FG Köln, Urteil vom 03.07.2020 - 12 K 449/18
Fundstelle
openJur 2021, 280
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. VIII R 23/20
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die steuerliche Qualifikation von Erträgen aus der Rückzahlung von Anleihen als nicht steuerbares Veräußerungsgeschäft außerhalb der Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Satz 2 EStG in der Fassung ab dem 01.01.2009.

Der Kläger erwarb am 18.12.2008 Anleihen der C AG (ISIN ...) und der I AG & Co KGAA (ISIN ...). Es handelt sich hierbei um nachrangige Inhaberschuldverschreibungen mit einer Laufzeit von ca. 100 Jahren, bei welchen unstreitig eine Abgrenzung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich ist. Beide Anleihen waren so ausgestaltet, dass zunächst eine feste Verzinsung von 5% bzw. 5,375 % vorgesehen war und ab einem bestimmten Zeitpunkt (2015 bzw. 2015) eine variable Verzinsung in Abhängigkeit zum EURIBOR erfolgen sollte. Die Kapitalerträge der Schuldverschreibungen sollten mithin in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden. In beiden Fällen war es der Emittentin möglich, ab dem Zeitpunkt der Zinsumstellung die Schuldverschreibung zu kündigen und zum Nennwert zurückzuzahlen. Von dieser Möglichkeit wurde durch die jeweilige Emittentin zum erst möglichen Zeitpunkt Gebrauch gemacht, sodass am ...2015 bzw. ...2015 die Rückzahlung in Höhe der Nennwerte (C: ... €, I: ... €) erfolgte.

Darüber hinaus erwarb der Kläger am ...2008 Anleihen der M B.V. (ISIN ...), welche zum 2016 durch die Emittentin gekündigt und in Höhe des Nominalwertes von ... € zurückgezahlt wurden. Auch bei diesen Anleihen war eine feste Verzinsung für einen begrenzten Zeitraum (sog. Festzinslaufzeit), ein Sonderkündigungsrecht der Emittentin zum Ende der Festzinslaufzeit und jedem darauf folgenden variablen Zinszahlungstermin verbunden mit der Pflicht zur Rückzahlung der Anleihe zum Nennbetrag sowie eine variable Verzinsung nach Ablauf der Festzinslaufzeit bis zur Endfälligkeit vereinbart. Ebenso war auch bei diesen Anleihen unstreitig eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anleihe-Prospekte verwiesen (für die C-Anleihe: http://www... für die I-Anleihe: http://www... und für die M-Anleihe: http://www...).

Die Bank beurteilte die Rückzahlung der Anleihen jeweils als steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft, ermittelte den Gewinn nach §§ 43a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 20 Abs. 4 EStG und unterwarf diesen dem Kapitalertragsteuerabzug.

Mit den Einkommensteuererklärungen für 2015 und 2016 beantragte der Kläger, die seines Erachtens zu Unrecht einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von insgesamt ... € (2015) bzw. ... € (2016) aus diesen Vorgängen zu erstatten. Dazu reichte der Kläger, der ansonsten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung erzielte, eine Anlage KAP, die Abrechnungen über die Wertpapierkäufe vom ...2008 (M B.V.) und...2008 (C AG und I AG & Co KGAA) und die Gesamtkündigungen vom ...2015 (C AG), ...2015 (I AG & Co. KGAA) und 2016 (M B.V.) ein. In den Anlagen KAP beantragte er jeweils in der Zeile 5 eine Überprüfung des Steuereinbehaltes für bestimmte Kapitalerträge und gab hierzu in Zeile 7 unter der Kz. 10 jeweils die aus den Anleihen erzielten Veräußerungsgewinne in Höhe von insgesamt 4.614,47 € (2015) bzw. 616,33 € (2016) sowie unter Kz. 20 den seines Erachtens zutreffenden Betrag von jeweils 0 € als korrigierten Betrag an. Ergänzend führte er aus, dass es sich bei den Wertpapieren um nachrangige festverzinsliche Schuldverschreibungen -sog. Subordinated Medium-Term Notes- handle, welche nicht als echte Finanzinnovationen nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a.F. zu qualifizieren seien, da eine Trennung zwischen Kapitalstamm und Zinskupon und somit Kapitalnutzungsentgelt und Wertentwicklung des Kapitals problemlos möglich sei. Die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns scheide daher nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist aus.

