AG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.05.2017 - 477 F 23327/15 S
Fundstelle
openJur 2021, 516
  • Rkr:
Tenor

I. Die am 18.09.2004 vor dem Standesbeamten des Standesamts in XXX (Heiratsregister Nr. XX/XXXX) geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten wird geschieden.

II. Zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen (Versicherungsnummer XXX) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 2,8591 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer XXX), bezogen auf den 30.11.2015, übertragen.

Zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer XXX) wird im Wege der internen Teilung zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 6,8971 Entgeltpunkten auf deren Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen (Versicherungsnummer XXX), bezogen auf den 30.11.2015, übertragen.

III. Die Antragstellerin wird verpflichtet, eine monatliche Ausgleichsrente an den Antragsgegner in Höhe von 429,90 € ab Rechtskraft der Ehescheidung zu zahlen.

Die Antragstellerin wird verpflichtet, eine weitere monatliche Ausgleichsrente an den Antragsgegner in Höhe von 446,43 € Rechtskraft der Ehescheidung zu zahlen.

IV. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I. Scheidung

Die Ehegatten haben am 18.09.2004 die Ehe miteinander geschlossen.

Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 31.12.2015 zugestellt.

Die Ehegatten waren zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages deutsche Staatsangehörige.

Die Antragstellerin beantragt,

die Ehe zu scheiden.

Der Antragsgegner beantragt,

den Scheidungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin ist nicht bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf das weitere schriftliche Beteiligtenvorbringen und die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll, verwiesen.

Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist begründet, weil die Ehe gescheitert ist (§§ 1564, 1565 Abs. 1 BGB).

Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest.

Denn die Ehegatten leben nach Feststellung des Gerichts seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 1567 BGB getrennt.

Nach dem Ergebnis der Anhörung kann nicht erwartet werden, dass die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft wieder herstellen, weil die Antragstellerin die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft definitiv ablehnt und geschieden werden will. Der Antragsgegner widerspricht zwar der Scheidung. Mit Rücksicht auf die eindeutigen Erklärungen der Antragstellerin ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erfolgen wird.

II. Versorgungsausgleich

Gemäß §§ 1587 BGB, 1 Abs. 1 VersAusglG hat zwischen den Ehegatten ein Versorgungsausgleich in der Weise stattzufinden, dass die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den Ehegatten geteilt werden.

Die Ehezeit beginnt gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist; sie endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. Die Ehegatten haben am 18.09.2004 die Ehe miteinander geschlossen. Der Scheidungsantrag ist am 31.12.2015 zugestellt worden. Demnach umfasst die Ehezeit den Zeitraum vom 01.09.2004 bis zum 30.11.2015. Die Ehezeit beträgt damit mehr als drei Jahre. Der Versorgungsausgleich findet deshalb von Amts wegen statt.

1. Erworbene Anrechte der Ehegatten

Anrechte der Antragstellerin:

AS1:

Die Antragstellerin hat nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Hessen (Versicherungsnummer XXX) ein Anrecht in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Der Ehezeitanteil beträgt 5,7181 Entgeltpunkte, was einer Monatsrente von 167,03 € entspricht. Der Rentenversicherungsträger schlägt gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG einen Ausgleichswert in Höhe von 2,8591 Entgeltpunkten vor, was einer Monatsrente von 83,52 € entspricht. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 18.712,27 €.

Anrechte des Antragsgegners:

AG1:

Der Antragsgegner hat nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer XXX) ein Anrecht in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Der Ehezeitanteil beträgt 13,7941 Entgeltpunkte, was einer Monatsrente von 402,93 € entspricht. Der Rentenversicherungsträger schlägt gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG einen Ausgleichswert in Höhe von 6,8971 Entgeltpunkten vor, was einer Monatsrente von 201,47 € entspricht. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 45.140,23 €.

2. Ausgleich der Anrechte

Der Ausgleich der gleichartigen Anrechte der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen (Versicherungsnummer XXX) und des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer XXX) hat gemäß § 10 Abs. 1 VersAusglG im Wege der internen Teilung stattzufinden. Er ist nicht gemäß § 18 VersAusglG ausgeschlossen. Es ist daher zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts von 2,8591 Entgeltpunkten zu Gunsten des Antragsgegners zu übertragen. Ferner ist zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts von 6,8971 Entgeltpunkten zu Gunsten der Antragstellerin zu übertragen.

III. Schuldrechtliche Ausgleichszahlungen

Darüber hinaus hat nach §§ 28 Abs. 1, 3, 20 ff. VersAusglG ein schuldrechtlicher Ausgleich bezüglich beider Berufsunfähigkeitsversicherungen der Antragstellerin zugunsten des Antragsgegners zu erfolgen.

Die Antragstellerin bezieht laut Auskunft der Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft aG aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente bei der Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft aG, Versicherungsnummer XXX, eine monatliche aktuelle Rate in Höhe von 859,79 € netto. Der Versorgungsfall ist während der Ehe eingetreten.

Des Weiteren erhält die Antragstellerin Leistungen aus einer zweiten Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft aG, Versicherungsnummer XXX, und zwar in Höhe von monatlich netto 892,85 €. Auch insoweit ist der Versorgungsfall während der Ehe eingetreten.

