung der Begründetheit des Erhöhungsverlangens üblicherweise rückwirkend zu dem Zeitpunkt, der nach § 558b Abs. 1 BGB vorgesehen ist, oder der vereinbart wird. Der Sinn des Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln bedingt es, darauf zeitlich für die Wirkung des Verbots abzustellen. Im Falle eines Zustimmungsrechtsstreits zur Mieterhöhung würde es ansonsten von der Dauer des gerichtlichen Verfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft abhängen, wann die Zustimmung gemäß § 894 ZPO als erteilt gilt. Damit würde der Zeitpunkt, in dem das Verbot greift, von der Dauer des gerichtlichen Verfahrens abhängig gemacht werden, die die Parteien eines Zustimmungsrechtsstreits auf Mieterhöhung nicht allein in der Hand haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.