Mit Schreiben vom 31.08.2016 teilte der Beklagte mit, dass der Einbehalt der Steuerabzugsbeträge durch das Finanzinstitut bei Schuldverschreibungen der vorliegenden Art zu Recht erfolgt und beabsichtigt sei, von der Einkommensteuererklärung 2015 insoweit abzuweichen, als dass eine Erstattung der Steuerabzugsbeträge nicht erfolgen würde.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 20.11.2016 den Verbleib seines Einkommensteuerbescheides 2015 erfragte, erließ der Beklagte mit Bescheiddatum 13.12.2016 den Einkommensteuerbescheid 2015 (Steuersatz 37,05%) mit besagter Abweichung im Hinblick auf die erklärten Kapitalerträge.

Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, dass es sich bei den streitgegenständlichen Anleihen aufgrund der Anschaffung vor dem 01.01.2009 um bestandsgeschützte Anteile handle, deren Veräußerung nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.12.2013 (VIII R 42/12) außerhalb der einjährigen Haltensfrist des § 23 EStG nicht steuerbar sei. Die vom Beklagten vorgenommene Einordnung der Anleihen nach § 20 Abs. 2 Nr. 4d EStG a.F. sei "völlig abwegig”, da die Wertpapiere während ihrer Laufzeit zu keinem Zeitpunkt variabel verzinslich gewesen seien.

Der Beklagte wies im Rahmen der Einspruchserörterung darauf hin, die Anleihen seien während ihrer Laufzeiten sehr wohl variabel verzinslich, da die Verzinsung ab einem festen Datum an die Geldmarktentwicklung (EURIBOR) angepasst würde. Bei den Anleihen handle es sich um sog. "unechte" Finanzinnovationen, da eine Abgrenzung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich sei. Die zu diesen unechten Finanzinnovationen ergangene Rechtsprechung, auf die sich der Kläger berufe, beträfe nur die Jahre bis 2008 und sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sich die Besteuerung von Finanzinnovationen und auch sonstiger Kapitalforderungen seit Einführung des Abgeltungssteuerverfahrens in 2009 grundlegend geändert habe. Nach § 52a Abs. 10 Satz 7 2. HS EStG in der Fassung für den Veranlagungszeitraum 2009 (seit dem 31.07.2014: § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG) seien Gewinne aus der Veräußerung oder Rückzahlung von Anleihen wie im Streitfall auch dann als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen, wenn sie vor dem 01.01.2009 angeschafft worden seien. Ein Bestandschutz stehe dem nicht entgegen, da ein solcher nach § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG 2009 nur für Schuldverschreibungen gelte, die vor dem 15.03.2007 angeschafft oder vor dem 30.06.2009 veräußert worden seien. Dies träfe auf die streitgegenständlichen Anleihen nicht zu.

Der Kläger entgegnete hierzu, für die Frage der Rechtmäßigkeit der erfolgten Kursgewinnbesteuerung müsse es auf den Erwerbszeitpunkt der Anleihen ankommen, sodass die Rechtsprechung zu den unechten Finanzinnovationen betreffend die Jahre bis 2008 anwendbar sei. Es seien daher nur die ihm während des Innehabens der Anleihen zugeflossenen Zinsen zu versteuern, was entsprechend der zum Nachweis eingereichten Zinsbescheinigungen der Jahre 2008 bis 2015 erfolgt sei. Die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG 2009 ordne die Nichtbesteuerung für erzielte Veräußerungsgewinne von Anleihen der vorliegenden Art an. Denn danach würden Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalforderungen, die noch vor dem 01.01.2009 erworben wurden und keine Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a.F. seien, nicht der Besteuerung unterworfen.

Am 08.08.2017 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid auch für 2016, in welchem er unter Bezugnahme auf die bisherigen Erörterungsschreiben für 2015 die vom Kläger für 2016 begehrte Korrektur der Einkünfte aus Kapitalvermögen um den Gewinn aus der in 2016 erfolgten Anleihenrückzahlung ablehnte.