Auch der Antragsgegner als berechtigte Person bezieht am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität. Die Ehezeit endete am 30.11.2015. Seit 2013 erhält der Antragsgegner Erwerbsminderungsrente. Damit liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 VersAusglG vor.

Für die Durchführung des Ausgleichs gelten die §§ 20-22 VersAusglG entsprechend. Somit sind die Vorschriften über schuldrechtliche Ausgleichszahlungen entsprechend anzuwenden. Weil das Anrecht als ausgleichsreifes entsteht, handelt es sich vorliegend um eine Sonderform des Wertausgleichs bei der Scheidung. Hieraus folgt, dass das Gericht von Amts wegen zu entscheiden hat, § 223 FamFG findet keine Anwendung.

Aus diesem Grund waren die Rentenbezüge hälftig zu teilen. Es war zu tenorieren, dass die Antragstellerin schuldrechtlich verpflichtet ist, die Hälfte der jeweiligen Rentenbezüge an den Antragsgegner zu zahlen. Hiernach hat die Antragstellerin hinsichtlich des Anrechts unter der Versicherungsnummer XXX eine monatliche Ausgleichsrente an den Antragsgegner in Höhe von 429,90 € ab Rechtskraft der Ehescheidung zu zahlen. Weiterhin hat die Antragstellerin eine monatliche Ausgleichsrente an den Antragsgegner in Höhe von 446,43 € bzgl. des Anrechts mit der Versicherungsnummer XXX ab Rechtskraft der Ehescheidung zu zahlen.

Anders als von Seiten der Antragstellerin beantragt kommt vorliegend § 27 VersAusglG und damit eine etwaige Beschränkung oder ein Wegfall des schuldrechtlichen Ausgleichs nicht zur Anwendung. Nach § 27 VersAusglG ist sowohl ein vollständiger Ausschluss, als auch eine teilweise Herabsetzung des Ausgleichs eines Anrechts oder mehrerer Anrechte zulässig. Hiernach findet ein Versorgungsausgleich "ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen". Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des Falles den Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Wiese widerspräche. Die grobe Unbilligkeit muss sich hierbei wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben. Eine besonders kurze Ehe rechtfertigt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, wenn eine Versorgungsgemeinschaft nicht entstanden ist. Eine längere Trennungszeit - maßgeblich ist das Verhältnis der Trennungszeit zur Dauer der tatsächlichen ehelichen Lebensgemeinschaft - reicht allein für eine Kürzung nicht aus. Sie gibt nur in besonderem Maße Anlass zur Prüfung der groben Unbilligkeit. Erforderlich ist eine Gesamtabwägung. Weitere Umstände, die neben der Trennung eine Kürzung rechtfertigen, sind eine aufgrund des Altersunterschiedes phasenverschobene Ehe, die wirtschaftliche Verselbständigung, ein sehr kurzes Zusammenleben, die zur Trennung führenden Umstände. Die grobe Unbilligkeit des uneingeschränkten Versorgungsausgleichs muss sich aus einer Gesamtschau der beiderseitigen gegenwärtigen wirtschaftlichen, sozialen oder persönlichen Verhältnisse ergeben. Mit Rücksicht auf den Zweck des Versorgungsausgleichs sind insbesondere die objektiven Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Ehegatten zu berücksichtigen. Ein konkretes Versorgungsbedürfnis des Ausgleichsberechtigten ist nicht Voraussetzung des Versorgungsausgleichs. Entsprechend dem Gedanken der ehelichen Versorgungsgemeinschaft ist der Versorgungsausgleich auch grundsätzlich dann durchzuführen und nicht grob unbillig, wenn in der Ehezeit der Ausgleichsberechtigte wie der Verpflichtete gleichermaßen erwerbstätig gewesen ist und demgemäß auch eigene Versorgungsanwartschaften erworben hat. Für die Annahme einer groben Unbilligkeit ist erforderlich, dass der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit beider Ehegatten beiträgt, sondern im Gegenteil, zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führt.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht substantiiert vorgetragen, dass der Ausgleich sämtlicher Anrechte zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten der ausgleichspflichten Antragstellerin führen würde. Beide Ehegatten beziehen Erwerbsminderungsrenten. Sie verfügen beide über so wenig Einkommen, dass ihnen Verfahrenskostenhilfe gewährt wurde. Der Antragsgegner ist laut seiner Angaben derzeit nur in der Lage, 50 € Kindesunterhalt für beide minderjährigen, bei der Antragstellerin lebende Kinder zu zahlen. Dies wurde von Seiten der Antragstellerin selbst mit Schriftsatz vom 27.03.2017 vorgetragen. Aufgrund der nach dem Versorgungsausgleichsgesetz von Amts wegen durchzuführenden Halbteilung der Rentenbezüge im Wege des schuldrechtlichen Ausgleichs wird der Antragsgegner aller Voraussicht nach an Leistungsfähigkeit gewinnen. Dies wurde auch vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.04.2017 eingewandt. Die auf beiden Seiten bestehenden geringen Einkommensverhältnisse rechtfertigen für sich genommen keine Abweichung von dem Halbteilungsgrundsatz des Versorgungsausgleichs, so dass das Gericht § 27 VersAusGl vorliegend nicht für anwendbar hält und den Versorgungsausgleich ohne Beschränkung durchführt.

IV. Kosten

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 150 FamFG. Danach tragen die Ehegatten die Gerichtskosten je zur Hälfte, jeder Ehegatte trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Zitate0
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte