SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 02.11.2020 - S 12 KA 252/19
Fundstelle
openJur 2021, 428
  • Rkr:

Wird die Förderung der Weiterbildung auf die von der Ärztekammer anerkannte Weiterbildungszeit beschränkt, trägt der Arzt das Risiko, nicht rechtzeitig über eine vorzeitige Beendigung der Weiterbildungszeit informiert zu werden. Dieses Risiko der fehlenden Kenntnis von einer (vorzeitigen) Beendigung der Weiterbildungszeit kann der Vertragsarzt nur im Beschäftigungsverhältnis zum Assistenten minimieren.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.040,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung einer finanziellen Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin, Weiterbildungsassistent Herr C. C., für August 2009 in Höhe von 2.040,00 €.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beteiligten und Herr C. C. schlossen am 01.07.2007 einen Vertrag über die finanzielle Förderung eines Weiterbildungsassistenten, in dem sich der Kläger verpflichtete, Herrn C. C. als Weiterbildungsassistenten für die Dauer vom 01.10.2007 bis 30.09.2009 ganztags zu beschäftigen. Die Beklagte verpflichtete sich, die Weiterbildung mit monatlich 1.020,00 € zu fördern. Weitere 1.020,00 € monatlich würden von den Verbänden der Krankenkassen als Zuschuss geleistet werden.

Der Kläger gab mit Datum vom 01.07.2007 die Erklärung ab, die Förderbeträge an die Beklagte zurückzuzahlen, sofern er den geförderten Weiterbildungsassistenten nicht im Rahmen einer Weiterbildung in der Allgemeinmedizin beschäftige. Ihm sei bekannt, dass er ein vorzeitiges Ausscheiden des Weiterbildungsassistenten unverzüglich der Beklagten mitzuteilen habe.

Mit Bescheid vom 01.09.2009 setzte die Beklagte den strittigen Rückforderungsbetrag in Höhe von 2.040,00 € fest. Zur Begründung führte sie aus, Herr C. C. habe am 26.08.2009 mitgeteilt, dass seine Weiterbildung im Gebiet Allgemeinmedizin zum 31.07.2009 geendet habe und keine weiteren Weiterbildungszeiten erforderlich seien, um an der Facharztprüfung im Gebiet Allgemeinmedizin teilnehmen zu können. Gemäß Punkt 2 Buchstabe g) des Statuts der KV Hessen sei die finanzielle Förderung daran gekoppelt, dass der durch die KV Hessen geförderter Weiterbildungsabschnitt als Tell der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin durch die jeweils zuständige Ärztekammer anerkannt werde. Sei dies nicht der Fall, sei die KV Hessen berechtigt, sowohl ihren Förderanteil als auch den der Krankenkassen zurückzufordern.

Hiergegen legte der Kläger am 16.09.2009 Widerspruch ein. Er trug vor, die Unterlagen des Herrn C. seien seitens der Beklagten geprüft und sowohl zur Weiterbildung als auch zur Bezuschussung schriftlich bestätigt worden. Die Genehmigung und das daraufhin geschlossene befristete Arbeitsverhältnis und die damit verbundene Zusicherung der Beklagten sei eine Situation im Zeichen des Vertrauensschutzes zwischen KV und Arzt. Die Umstände, welche zu einer Änderung der Bewertung der Weiterbildungszeiten des Herrn C. geführt hätten, hätte er persönlich nicht zu vertreten. Auch habe er Kenntnis bekommen zu einem Zeitpunkt, an welchem er nicht mehr gegensteuernd habe reagieren können. Er habe seine Pflichten gegenüber Herrn C. (2 Jahre befristetes Arbeitsverhältnis) und gegenüber der Beklagten (Durchführung der Weiterbildung) erfüllt.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2019 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie erneut auf ihr Statut und führte weiter aus, im Vorwegentscheid in der Gebietsweiterbildung "Allgemeinmedizin" der Landesärztekammer Hessen (LÄK) vom 04.05.2007 sei ausgeführt, dass die von Herrn C. C. abzuleistenden 18,0 Monate Weiterbildung in der "Allgemeinpraxis" nach der Weiterbildungsordnung vom 01.01.1999 bzw. der Abschnitt "24,0 Monate in der ambulanten hausärztlichen Versorgung" nach der Weiterbildungsordnung vom 01.11.2005 komplett unter Leitung des Klägers in dessen Allgemeinpraxis abgeleistet werden könne. Bereits 5,5 Monate seien anrechenbar auf den Abschnitt "24,0 Monate in der ambulanten hausärztlichen Versorgung" aufgrund der ambulanten chirurgischen Tätigkeit im D-Hospital in A-Stadt (Leitung: Prof. Dr. med. E.). Folglich seien nach der WBO 99 noch 18,0 Monate und nach der WBO 2005 noch 18,5 Monate förderfähig. Die LÄK habe mit Schreiben vom 20.08.2009 21,5 Monate im Abschnitt "24,0 Monate in der ambulanten hausärztlichen Versorgung" aufgrund der allgemeinmedizinischen Tätigkeit in der Praxis des Klägers anerkannt. In diesem Schreiben werde ebf. darauf hingewiesen, dass Weiterbildungszeiten, die über die für das Gebiet "Allgemeinmedizin" geforderte Mindest-Weiterbildungszeit hinausgingen und zum Erwerb weiterer Qualifikationen abgeleistet würden, nicht im Rahmen des Initiativprogramms zur Förderung Allgemeinmedizin gefördert würden.