Den daraufhin erhobenen Änderungsantrag lehnte der Beklagte mit Ablehnungsbescheid vom 18.10.2017 ab, wogegen der Kläger fristgerecht Einspruch einlegte.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 25.01.2018 wies der Beklagte die Einsprüche gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 und den Ablehnungsbescheid vom 18.10.2017 betreffend die Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2016 unter Verweis auf die bisherige Erörterung als unbegründet zurück. Ergänzend führte der Beklagte aus, das BFH-Urteil vom 17.12.2013 (a.a.O.), auf welches sich der Kläger berufe, sei nur bedingt auf den Streitfall anzuwenden. Streitjahr des BFH-Urteils sei das Jahr 2008. Somit habe die Entscheidung des BFH noch die alte Rechtslage vor Einführung der Abgeltungssteuer in 2009 betroffen. Auf die streitigen Veräußerungsvorgänge aus 2015 und 2016 sei hingegen -unter Beachtung der geltenden Übergangsregelungen- die neue Rechtslage anzuwenden. Die Anleihen des Klägers bei der I AG & Co. KG a.A., der C AG und der M B.V. seien mit den Anleihen im zitierten Urteilsfall zwar grundsätzlich vergleichbar, da sie hinsichtlich der Verzinsung und Kündigungsmöglichkeit der Emittentin ähnlich ausgestaltet gewesen seien. Der BFH verneine das Vorliegen einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a.F. allein aufgrund der Tatsache, dass keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene vorliege. Auf diese Rechtsprechung habe der Gesetzgeber jedoch mit der Einführung des § 52a Abs. 10 S. 7 letzter HS EStG durch das Jahressteuergesetz 2009 reagiert und geregelt, dass eine Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a.F. auch vorliege, wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich scheine. Der Argumentation des Klägers, dass die vorliegenden Anleihen unter § 52a Abs. 10 S. 7 1. HS EStG fallen würden und deshalb bestandsgeschützt seien, sei aufgrund dieser Gesetzesänderung nicht zu folgen. Diese Änderung sei durch den BFH in dem vom Kläger angeführten Urteilsfall noch nicht zu berücksichtigen gewesen, da sie erst für Veranlagungszeiträume ab 2009 eingeführt worden sei. Die Gewinne aus den Anleihen-Rückzahlungen seien daher zur Recht als Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, die Gewinne aus den in den Streitjahren erhaltenen Anleihen-Rückzahlungen als nicht steuerbaren Wertzuwachs in seinem Privatvermögen zu qualifizieren. Der Sachverhalt sei, so der Kläger, unstreitig und vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung zutreffend dargestellt. Allerdings verkenne der Beklagte, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 20.01.2006 VIII R 97/02; 20.11.2006 VIII R 43/05, sowie vom 12.12.2006 VIII R 62/04, VIII R 79/03 und VIII R 6/05) derartige realisierte Wertveränderungen aufgrund einer gebotenen teleologischen Reduktion bzw. verfassungskonformen Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 2 EStG a.F. nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren seien und sich hieran auch durch die Einführung der Abgeltungssteuer nichts geändert habe. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 (BGBI 1993, 2310) nicht jegliche Wertveränderung im Vermögensstamm, sondern lediglich solche Kapitalanlagen erfassen wollen, bei denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert worden seien. Dies sei bei den Anleihen, aus denen die streitigen Rückzahlungen erfolgt seien, nicht der Fall. Diese seien zwar als sog. unechte Finanzinnovationen anzusehen, nach der Rechtsprechung des BFH sei jedoch mangels Vermengung von Vermögens- und Ertragsebene der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. nicht eröffnet. Die streitgegenständlichen Anleihen seien daher in die Kategorie "sonstige Kapitalforderungen" einzuordnen, deren Veräußerung nur im Rahmen des § 23 EStG steuerbar sei. Dem entspreche auch die Klassifikation der Anleihe laut den Fachinformationen der WM-Datenbank (Bl. 45-55 d. FG-Akte). Für Gewinne aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen bestimme die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 S. 6 EStG 2009, dass § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG 2009 erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden sei. Dies gelte nach § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 jedoch nicht für solche Kapitalforderungen, die sonstige Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 gültigen Fassung darstellen würden, es sei denn, es handle sich um eine Finanzinnovation nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG a.F. Da die vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätze auch im Rahmen der Übergangsregelung des § 52a EStG zu berücksichtigen seien, würden die streitgegenständlichen Anleihen für die Anwendung von § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 nicht als Finanzinnovationen gelten und könnten mithin nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist steuerfrei veräußert werden, wenn der Anschaffungszeitpunkt vor dem 01.01.2009 liege.

