AG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.10.2020 - 32 C 2620/20 (18)
Fundstelle
openJur 2021, 511
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen aus einem Betrag in Höhe von 2.381,35 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2020 sowie 334,75 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.381, 35 Euro bis zum 22.09.2020 und danach auf 334,75 Euro.

Tatbestand

Der Kläger begehrt (nach teilweise anerkannter Klage) nun noch die Zahlung von Schadensersatz (vorgerichtliche Anwaltskosten und Zinsen) im Zuge einer nicht durchgeführten Reise.

Er buchte bei der Beklagten - einer deutschen Reiseveranstalterin mit Sitz in Frankfurt am Main - einen Cluburlaub mit Flügen (von Frankfurt am Main nach Jerez De La Frontera und zurück) sowie einem 4-Sterne-Hotelaufenthalt (All inclusive) in Spanien vom 28.03.2020 bis zum 06.04.2020. Die Beklagte bestätigte die Buchung für den Kläger (einschließlich einer Begleitung) und stellte ihm hierfür 2.381,35 Euro in Rechnung (vgl. Bl. 13 ff. d.A.). Nachdem der Kläger diesen Betrag gezahlt hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 17.03.2020 mit, dass die Durchführung der Reise wegen der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden gesetzlichen Reisebeschränkungen nicht möglich sei (vgl. Bl. 16 d.A.). Am 07.04.2020 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Gutschrift in Höhe des geleisteten Reisepreises (vgl. Bl. 9 d.A.).

Mit Schreiben vom 07.04.2020 und vom 15.04.2020 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des Reisepreises - anstelle lediglich einer Gutschrift - auf (vgl. Bl. 8 d.A.). Der daraufhin durch den Kläger vorgerichtlich mandatierte Prozessvertreter setzte der Beklagten ebenfalls noch einmal eine Rückzahlungsfrist bis zum 28.04.2020 (vgl. Bl. 11 und 4 f. d.A.). Auch nach der Anmeldung der Forderung an der bei der Beklagten hierfür eingerichteten Emailadresse erfolgte ebenfalls keine Rückerstattung.

Der Kläger behauptet, er habe an seinen Prozessvertreter (wegen der Nichtrückzahlung des Reisepreises durch die Beklagte) 334,75 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren für seine Tätigkeit zahlen müssen.

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.381,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.05.2020 sowie 334,75 Euro vorgerichtliche Rechtsverfolgungsosten zu zahlen. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.09.2020 die Klage in Höhe von 2.381,35 Euro anerkannt hat (vgl. Bl. 28 d.A.), hat das Gericht ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil vom 22.09.2020 erlassen und das Verfahren nach § 495a ZPO angeordnet (vgl. Bl. 40, 52 d.A.).

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Zinsen aus 2.381,35 Euro in Höhe von 5%-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2020 sowie 334,75 Euro vorgerichtliche Rechtsverfolgungsosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dem Kläger stünde kein Schadensersatz wegen Zahlungsverzugs (Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) zu. Zum einen sei die Einschaltung eines Anwalts vor Klageerhebung schon nicht erforderlich gewesen, da die Rückzahlung zugesagt worden sei. Zum anderen habe sich die Beklagte mit der Rückzahlung des Reisepreises auch nicht in Verzug befunden, da sie die Rückerstattung auch in Form eines Gutscheins habe anbieten können. Zudem sei ihr die Rückzahlung wegen unvorhersehbarer Liquiditätsschwierigkeiten innerhalb von 14 Tagen auch gar nicht möglich gewesen. Die Kreditprogramme der Bundesrepublik haben erst mit erheblicher Zeitverzögerung zur Verfügung gestanden und bei der Beklagten sei ein erheblicher, zeitlich nicht zu bewältigender Organisationsbedarf in Bezug auf die eigenen Geschäfts- und Büroabläufe ausgelöst worden. Die Beklagte meint des Weiteren, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe, da sie die Klageforderung in der Hauptsache sofort anerkannt habe.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurts ergibt sich aus §§ 17, 29 ZPO i.V.m. § 23 Nr. 1 GVG

Nachdem die Beklagte die Hauptforderung auf Rückzahlung des Reisepreises anerkannt hat und ein diesbezügliches Teilanerkenntnisurteil ergangen ist, war noch über die Erstattungsfähigkeit der vorgerichtlichen Anwaltskosten und der Verzugszinsen zu entscheiden. Diesbezüglich war der Klage in vollem Umfang statt zu geben.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 334,75 Euro sowie 5 Prozentpunkten Zinsen aus 2.381,35 Euro seit dem 16.05.2020 gemäß §§ 651a, 651h Abs. 5, 280Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 2, 288 Abs. 2 BGB.

Zwischen den Parteien ist ein Reisevertrag nach § 651a BGB zustande gekommen, da sich die Beklagte zur Erbringung von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck einer Reise verpflichtet hat. Inhalt der angebotenen Reise waren unter anderem die Flüge nach Spanien und zurück (vgl. § 651a Abs. 3 Nr. 1 BGB) sowie die Unterbringung im Club der Beklagten (vgl. § 651a Abs. 3 Nr. 2 BGB).

In der Mitteilung, dass die Reise wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden könne (was unstreitig geblieben ist), liegt ein zumindest konkludent erklärter, wirksamer Rücktritt der Beklagten vom Reisevertrag nach § 651h Abs. 4 Nr. 2 BGB. In Zuge dessen verliert die Beklagte nach § 651h Abs. 4 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Die in § 651h Abs. 5 BGB normierte Höchstfrist von 14 Tagen zur Rückzahlung des Reisepreises seit Rücktritt gilt hierbei auch für den Fall des Rücktritts durch den Veranstalter selbst (Staudinger/Achilles-Pujol, in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 7 Rndr. 30). Einen pauschalreiserechtlichen Anspruch auf fristgemäße Rückzahlung sieht ebenfalls Art. 12 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 RL (EU) 2015/2302 vor, weshalb es insgesamt keines Rückgriffs auf die nationalen Institute der §§ 246 ff., 812 ff. BGB bedarf. Überschreitet der Veranstalter den normierten Zeitraum von zwei Wochen, so befindet er sich in Verzug: § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Führich, NJW 2020, 2137 (2140)).

Hier hat die Beklagte am 17.03.2020 den Rücktritt erklärt und nicht bis zum 31.03.2020 den Reisepreis zurück erstattet. Die Frist wurde auch nicht durch die erfolgten Gutschriften gewahrt, denn darin ist keine "Erstattung" im Sinne der Norm zu sehen. Der Wortlaut des § 651h Abs. 5 BGB spricht ausdrücklich von einer Rückerstattung des Reisepreises. Dies meint einen vollständigen Transfer des entrichteten Betrages. Als Reisegutschein stünde dieser jedenfalls nicht wieder zur völlig freien Verfügung, sondern würde eine Bindung an einen bestimmten Vertragspartner bedeuten. Dies ließe sich mit dem Schutzzweck der Norm nicht in Einklang bringen und eine diesbezügliche Verpflichtung wäre als Umgehungsversuch nach § 651y Satz 2 BGB zu werten (Staudinger/Achilles-Pujol, in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 7 Rndr. 18). Da die genannten Vorschriften auf europäischen Vorgaben (namentlich Art. 12 Abs. 4 RL (EU) 2015/2302; Art. 23 RL (EU) 2015/2302) beruhen, bleibt es auch den einzelnen Mitgliedstaaten verwehrt, eine davon abweichende nationale Regelung zu treffen. Da eine sog. "verpflichtende Gutscheinlösung" auf europäischer Ebene nicht erzielt wurde, hat sich der Bundestag am 02.07.2020 im Rahmen des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht für eine lediglich "freiwillige Gutschein-Lösung" entschieden. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das bereits in Kraft getretene Moratorium nach Art. 240 § 1 EGBEB nicht im pauschalreiserechtlichen Kontext gilt (a.A. nur Bergmann, in: Kroiß, Rechtsprobleme durch COVID-19, 2020, § 8 Rdnr. 26 ff.) und der Reiseveranstalter deshalb erst Recht nicht zu Lasten des Reisenden seine Rückzahlung aussetzen darf (auch nicht bis zur Entscheidung über die endgültige Form der Gutschein-Lösung). Gleichfalls kann ein Abwarten des Reiseveranstalters darauf, ob sein Vertragspartner tatsächlich Gutscheine annimmt oder nicht, nicht zu Lasten des Reisenden gehen. Der Veranstalter trägt letztlich das Risiko für inzwischen eingetretene Verzugsschäden, wenn die Gutscheine letztlich nicht angenommen werden und die Frist aus § 651h Abs. 5 BGB bereits abgelaufen ist; es sei denn, das Handeln des Reisenden widerspräche Treu und Glauben (§ 240 BGB). Letzteres ist hier jedoch nicht ersichtlich.

Ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Erfüllung der Rückzahlungspflicht setzt gemäß § 280 Abs. 1, 286 Abs. 4, § 276 BGB zudem ein Verschulden der Beklagten voraus, welches zunächst vermutet wird. Der Beklagten ist es vorliegend auch nicht gelungen, die Vermutung zu widerlegen. Sie führt hierzu im Wesentlichen an, dass sie aufgrund der Vielzahl an aufgetretenen Rückzahlungsforderungen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sei und auch die Rückzahlung habe organisatorisch nicht stemmen können. Jedoch kann dieses Argument nicht verfangen, denn bei einer Geldschuld hindert eine zeitweise Zahlungsunfähigkeit des Schuldners - unabhängig vom Verschulden - nicht den Eintritt des Verzuges (BGH, Urt. v. 25.03.2982 - VII ZR 60/81; Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 286 Rndr. 112). Dass er für seine finanzielle Leistungsfähigkeit (verschuldensunabhängig) einzustehen hat, wird heute überwiegend aus der Existenz des Insolvenzrechtes abgeleitet: "Geld hat man zu haben". Als Annex der vorhandenen Rückzahlungspflicht ist der Geldschuldner gleichzeitig auch (verschuldensunabhängig) dazu verpflichtet, die erforderlichen Organisationsformen aufzuweisen, um eine fristgerechte Zahlung in die Wege leiten zu können. Einem Reiseunternehmen in der Größe der Beklagten ist es zuzumuten, innerhalb von kürzester Zeit auf die sich anhäufenden Zahlungsansprüche zu reagieren und sich dementsprechend zu organisieren (etwa durch Einrichtung einer speziellen Abteilung).

Dem Kläger ist durch die verzögerte Rückzahlung auch ein kausaler Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB entstanden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch der vorgerichtlichen Anwaltskosten im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st.Rspr; z.B. BGH, Urt. v. 26.05. 2009 - VI ZR 174/08). Der Kläger hat durch Vorlage einer Quittung nachgewiesen, dass er die maßgeblichen Gebühren an seinen Vertreter gezahlt hat. Die Mandatierung wird auch für erforderlich gehalten, da die Beklagte sich bereits mit der Rückzahlung in Verzug befand und von dem Kläger nicht erwartet werden konnte, dass er mit neu auftretenden, reiserechtlichen Fragen firm ist. Die Kosten durften aus einem Gegenstandswert in Höhe von 2.381,35 Euro angesetzt werden (1,3 Regelgeschäftsgebühr, 20 Euro Verwaltungspauschale und Steuer). Als weiterer Verzugsschaden treten - wie beantragt - die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB aus einem Betrag in Höhe von 381,35 Euro nach Ablauf der durch den Prozessbevollmächtigten gesetzten Frist hinzu.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO durch die Beklagte war nicht anzunehmen, da sie sich mit der Rückzahlung des Reisepreises - wie oben bereits dargestellt - nach Ablauf der 14-tägigen Frist bereits in Zahlungsverzug befand.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung eines Berufungsgerichts erforderlich wäre, vgl. § 511 Abs. 4 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 GKG i.V.m. §§ 2, 4 ZPO. Er reduzierte sich entsprechend nach teilweiser Anerkenntnis.

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