Hiergegen hat der Kläger am 26.06.2019 die Klage erhoben. Er trägt vor, mit Vorwegentscheid der Landesärztekammer Hessen vom 04.05.2007 sei eine Weiterbildungsförderung in der ambulanten hausärztlichen Versorgung" nach der Weiterbildungsverordnung vom 01.11.2005 von "24 Monaten", abzuleisten bei ihm, anerkannt worden. Nachdem am 29.08.2007 bereits der Vertrag mit der Laufzeit von 24 Monaten geschlossen gewesen sei, werde mit Vorwegentscheid der Landesärztekammer Hessen vom 20.08.2009 ausgeführt, dass eine Weiterbildungsförderung bei ihm von 21,5 Monaten abzuleisten sei. Die Vorwegentscheide seien sämtlich an Herrn C. gerichtet und nur an ihn gesandt worden. Der Weiterbildungsassistent C. habe die Zulassung zur Prüfung, ohne ihn in Kenntnis zu setzen, nach dem 31.07.2009 vorgezogen, wodurch es zu der Entscheidung vom 20.08.2009 gekommen sei, dass nur 21,5 Monate abzuleisten seien. Herr C. sei mit Schreiben vom 24.06.2009 zunächst für den Prüfungstermin am 30.10.2009 vorgemerkt worden. Mit E-Mail vom 25.08.2009 habe Herr C. der Förderungsstelle mitgeteilt, dass die Beschäftigung in der Praxis des Klägers somit mit dem 30.09.2009 ende. Mit E-Mail vom 13.09.2009 habe er der Förderungsstelle weiter mitgeteilt, dass der Prüfungstermin abgesagt und voraussichtlich im Dezember 2009, ggfs. Ende November 2009 stattfinde. Die Beklagte verkenne, dass mit dem Vertrag, der zwischen der Beklagten und ihm geschlossen worden sei, explizit die Förderungsdauer von 24 Monaten ausgewiesen sei. Danach sei ausdrücklich die Dauer der Weiterbildung und somit die Förderungsdauer für den Zeitraum 01.10.2007 bis zum 30.09.2009, mithin für 24 Monate, vereinbart worden. Die Vorwegentscheide, die nur an Herrn C. gerichtet seien und von welchen er keine Kenntnis gehabt habe, seien nicht Bestandteil des vorbezeichneten Vertrages. Bei dem angefochtenen Ausgangsbescheid handle es sich um eine Überraschungsentscheidung. Er habe keine Gelegenheit gehabt, noch gegenzusteuern und andere Maßnahmen zu ergreifen. Im guten Glauben der weiteren Förderung habe er Herrn C. weiter beschäftigt. Hätte er rechtzeitig davon gewusst, dass eine plötzliche andere Entscheidung vorliege, hätte er Vorsorge treffen können und ggfs. Herrn C. nicht weiter beschäftigt. Es sei ihm ein Schaden in Höhe des nun zurückgeforderten Betrages entstanden, der gegen Treu und Glauben und gegen den Grundsatz, dass Verträge einzuhalten seien, nicht durchsetzbar sei. Darüber hinaus sei die Rückforderung des Zahlbetrags für August 2009 nach § 195 BGB verjährt. Erst nach knapp 10 Jahren sei sein Widerspruch beschieden worden. Es sei von Seiten der Beklagten zum absoluten Stillstand des Verfahrens gekommen. Verjährung sei nach drei Jahren, mithin zum 31.07.2012 eingetreten. Es sei zudem Verwirkung eingetreten, weil die Beklagte das Verfahren seit zehn Jahren nicht betrieben habe. Er habe sich daher sicher fühlen können, dass eine Forderung seitens der Beklagten nicht weiter betrieben werde.