Soweit sich der Beklagte im Klageverfahren erstmalig auf ein Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30.01.2018 (Az. 13 K 2430/16 E) beziehe, verfange dies nicht. Der Urteilsfall behandele eine andere Klasse von Wertpapieren, nämlich "Callable Cumulative Coupon Inverse Floating Rate Notes with Interest linked to 6-month-EURIBOR" (kurz: Reverse Floater), d.h. Wertpapiere, die explizit auf die Entwicklung der kurzfristigen Geldmarktzinsen spekulieren würden. Diese Reverse Floater hätte auch die Finanzverwaltung nicht länger als Finanzinnovationen angesehen. Nach dem BMF-Schreiben vom 18.07.2007 (Az. IV B 8-S 2252/0, BStBl. 2007, 548) habe lediglich die genaue Prüfung der Ausgestaltung des jeweiligen Papieres nicht durch die Bank für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzuges, sondern erst durch den Steuerpflichtigen im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu erfolgen. Im Übrigen bestünden auch hinsichtlich der Zulässigkeit der Rückwirkung durch die Modifikation der Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG i.d.F. des JStG 2009 erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm. Bereits bei Bekanntgabe der Urfassung des § 52a Abs. 10 S. 7 i.d.F. des UntStRefG 2008 vom 14.08.2007 sei diedamals neuere- Rechtsprechung des BFH in Bezug auf den Umgang mit Finanzinnovationen dem Gesetzgeber bekannt gewesen. In der Gesetzesbegründung sei dazu ausgeführt worden, dass auf die Trennung zwischen der Besteuerung des Vermögensstamms und des Ertrags nach wie vor Wert gelegt werden sollte. Dem Gesetzgeber sei also zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst gewesen, wie der Umgang mit entsprechenden zinstragenden Wertpapieren künftig geregelt werden sollte. Unvorhergesehenerweise sei durch das JStG 2009 mit dessen Bekanntgabe am 19.12.2008 ein Halbsatz 2 angefügt worden, der praktisch als Nichtanwendungsgesetz fungieren sollte. Auch wenn die einjährige Haltefrist des § 23 EStG bei den im Streitfall angeschafften Wertpapieren noch nicht abgelaufen gewesen sei, als sich die Vorschrift des § 52a Abs. 10 S. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 durch das Anfügen eines Halbsatzes 2 verschärft habe, sei der Erwerb doch im Vertrauen darauf erfolgt, dass die besagten Anleihen nach Ablauf der entsprechenden Haltefrist ohne steuerliche Relevanz hätten veräußert werden können. Insoweit seien die Dispositionen des Klägers auch durch die steuerliche Beurteilung der von ihm im Jahr 2008 erworbenen unechten Finanzinnovationen beeinflusst worden, was durch den Gesetzgeber in verfassungsrechtlich bedenklicher Art wieder zunichte gemacht worden sei. Auch begegne die unterschiedliche steuerliche Behandlung ähnlich gelagerter Finanzinstrumente verfassungsrechtlichen Bedenken. So würden nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 5 EStG a.F. rentenähnliche Genussscheine und Gewinnobligationen ausdrücklich keine Finanzinnovationen darstellen. Dies habe die Finanzverwaltung zwar zunächst anders gesehen (vgl. Rz. 319 BMF vom 09.10.2012, BStBl. I 2012, 53) und für diese Art Wertpapiere keinen Bestandsschutz gewähren wollen. Nachdem der BFH jedoch mit Urteil vom 12.12.2012 (I R 27/12) der Auffassung des BMF widersprochen habe, hätte das BMF mit Schreiben vom 12.09.2013 (BStBl. I 2013, 1167) seine Auffassung insoweit geändert und die Rechtsprechung des BFH seitdem im Besteuerungsverfahren angewendet (Gewährung des Bestandsschutzes für obligationsähnliche Genussrechte und Gewinnobligationen).