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 01.09.2009 betreffend die Rückforderung überzahlter Förderzuschüsse für den Monat August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2019 aufzuheben und festzustellen, dass die Rückforderung überzahlter Förderzuschüsse für den Monat August 2009 in Höhe von 2.040,00 € unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, nach Auskunft der Landesärztekammer habe kein anerkannt notwendiger förderfähiger Weiterbildungszeitraum nach dem 31.07.2009 mehr vorgelegen. Aufgrund der am 20.08.2009 ergangenen Mitteilung der Landesärztekammer Hessen, wonach Herrn C. mitgeteilt worden sei, in dem Abschnitt "24,0 Monate in der ambulanten hausärztlichen Versorgung" seien 2,6 Monate aufgrund der chirurgischen Tätigkeit im D Hospital A-Stadt und 21,6 Monate aufgrund der allgemeinmedizinischen Tätigkeit in A-Stadt unter der Leitung des Klägers anerkannt worden, habe dieser ihr am 26.08.2009 mitgeteilt, dass seine Weiterbildung zum 31.07.2009 beim Kläger geendet habe, da keine weiteren Weiterbildungszeiten erforderlich seien. Da Herr C. folglich im August 2009 keine anrechnungsfähigen Weiterbildungsabschnitte mit seiner Tätigkeit in der klägerischen Praxis habe erwerben können, sei sie berechtigt gewesen, auf der Grundlage der vertraglichen Regelungen den Förderbetrag zurückzufordern. Auch die nach § 46 Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltende Jahresfrist sei eingehalten worden. Das Ende der Weiterbildungszeit wurde ihr mit dem Schreiben des Weiterbildungsassistenten vom 26.08.2009 bekannt. Am 01.09.2009 habe sie bereits die Rückzahlung des Förderbetrages gegenüber dem Kläger geltend gemacht. Unabhängig von dieser Jahresfrist bestehe darüber hinaus eine Verpflichtung des Klägers zur Rückerstattung der Fördermittel aufgrund der von ihm unterschriebenen Erklärung vom 01.07.2007, welche Bestandteil des Fördervertrages sei, die Fördermittel zurückzuerstatten, falls er den geförderten Weiterbildungsassistenten nicht im Rahmen einer Weiterbildung in der Allgemeinmedizin beschäftige. Der Erstattungsanspruch sei nicht nach § 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X verjährt. Gemäß § 50 Abs. 4 Satz 3, § 52 SGB X hemme ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen werde, die Verjährung dieses Anspruchs bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts. Danach betrage die Verjährungsfrist gemäß § 52 Abs. 2 SGB X 30 Jahre. Damit sei die Verjährung mit Erlass des Bescheides vom 01.09.2009 gehemmt gewesen. Verwirkung sei nicht eingetreten. Es fehle hier bereits an einem Verwirkungsverhalten. Dass sie eine längere Zeit nicht über den anhängigen Widerspruch des Klägers entschieden habe, habe einen entsprechenden Rückschluss auf die künftige Nichtgeltendmachung nicht zugelassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 21.09.2020 angehört.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Soweit der Kläger allerdings über die Anfechtungsklage hinaus einen Feststellungsantrag gestellt hat, ist dieser unzulässig, da hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht. Die Anfechtungsklage kann nur bei Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zum Erfolg führen. Daneben braucht es nicht noch der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ist sie zudem erfolgreich, besteht keine darüber hinausgehende Beschwer.