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 13.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.01.2018 dahingehend abzuändern, dass die Gewinne aus der Rückzahlung der Anleihen der C AG (ISIN ...) in Höhe von 3.035,89 € und der I AG & Co KGAA (ISIN ...) in Höhe von 1.578,58 € mit jeweils 0 € als Einkünfte aus Kapitalvermögen und die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge in Höhe von 1.217,06 € berücksichtigt werden;

den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 08.08.2016 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 18.10.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.01.2018 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus der Rückzahlung der Anleihen der M B.V. (ISIN ...) in Höhe von 616,33 € mit 0 € als Einkünfte aus Kapitalvermögen und die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge in Höhe von 162,55 € berücksichtigt werden;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist vollumfänglich auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend beruft er sich auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30.01.2018 (Az. 13 K 2430/16 E), welches die von ihm vertretene Rechtsauffassung bestätige und auf den Streitfall übertragbar sei. Denn sowohl die hier streitigen Anleihen, als auch die Anleihen in dem Urteilsfall seien laut WM Datenbank als "floating rate notes" geschlüsselt. In beiden Fällen sei nach einer gewissen festverzinslichen Phase ein Wechsel zu einem variablen Zinssatz vorgesehen gewesen, der in Abhängigkeit vom EURIBOR bestimmt worden sei. Die Länge der jeweiligen Zinsphasen sei dabei unerheblich. Der Beklagte sehe den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG i.V.m. § 52a Abs. 10 S. 7 2. HS EStG genau wie das FG Düsseldorf als erfüllt an. Der Hinweis des Klägers auf das BMF-Schreiben vom 18.07.2007 gehe fehl, da die Regelungen des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG und § 52a Abs. 10 S. 7 2. HS EStG 2009 erst nach Erlass dieses BMF-Schreibens eingeführt worden seien und die Besteuerung von Anleihen mit möglicher Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene sicherstellen sollten. Somit sei eindeutig, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzverwaltung eine Einordnung dieser Wertpapiere als Finanzinnovationen gewollt hätten.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid sowie der angefochtene Ablehnungsbescheid -jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung- sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 100 Abs. 1 Satz 1, 101 der Finanzgerichtsordnung - FGO). Der Beklagte hat die vom Kläger erzielten, der Höhe nach unstreitigen Gewinne aus der Rückzahlung der streitgegenständlichen Anleihen zu Recht als steuerpflichtig behandelt und es daher auch zu Recht abgelehnt, die Veräußerungsgewinne mit einem Betrag von null Euro in die Steuerfestsetzung einzubeziehen.

1. Nach § 43 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 32d Abs. 4 EStG können auf Antrag des Steuerpflichtigen die der Kapitalertragsteuer unterworfenen Kapitaleinkünfte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung durch das Finanzamt nach dem Berechnungsmodus und mit dem besonderen Steuersatz des § 32 d Abs. 1 EStG besteuert werden. Hierdurch wird eine Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Steuereinbehaltes durch das Finanzamt im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ermöglicht unter Einbeziehung von Umständen, die beim Kapitalertragsteuerabzug durch die Kreditinstitute nicht berücksichtigt worden sind bzw. berücksichtigt werden konnten.

2. Die Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG führt im Streitfall aber zu einer Berücksichtigung genau des bislang nach § 43 Abs. 5 EStG abgegoltenen Einkommensteuerbetrags, sodass für eine Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2015 bzw. für eine Verpflichtung des Beklagten zur Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2016 kein Raum ist. Denn die in den Streitjahren jeweils vereinnahmten Gewinne aus der Rückzahlung der Anleihen sind als gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in der Fassung der Streitjahre (im Folgenden: n.F.) steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren.

a) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. erfasst die Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des Absatzes 1 Nummer 7.

aa) Eine sonstige Kapitalforderung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. liegt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage vor, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Im Streitfall sind sowohl die Voraussetzungen der ersten Alternative ("Rückzahlung zugesagt") als auch der zweiten Alternative ("Entgelt zugesagt") des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG n.F. erfüllt, da sowohl eine Rückzahlung der Anleihen zum Nennwert als auch ein Entgelt für die Überlassung des Kapitals in Gestalt einer Verzinsung vereinbart war.

bb) Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. sind ebenfalls erfüllt, da der Kläger die Anleihen und damit Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. veräußert hat. Denn als Veräußerung in diesem Sinne gilt nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ausdrücklich auch deren Einlösung oder Rückzahlung.

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. auch unter Beachtung der Anwendungs- und Übergangsvorschriften zur Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne nach der in den Streitjahren gültigen Fassung des § 52 Abs. 28 Sätze 15 bis 17 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl. I 2014, 1266 (zuvor § 52a Abs. 10 Sätze 6 bis 8 EStG) vor.

a) Nach § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG n.F. ist die im Zuge des UntStRefG 2008 eingefügte Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, welche erstmals die umfassende Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalforderungen jeder Art in den Tatbestand des § 20 EStG vorsieht, auf alle nach dem 31.12.2008 zufließenden Veräußerungserlöse -und damit auch auf die in den Streitjahren zugeflossenen Erlöse aus den Anleihen -Rückzahlungen- anzuwenden.

b) Die in § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG n.F. vorgesehene Ausnahme von diesem Grundsatz greift im Streitfall nicht.

aa) So sieht zwar § 52 Abs. 28 Satz 16 Halbsatz 1 EStG n.F. eine Ausnahme von dieser Steuerpflicht für solche Kapitalerträge vor, die aus Kapitalforderungen stammen, die vor dem 01.01.2009 erworben wurden und zum Erwerbszeitpunkt als Forderungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der bis zum 31. 12.2008 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) nicht aber als Kapitalforderungen i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. anzusehen waren. Mit der Ausnahmevorschrift verfolgte der Gesetzgeber im Rahmen des UntStRefG zunächst das Ziel, dass Veräußerungsvorgänge im Bereich von Kapitalforderungen, die bis zum 31.12.2008 nicht steuerbar waren, es nicht allein deshalb werden sollten, weil sie nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden (vgl. BR-Drucks. 220/07, 27 und 120; BT-Drucks. 16/5491, 21 f.). Dies sollte dementsprechend nicht für die bereits zuvor steuerpflichtigen Veräußerungen von Finanzinnovationen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG gelten. Hierunter fallen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4d) EStG a.F. auch Schuldverschreibungen, Schuldbuchforderungen und sonstige Kapitalforderungen mit Zinsscheinen oder Zinsforderungen, bei denen Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe oder für unterschiedlich lange Zeiträume gezahlt werden. Im Hinblick darauf, dass bei der Emission der streitgegenständlichen Anleihen ab einem bestimmten Zeitpunkt ein variabler, vom EURIBOR abhängiger Zinssatz vereinbart worden war, fallen die streitgegenständlichen Anleihen unter den Wortlaut dieser Vorschrift. Allerdings hat der BFH in den vom Kläger angeführten Urteilen die sog. unechten Finanzinnovationen, bei denen -wie bei den streitgegenständlichen Anleihen- eine Unterscheidung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich ist, aus dem Anwendungsbereich dieser Norm im Wege einer teleologischen Reduktion ausgenommen. Dies hat zur Folge, dass in Ansehung der Rechtsprechung des BFH bei unechten Finanzinnovationen wie den streitgegenständlichen Anleihen die Voraussetzungen des 1. Halbsatz der Ausnahmevorschrift grundsätzlich erfüllt sind.

bb) Jedoch bestimmt der letzte Halbsatz dieser Vorschrift, dass Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung auch dann vorliegen sollen, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint. Diese Ergänzung ist im Zuge des Jahressteuergesetzes (JStG) 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794) erfolgt. Denn der Gesetzgeber hatte erkannt, dass andernfalls die Anwendung des Abgeltungssteuerverfahrens von einer Einzelfallprüfung der jeweiligen Anleihebedingungen abhängig gewesen wäre, um herauszufinden, ob die Anleihen zum Erwerbszeitpunkt dem Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. unterfallen wären (vgl. die Ausführungen in der BT-Drucks. 16/10189, 66 ff.). Aufgrund der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten und unüberschaubaren Zahl von Finanzinnovationen seien derartige Differenzierungen im Massengeschäft der Kreditwirtschaft für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs nicht darstellbar. Würde man die Differenzierungen der Rechtsprechung nach Einführung des Abgeltungssteuerverfahrens im Veranlagungsverfahren vornehmen, würde dies wiederum zu einer Vielzahl von Veranlagungsfällen führen, in denen eine Einzelfallprüfung mitunter sehr komplizierter Finanzinstrumente vorzunehmen wäre. Dadurch würde jedoch der mit der Abgeltungssteuer angestrebte Vereinfachungszweck konterkariert. Um dies zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG (jetzt § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG n.F.) im Zuge des JStG 2009 vom 19. 12.2008 durch Anfügung eines Halbsatzes 2 dahingehend "nachgebessert", dass Kapitalforderungen i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. auch dann vorliegen sollen, wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint. Kraft dieser Fiktion werden daher für Zwecke der zeitlichen Anwendungsvorschriften echte und unechte Finanzinnovationen gleichgestellt.