Die Anfechtungsklage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 01.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2019 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist § 50 Abs. 2 SGB X. Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X). §§ 45 und 48 gelten entsprechend (§ 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (§ 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Unter den Anwendungsbereich des § 50 Abs. 2 SGB X fallen nicht nur Sozialleistungen im engeren Sinne, sondern alle im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit nach dem Sozialgesetzbuch bewirkten Geld-, Sach- und Dienstleistungen und damit grundsätzlich auch die für die vertragsärztliche Tätigkeit gezahlten Vergütungen (vgl. BSG, Urt. v. 11.09.2019 - B 6 KA 13/18 R - SozR 4-7610 § 812 Nr. 9, juris Rdnr. 14 m.w.N.). Auch die Förderbeträge für Weiterbildungsassistenten unterfallen der Regelung des § 50 Abs. 2 SGB X.

Die geleisteten Förderbeträge sind ohne Verwaltungsakt erbracht worden. Sie beruhen auf der zwischen den Beteiligten und dem Weiterbildungsassistenten am 01.07.2007 geschlossenen Vertrag über die finanzielle Förderung eines Weiterbildungsassistenten, einem öffentlich-rechtlichen Vertrag. Ihre Zahlung erfolgte ohne Verwaltungsakt. Ein solcher ist aufgrund der vertraglichen Vereinbarung auch nicht in der Einstellung des Förderbeitrags in die quartalsweise Abrechnung (Kontoauszug für das 3. Quartal 2009) zu sehen.

Der Förderbetrag für den Monat August ist zu Unrecht gezahlt worden. Eine Leistung ist zu Unrecht erbracht, wenn sie weder formell auf einer ausgesprochenen Bewilligung noch materiell auf einem gesetzlichen Anspruch des Empfängers beruht (BSG, Urt. v. 21.03.1990 - 7 RAr 112/88 - SozR 3-1300 § 45 Nr. 2, juris Rdnr. 16; BSG, Urt. v. 11.09.2019 - B 6 KA 13/18 R - SozR 4-7610 § 812 Nr. 9, juris Rdnr. 15).

Nach dem Vertrag wird die Förderung nur zum Zweck der Weiterbildung geleistet. Dies folgt aus der vertraglichen Überschrift "Vertrag über die finanzielle Förderung eines Weiterbildungsassistenten" und der Verpflichtung, Herrn C. als Weiterbildungsassistenten zu beschäftigen (§ 1 des Vertrages). Dabei gingen die Vertragsparteien von einer festen förderungsfähigen Weiterbildungszeit im Umfang von 24 Monaten aus (§ 1 des Vertrages). Bei Ausscheiden des Assistenten aus dem Beschäftigungsverhältnis entfällt die Förderung, weil es an einer Beschäftigung fehlt. Bei Beschäftigung des Assistenten ohne Anerkennung der Beschäftigungszeit handelt es sich nicht mehr um eine Beschäftigung des Assistenten zum Zweck der Weiterbildung. Es entfällt damit ebf. der Anspruch auf die Fördergelder. Damit trägt der Arzt das Risiko, nicht rechtzeitig über eine vorzeitige Beendigung der Weiterbildungszeit informiert zu werden. Dies wird auch deutlich in der mit Vertragsschluss abgegebenen "Erklärung des antragstellenden Vertragsarztes". Darin verpflichtet sich der Vertragsarzt, die Förderbeträge an die Beklagte zurückzuzahlen, sofern er den geförderten Weiterbildungsassistenten nicht im Rahmen einer Weiterbildung in der Allgemeinmedizin beschäftigt (vgl. BSG, Urt. v. 16.02.1983 - 7 RAr 90/81 - BSGE 54, 286 = SozR 3870 § 8 Nr. 1, juris Rdnr. 20 zur Bedeutung einer entsprechenden Erklärung). Dieses Risiko der fehlenden Kenntnis von einer (vorzeitigen) Beendigung der Weiterbildungszeit kann der Vertragsarzt nur im Beschäftigungsverhältnis zum Assistenten minimieren, z. B. durch eine bedingte Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses im Falle einer vorzeitigen Beendigung der Weiterbildung oder eine entsprechende Mitteilungspflicht des Assistenten mit entsprechender Schadensklausel.

Verjährung ist nicht eingetreten.

Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist (§ 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Bereits von daher gilt keine dreijährige Verjährungsfrist. Die vom anwaltlich vertretenen Kläger angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts - gemeint wohl BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 9a RV 22/91 - SozR 3-1200 § 45 Nr. 1 - verweist auf die allgemeine vierjährige Verjährungsfrist nach § 45 Abs. 1 SGB I (juris Rdnr. 12). Die weiter angeführte verwaltungsgerichtliche Entscheidung betrifft Rückforderungsansprüche nach § 12 BBesG, also weder sozialrechtliche noch vertragsarztrechtliche Verhältnisse (vgl. VG Cottbus, Urt. v. 28.05.2015 - 5 K 737/11 - juris Rdnr. 17).

Der streitbefangene Bescheid vom 01.09.2009 wurde unmittelbar nach Auszahlung des Förderbeitrags für den Monat August 2009 erlassen, so dass seinerzeit Verjährung nicht eingetreten war. Der Bescheid vom 01.09.2009 lässt aber eine Verjährung erst mit Bestandskraft eintreten, was bisher nicht der Fall ist. Fristbeginn ist der Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist (vgl. Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 50 SGB X <Stand: 25.02.2020>, Rn. 125).