Vor diesem Hintergrund sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Übergangsregelung und dem Willen des Gesetzgebers, wie er in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) zum Ausdruck kommt, im Rahmen der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG n.F. Kapitalerträge aus Finanzinnovationen, die vor dem 31.12.2008 erworben wurden, nicht von der Abgeltungssteuer ausgenommen, ohne dass es auf die genaue Ausgestaltung und eine Trennbarkeit von Ertrags- und Vermögensebene ankommt. Denn eben diese Differenzierung der Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber unter dem Abgeltungssteuerverfahren vermeiden.

c) Die Voraussetzungen der weiteren Ausnahmevorschrift des § 52 Abs. 28 Satz 17 EStG liegen ebenfalls -unstreitig- nicht vor, da es sich vorliegend nicht um Vollrisikozertifikate handelt.

Der -der Höhe nach nicht streitige- Gewinn wurde daher vom Beklagten zu Recht als steuerpflichtiger Kapitalertrag qualifiziert und durch den erfolgten Steuereinbehalt abgeltend besteuert (§ 32d Abs. 1 EStG).

3. Diesem Ergebnis stehen im Streitfall nach Auffassung des erkennenden Senates auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.

a) So verstößt die Einfügung des § 52a Abs. 10 Satz 7 2. Halbsatz EStG durch das JStG 2009 (jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 16 letzter HS) nicht gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutzgrundsatz.

aa) Nach der Auffassung des Gesetzgebers handelt es sich bei der Einfügung des § 52a Abs. 10 Satz 7 2. Halbsatz EStG durch das JStG 2009 um den Fall einer unechten Rückwirkung, da in der Vergangenheit liegende Anschaffungen betroffen sein könnten, aber die Rechtsfolgen erst bei Veräußerungen ab dem 01.01.2009 eintreten würden (vgl. auch insoweit die Ausführungen in der BT-Drucks. 16/10189, 66 ff.). Derartige unechte Rückwirkungen seien nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich zulässig. Ein überwiegend schutzwürdiges Vertrauen der Bürger stehe der Beseitigung der Steuerfreiheit nicht entgegen. Zum einen könne sich ein Vertrauen auf die Nichtsteuerbarkeit bestimmter Finanzinnovationen nur bei deren Anschaffung nach Bekanntwerden der angeführten Rechtsprechung des BFH gebildet haben. Darüber hinaus sei von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an einer einfachen und praktikablen Abgeltungssteuer auszugehen. Schließlich sei auch zu beachten, dass sich die vorliegende Regelung im Verlustfall zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirke.

bb) Soweit in der Literatur die Frage aufgeworfen wird, ob der Vertrauensschutzgrundsatz nicht zumindest für solche unechte Finanzinnovationen gelten müsse, die in der Zeit zwischen der Bekanntgabe des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG in der ursprünglichen Fassung vom 14.08.2007 und der Bekanntgabe der um den Halbsatz 2 ergänzten Neufassung vom 19.12.2008 angeschafft wurden (vgl. etwa Haberland, BB 2014, 2328, 2332), ist dem nach Auffassung des erkennenden Senats Folgendes entgegenzuhalten (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2018 13 K 2430/16 E, EFG 2018, 1179):

(1) Da vorliegend die belastende Rechtsfolge der Norm erst nach ihrer Verkündung eingetreten ist, diese tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst wurde ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt entsprechend den Ausführungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung eine sog. "unechte" Rückwirkung vor (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 127, 1).