Verwirkung ist nicht eingetreten, insbesondere auch nicht durch annähernd zehnjährige Dauer bis zur Bescheidung des Widerspruchs des Klägers. Der Beklagte hat damit allerdings seiner Verpflichtung, das Verfahren angemessen zu fördern und möglichst innerhalb der in § 88 Abs. 2 SGG genannten Frist von drei Monaten abzuschließen, soweit dem keine Hinderungsgründe entgegenstehen, in keiner Weise entsprochen. Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass er allein deshalb an der Festsetzung der Rückforderung bzw. deren Bestätigung gehindert ist. Eine Frist, bis zu der ein Widerspruchsverfahren abgeschlossen sein muss, ist gesetzlich nicht bestimmt und darf dementsprechend nicht allgemein von der Rechtsprechung vorgegeben werden. Betroffene Ärzte können bei nicht näher erklärten Verzögerungen im Verfahrensablauf jederzeit formlos um eine Entscheidung nachsuchen und - unter Beachtung der Maßgaben des § 88 SGG - Untätigkeitsklage erheben (vgl. BSG, Beschl. v. 11.05.2011 - B 6 KA 5/11 B - juris Rdnr. 9). Die Verwirkung verlangt neben dem bloßen Zeitablauf immer auch ein Umstandselement in der Weise, dass derjenige, der sich auf Verwirkung beruft, über das bloße Verstreichen von Zeit hinaus aus dem Verhalten des anderen schließen kann, dieser wolle und werde seine Rechtsposition nicht weiter verfolgen. Daran fehlt es, wenn der Beklagten außer dem für den Kläger erkennbaren Nichtbetreiben des Verfahrens keine Versäumnisse oder Äußerungen zuzurechnen sind, die der Kläger als Anhaltspunkt für einen Verzicht auf die Fortführung des Verfahrens deuten konnte (vgl. BSG, Beschl. v. 11.05.2011 - B 6 KA 5/11 B - juris Rdnr. 12). Solche zusätzlichen Anhaltspunkte für ein Verwirkungsverhalten hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Von daher war der Klägerseits angeführten Entscheidung des SG Gießen (Urt. v. 09.05.2017 - S 18 SO 14/15 - juris Rdnr. 19 ff.) nicht zu folgen.

Besondere Hinweispflichten bestanden nicht. Solche sind gesetzlich nicht normiert. Entsprechende Regelungen nach dem Sozialgesetzbuch (§§ 13, 14 SGB I) gelten nur für Sozialrechtsträger, zu denen die Beklagte nicht zählt. Insofern gelten nicht die Regeln für Sozialrechtsträger und besteht kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch.

Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung hat, gehört eine Kassenärztliche Vereinigung nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) und dienen die Honoraransprüche der Kassen- bzw. Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I. Vielmehr handelt es sich insoweit um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen. Dies gilt auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der EHV, bei denen es sich ebf. um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I handelt. Das auf mitgliedschaftlicher Beziehung beruhende Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner Kassenärztlichen Vereinigung unterscheidet sich wesentlich von dem Rechtsverhältnis eines möglichen Leistungsempfängers gegenüber einem Sozialleistungsträger i. S. des § 12 SGB I (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 14.12.2005 - L 4 KA 41/05 - juris Rdnr. 20; im Anschluss hieran SG Marburg, Urt. v. 05.10.2011 - S 12 KA 403/11 - juris Rdnr. 24; SG Marburg, Urt. v. 05.10.2011 - S 12 KA 397/11 - juris Rdnr. 24; SG Marburg, Urt. v. 07.03.2007 - S 12 KA 36/06 - juris Rdnr. 20). Dies gilt im Grundsatz auch für das Verhältnis zwischen der geschiedenen Ehefrau eines Vertragsarztes, deren Anspruch auf Teilnahme an der EHV auf einem durchgeführten Versorgungsausgleich beruht. Die Leistungen aus der EHV werden damit nicht zu einer Sozialleistung im Sinne von § 11 SGB I und die Kassenärztliche Vereinigung nicht zu einem Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 27.06.2012 - L 4 KA 63/11 - juris Rdnr. 18, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 29.01.2013 - B 6 KA 33/12 B -).

Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Auszugehen war von der streitbefangenen Honorarrückforderung. Dies ergab den festgesetzten Wert.