(2) Eine solche unechte Rückwirkung ist indes nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den, dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1).

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist, und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1).

(3) Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 07.07.2010 2 BvL 14/02 (BVerfGE 127, 1) betreffend die Verlängerung der Spekulationsfrist bei Grundstücken von zwei auf zehn Jahre ausgeführt, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist für bereits nach altem Recht erworbene Grundstücke gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt und nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden sind und die nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Es hat dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verlängerung gehabt, soweit die zweijährige Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG a.F. im Zeitpunkt der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 noch nicht abgelaufen war. Zwar könne die Entscheidung für den Erwerb eines Grundstücks im einzelnen Fall maßgeblich von der Erwartung bestimmt sein, einen etwaigen Veräußerungsgewinn nach Ablauf von zwei Jahren steuerfrei vereinnahmen zu können. Dies gehe jedoch über die allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde unverändert bleiben, nicht hinaus. Es würden insoweit die besonderen Momente der Schutzbedürftigkeit fehlen, derentwegen der Gesetzgeber verpflichtet sein könnte, bei der Bestimmung des zukünftigen Steueraufkommens auf Erwartungen der Steuerpflichtigen bei zurückliegenden Dispositionen Rücksicht zu nehmen. Die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründe keine (vertrauens-)rechtlich geschützte Position. Mit Wertsteigerungen könne im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden, so dass auch die Enttäuschung der Hoffnung auf künftige steuerfreie Vermögenszuwächse nicht als Beeinträchtigung greifbarer Vermögenswerte zu werten sei.

(4) Überträgt man die Grundsätze dieser Entscheidung auf den Streitfall, liegt kein Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz vor. Der Kläger hat die hier maßgeblichen Anleihen am 25.07.2008 bzw. 18.12.2008 erworben. Etwaige Veräußerungsgewinne waren bis zur Verkündung des JStG 2009 am 19.12.2008 noch steuerverhaftet, da zu diesem Zeitpunkt die Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG noch nicht abgelaufen war. Der vorliegende Fall ist daher mit der im BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 2 BvL 14/02 (BVerfGE 127, 1) behandelten Fallgruppe vergleichbar, dass die nach einem Grundstückskauf noch nicht abgelaufene Spekulationsfrist durch eine gesetzliche Neuregelung verlängert wird. Auch mit der Einfügung des § 52a Abs. 10 Satz 7 2. Halbsatz EStG ist die Steuerverhaftung, die zuvor bereits nach § 23 EStG bestanden hatte, verlängert und in die Norm des § 20 EStG verlagert worden. Hinsichtlich der Erwerbe vom 18.12.2008 kommt noch hinzu, dass diese nur einen Tag vor Verkündung des JStG erfolgt sind.

b) Es ist nach Auffassung des erkennenden Senates auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG erkennbar. Art. 3 Abs. 1 GG ist nur verletzt, wenn sich bei der Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des BVerfG vom 23.10.1951 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 52). Ausweislich der Gesetzesbegründung (a.a.O.) hat der Gesetzgeber eine Gleichstellung von echten und unechten Finanzinnovationen im Rahmen der Übergangsregelung für erforderlich gehalten, um im Hinblick auf die Vielzahl von Produktvarianten unter den Finanzinnovationen den mit dem Abgeltungssteuerverfahren erstrebten Vereinfachungseffekt unter Vermeidung von Besteuerungslücken, die bei einer Ausklammerung sämtlicher vor dem 31.12.2008 erworbener Finanzinnovationen entstanden wären, zu erreichen. Dies ist -unabhängig davon, ob es sich bei den vom Kläger angeführten Genussrechten überhaupt um in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vergleichbare Anlagen handelt- nach Auffassung des Senates ein hinreichender sachlicher Grund, die hieraus erzielten Veräußerungsgewinne ab dem erfolgten Systemwechsel zur Abgeltungsbesteuerung anders zu behandeln als solche aus den vom Kläger angeführten Genussrechten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.

5. Die Revision war zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG i.d.F. des JStG 2009 gegen das Rückwirkungsverbot und den Gleichheitssatz verstößt, hat grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.